Irma und Ludger Schmeinck - Schönstatt

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Irma und Ludger Schmeinck: Referat auf dem Diözesantag in Aulendorf am 15. 11.2015
Wir sind gesegnet im Sakrament der Ehe
Beginnen möchten wir mit einem Glaubensbekenntnis, das wir in ähnlicher Weise bei Rudolf Weiß­
mann gefunden haben:
Wir glauben an die Familie als die schönste Erfindung Gottes.
Wir glauben, dass sie mehr ist als ein Zweckverbund, eine Ess- und Schlafstelle oder der Platz, wo
der DVD-Player steht.
Wir glauben, dass wir alle erst mühsam lernen müssen, dieses Wort zu buchstabieren.
 Das "F" könnte für Fürsorge stehen
 und das "a" für angenommen sein;
 das "M" könnte Menschwerdung heißen,
 und das "i" steht für immer.
 Das "L" heißt Lebensversicherung, die man füreinander eingeht und die unbezahlbar ist,
 das "E" schließlich steht für Erneuerung, denn allzu leicht schlägt der Alltag seine Zelte auf in
die Wüsten der Gewohnheit.
Ich glaube, dass die Familie eine Schule der Zärtlichkeit ist, eine Schule des Teilens und des Mittei­
lens eine Schule ohne Noten und Strafe und eine Schule, in der jeder von jedem lernen kann.
Ich glaube an die Familie, die nicht versucht, eine heile Welt vorzuspielen, sondern die es ernst
meint mit der Weitergabe all jener Dinge, die heilig sind, die also heilen können: wie die Geborgen­
heit und das Vertrauen ...
und die festigen können mit dem gemeinsamen Feiern von Festen.
Ich glaube an die Familie, die der erste Platz ist, wo man Gott auf die Spur und den Menschen auf
die Schliche kommt, die ein Ort ist, wo man den Hauskrach vergisst weil die Frohbotschaft Hand
und Fuß bekommt und die ein Ort ist, der es begreiflich macht, warum wir immer vom Heiligen
Geist und von Gott als Vater reden.
Ich glaube an die Familie, solange das Auskommen miteinander größer geschrieben wird als das
Einkommen und solange die Liebe großgeschrieben wird. …
(Rudolf Weißmann in pur-spezial 3/2015)
Wir sind gesegnet im Sakrament der Ehe - Gedanken vor dem Hintergrund der Familiensynode
Als wir gebeten wurden, zu diesem Thema zu sprechen, fiel uns spontan als Quelle "Unser Ehe­
weg" ein. Darunter verstehen wir zunächst unsere eigene persönliche Ehegeschichte, aber dann
auch "Unseren Eheweg" mit seinen 15 Stationen, den die Schönstatt-Familienbewegung herausge­
geben hat. Daher hat es uns gefreut, dass Karin und Kuno sich angeboten haben, die 5. Station:
"Miteinander wachsen an Schwierigkeiten" heute Mittag vorzustellen. Diese Station scheint unse­
res Erachtens auch geeignet, die Überlegungen der Synode aufzunehmen, die in einer Zeit vielfälti­
ger Herausforderungen für Ehe und Familie eine auf Jesus Christus gegründete Ehe- und Familien­
pastoral anstrebt.
Zunächst wollen wir erzählen, warum wir glauben, dass wir im Sakrament der Ehe gesegnet sind
und dann aus den Ergebnissen der Synode heraus einen kurzen Impuls zu unserer Berufung als Ehe­
paar und das daraus erfolgende Apostolat geben.
Unter Sakrament verstehen wir, vereinfacht gesagt: die Gesinnung Gottes in uns tragen, wie wir sie
in der Taufe geschenkt bekommen haben und wie sie sich in den anderen Sakramenten weiter ent­
faltet, besonders eben im Sakrament der Ehe. − Wenn wir also sagen: "Wir sind gesegnet im Sa­
krament der Ehe!" wollen wir damit zum Ausdruck bringen, dass Christus es ist, der sich uns im Sa­
krament der Ehe verbindet: Eine übernatürliche Wirklichkeit wird in unserer natürlichen Welt er­
fahrbar.
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Als die Pharisäer damals Jesus nach der Erlaubnis zur Ehescheidung fragten, hielt er ihnen ihre ver­
korkste Auffassung von der Ehe vor und sagte: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Men­
schen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann
Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein?
(Mt 19,3 ff)
"Ich gehöre mir selbst. Ich genüge mir selbst." Das sind Grundsätze des autarken Menschen unserer
Tage. Verwöhnt durch allseitige technische Machbarkeit will der autarke Mensch keine Almosen,
kein Geschenk, keine Gnade. Wenn er die Gnade schon annehmen soll, dann als Recht, das ihm zu­
kommt. So hören wir in der Auseinandersetzung um die Zulassung zu den Sakramenten für wieder­
verheiratete Geschiedene vom Recht auf die Eucharistie, aber kaum von einem Recht auf die Beich­
te. In dieser Autarkie liegt ein fauler Kern der Menschenwürde.
Bei der Heilung der Kranken beauftragt Jesus seine Apostel, als äußeres Zeichen Olivenöl als das
Heilmittel der damaligen Zeit zu nehmen und es mit dem heilenden Wort der göttlichen Zusage zu
verbinden. Bei der Eucharistie nimmt er Lebensnotwendiges, Brot und Wein, Brot mehr für den
Leib, Wein mehr für die Seele, um uns die Fülle seiner Liebe zu schenken.
Bei der Ehe wechselt er sozusagen die Methode: Jesus lehnt die verkorkste Meinung der damaligen
Lehrer Israels über die Ehe ausdrücklich ab und provoziert damit auch seine Jünger. "Von Anfang
an war das nicht so", sagt er, nämlich die Frau aus der Ehe zu entlassen, und verweist auf die
Schöpfungsordnung: Der Mann verlässt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie
werden ein Fleisch. (Gen 2,24). Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was Gott verbunden
hat, das darf der Mensch nicht trennen. (Mt 19, 5-7)
Als seine Jünger daraufhin sagen: "Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es
nicht gut zu heiraten" entgegnet Jesus mit dem manchmal missverständlichen Satz: "Manche sind
von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben
sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen."
