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Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Molecular-Modeling Ansätze
Struktur-basiertes Design
Ligand-basiertes Design
Homologie-Modellierung
Bindungsstellenmodelle + QSAR
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Receptor Mapping: CoMFA
Im Ligand-based design wird ein Satz von Liganden in ihrer bioaktiven Konformation
überlagert und beispielsweise mit Comparative Molecular Field Analysis eine Pharmakophorhypothese erstellt. Dabei wird ein 3D-Negativabdruck der Bindungstasche (des
strukturell unbekannten Proteins) erzeugt, welcher Regionen mit unterschiedlichen Eigenschaften kartiert (receptor mapping): Positiv und negativ geladene Bereiche,
Wasserstoffbrückendonoren und –akzeptoren, hydrophobe Bereiche oder Taschen
sowie Lösungsmittelzugängliche Bereiche. In ein solches Pharmakophormodell lassen
sich nun hypothetische Wirksubstanzen eindocken und bewerten.
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Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Bindungstellenmodelle
Trotz der grossen Anzahl von Proteinstrukturen in der Protein Data Bank und der
Möglichkeit, Homologiemodelle zu erstellen, gibt es Proteine, für die so keine 3DStruktur bestimmt werden kann. Dies ist beispielsweise für viele G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) der Fall. Trotzdem lassen sich auch für solche Systeme
Wirkstoffe entwickeln und in vitro auf ihre Affinität testen. Hat man für eine grössere
Anzahl Wirkstoffe auf diesem Wege experimentelle Affinitäten bestimmt, lässt sich
damit ein Bindungsstellenmodell erzeugen. Dieses kann peptidischer oder quasiatomistischer Natur sein. Dies ist möglich, weil Wirksubstanzen einen 3D-Negativabdruck der Bindungstasche des strukturell unbekannten Proteins darstellen.
+
=
Beispiel: Coumestrol in der Bindungstasche des Östrogenrezeptors α
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Pseudorezeptor-Modelle
Bei Pseudorezeptor-Modellen werden diese Eigenschaften direkt durch Aminosäuren repräsentiert. Dies erlaubt eine subtilere Abstimmung der Wechselwirkungen.
Ein Problem des Pseudorezeptor-Ansatzes ist, dass nicht genau vorausgesagt werden kann, welche Aminosäure des strukturell unbekannten Proteins mit den Liganden wechselwirkt. Ein viel fundamentaleres Problem ist, dass alle Liganden im virtuellen Experiment an dasselbe „strukturell gemittelte“ Protein binden, d.h. es ist kein
induced fit möglich.
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Definition
Bei Quasi-atomistischen Modellen werden anstelle der Aminosäuren deren Eigenschaften auf einer die Liganden umspannende Hülle abgelegt. Die daraus resultierenden Ligand–Modell-Wechselwirkungen können mit einem (bevorzugterweise direktionalen) Kraftfeld bewertet werden.
