Akkordarbeiter am Akkordeon – Akkorde einmal

Akkordarbeiter am Akkordeon –
Akkorde einmal anders
Workshop von und mit Thilo Plaesser
Liebe Akkordeonfreunde!
Beim Akkordeonspiel ist der Spieler, wie der Name des Instruments es vermuten
lässt, ein „Akkord-Arbeiter“. Er „arbeitet“ vorwiegend mit der linken Hand, um
Akkorde als Begleitung für eine Melodie zu spielen. In diesem Workshop möchte
ich die Akkorde im wahrsten Sinne des Wortes aber von einer anderen Seite betrachten. Von der rechten, der Diskantseite. Akkorde können nicht nur als Begleitung von Melodien dienen, sondern auch eigenständiges Improvisations- oder
Kompositionselement sein. Löst man die Akkorde aus der Funktionstheorie
(Tonika, Subdominante, Dominante) oder der Stufentheorie ( I – IV – V), lassen
sich klanglich neue Wege gehen.
Bleiben wir aber zunächst bei vertrauten Liedern. Eine Melodie, die sicher alle kennen, ist die sogenannte „Ode an die Freude“
aus dem vierten Satz der 9. Sinfonie von Beethoven. Auch wenn ich kein Freund von C-Dur bin, habe ich das Beispiel in dieser
Tonart notiert, da sie Ihnen zum einen wahrscheinlich vertraut ist, zum anderen, da das folgende Beispiel auf der Pianotastatur so optisch gut dargestellt werden kann.
Eine interessante Möglichkeit auf der Suche nach neuen Klängen bieten AKKORD-MIXTUREN.
Machen Sie sich aber zuerst mit der Melodie vertraut.
Notenbeispiel 1
Das folgende Beispiel zeigt, wie die Melodie artikuliert werden kann.
Notenbeispiel 2
Die Tonale Mixtur:
Verschiebt man Akkorde innerhalb einer Tonart (Tonleiter), spricht man von einer tonalen Mixtur. Man beachtet also die
Halb- und Ganztonschritte, die in der entsprechenden Tonleiter/Tonart vorkommen.
Spielen Sie die Melodie mit Quartsextakkorden, wobei der oberste Ton die Melodie bildet. Dann verschieben Sie diesen
Akkord parallel mit der Melodie. Alle Töne, die Sie spielen, kommen in der C-Dur-Tonleiter vor.
Notenbeispiel 3
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Praxis
Die reale Mixtur:
Verschiebt man Akkorde innerhalb einer Tonart (Tonleiter) ohne auf die entsprechenden Halb- und Ganztonschritte zu
achten, spricht man von einer realen Mixtur. Sie beginnen wieder mit dem Quartsextakkord in Dur und verschieben diesen
nun intervallgetreu. Nach C-Dur kommt Des-Dur, dann Es-Dur usw.
Notenbeispiel 4
Das nächste Beipiel zeigt Ihnen eine weitere reale Akkordmixtur. Diesmal unter der Verwendung eines einfachen Mollakkordes. Wieder bildet der oberste Ton (also die Quinte des Akkordes) die Melodie.
Notenbeispiel 5
Die Mixturen können auch sparsamer eingesetzt werden. Das bedeutet, sie müssen nicht jeder Note unterlegt werden. Das
folgende Beispiel zeigt die „Ode“ mit aufgelockerten Quartsextakkorden.
Notenbeispiel 6
Zusammenfassung:
Anhand der C-Dur Tonleiter möchte ich die verschiedenen Mixurformen noch einmal verdeutlichen. Die Tonart C-Dur hat
keine Vorzeichen. Zwischen dem dritten und vierten sowie dem siebten und achten Ton ist ein Halbtonschritt.
Notenbeispiel 7
Verschieben Sie die Akkorde innerhalb der Tonleiter, erhalten Sie eine tonale Mixtur. Bei Tonarten mit Vorzeichen müssen Sie
diese natürlich beim Verschieben der Klänge beachten.
Notenbeispiel 8
Verschieben Sie die Akkorde innerhalb der Tonleiter ohne auf die Vorzeichen und die damit verbundenen Ganz- und
Halbtonschritte zu achten, erhalten Sie die reale Mixtur. In den nächsten Beispielen sind das entweder nur Dur- oder nur
Mollakkorde.