Die Jünger glauben also nicht an die Ehe als Sakrament, sonst würden sie nämlich den ursprüngli­
chen Schöpferwillen verstehen, sie sehen die Ehe als ein weltlich Ding und die Rechtsstellung des
Mannes gefährdet, aus der damaligen männerbestimmten Zeit durchaus nachvollziehbar. Jesus aber
belehrt sie: Gerade um des Himmelreiches willen verweise ich euch auf den Anfang, auf die Schöp­
fungsordnung: da war das eben nicht so.
Wenn das angenommen wird, nämlich dass die Ehe um des Himmelreiches willen von Gott ge­
schaffen ist, wird auch der Nachsatz verständlich, dass manche eben nicht Jesu Auffassung von der
Ehe teilen können, teils, weil es ihnen von Geburt an nicht gegeben ist, teils weil andere sie dazu
geführt haben - hier sei vielleicht auch ein Hinweis auf die Sünde des sexuellen Missbrauch erlaubt
-, aber auch weil manche es, auch um des Himmelreiches willen, vorziehen, nicht zu heiraten.
Es geht hier keineswegs um eine Degradierung der Ehe zugunsten einer zölibatären Lebensweise,
sondern lediglich um zwei gleichwertige Formen, um in das Himmelreich zu gelangen.
Jesus wählt also hier nicht irgendein spezielles Symbol, sondern nimmt die Schöpfungsordnung
selbst zum sakramentalen Zeichen für die Ehe. In der Abbildhaftigkeit sagt er sich gegenseitig dem
einen wie dem anderen Ehepartner zu:
Ich mit Dir für meine Frau
−
ich mit Dir für meinen Mann.
Daraus entfaltet sich das Katholische Ehe-Ideal und erfährt eine Tiefe, die sich jedes Ehepaar wohl
erst im Laufe eines Ehelebens erobern muss, oder vielleicht besser gesagt, schenken lassen darf.
Auf diesem Weg zum Ideal sind wir ein Leben lang unterwegs und da gibt es manche Enttäuschun­
gen, auch können Verletzungen aufbrechen.
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In seinem irdischen Leben war Jesus genau in solchen Situationen zur Stelle, wo etwas weh tat, wo
Sünde sich breit machte. Da hat er heilenden Zuspruch vermittelt und, wenn nötig, Wunder ge­
wirkt. Und genau in solchen Situationen unserer Ehegeschichte ist er auch heute sakramental am
Werk. Wenn mich der Partner mehr braucht, wird unsere Ehe noch stärker, gerade deswegen weil
Christus sich mit jedem von uns verbindet. Ähnlich wie sich eine Mutter zu ihrem kranken Kind
mehr hingezogen fühlt als zu ihrem gesunden, so fühlt sich auch Jesus dort besonders hingezogen,
wo Krankheit und Sünde sich breit machen wollen. Dies widerspricht vielfach unserer heutigen na­
türlichen Empfindung. Da, wo der Partner krank oder auch nur unattraktiv wird, glauben manche
schon einen Grund zu finden, sich von ihm zu trennen.
Wir denken da an einen guten Freund, für den, als seine Ehe wegen einer psychischen Krankheit
seiner Frau in eine schwere Krise geriet, das Zusammenleben schier unerträglich wurde. Als seine
Frau dann in eine Klinik eingewiesen wurde, fragte ein besorgter Arzt, ob er sich unter diesen Um­
ständen nicht von seiner Frau trennen wolle. Auf diese Frage hin aber wurde ihm klar, dass seine
Frau ihn doch jetzt trotz aller Belastung ganz besonders brauche. Genau da, wo die Natur abstoßen­
de Empfindungen vermittelt, setzt die heilende Wirkung des Sakraments ein. Jeder kann da dem
Partner zur Heilsquelle werden, weil der Heiland sich mit ihm verbindet.
Wir spüren, wie sich da verschiedene Sakramente auswirken. Letztlich wirkt immer nur die eine
immerwährende Liebeszusage Gottes, das Sakrament an sich: Jesus Christus selbst, der in unseren
je verschiedenen Lebenssituationen zugegen ist. Besonders aber wirken Ehe und Eucharistie inein­
ander. Für uns selber haben wir dazu eine Quelle im Johannesevangelium entdeckt, die unsere Be­
ziehung immer wieder stärkt: die Hochzeit zu Kana.
Es ist die Freude aneinander, die die Hoch-Zeiten unserer Beziehung ausmacht,
Und wohl deshalb hat diese Hochzeit einen prägenden Eindruck in unserem Leben hinterlassen.
Schon in den frühchristlichen Gemeinden wurde sie als eine Hochzeitspredigt verstanden.
Es ist also angebracht, sich vor allem an die freudigen Erlebnisse zu erinnern.
Der Wein gilt von alters her als Symbol der Freude.
Und es tut gut, die Freude aneinander zu verkosten.
Die Zeit, die wir einander geschenkt haben. Zeiten, in denen uns gegenseitig die Krüge gefüllt wur­
den. Wir bitten euch jetzt, einen Moment innezuhalten und die freudigen Ereignisse in eurer Ehe zu
erinnern, den Wein der Freude sozusagen ein wenig nach zu kosten.
(Pause!)
Aber Johannes erzählt zunächst nicht von einem Fest in Hülle und Fülle. In Kana entsteht ein Defi­
zit, es herrscht Mangel: der Wein geht aus. Wohl jede Ehe kommt trotz guten Willens an ihre
Grenzen. Die Kraft füreinander reicht nicht mehr, wir fühlen uns oftmals ausgepowert, erschöpft
und leer, die Freude geht verloren. Oft geht es schleichend und wir merken es zunächst vielleicht
gar nicht, dass uns die Luft ausgeht. Dann ist es gut, wenn jemand da ist, der die Not bemerkt und
darauf aufmerksam macht: "Sie haben keinen Wein mehr!" Maria sieht die Not und handelt. An ihr
können wir uns ein Beispiel nehmen.