Klasse
Attribute
Entsprechende Aminosäuren
Salzbrücke
Wasserstoffbrücke
positiv, negativ
Donor und Akzeptor
Donor
Akzeptor
Arg, Lys; Asp, Glu
Hauptkette: –NH–CO–
Ser, Thr, Cys, Tyr, His, Trp, Asn,
Gln
Ser, Thr, Cys, Tyr, His, Met, Asn,
Gln
Ser, Thr, Cys, Tyr; Asn, Gln
Gly, Ala, Val, Pro, Leu, Ile
Phe, Trp, Tyr; His
Wasser
Wasserstoffbrücken-Flip-Flop Donor+Akzeptor
Hydrophob
neutral
positiv oder negativ
Grösse der Fläche
Lösungsmittel
J. Med. Chem. 2000, 46, 4416–4427!
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Software Quasar
Hülle
Wirksubstanz
Auf der Hülle abgelegte Eigenschaft
J. Med. Chem. 2002, 45, 2139–2149
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Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Induced fit — Ligand-induzierte Anpassung des Proteins
Androgenrezeptor mit gebundenem Dihydrotestosteron
Androgenrezeptor mit gebundenem Dihydrotestosteronbenzoat
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Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Simulation des induced fit
Kleine Wirksubstanz
Grosse Wirksubstanz
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Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Quantifizierung
Der entscheidende Vorteil solcher Modelle ist, dass diese Hüllen individuell an die
einzelnen Liganden angepasst und somit ein induced fit simuliert und quantifiziert
werden kann. Bei der Bewertung des induced fit geht man von einer Hülle aus, die
alle Trainingsliganden umspannt und vergleicht diese in Form und Volumen der individuell angepassten Hüllen. So ergibt sich für jeden Liganden ein Wert (typischerweise 0.5–20 kcal/mol) für die Kosten des induced fit und kann in der Energiegleichung berücksichtigt werden:
EBindung = ELigand–Proteinmodell – EInnere Spannung – E Ligand-Desolvatation – T∆S – EInd.Fit
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
“Nachteil”: Nur relative Bindungaffinitäten
Weil nicht mit der wirklichen Proteinstruktur gearbeitet werden kann, sondern “nur”
mit einem quasi-atomistischen Modell der Bindungstasche, können keine absoluten
Bindungsaffinitäten berechnet werden:
EBindung ∝ ELigand–Proteinmodell – EInnere Spannung – E Ligand-Desolvatation – T∆S – EInd.Fit
In einem validierten Bindungstellenmodell sind die berechneten Ebindung proportional
zu ∆Gexp (∆G = –RT ln K). Mittels einer Regression — unter Verwendung der Daten
eines Satzes von Trainingsliganden — kann ∆G quantitativ berechnet werden:
∆Gberechnet = a × EBindung + b
a: Steigung der Geraden
b: y-Achsenabschnitt
• Trainingssubstanzen (60-80%): Trainieren des Modells
• Testsubstanzen (20–40%): Überprüfen des Modells
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Optimierung
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Estrogen Rezeptor β: Quasar (6D-QSAR) und Raptor (5D)
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Neurokinin-1 Rezeptor
J. Med. Chem. 2000, 46, 4416–4427
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Quasi-atomistische Modelle: Bradykinin B2 Rezeptor
J. Chem. Inf. Model. 2006, 46, 2135–2145
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Mixed-Model QSAR: Andocken an die 3D Proteinstruktur + QSAR
Andocken
Automatisches Docking (software Cheetah)
Sammeln
Sammeln aller Bindungsmodi (4D-Datensatz)
Bewerten
J. Med. Chem. 2005, 48, 3700–3703
ChemMedChem 2006, 1, 73–81
ChemMedChem 2007, 2, 78–87
ChemMedChem 2009, 4, 100–109
Toxicol. Lett. 2009, 189, 219–224
Quantifizierung der Bindungsafinität
mittels mQSAR (software Quasar)
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Multi-dimensionales QSAR: 4D-QSAR
4D = multiple Ligand-Representation (Konformation, Orientierung, Protonierungszustand, Isomere)
Coumestrol binding to ERα: four binding modes (top view)
Pose A
Pose B
Coumestrol binding to ERα: four binding modes (side view)
Posen A–D überlagert
Pose C
J. Med. Chem. 2000, 46, 4416–4427
Pose D
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Multi-dimensionales QSAR: 4D/5D-QSAR
5D = unterschiedliche induced-fit Szenarien
4D-QSAR: Wirkstoffe werden als ein Ensemble von
Positionen, Orientierungen,Konformationen, Tautomeren und Protonierungszuständen repräsentiert.
fem
lin
ste
ele
hbo
lip
5D-QSAR: Protein wird durch verschiedene induced-fit Szenarien repräsentiert.
4D-QSAR: J. Med. Chem. 2000, 46, 4416–4427
5D-QSAR: J. Med. Chem. 2002, 45, 2139–2149
6D-QSAR: J. Med. Chem. 2005, 48, 3700–3703
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Beispiel 6D-QSAR: Östrogenrezeptor α
mQSAR-Modell für den Östrogenrezeptor α
J. Med. Chem. 2005, 48, 3700–3703
6D-QSAR (software Quasar): 106 Substanzen
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015
Molecular Modeling: Computergestützte Verfahren in der modernen Arzneistoffentwicklung
Beispiel 5D-QSAR: Cytochrom P450 3A4
Zweischaliges mQSAR-Modell für das Enzym Cytochrom P450 3A4
ChemMedChem 2006, 1, 73–81
5D-QSAR (software Raptor): 48 Substanzen
Angelo Vedani — Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel, 2015