Wenn Oberflächlichkeiten wichtig werden Der Einfluss individueller Fähigkeiten auf die Verarbeitung von Gesichtern Gantner, J. , Wulf, C. , Bloszies, C. , Schlee, S. , Schauerte, A. J | Betreuer: Dr. Jürgen M. Kaufmann Einführung Ergebnisse Der Mensch ist ein Naturtalent im Erkennen von Gesichtern. Es intuitiv zu beherrschen scheint selbstverständlich. Bisherige Forschungsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass es im interindividuellen Vergleich abgesehen von seltenen starken Defiziten (Prosopagnosie; s. Behrmann & Avidan, 2005) und Hinweisen für außergewöhnlich gute Leistungen (Super-Recognizer ; s. Russell, Duchaine & Nakayama, 2009) auch zwischen diesen Extremen eine große Variabilität hinsichtlich dieser Fähigkeit zu geben scheint (Kaufmann, Schulz & Schweinberger, 2013). Untersuchungen legen nahe, dass sich Personen in der relativen Nutzung von Form-und Texturinformationen unterscheiden (Kaufmann et al., 2013). Dabei scheint die Textur im Allgemeinen relevanter für die Diskrimination zwischen bekannten bzw. unbekannten Gesichtern zu sein als ihre Form. Hypothese: Bei Betrachtung der Fähigkeit, bekannte und unbekannte Gesichter anhand nur einer individualspezifischen Information (Form vs. Textur) unterscheiden zu können, erwarten wir für gute Gesichtererkenner eine bessere Diskriminationsleistung bei Textur- relativ zu Forminformationen. • Aufgrund zu großer Menge von Auswertungsmaterial nur Bericht über Experiment 2 • Korrektur des individuellen Antwortkriteriums: d-prime (d‘) = z(Treffer) − z(falsche Alarme) • neuronales Korrelat für die Diskriminationsleistung zwischen bekannten und unbekannten Gesichtern: N250 -Familiaritätseffekte an den Elektroden P9 und P10 Betrachtung von Fähigkeitsgruppen (high-/low-Performer durch Mediansplit) • ANOVAs für d‘ mit dem within-Faktor Bedingung (Original, OFDT, OTDF ) und dem between-Faktor Fähigkeit • signifikanter Gruppeneffekt für Fähigkeit (CFMT: p = .044, BFFT: p = .041, Abb. 2a) • Trend zur Interaktion zwischen CFMT-Gruppe und Bedingung (p = .082, Abb. 2b) • in den EKP: keine Interaktion zwischen Familiaritätseffekten und Fähigkeitsgruppe 4 BFFT CFMT 4 3 2 1 1 0 0 Referenzen Behrmann, M. & Avidan, G. (2005). Congenital prosopagnosia: face-blind from birth. Trends in Cognitive Sciences, 9, 180–187. Kaufmann, J., Schulz, C. & Schweinberger, S. (2013). High and low performers differ in the use of shape information for face recognition. Neuropsychologia, 51, 1310–1319. Russell, R., Duchaine, B. & Nakayama, K. (2009). Super-recognizers: people with extraordinary face recognition ability. Psychonomic Bulletin & Review, 16, 252–257. Abb 2c: EKP Familiaritätseffekt für OTDF an P9 • Korrelationen innerhalb der d‘ und von d‘ mit CFMT-Scores. • signifikante Korrelation zwischen Textur- und Formleistung (r = .624, p < .001) → ähnlich gute Toleranz gegenüber reduzierter Form- wie auch Texturinformation • signifikante Korrelation von Familiaritätseffekt für Textur (P9) und CFMT-Score (r = −.365, p = .022) → je höher der CFMT-Score, desto stärker der Familiaritätseffekt 2 4 d’ Textur − Form 4 0 d’ Textur 3 3 2 d‘ Textur d‘ Form d‘ T - F BFFT .389∗ .474∗∗ .131 CFMT .573∗∗ .440∗∗ .393∗ 2 1 1 0 −4 Prozedur: • Cambridge Face Memory Test (CFMT) • Bielefelder Famous Faces Test (BFFT) • Computerexperiment mit Forced-Choice-Familiaritätsaufgabe: 2 x (54 Übungs- + 270 Experimentaltrials) • Aufzeichnung von Akkuratheit (Treffer + Korrekte Zurückweisungen/Gesamtzahl) und Reaktionszeit EEG-Ableitung: • Ableitung EEG über 32-Kanal-System (SynAmps, AC, 0.05 − 100 Hz, Abtastrate 500 Hz) • Mittlere Amplituden für die Komponente N250 Abb 2b: d‘ nach CFMT-Gruppen und Bedingung Betrachtung kontinuierlicher Prätestscores: −2 Abb 1: Stimulusbeispiele der Bedingungen, v.l.n.r.: nur Form, nur Textur, Original, OTDF, OFDT Textur d’ 2 Abb 2a: d‘ nach Fähigkeitsgruppen Familiaritätseffekt Textur (P9) Stichprobe: N = 31, davon 27 weiblich, Alter M = 20.84 • Stimuli: teilweise manipulierte 3D-Bilder • 10 Identitäten: 5 bekannt, 5 unbekannt • 3 Ansichten: links, rechts, frontal • 3 Bedingungen: beide Informationen, nur Texturinformation, nur Forminformation • 2 Manipulationsstrategien: Experiment 1: Gipsmaske“ (nur Form) ” flattened surface maps (nur Textur) Experiment 2: originale Textur auf Durchschnittsform (OTDF) originale Form mit Durchschnittstextur (OFDT) low performer high performer Form 3 d’ Methode Org 0 40 60 80 100 CFMT Score Abb 3a: Korr. Fam.-Effekt mit CFMT 40 60 80 100 CFMT Score Abb 3b: Korr. Formverlust mit CFMT 0 1 2 3 4 d’ Form Abb 3c: Korr. d‘ bei Textur mit Form Abb 3d: Korr. von Prätestscores und d‘ Diskussion Das Experiment konnte bestehende Erkenntnisse zu Fähigkeitsunterschieden in der Gesichtserkennung bestätigen. Wie erwartet zeigten Probanden tendenziell ihren Prätestscores entsprechend bessere oder schlechtere Leistungen in der Erkennungsaufgabe. Hierbei ging ein geringeres Leistungsdefizit in einer der informationsreduzierten Stimulubedingungen (OFDT, OTDF) mit ebenfalls geringeren Einbußen in der anderen Bedingung einher. Mit steigendem CFMT-Score fanden sich außerdem hypothesenkonform Anzeichen für einen geringen Leistungseinbruch bei Texturrelativ zur Forminformation. Erwähnenswert ist, dass sich unterschiedliche korrelative Zusammenhänge zwischen Fähigkeit und Leistungen in den unterschiedlichen Bedingungen (OFDT, OTDF) zeigten, diese Unterschiede aber in einer Untersuchung mit MedianSplit nicht auftauchten. Ähnliches fand sich auch in den EEG-Daten: Hier gab es korrelative Zusammenhänge von Fähigkeit und N250 -Familiaritätseffekt, jedoch keine Interaktionen nach Median-Split. Dies legt nahe, dass sich die Fähigkeit zur Gesichtserkennung auf einem Kontinuum bewegt und eine dichotome Einteilung in gut“ und ” schlecht“ nicht genügt. Weiterhin könnten unterschiedliche Scores in den beiden Prätests bedeuten, dass CFMT ” und BFFT verschiedene Dimensionen der Verarbeitung ansprechen, weshalb ein direkter Vergleich kritisch ist.
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