Und was sagt sie uns? "Was ER euch sagt, das tut." Sie verweist auf Jesus. Sie hat Lebenserfah­
rung mit dem Gott ihres Lebens, ihrem Sohn. Sie vertraut ihm blind, auch wenn er sie zunächst zu ­
rückweist: "Frau, was ist zwischen dir und mir!"
Und was sagt ER uns? - "Füllt die Krüge mit Wasser!"
 Das Wasser müssen wir also selber bringen.
 Das Wasser der Aufmerksamkeit:
 Das Wasser der Zärtlichkeit
 Das Wasser der Treue
 Das Wasser des Verzeihens
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 Das Wasser der Freuden und Sorgen mit unseren Kindern
 Das Wasser der Sorge um unsere kranken Eltern, Familienangehörigen und Bundesgeschwister
 Das Wasser unserer eigen Schwächen und Krankheiten
 Das Wasser der täglichen - oft mühsamen - Arbeiten
 Das Wasser der Geduld miteinander
 Das Wasser …
Ein Leben lang gegenseitig Wasserträger sein im Dienst an der Freude.
Das ist nicht immer einfach. 600 Liter fassten die 6 Krüge damals in Kana. Zur Zeit Jesu musste
man wohl zum Dorfbrunnen gehen und auf Eseln das Wasser mühsam herbeischaffen.
Beide müssen - oder besser - dürfen wir immer wieder an unserer Beziehung arbeiten. Das darf uns
etwas kosten. Was uns in Zeiten junger Verliebtheit leicht fiel, kann heute schon ´mal schwer fallen.
Opfer des Wasserbringens in der Hoffnung auf Wandlung.
Wie jedes Sakrament vollzieht sich auch die Ehe in der Wirklichkeit von Opfer und Wandlung.
Auch der Wein füllt letztlich das Defizit nicht, sondern Gott selbst füllt die Lücke, heilt die Wunde,
ergänzt, was fehlt zum vollen Glück. Dies bezeugt er mit seinem Blut, dem im Heiligen Geist wie­
der verwandelten Wein, von dem er uns zu trinken gibt. Er selber will uns in Fleisch und Blut über­
gehen, er will sich in uns, in unserer Ehe verleiblichen. Das Geheimnis der Liebe ist Verwandlung:
Heilige Wandlung, wie wir sie immer wieder feiern. Wir feiern unser Ehe-Leben schlechthin. So
bilden Verkündigung und Golgatha eine Einheit - sowohl im Leben Jesu und seiner Mutter als auch
in unserer Ehe.
"Was er euch sagt, das tut!" gilt bis unter das Kreuz.
Und vom Kreuz herab spricht Jesus: Siehe da - deine Mutter - Siehe da, dein Sohn.
Diese Stelle beschreibt den Augenblick, in dem Jesus unmittelbar vor seinem Tod seine engsten
menschlichen Beziehungen für die Zeit nach seinem Tod ordnet. Er setzt für seine Mutter und für
den Jünger, den er liebt, die Beziehung "Mutter und Sohn". Jesus schließt somit die Wunde, die
sein Tod bei beiden aufreißt. Fortan wirkt Jesus weiter durch den Heiligen Geist in den Sakramen­
ten, die seinem Herzen entspringen: Blut und Wasser flossen aus seinem Herzen: die Sakramente
der Kirche.
Wenn also die Ehe für uns Katholiken ein Sakrament ist, dann finden wir Jesus bis in die Todesstun­
de in unserer Mitte und er schließt die letzte Wunde unseres Herzens, indem er uns gleichsam sagt:
Siehe da, dein Mann! −
Siehe da, deine Frau.
So spiegelt sich die sakramentale Zusage für die gesamte Kirche noch einmal in der christlichen
Ehe wieder.
Und wir dürfen einander annehmen, weil Christus uns im Ehepartner annimmt. Gott wohnt im Her­
zen unseres Ehepartners und wir können ihn dort anbeten. Und es ist schön, Gott im Herzen eines
Menschen anzubeten, den man liebt.
Natürlich gibt es Störungen. Das stört uns nicht. Natürlich gibt es auch Störungen in der Beziehung
zum Partner. Und auch das stört uns nicht, denn es stört auch Gott nicht. Wir geben alles in die Krü­
ge hinein: Alles Glück, alle Freude, alle Schmerzen, alle Wunden. Alle Situationen, die uns die Luft
nehmen wollen. So erneuern wir das Sakrament der Ehe.
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Wir gehören einander, denn Gott wohnt in unserer Mitte. Er hält uns in der Liebe zueinander und
wandelt unsere schwache Liebe immer mehr in seine göttliche Liebe hinein. Letztlich ist es der Hei­
lige Geist, um den wir gerade heute inständig beten dürfen, der uns den Weg der Wahrheit und der
Liebe weist.
Das Wasser müssen wir schon selber bringen.
-
Was er euch sagt, das tut.
Wir hoffen, dass deutlich wurde, dass die göttliche Zusage in den Sakramenten unauflöslich ist und
dass der Mensch, der existentiell in diese Zusage hineingebunden ist, dieses Band nicht auflösen
kann. Dies gebietet sowohl unser Glaube als auch die Vernunft.
Wenn wir nun diese unsere katholische Lebensweise in der Mentalität der uns umgebenden säkula­
risierten und individualistisch geprägten Welt verkünden und leben, erfahren wir wohl manchen Wi­
derstand oder, was vielleicht noch mehr weh tut, ein mitleidiges Lächeln, und zuweilen ist selbst in
unseren kirchlichen Kreisen eine Distanz zu spüren.