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Notenbeispiel 9
Notenbeispiel 10
Mixturen kann man mit allen Akkordtypen realisieren. Hier noch einmal eine reale Mixtur mit Dur
Quartsextakkorden.
Notenbeispiel 11
EIN-TONUMDEUTUNG
Töne innerhalb eines Akkordes können in ihrer Funktion als Intervall umgedeutet werden. Dadurch erhält man interessante
Akkordverbindungen. Das folgende Beispiel geht vom Grundakkord A im a-Moll-Akkord aus. Im diesem Akkord ist das A der
Grundton. In Gedanken stellen wir uns vor, dass der Ton A im nächsten Akkord die Quinte sein wird. Wir deuten also den Ton
A (Grundton) zur Quinte um und erhalten den nächsten Akkord: d-Moll (wahlweise auch D-Dur).
Notenbeispiel 11/II
Natürlich kann bei Umkehrung der Akkorde der Grundton auch in einer Mittelstimme liegen.
Liegt er aber in der Oberstimme, ist es einfacher „zu sehen“. Die Ein-Tonumdeutung ist eine
lohnende gedankliche Herausforderung, die nach einer gewissen Zeit mit spontanen und
kreativen Akkordfolgen belohnt wird.
Im nächsten Beispiel verläuft der Bass überwiegend linear, wodurch eine Art Kadenz entsteht.
Das muss aber nicht sein. Allerdings wirken die Harmonieverbindugen durch eine lineare
Bassführung geschmeidiger.
Notenbeispiel 12
Beschreibung:
ß:LUJHKHQYRPHUVWHQ$NNRUG$PDXV'HU7RQA ist Grundton.
ß'HXWHQZLUGDVA in eine Quinte um, ergiebt das D-Dur (oder auch d-Moll).
ß,PGULWWHQ$NNRUGNHKUHQZLU]XP*UXQGWRQA zurück (mit der Terz im Bass).
ß,PYLHUWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine kleine Septime um und erhalten H7.
ß,PI¾QIWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine große Septime um und erhalten Bmaj7.
ß,PVHFKVWHQ$NNRUGNHKUHQZLU]XU¾FN]XD0ROOA = Grundton).
ß,PVLHEWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine None um und erhalten Gm7/9.
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Praxis
ß,PDFKWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine große Terz um und erhalten F-Dur (hier als Fmaj7).
ß,PQHXQWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine Quinte um und erhalten Dm7 (es könnte auch wie im zweiten Akkord ein Dur
Akkord sein / mit oder ohne 7).
ß,P]HKQWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in eine große Sexte um und erhalten Cm6 (auch hier könnte es natürlich C6 in Dur sein).
ß,PHOIWHQ$NNRUGGHXWHQZLUGDVA in ein None um und erhalten G7/9 (im siebten Akkord war es Moll).
ß,P]Z¸OIWHQ$NNRUGNHKUHQZLU]XXQVHUHP$XVJDQJVSXQNWÕ$PÕ]XU¾FN
Der schweifende Akkord
Vielleicht ist Ihnen das „schweifende Bordun“ ein Begriff. Es handelt sich hierbei um eine elementare Begleitform, bei der
eine Quinte einer Melodie unterlegt ist. Ab und an wechselt (schweift) die Quinte zu Nachbartönen oder in weitere Distanzen. Ähnlich ist es beim schweifenden Akkord. Ausgangsbasis kann jeder Akkord in einer beliebigen Lage sein. Als formale
Vorlage dient uns ein typisches barockes Praeludium. Ein gutes Beispiel ist das erste Praeludium aus dem Wohltemperierten
Klavier von Johann Sebastian Bach. Auch bei Händel oder Vivaldi finden Sie akkordische Formen, die sich auf ein oder wenige
rhythmische Elemente beschränken.
Für unser modernes Praeludium wählen wir als Ausgangsbasis den a-Moll-Akkord in seiner Gundstellung. Rhythmisch beschränken wir uns auf eine Achtelfigur. Nun verändern Sie beliebig einen Ton nach dem anderen. Spielen Sie zunächst nur
kleine Abstände. Die Figuration wird mit drei Fingern gespielt. Sie können die Veränderung in jeder Stimme – also in jedem
Finger vornehmen. Führen Sie die Veränderungen am Anfang erst einmal nacheinander aus. Also erst die oberste, dann die
mittlere und später die unterste „Stimme“ (Finger). Der a-Moll-Akkord besteht ja aus drei Tönen. A-C-E. Also jeder Ton, jede
Stimme oder anders gesagt, jeder Finger kann eine beliebige Veränderung herbeiführen. Natürlich können Sie auch zwei
Stimmen gleichzeitg verändern. Damit sollten Sie aber sparsam umgehen.
