© 2005 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/0040-5930.62.7.473 Band 62, 2005 Heft 7 Therapeutische Umschau Schweiz. Herz- und Gefäßzentrum Bern, Universitätsspital Bern, Bern Herztransplantation – Indikation, Vorgehen, Chancen und Probleme P. Mohacsi, Th. Carrel Zusammenfassung Die Herztransplantation (HTx) stellt eine etablierte Behandlungsmethode für die terminale und medikamentös voll ausbehandelte Herzinsuffizienz dar. Dank den Fortschritten in der medikamentösen, elektrischen (implantierbarer Kardiodefibrillator (ICD), Kardialen Resynchronisationstherapie (CRT)) und mechanischen Device-Therapie (Herzpumpen = ventricular assist device (VAD)) gibt es heute vermehrt Alternativen zur HTx. Dies entschärft die Spendeorganknappheit etwas. Da die genannten Alternativen jedoch das Problem zeitlich oft nur hinauszögern, bleibt die HTx auch künftig oft die Therapie der Wahl, vor allem bei jüngeren Patienten. Die notwendige Zeit für die erforderliche Medikamenten-Optimierung, eine sorgfältige HTx-Evaluation (Ausschluss einer Kontraindikation), der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses nach vollständiger Information über Vor- und Nachteile der HTx und Patientencharakteristika, wie Blutgruppe und Gewicht, beeinflussen die benötigte Zeit bis zur erfolgten HTx, weshalb eine rechtzeitige Zuweisung der HTx-Kandidaten ratsam ist. Indikation Die Herztransplantation (HTx) ist heutzutage eine etablierte therapeutische Option für Patienten mit terminaler Herzerkrankung, die bezüglich Lebensqualität oder Lebenserwartung massiv beeinträchtigt sind [1]. Eine klare Evidenz, wann eine solche Operation effektiv durchgeführt werden soll, gibt es hingegen nicht, da für die HTx bislang keine eigentlichen randomisierten, prospektiven Studien vorliegen. Es ist zudem relativ schwer festzulegen, wann der richtige Zeitpunkt für eine Listung im Hinblick auf eine HTx vorhanden ist [2]. Beim Abwägen des Listungszeitpunktes muss nämlich im Gegensatz zu anderen Operationen immer auch der Mangel an Herzen berücksichtigt werden. Weitere Parameter, wie Blutgruppe und Körpergewicht, sind ebenfalls Faktoren, die die Wartezeit beeinflussen. Die medikamentösen Möglichkeiten der Herzinsuffizienz-Therapie haben sich in den letzten Jahren massiv verbessert, sodass es nicht immer einfach ist, zwischen «Herzersatzverfahren» (HTx oder künstliche Herzpumpen [3]) und konservativer Therapie (Medikamente [4, 5], Compliance-Schulung [6]) abzuwägen. Auch werden verschiedene implantierbare «Devices» immer häufiger angewendet (kardiale Resynchronisationstherapie (CRT), implantierbarer Kardiodefibrillator (ICD)), die sowohl die Lebensqualität wie auch die Lebenserwartung verbessert haben [7–10]. Ausgeklügelte künstliche HerzpumpSysteme (ventricular assist devices (VADs)) für den Langzeitgebrauch (sog. destination therapy) sind kurz vor der Einführung und könnten künftig den Stellenwert der HTx ebenfalls konkurrenzieren [3]. Trotzdem ist die allogene HTx nach wie vor eine wichtige Therapiemöglichkeit, die bei terminalem chronischem Herzversagen eine neue Lebensperspektive ermöglicht und in der Schweiz eine Überlebenswahrscheinlichkeit von zirka 50% zehn Jahre nach erfolgter HTx aufweist. Als Nachteil gilt nach wie vor das Problem der Immunsuppression mit den Risiken einer Abstoßung, Infektion, TransplantatVaskulopathie, gehäufter Tumoren (vor allem Lym- 473 Therapeutische Umschau Abbildung 1 Band 62, 2005 Heft 7 Herztransplantation: Indikation. phome), bis hin zu den eigentlichen Nebenwirkungen der Immunsuppressiva (Hypertonie, Neuro- und Nephrotoxizität, Diabetes mellitus, Osteoporose, um nur die wichtigsten zu nennen) [1]. HTx wurden weltweit seit 1967 in rund 85 000 Fällen durchgeführt. Die Ein-Jahres-Überlebenschance beträgt an renommierten Zentren ca. 85% [1]. Im Gegensatz zu der häufig geäußerten Meinung, dass die Zahl der HTx weltweit abgenommen hat, ist die Zahl der jährlich durchgeführten HTx in den USA und in Europa stabil (ungefähr 5000 HTx pro Jahr). Wann muss an eine Herztransplantation gedacht werden? 