Aber es gibt ihn, den Stern der Hoffnung, wenn er auch hinter den Wolken der gewaltigen Heraus­
forderungen, in denen die Familie sich heute befindet, oft verborgen bleibt: Wir die Familien des
Vaters sind Stern der Hoffnung. Beim großen Jubiläum vor einem Jahr hat er geleuchtet. −
Eingerahmt ist dieses Jubiläum durch zwei Heiligsprechungen. Die eine am Barmherzigkeitssonn­
tag 2014: zwei große Päpste werden zur Ehre der Altäre erhoben, von denen der eine, Johannes Paul
II. in seinem Pontifikat die christliche Familie immer wieder in den Mittelpunkt gestellt hat, den­
ken wir nur an die großartige Enzyklika Familiaris Consortio, von der auch diese Synode nicht ab­
gewichen ist.
Die andere am 101. Geburtstag der Gründung Schönstatts vor einem Monat: Die französischen Ehe­
leuten Zélie und Louis Martin werden heilig gesprochen - eine Krönung, wie wir finden, für die Be­
deutung des Ehesakramentes in heutiger Zeit.
Besondere Hoffnungsträger sind viele Familien von uns, die sich in der Ehevorbereitung engagie­
ren. In Memhölz ist eine Familienakademie entstanden, die zur Kraftquelle für viele Familien ge­
worden ist. Viele Absolventen sind Garanten für unser gemeinsames Leben im Bund, in Schönstatt
und darüber hinaus. − Ein Eheweg ist in Ungarn gewachsen und auch bei uns ist diese Idee frucht­
bringend aufgenommen worden, wie wir auch heute Mittag wieder erfahren haben.
…..
Zeichen oder Sterne der Hoffnung, an denen wir uns neu ausrichten können.
Auch die Bischofssynode zu Ehe und Familie in Rom weckte große Hoffnungen bei uns Christen,
schürte aber auch viele Befürchtungen bis dahin, dass der Papst zum Befürworter einer "Scheidung
auf katholisch" werde und sie gab im Vorfeld auch Angriffsfläche für viele Gegner eines christli­
chen Menschenbildes, die die Synode lediglich auf die Themen Umgang mit Homosexualität und
Behandlung wiederverheirateter Geschiedener reduzierten.
Als der Wiener Psychotherapeut Professor Raphael Bonelli gefragt wurde, was er als Psychiater den
Vätern der Bischofssynode rate, antwortete er: "Die Religion hat die Aufgabe, der Gesellschaft
einen Kontrapunkt zu setzen, sonst schafft sie sich selbst ab. Sie darf nicht passiv mit dem Strom
schwimmen - das tun nur die toten Fische. Sie hat eine Botschaft für die Menschen. Die menschli­
che Psyche braucht Orientierungspunkte, denn nur hohe - bis jetzt noch nicht erreichte - Ideale er­
möglichen persönliche menschliche Entwicklung. Es ist ganz normal, dass sich die Menschen mit­
unter daran reiben. Deswegen sollte die Religion ein Ideal vorstellen, nach dem man sich ausrich­
ten kann. Auch wenn das unbequem und unpopulär ist. Davor sollten die Synodenväter keine Angst
haben, auch nicht vor medialer Schelte. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Sie blockiert und
verunmöglicht die Identitätsfindung.
Die Religion hat eine prophetische Funktion. Der Prophet sagt, was keiner hören will, weil es alle
verdrängen. Er tritt dem kollektiven Selbstbetrug entgegen, dem der einzelne wegen der Gruppedy­
namik vielleicht nicht gewachsen ist."
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Hinsichtlich der Erwartungen im Vorfeld möchten wir noch einige Abschnitte aus einem Leserbrief
zitieren, den ein 27jähriger Student geschrieben hat: "Mit einem gewissen Unbehagen nehme ich
wahr, wie in der Kirche mobil gemacht wird. Jede Geste, jede Ernennung, jedes Wort des Heiligen
Vaters wird nach der einen oder anderen Seite auf die Goldwaage gelegt. Mir ist noch eine Anekdo­
te aus früheren Tagen von Papst Franziskus im Gedächtnis. Er soll einige Andachtsbilder aus Augs­
burg nach Südamerika gebracht und dort der Wallfahrt zu Maria Knotenlöserin zu ungeahnter Po­
pularität verholfen haben. Oftmals höre und lese ich von Befürchtungen, der Papst sei Komplize
oder zumindest Dulder von Bestrebungen, die Ehescheidung in der Kirche umzusetzen. Jemand, der
Maria Knotenlöserin verehrt, kann jedoch für mich kein Befürworter einer "Scheidung auf katho­
lisch" sein. Und diese Überzeugung ist mit der Geschichte des Gnadenbildes verbunden.
Das Bild Maria Knotenlöserin befindet sich in Augsburg in der Kirche St. Peter am Perlach. Ge­
stiftet wurde es um das Jahr 1700 vom Augsburger Priester Hieronymus Ambrosius Langenmantel,
der es aus persönlichen Gründen für einen Familienvater in Auftrag gegeben hat. Seine Eltern
standen kurz vor der Scheidung. Das wäre damals in den Augsburger Patrizierkreisen wahrschein­
lich ein großer Skandal gewesen. Aber für Wolfgang Langenmantel, den Vater des Stifters, war es
vermutlich auch eine persönliche Prüfung. Die Scheidung als Scheitern seiner Ehe war für ihn nur
schwer zu akzeptieren. In dieser Situation erinnerte er sich an einen seiner Lehrer, den Jesuitenpa­
ter Jakob Rem, der in Ingolstadt lebte. Zu ihm machte er sich auf und bat ihn um Rat. Die beiden
blieben wohl einen Monat zusammen und beteten gemeinsam. Als Pater Rem und Wolfgang Lan­
genmantel nochmals am letzten Abend vor dem Marienbild "Der dreimal wunderbaren Mutter"
Einkehr hielten, wurde Pater Rem angeblich blass und sprach dann zum Bittsteller: "In diesem reli­
giösen Akt erhebe ich das Band der Ehe, löse alle Knoten und glätte es."