Diese Form ist ein improvisatorisches Prinzip. Halten Sie unbedingt den Rhythmus, die Achtelfiguration, bei. In der linken
Hand können Sie einen „Orgelpunkt“ unterlegen. (Ein Orgelpunkt ist ein Basston, der das ganze Stücke oder weite Strecken
eines Stückes liegen bleibt, obwohl die Harmonien in den anderen Stimmen wechseln. In diesem Stück bietet sich der Ton A
an.) Vernachlässigen Sie trotz des motorisch geprägten Charakter des Stückes nicht den musikalischen Ausdruck. Phrasierung,
Artikulation, Dynamik, Tempo und auch die Registrierung beim Akkordeon sind entscheidend für eine spannende Interpretation bzw. Improvisation. Das folgende Beispiel (wie alle anderen Beispiele auch) dient ja nur als Anregung für eigene Ideen!
Notenbeispiel 13
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Noch mehr Mixturen!
Es gibt noch weitere Akkordmixturen, die nicht unerwähnt bleiben sollen:
Die atonale Mixtur:
Dur- und Moll-Dreiklänge werden ohne einen gemeinsamen (Grund-)Ton verschoben.
Die modale Mixtur:
Es treten nur die sieben leitereigenen Töne des entsprechenden Modus auf. Welcher Ton als „Grundton“ empfunden wird,
richtet sich unter anderem nach den Unterstimmen, einem Orgelpunkt oder danach, an welcher Stelle Zäsuren gesetzt werden.
Die Rahmenmixtur:
Von einer Rahmenmixtur spricht man, wenn zum Beispiel die Außenstimmen eine Oktave bilden, dazwischen aber verschiedene Klänge gesetzt werden.
Die polyphone Mixtur:
Zwei verschiedene Mixturformen werden gegeneinander geführt. Zum Beispiel, wenn ein Spieler tonale Mixturen, der andere
Spieler aber reale Mixturen verwendet.
Die distanziell-tonale Mixtur (distanzielle Mixtur)
ist eine Mixtur, die innerhalb eines distanziellen Modus verläuft. Zum Beispiel im 2. Modus von Olivier Messian
(C – Des – Es – E – Fis – G – A – B – C).
Die Slendro Mixtur:
In der indonesischen Musik gibt es eine gleichnamige Tonleiter bzw. Stimmung mit dem Namen Slendro, die fast gleichstufig
ist und aus fünf Tönen besteht. Deshalb nennt man Mixturen innerhalb eines „grundtonlosen“ Tonsystems, wie zum Beispiel
die der Pentatonik, der Ganztonharmonik oder anderer schwebender Klänge, Slendro Mixtur. Vor allem Komponisten des
Impressionismus (Claude Debussy) haben sich von der Slendro Mixtur inspirieren lassen.
Nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Entdecken neuer
Klangkonstellationen. Spielen Sie viele Lieder mit den unterschiedlichen Mixturen. Dadurch bekommen Sie mehr
Sicherheit im Umgang mit unterschiedlichen Tonarten
und verschiedenen Akkordstrukturen. Spielen Sie bekannte Lieder in Ihnen nicht so vertrauten Tonarten wie zum
Beispiel in Des-Dur, As-Dur oder His-Dur :-).
Bei Fragen zum Thema können Sie mich gerne kontaktieren unter:
E-Mail: [email protected]
Telefon 0 28 22 / 98 17 49
www.bellowspirit.com
Mit den besten Grüßen, Thilo Plaesser
Aktuelle Workshoptermine 2015
29. August 2015: KLAVIERgalerie Wien, A-1070 Wien
26. September 2015: Pigini Austria, A-9020 Klagenfurt
10. Oktober 2015: Akkordeon Centrum Brusch, Berlin
24. Oktober 2015: Akkordeon Centrum Brusch, München
7. November 2015: Akkordeon Centrum Brusch, Hamburg
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