InsIchgeschäfte - wIe vorgehen?

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november 2015
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recht interessant
Rechtinteressant
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Insichgeschäfte - wie vorgehen?
(3. Teil)
Insbesondere bei kleineren Unternehmen werden viele Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und dem einzigen Aktionär
und Inhaber abgeschlossen, wobei der Inhaber für beide Parteien unterzeichnet, also faktisch Geschäfte mit sich selbst abschliesst (sog. Insichgeschäfte). Diese können rechtlich heikel sein. Worauf ist zu achten? Wir zeigen in diesem Artikel einige
wesentliche Punkte auf.
Der auf 1. Januar 2008 in Kraft gesetzte Art. 718b OR¹ wird im Geschäftsalltag oft vergessen. Dabei kann seine Nichtbeachtung
gravierende Folgen nach sich ziehen.
Gesetzestext
"Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so
muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die
Leistung der Gesellschaft den Wert von 1'000 Franken nicht übersteigt."
Grundsätzliches
Das Insichgeschäft gilt als Oberbegriff für die Tatbestände des Selbstkontrahierens und der Doppelvertretung. Beim Selbstkontrahieren erfolgt der Vertragsschluss durch den Vertreter mit sich selbst als Vertragspartner. Im Fall der Doppelvertretung vertritt der
Vertreter gleich beide Vertragsparteien. Für die Begriffsbestimmung und die rechtliche Behandlung spielt es keine Rolle, ob es sich
um eine rechtsgeschäftliche oder um eine organschaftliche Vertretung handelt (Die Doppelvertretung im Aktienrecht, Bemerkungen von R. Strässle/H.C. von der Crone zu BG-Urteil 4A_360/2012 vom 3.12.2012 in SZW/RSDA 4/2013).
Es ist offensichtlich, dass bei solchen Konstellationen Interessenkonflikte entstehen können. Es besteht bei solchen Geschäften häufig die Gefahr, dass der Vertragsinhalt nicht den Marktbedingungen entspricht und eine Vertragspartei mehr oder weniger bewusst
benachteiligt wird.
Nach weitgehend einhelliger Lehre und konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat die Doppelvertretung grundsätzlich die
Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes zur Folge, sofern nicht eine der unten umschriebenen Ausnahmen zutrifft.
Zwei Ausnahmen bestätigen die Regel:
▶▶ Wenn die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen aufgrund des Rechtsgeschäftes ausgeschlossen ist oder
▶▶ wenn ein über- oder nebengeordnetes Organ der AG das Rechtsgeschäft genehmigt hat.
In diesen Fällen ist die Gültigkeit gegeben. Dies war bereits vor Inkrafttreten von Art. 718b OR allgemein gültige Praxis.
Eine Benachteiligung des Vertretenen kann z.B. bei Vorliegen von Marktkursen oder unabhängigen Wertgutachten üblicherweise
ausgeschlossenen werden. Es gilt aber auch in solchen Fällen allfällige Regelungen in Statuten oder Reglementen der Gesellschaft zu
beachten.
¹ resp. Art. 814 Abs. 4 für GmbH und Art. 899a für Genossenschaften (alle gemachten Ausführungen die AG
betreffen, sind sinngemäss auch für die GmbH und die Genossenschaft gültig).
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Eine Genehmigung (vorgängig oder allenfalls nachträglich) kann durch nicht von der Vereinbarung betroffene Verwaltungsratsmitglieder erfolgen. Besteht diese Möglichkeit nicht, kann man auch die Zustimmung der Generalversammlung einholen (vgl. BGE 127
III 332 E. 2b f.). Hier gilt zu beachten, dass von der Transaktion betroffene Gesellschafter nicht an der Abstimmung teilnehmen können. Beschränkt sich der Kreis von Gesellschaftern und Verwaltungsräten auf sehr wenige oder liegt gar eine Einmann-Gesellschaft
vor, ist dieser Weg meist versperrt.
Diese Anforderungen dienen dem Schutz der Minderheitsaktionäre und der Gesellschaft, nicht aber der Gesellschaftsgläubiger. Diese sind durch die paulianische Anfechtungsklage und die Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates geschützt. Hält der Aktionär alle
Aktien und ist er alleiniger oder einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat, so kann er mit sich selbst Geschäfte abschliessen.
Neue Ausgangslage?
Mit der Einführung des neuen Artikel 718b OR stellt sich nun die Frage, ob die bisherigen Anforderungen nicht mehr zu beachten
sind und für die Gültigkeit der Geschäfte ausschliesslich auf die Einhaltung der Schriftlichkeit abgestützt werden kann.