Er hatte die Gottesmutter um ihre Fürsprache für die Eheleute gebeten, damit sie die Knoten im
Eheband löse und die Wogen im Zusammenleben glätte. Wolfgang Langenmantel kehrte nach Hau­
se zurück und siehe da, ein Neuanfang war möglich. Aus Dankbarkeit gegenüber der Gottesmutter,
die sich als Patronin der Eheleute erwiesen hatte und sicher auch in Erinnerung an das Gebet und
den Rat des Pater Rem stiftete Hieronymus Langenmantel das Gnadenbild, das unter dem Namen
"Maria Knotenlöserin" dank Papst Franziskus auch in Südamerika verehrt wird.
Jemand, der die Verehrung der Gottesmutter als "himmlische Ehebandsverteidigerin" verbreitet,
kann für mich keinesfalls die Ehelehre der Kirche umstürzen wollen. Dann hätte er nicht nur die
Geschichte hinter dem Bild nicht verstanden, sondern würde auch das segensreiche Wirken des Pa­
ter Rem verraten. …"
Nicht zuletzt diese Geschichte soll uns daran erinnern, dass nicht politische Ränkespielchen die
Knoten in den Ehebändern lösen und die Konflikte glätten, sondern der gute Rat von geistlichen Be­
gleitern und Freunden, sowie das vertrauende Gebet im Heiligen Geist zur Gottesmutter, …..
Was sind nun die Ergebnisse aus der Synode?
Eine Synode dient zur Beratung des Papstes, der letztlich entscheidet, was er daraus macht.
Welche Ergebnisse lassen sich also ausmachen? − In der Tat fällt es nicht so leicht, das wirklich
Neue am Ende der Synode zu Ehe und Familie auf den Punkt zu bringen. Einige von den Medien
hochgespielte Themen wurden im Abschlussbericht kaum berücksichtigt. Dem Papst und den Syn­
odalen war es wichtig, den Focus auf die Grundzelle jeder menschlichen Gesellschaft zu richten
und das ist schon viel, denn wo in unserer Welt geschieht das sonst noch, dass Ehe und Familie so
ins Scheinwerferlicht rücken.
Ganz nüchtern kann man zusammenfassen:
Die katholische Lehre von Ehe und Familie wurde nicht berührt.
 Es bleibt dabei, dass die Kirche für alle offen ist, gerade auch für Menschen mit Verletzungen,
Lebensbrüchen - und natürlich ebenso für Paare, die nicht in einer geregelten ehelichen Bezie­
hung leben.
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 Auch gilt weiterhin das Gebot für zivil Wiederverheiratete, wenn sie denn katholisch sind,
möglichst jeden Sonntag eine Messe zu besuchen.
 Geschiedene und von ihrem Partner getrennt Lebende können, wenn sie durch das Bußsakra­
ment vorbereitet sind, die Eucharistie empfangen - das gilt übrigens für jeden - .
 Nach wie vor sind die Seelsorger gehalten, im Einzelgespräch und in der Beichte die konkrete
Situation, die Gefühlslage und die Vorgeschichte ihres Gegenübers zu beachten.
 Dass Priester um die rechten Worte ringen müssen, um "ihren Leuten" das Evangelium zu ver­
künden, war schon immer so und wird auch so bleiben.
 Für Wiederverheiratete einen Weg der Umkehr und Buße generell, als Regel für den Einzelfall,
mit der Ermöglichung des Kommunionempfangs zu verbinden, war bisher nicht vorgesehen
und ist es bis jetzt auch nicht.
 Das "Forum internum" als geschützter Raum der Seelenführung bleibt erhalten.
 Und wenn eine Familie entdeckt, dass jemand in ihrem Kreis homosexuell empfindet, gilt wei­
terhin das Respekt-Gebot des Katechismus.
Doch vermeidet der Bericht eine Sprache "von oben herab" und weist darauf hin, dass die Kirche
des Zweiten Vatikanischen Konzils die Freiheit des Gewissens im Blick haben müsse. So geht der
Abschlusstext ausführlich darauf ein, dass es falsch sein könne, allgemein dogmatische Regeln an­
zuwenden, wo doch die Schicksale des je einzelnen gewertet werden müssten. Hier sei der Beicht­
vater im Gespräch mit dem Gläubigen gefragt. Es fällt auch das Wort von der "Dynamik der Barm­
herzigkeit", sicherlich auch ein Eingehen auf das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der
Barmherzigkeit.
Während bei den Texten der außerplanmäßigen Familiensynode vor einem Jahr die Probleme und
Krisen der Familie betont worden waren, bemüht sich der Text jetzt um einen positiven Zugang.
Ehe und Familie seien Ausdruck der Liebe Gottes. Sie könnten eine große Kraft entfalten, auch in
so schwierigen sozialen Verhältnissen wie heute. Die Kirche könne dazu ihren positiven Beitrag
leisten. Bei der jüngsten Synode standen dogmatische Fragen nicht im Zentrum; doch wie Kardinal
Marx immer wieder sagte, könne es keine Pastoral ohne die Lehre aber auch keine Lehre ohne die
Pastoral geben. Wer da einen Gegensatz herausarbeiten wolle, leiste einem großen Irrtum Vorschub,
so Marx.
Der Abschlusstext der Pastoralsynode kommt darum auch nicht an dogmatischen Fragen vorbei.
Anliegen des Papstes ist es gewesen, mit der Synode sich mit Mut und Vertrauen auf einen Weg des
gemeinsamen Hinhörens einzulassen. Er formuliert treffend: "Und - jenseits der vom Lehramt der
Kirche genau definierten dogmatischen Fragen - haben wir auch gesehen, dass das, was einem Bi­
schof eines Kontinentes als normal erscheint, sich für den Bischof eines anderen Kontinents als
seltsam, beinahe wie ein Skandal herausstellen kann - beinahe! -; was in einer Gesellschaft als Ver­
letzung eines Rechtes angesehen wird, kann in einer anderen eine selbstverständliche und unantast­
bare Vorschrift sein; was für einige Gewissensfreiheit ist, kann für andere nur Verwirrung bedeu­
ten."