474 Die Listungskriterien für eine HTx werden aktuell von der International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT) überarbeitet und sollten bis Mitte 2005 publiziert sein. Die bis anhin angewendeten Indikationskriterien wurden vor gut zehn Jahren publiziert [11, 12] und beinhalten im Wesentlichen den Grundsatz, dass ein(e) PatientIn mit terminaler Herzinsuffizienz unter maximaler medikamentöser Therapie (ACE-Hemmer, Betablocker, Aldosteron-Inhibition) [13] eine deutlich reduzierte Lebensqualität (gemeint ist vor allem die reduzierte Leistungsfähigkeit) [14, 15] und eine limitierte Lebenserwartung aufweist (Abb. 1). Ein nicht behandelbarer Infekt, das Vorliegen einer Neoplasie, respektive schwere systemische Erkrankungen sind Kontraindikationen [11]. Die biologische Altersgrenze liegt zwischen 65 und 70 Jahren (Abb. 2). In den 80er und 90er-Jahren bestand die Meinung, dass PatientInnen auf einer HTx-Warteliste üblicherweise eine 50%ige Mortalität innert sechs Monaten aufweisen sollten. Die Prognose abzuschätzen ist jedoch außerordentlich schwierig. Diesbezüglich gibt es nur wenige Arbeiten wie diejenige von Aaronson und Mancini (sog. Heart Failure Survival Score = HFSS) [16] und diejenigen von Deng [17, 18]. Schlechte prognostische Faktoren sind das Vorhandensein einer ko- ronaren Herzkrankheit (Kardiomyopathie-Patienten haben üblicherweise eine bessere Prognose [19]), ein stark dilatiertes Herz (LVEDD über 85 mm), das Vorliegen einer Sinustachykardie in Ruhe, respektive hypotone systemische Blutdruckwerte mit häufig vorliegender konsekutiver Niereninsuffizienz, um nur die wichtigsten zu nennen [16]. Der HFSS wurde allerdings in der Prae-MADIT II-Ära festgelegt. Die MADIT II Studie untersuchte den Effekt eines ICD auf den Survival bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit und einer Auswurffraktion von weniger als 30% [9]. Die Studie führte dazu, diese Patienten nun gehäuft mit einem ICD zu versorgen. Der günstige Effekt des ICD auf die Mortalität wird im HFSS nicht berücksichtigt, da damals die Studiendaten noch nicht bekannt waren. Eine neue Untersuchung zeigt, dass die Kombination des BNP und CRP das Mortalitätsrisiko ebenfalls gut umschreiben kann [20]. Weder die letztgenannte Studie noch die Implementierung des BNP in die Risikostratifizierung sind bislang beim Abwägen der HTx-Listungskriterien berücksichtigt worden [21, 22]. Trotz den vorgenannten kritischen Bemerkungen ist es in den meisten Fällen klar, welcher Patient für eine HTx vorgesehen werden muss: Es handelt sich oft um Patienten im schweren Low Output, die zudem bis zur HTx relativ häufig mechanisch mittels eines VAD «gebridged» werden müssen und im Rahmen des Low Output ansonsten eine progrediente Niereninsuffizienz entwickeln. Diese Tatsache führte dazu, dass in den letzten Jahren vermehrt Patienten auf der sogenannten Dringlich-Liste herztransplantiert wurden. Die neuste Entwicklung im Rahmen der Schweizerischen Transplantationsgesetzgebung wird dazu führen, dass Dringlich-Kriterien noch strenger gehandhabt werden. Mittels einer zentralen Organallokation und einer Audit-Gruppe soll die Zuteilung der wenigen Herzofferten noch klarer gehandhabt werden. Eine hundertprozentig «gerechte» Organallokation wird jedoch bei Vorliegen von zu wenig Herzen philosophisch gesehen nicht möglich sein [23]. Aus diesem Grund wäre eine verbesserte Organspendebereitschaft à la Spanien wünschenswert. Die Indikation für eine HTx wird letztlich an Abbildung 2 Herztransplantation: Kontraindikation. Band 62, 2005 Heft 7 einem HTx-Zentrum «im Team» im Rahmen eines interdisziplinären Kolloquiums gestellt. Vorgehen Bei Patienten, bei denen eine HTx erwogen wird, muss zuerst eine sorgfältige Evaluation durchgeführt werden. Eine «Notfall-HTx» ist allein schon aus diesem Grund nicht möglich. Patienten müssen