Dem ist nicht so. Dies lässt sich auch aus der neueren Rechtsprechung erkennen. Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist kumulativ
mit den bisherigen materiellen Anforderungen zu erfüllen, um die Gültigkeit für Insichgeschäfte zu beanspruchen (vgl. Basler Kommentar Obligationenrecht II, N9 zu Art. 718b OR).
Anwendungsbereich
Die Vorschriften sind für sämtliche Unternehmen und Unternehmensgrössen verbindlich und entsprechend anzuwenden. Dies gilt
im Wesentlichen auch im Konzernverhältnis, wo oftmals Doppelvertretungen, auch auf Ebene der Geschäftsführung, vorkommen.
Oft kann im Konzernverhältnis die Zustimmung zur Doppelvertretung durch Organe und Geschäftsführung ausgegangen werden.
Diese Zustimmung kann nicht mehr vorausgesetzt gelten, wenn in einer Konzerngesellschaft eine Aktionärsminderheit vorhanden
ist. In diesen Fällen ist, wie oben beschrieben, die Zustimmung eines über- oder nebengeordneten Organs einzuholen.
Folgen der Missachtung
Liegt die allenfalls erforderliche Zustimmung zu einem Insichgeschäft vor (vgl. oben) sind Verträge, welche gesetzliche Formvorschriften verletzen, grundsätzlich nichtig (Art. 11 OR). Da die Vorschriften von Art. 718b OR die Schriftlichkeit von Insichgeschäften
anordnen, ergibt sich gerade im KMU-, sowie im Konzernbereich, ein erhöhter Handlungsbedarf.
▶▶ Rechtliche Folgen: Sind Verträge oder Vereinbarungen nicht gültig (z.B. Darlehen, Übertragung Vermögenswerte, etc.), können
sich erhebliche rechtliche Streitigkeiten ergeben. Daraus entstehende Schäden können allenfalls zu Verantwortlichkeitsklagen
gegen die Organe der Gesellschaft führen.
▶▶ Steuerliche Folgen: Gerade im Steuerbereich ist es entscheidend, dass bei Geschäften zwischen Gesellschaft und Nahestehenden der Nachweis gelingt, dass die vereinbarten Konditionen dem Drittvergleich standhalten. Wenn aber schon die Verträge
aus formellen Gründen nichtig sind, so kann dies den Nachweis gegenüber den Steuerbehörden erheblich erschweren. Ebenso
können unangenehme steuerliche Folgen auftreten, sollten getätigte Transaktionen aufgrund von Formmängeln steuerlich als
nicht vollzogen beurteilt werden.
Empfehlung
Bei Verträgen, welche durch die übliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens abgedeckt sind und die Leistung im Drittvergleich
nicht mehr als CHF 1'000 ausmacht, kann weiterhin auf die Schriftlichkeit verzichtet werden (Art. 718b OR, zweiter Satz). Die Freigrenze gilt pro Fall. Hängen verschiedene Verträge zusammen, sind die Werte zusammenzuzählen, um zu bestimmen, ob die Freigrenze überschritten wird.
Kann die Leistung nicht bewertet werden oder handelt es sich um ein atypisches Geschäft, entfällt die Freigrenze und es gilt die
Schriftlichkeit.
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Alle Insichgeschäfte, welche über der Freigrenze von CHF 1'000 liegen sind schriftlich abzuschliessen. Lehrmeinungen vertreten die
Ansicht, dass die Formvorschriften auch erfüllt sind, wenn mindestens die wesentlichen Vertragsbestandteile in einem entsprechenden Beschluss (z.B. Protokoll) festgehalten sind, welches von den Vertragsparteien unterzeichnet ist. Eine blosse Dokumentation
(z.B. Bankbelege) dürfte wohl nicht ausreichen, um die Rechtsgültigkeit der Geschäfte zu belegen.
Zur Sicherstellung der rechtlichen Gültigkeit ist die Zustimmung von neben- oder übergeordneten Organen einzuholen. Bei Einmann-Gesellschaften ist dies nicht möglich, was aber nicht vom Erfordernis der Schriftlichkeit entbindet.
Dieser Artikel beleuchtet lediglich einige der wesentlichen Punkte und ersetzt keinesfalls die Überprüfung der Umstände im Einzelfall und allfällige weiter gehende Beratung.
Autoren
Markus Horisberger, dipl. Steuerexperte, BDO Aarau, Tel: 062 834 91 47, E-Mail: [email protected]
Marc Schaffner, lic. iur. stv. Direktor, BDO AG, Aarau, Tel: 062 834 91 91, E-Mail: [email protected]
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