Dies lässt sich durchaus als ein Hinweis auf eine Dezentralisierung deuten. Dies könnte bedeuten,
für unterschiedliche Kulturzonen unterschiedliche Antworten zu geben. Damit dieser Weg ein
Heilsweg wird, bedarf es äußerster Sensibilität und Überzeugungskraft. Vielleicht braucht es ein
wechselseitiges Vertrauen dafür, dass der einende Christus eine Vielfalt zulässt, die ich nicht mehr
allein verstehen kann. − "Es ist jedoch Aufgabe des gesamten Gottesvolkes... , unter dem Beistand
des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu
deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer
erfasst, besser verstanden und passender verkündet werden kann" so wie es im Konzilsdokument
Gaudium et Spes Nr. 44 heißt.
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Da sind auch die Worte Kardinal Sarahs zu hören. Zu dem Problem, die so genannten "Lebens­
wirklichkeiten" als eine theologische Erkenntisquelle anzuerkennen, bemerkte Sarah, dies bedeute
die Hoffnung auf die verwandelnde Kraft des Glaubens und des Evangeliums aufzugeben. "Das
Evangelium, das einmal Kulturen umgeformt hat, ist nun in Gefahr, durch sie umgeformt zu wer­
den." Sarah spricht in diesem Zusammenhang von der Versuchung, der Mentalität der säkularisier­
ten Welt und des individualistisch geprägten Westens nachzugeben.
Bei den Themen "Ehevorbereitung", "Begleitung zerbrochener Lebensgeschichten", "Sexualerzie­
hung" - in allen diesen Bereichen setzt das Schlussdokument einen neuen Akzent. Es ist ja nicht so,
dass diese Synode zum ersten Mal über Begleitprozesse und Wegbegleitung spricht - aber in diesem
Schlussdokument hat das doch eine ganz andere Dimension, eine ganz andere Kraft. Es ist nicht
mehr so, dass es nur darum geht, verlorene Schafe ein wenig zu begleiten, auf dass sie wieder nor­
mal werden. Es scheint vielmehr, als ob diese seelsorgerliche Wegbegleitung der Normalfall gewor­
den ist. Und in der Tat, hier beginnt die eigentliche Herausforderung.
Und hier stellen sich dann auch für uns die Fragen:
Welche Bedeutung hat das für unsere eigene Beziehung
und für das daraus folgende Apostolat?
"Du sollst ein Segen sein!" wurde schon am Anfang unserer Heilsgeschichte, dem Abraham aufge­
tragen. Und wenn wir uns im Ehesakrament gesegnet erfahren, bedeutet das, einander in der Ehe ein
Segen zu sein und darüber hinaus auch für andere. Hierbei sollten wir die Schätze heben, die unser
Vater uns gegeben hat, seine Pädagogik und seine Spiritualität, indem wir den Wert des Ehesakra­
mentes künden durch unser Leben und wenn möglich darüber hinaus in der Wegbegleitung anderer,
unserer Kinder oder auch unserer Bundesgeschwister, denn auch in unserem Familienbund ist dies
eine Herausforderung, die sich stellt. Und es geht auch um das Vermächtnis, das uns der Heilige Jo­
hannes Paul II., ein Schutzpatron - so möchten wir sagen - für Ehe und Familie in der Enzyklika Fa­
miliaris Consortio hinterlassen hat.
Es genügt aber nicht, diese Einsichten rein intellektuell zu verstehen, denn tatsächlich werden sie so
sicher nicht fruchtbar. Auch jede Ehevorbereitung, die ernst sein möchte, muss dem lebendigen
Erziehungsprozess in der Ehe ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Sonst machen Eheleute ein Verspre­
chen, dessen Lebensbedeutung ihnen entgeht. Die Lehre der Kirche über Ehe und Familie sollte
deshalb bei den Paaren bekannt gemacht werden und auch bei den Kandidatenfamilien im Familien­
bund nicht stillschweigend als bekannt vorausgesetzt werden. In unserem säkularisierten Umfeld
müssen wir sowieso davon ausgehen, dass diese Schätze nicht bekannt sind.
Hier lässt sich nun auch der Bogen schlagen zu Station 5 unseres Eheweges von heute Morgen, wo
es um den Wachstumsprozess in Schwierigkeiten geht. Da gibt es die Lebenssituationen, in denen
keine Erklärungen mehr möglich sind, Herausforderungen, zu denen auch immer wieder das Schei­
tern gehört:
Warum gehen unsere Kinder so ganz andere Wege?
Warum ist ein Weiterleben in einer solchen Ehesituation, menschlich gesehen, nicht mehr
möglich?
…..
Jeder von uns könnte hier sicherlich noch viele Fragen anfügen. − Wie hoffnungsvoll ist es da,
wenn man Wegbegleitung erfährt, face to face, wie Papst Franziskus sagt. Ein Segen sollt ihr sein!
Schon häufiger wurde auch bei uns im Familienbund angedacht, ob sich nicht einige von uns in der
Paarberatung schulen lassen, um dann in dieser Hinsicht apostolisch tätig sein zu können. Auch
bei uns geraten Ehen in ernsthafte Krisen, und für diese Paare ist es oft schwer, Beratung auf katho­
lischem Boden zu finden. − Aber bei all den wichtigen Aufgaben geht es immer zuerst um die Be­
rufung zur eigenen Ehe.
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Wie viele Impulse haben wir da im Familienbund bekommen, die uns helfen sollen, spüren zu las­
sen, dass wir einander lieben, dass wir ein Segen sind.