medizinisch wie auch psychisch im Hinblick auf eine allfällige HTx sorgfältig vorbereitet werden. Allein das psychische Verarbeiten der geplanten HTx benötigt pro Patient mehrere Stunden an Informationsgesprächen. Der Hausarzt wie auch vor allem die Angehörigen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Nebst den eingangs erwähnten Kontraindikationen muss vor allem auch an den pulmonalen Gefäßwiderstand gedacht werden. Ein hoher pulmonaler Gefäßwiderstand wird zu einem erheblichen Risiko unmittelbar nach der Herztransplantation, da das von der kalten Ischämie geschwächte rechte Spenderherz den hohen pulmonalen Gefäßwiderstand nicht toleriert und ein postoperatives Rechtsherz-Versagen mit einem sehr hohen Mortalitätsrisiko verbunden ist [11]. Aus diesem Grund muss im Rahmen des Rechtsherz-Katheters der pulmonale Gefäßwiderstand sorgfältig bestimmt werden und bei erhöhten Werten (PVR über 240 dyn • sec • cm -5) eine Testung der Reversibilität mittels Prostacyklin oder NO durchgeführt werden. Zwischenzeitlich wissen wir, dass vor der HTx-Listung der Einsatz eines provisorischen oder langfristigen Ventricular Assist Device-Unterstützungs-Systems einen vermeintlich fixierten hohen pulmonalen Gefäßwiderstand oft wieder revertieren kann. Sind die Patienten im Rahmen des interdisziplinären HTx-Kolloquiums besprochen worden, so werden sie anlässlich einer «HTx-Tour» mit den entsprechenden Institutionen des Zentrums in Kontakt gebracht (Intensivstation, Abteilung der Herz- und Gefäßchirurgie, Physiotherapie) und während der Warteliste monatlich kontrolliert. Chancen und Probleme Es ist empfehlenswert, allfällige HTx-Kandidaten dem HTx-Zentrum rechtzeitig zuzuweisen. Eine Untersuchung in Kalifornien ergab, dass etwa 2/3 aller für eine HTx zugewiesenen Patienten medikamentös stabilisiert werden können (Pseudo-therapierefraktäre Herzinsuffizienz) [5]. Ferner kann in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, so dass bei Notwendigkeit einer HTx nachvollziehbare Ängste des Patienten möglichst abgebaut sind. Allfällige HTxKandidaten erhalten auch die Gelegenheit, mit bereits operierten Patienten detailliert sprechen zu können. Bei medikamentös austherapierten HTxKandidaten ist die HTx eine echte Chance, während Therapeutische Umschau 10–25 Jahren wieder zu einer vernünftigen Lebensqualität zu gelangen und eine neu geschenkte Lebensperiode anzufügen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die obgenannten Nebenwirkungen der Immunsuppression und die während des ersten postoperativen Jahres häufigen Kontrollen am Zentrum für die Patienten recht belastend sein können. Literatur 1. Taylor DO, Edwards LB, Mohacsi PJ, et al. The Registry of the International Society for Heart and Lung Transplantation: Twentieth Official Adult Heart Transplant Report – 2003. J Heart Lung Transpl 2003; 22: 616–24. 2. 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This explains why HTx remains the last option for a substantial number of especially younger severe heart failure patients with upcoming renal failure. It is very recommendable to refer such kind of patients to university-based and specialized advanced heart failure and cardiac transplant centers, in time. This allows the introduction of optimal medical therapy, the careful medical and psychological evaluation and preparation of the considered HTx, as well as the full information procedure which has to be delivered to HTx candidates. HTx candidates should be aware about outcome numbers, medication toxicities, complications of immunosuppression, as well as the ever-present threat of cardiac allograft vasculopathy, infections and neoplasias after HTx. Korrespondenzadresse: PD Dr. Paul Mohacsi, Leitender Arzt, Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Schweiz. Herz- und Gefäßzentrum Bern, Universitätsspital Bern, Inselspital, CH-3010 Bern E-mail: [email protected] 476
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