 Schwerpunkte setzen: Erst die Ehe und die Kinder, dann der Beruf, und dann anderes …
 Zeit fürs Gespräch, Schönstattstunde, aktives Zuhören, …
 Kultur der Zärtlichkeit
 Wir gestehen einander Fimmel zu, 20, 30 oder auch mehr, d. h. nicht, dass wir Fehler nicht se­
hen, aber sie in einem guten Licht wahrnehmen, eine Verzeihenskultur entwickeln, Papst Fran­
ziskus spricht von einem Fitnessstudio des Verzeihens in der Familie.
 Jeder Partner sollte auch seine eigenen Aktivitäten und Hobbies haben. Liebe gibt es nicht ohne
ein Gegenüber. Dazu gehört Abstand im Einklang, Ehrfurcht vor dem Anderssein.
 Wir sollten daran arbeiten, liebesfähig zu bleiben. Dies ist man nicht von Natur aus.
Von dort aus ist jeder von uns ein gut entwickelter unersättlicher Egoist - Mann wie Frau. Die Frau
ist − was immer auch sentimentale Verlogenheit behauptet − ebenso wenig von Natur aus mütter­
lich wie der Mann väterlich. Beide werden es erst, wenn der Egoist erschlagen ist und der wehrt
sich enorm. Franz von Sales hat Recht, wenn er sagt: "Die Selbstsucht stirbt erst eine halbe Stunde
nach unserem Tod!" Sie ist es, die uns immer wieder unsere Unfähigkeit zur Liebe vor Augen hält.
Und wer kann schon behaupten, dass sie nicht ständig nachwächst. Auch unsere sakramentale Ehe
droht immer wieder zu scheitern. Es gibt ja nicht nur den krassen Bruch, es gibt die schleichende
Entfremdung, den verborgenen Abfall, das heimliche Erkalten, das innerste Sichverschließen, Sich­
verweigern und Abwenden.
Ida Friederike Görres sagte einmal: Glaubt nur nicht den Unsinn von der Hochzeit als dem schöns­
ten Tag des Lebens. Die Ehe kann ja nicht stehen bleiben, wie alles Lebendige muss sie wachsen
oder absterben. Hier gilt das Wort Newmans: Leben heißt sich wandeln und vollkommen sein heißt,
sich oft gewandelt haben. Dann kann echte Ehe jeden Tag schöner werden. Wir lassen unsere Kin­
der spüren, dass wir einander und dass wir sie lieben. Das Beste, was wir unseren Kindern mitgeben
können, ist unsere Einheit. Daran wächst auch ihre Persönlichkeit.
Wir selbst müssen uns diese Einheit immer wieder, manchmal auch in schwierigen Auseinanderset­
zungen erarbeiten.
Wir reden nach außen niemals negativ über unseren Partner. − Wir kennen eine Frau, der immer
wieder von der eigenen Mutter geraten wurde: Man muss die Männer so nehmen wie sie sind, und
dann tun, was man selber will. - Das eben ist nicht gemeint.
Ein anderes Negativ-Beispiel: Ein Kind bekommt ohne Wissen des Vaters Geld von seiner Mutter
mit der Bemerkung: Aber Papa nichts davon erzählen, und wenn er dir zusätzlich auch noch etwas
zusteckt, darfst du es ruhig annehmen. Also Kinder nicht zu Komplizen gegen den Ehepartner an­
heuern!
Eltern sollten Autorität ausüben und die Kinder nicht der Ratlosigkeit überlassen aus lauter Angst,
sie zu verletzen, eine Wahrheit zu sagen, die nicht zeitgemäß ist und bei ihren Freunden schlecht an­
kommt.
Wir beten miteinander als Ehepaar und mit den Kindern: Wenn unsere Kinder spüren, dass wir in
den alltäglichen Freuden und Sorgen zu Gott beten, vermitteln wir durch diese Haltung auch deren
Gottesbild. Eine Freundin, die geschieden ist, erzählte, dass es in ihrer Ehe bergab ging, als sie auf­
hörten, miteinander zu beten.
In unserer heutigen persönlichen Situation beten wir mehr für unsere Kinder und − wie ich es
schon seit deren Kindheit tue − auch für ihre künftigen Partner oder jetzigen Ehepartner.
Wir unterstützen die Beziehungen unserer Kinder und machen sie stark.
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Ich habe in der Zeit, als wir aus beruflichen Gründen nur an Wochenenden zusammen waren, unter
der Woche eine sehr schöne Erfahrung gemacht, die ich jungen Familien immer wieder gerne wei­
tergebe: Eine Nachbarin bot mir an, unsere Kinder einen Abend in der Woche zu hüten, nur unter
der Bedingung, wenn ich an diesem Abend etwas für mich selber tue, also worauf ich gerade Lust
hätte und nicht irgendeine Pflicht, die ich noch unbedingt erledigen muss.
Papst Franziskus hat eine sehr eindringliche Predigt gehalten über drei Worte, die den Familien
Frieden geben: Bitte, Danke, Entschuldigung.
"Bitte" erfordert das Taktgefühl einer unaufdringlichen Haltung, die das Vertrauen und den Respekt
erneuert. Kurz gesagt, die Vertrautheit ist keine Rechtfertigung, alles als selbstverständlich zu be­
trachten. Und je inniger und tiefer die Liebe ist, desto mehr erfordert sie die Achtung der Freiheit
und die Fähigkeit zu warten, dass der andere die Tür seines Herzens öffnet.
Und wenn Familien den Stil des Dankens verlieren, dann wird auch das gesellschaftliche Leben ihn
verlieren. Ein Christ, der nicht zu danken weiß, ist einer, der die Sprache Gottes vergessen hat.
Entschuldigung ist ein schwieriges, aber dennoch so notwendiges Wort. Wenn es fehlt, weiten klei­
ne Risse sich - auch ungewollt - bis sie zu tiefen Gräben werden.
Diese drei Schlüsselworte der Familie sind einfache Worte, und vielleicht rufen sie bei uns im ers­
ten Augenblick ein Lächeln hervor. Aber wenn wir sie vergessen, dann gibt es bald nichts mehr zu
lachen.
Kurzum: Durch unsere Liebe im Ehesakrament prägen wir eine Atmosphäre, die menschenliebend,
lebensfördernd, einfach zum Wohlfühlen ist. Dies ist unser Apostolat.
Der liebe Gott zeigt uns in den je eigenen Stationen unseres Eheweges, was momentan schwer­
punktmäßig dran ist: unsere eigene Ehe, die Begleitung der Kinder, die Begleitung kranker Eltern
oder darüber hinaus ein Weg der Begleitung in der Ehevorbereitung, das Mitgehen mit einem Paar,
das sich gerade schwer tut in seiner Ehe …
Wie gesagt, wichtig bleibt die Verbindung im Heiligen Geist, also im Gebet, damit er uns erleuchte,
wo unsere Liebe fruchtbar werden soll.
Dabei geht es nun nicht darum, was Gott vereint hat, sondern darum, was Gott jetzt vereint: es geht
darum, was er schaffend tut, denn er ist es, der jetzt die Einheit der Ehegatten sichern will. Es geht
um die Vergegenwärtigung der Liebe Gottes in jedem Ehepaar, und dazu dürfen wir beitragen eheliches Apostolat.
Schon vor nahezu 50 Jahren, am 30.11.1965, sagte unser Vater in einem Vortrag über den Ausdruck
eines originellen Lebensstils in einer kurzen Zeitanalyse folgendes: "Die heutige Zeit ist charakteri­
siert durch absoluteste Bindungslosigkeit. Schon allein der Begriff "Freiheit" heißt praktisch Bin­
dungslosigkeit. Und Bindungslosigkeit auf der ganzen Linie kann nicht das Ideal des Menschen
sein, weil dagegen protestiert sein Geschöpflichkeitscharakter. Mein Sein als Geschöpf verlangt
notwendig, da ich in mir nicht die Fülle habe, verlangt notwendig die Hinordnung auf jemand an­
deres, eine Ergänzung meiner Schwäche durch eine fremde Fülle. …"
Wir wissen, dass sich die Situation seit 1965 erheblich verschärft hat. − Weiter sagte unser Vater
damals: "Ich kann jetzt die Bindungslosigkeit des heutigen Menschen überwinden dadurch, dass
ich jetzt anfange mit den übernatürlichen Bindungen. … (z. B. Gelübde) Dahinter steckt der Ge­
danke: Bindungslosigkeit muss überwunden werden durch eine gewisse religiöse Bindungssüchtig­
keit. Das kann man tun, wenn man will. Schönstatt hat sich von vornherein auf einen anderen Bo­
den gestellt. Die Übernatur, die hängt nicht in der Luft; die Übernatur ergreift die Natur. … Was
heißt das? Die menschliche Seele ist von Natur aus für das Religiöse. Heute scheint das nicht mehr
der Fall zu sein, weil die Natur zu verwildert ist. Unser Denken geht total den umgekehrten Weg:
Wir müssen sorgen, dass der natürliche Bindungsorganismus wiederhergestellt wird. Wenn der na­
türliche gesund geworden ist, dann ist die Unterlage für den Aufbau, für religiöse Bindungen erst
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möglich. Sehen Sie, von hier aus eine ganz große Welt, die heute eigentlich sehr neu ist. Obwohl
wir außergewöhnlich religiös sind, … ist aber der Ansatzpunkt für die Rettung letzten Endes die Er­
neuerung der Natur."
Vor dieser Herausforderung stand schon die Synode 1980, auf die hin der heilige Papst Johannes
Paul die Enzyklika "Familiaris consortio" verfasste und stand nun in verschärfter Weise auch die
Synode 2015. Wir warten gespannt darauf, was unser Heiliger Vater Franziskus uns zu sagen hat,
nachdem ihm nun der Abschlussbericht zur Familiensynode vorliegt. Die deutsche Bischofskonfe­
renz arbeitet seit längerem an einem Hirtenwort, will aber zunächst das nachsynodale Schreiben des
Papstes abwarten.
Die Familie wird schon aus humanwissenschaftlicher Einsicht heraus nicht untergehen. Und wenn
sie Hauskirche ist, dann gilt auch ihr das Wort Jesu: "Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht
überwältigen!" (Mt 16,18) So werden wir trotz aller Schwierigkeiten an diesen wachsen in der
Hoffnung, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, wie der heilige Paulus im Rö­
merbrief hofft. (Röm 8,28)
Lassen wir als Stern der Hoffnung abschließend unseren Vater zu Wort kommen in einer Vision
aus dem Hirtenspiegel:
"Die christliche Familie ist die Zelle,
aus der - so wie der Strom aus seiner Quelle die christliche Gesellschaft wird genährt,
die der dreiein´ge Gott so liebt und ehrt.
Sie ist der Kirche treues Bild im Kleinen,
in dem sich Strahlen ewger Weisheit einen,
das Nest, das birgt und formt die neue Zeit,
die Macht, die Eigenart dem Kind verleiht.
Sie ist der Größten Werk- und Werdestätte,
verknüpft die Generationenkette,
bestimmt der Menschheit Segen oder Fluch,
der Völker Aufbau und Zusammenbruch.
Wer helfen will, die Welt und Kirch erneuern,
muss zielbewusst hin zur Familie steuern;
wer bei Reform sie nicht hinein bezieht,
wird singen bald ein müdes Trauerlied.
Drum müssen wir Schönstattfamilien bauen,
auf die der Ewige mit Freud kann schauen;
sie sind der Strom, in den das Wasser fließt,
das aus den Gliederungen sich ergießt,
aus dem sie alle ständig Nahrung ziehen,
der klar bestimmt ihr Wachsen, Sein und Blühen …" (Hirtenspiegel 1750 - 1754)