Kommission schlägt vor Prospektvorschriften zu

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kommission schlägt vor Prospektvorschriften zu überarbeiten, um
europäischen Unternehmen den Zugang zu Finanzierungen zu erleichtern
sowie die Informationen für Anleger zu vereinfachen
Brüssel, 30. November 2015
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen werden bei der Ausgabe von Aktien oder
Schuldtiteln leichten Zugang zu Finanzierungen finden. Auch Unternehmen, die bereits auf
öffentlichen Märkten notieren, werden davon profitieren, wenn sie zusätzliche Aktien oder
Anleihen begeben wollen.
Die Europäische Kommission hat heute im Rahmen ihrer Strategie zur Schaffung einer
Kapitalmarktunion eine Überarbeitung der Vorschriften vorgeschlagen, die es Unternehmen
ermöglichen, sich an der Börse oder durch ein öffentliches Angebot an potenzielle Anleger Kapital zu
beschaffen. Die heute vorgeschlagenen Prospektvorschriften werden Anlegern fundierte
Anlageentscheidungen erlauben, die Vorschriften für Unternehmen, die Aktien oder Schuldtitel begeben
wollen, vereinfachen und grenzüberschreitende Investitionen im Binnenmarkt fördern. Dies ist auch
eine wichtige Maßnahme zu der in der Investitionsoffensive für Europa angekündigten Verbesserung
des Regulierungsrahmens für Investitionen in der Europäischen Union. Die Kapitalmarktunion dient
dem Ziel, Finanzmittel für Unternehmen zu erschließen und mehr Möglichkeiten für Anleger in der EU
zu schaffen. Der Vorschlag ist auch vor dem Hintergrund des Engagements der Kommission zu sehen,
die EU-Rechtsvorschriften zu vereinfachen und gleichzeitig wirksamer und effizienter zu gestalten.
Nahezu alle Unternehmen, die sich beim Anlegerpublikum Kapital beschaffen wollen, müssen den
Anlegern einen Prospekt vorlegen. Der Prospekt ist ein rechtliches Dokument, in dem das
Unternehmen, seine Hauptgeschäftsbereiche, seine Finanzen und seine Beteiligungsstruktur
beschrieben werden. Er muss sämtliche Informationen enthalten, die Anleger benötigen, bevor sie sich
dazu entschließen, in das Unternehmen zu investieren.
Die Prospektvorschriften der EU schreiben bestimmte Angaben vor, durch die sichergestellt werden
soll, dass Anleger in der gesamten Europäischen Union über die gleichen Informationen über ein
Unternehmen, das sich Kapital beschaffen will, verfügen. Eine Angleichung der Offenlegungsstandards
soll es einfacher machen, grenzüberschreitend zu investieren.
Für die Unternehmen, insbesondere für kleinere Unternehmen, ist die Erstellung eines Prospekts, der
häufig Hunderte von Seiten mit detaillierten Informationen erfordert, jedoch kostspielig und aufwendig.
Und für Anleger ist es wahrscheinlich auch nicht immer einfach, sich durch die Fülle von detaillierten
Informationen durchzuarbeiten.
Der für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige EU-Kommissar
Jonathan Hill sagte hierzu: „Wir brauchen Prospektvorschriften, die Anlegern, die Informationen zur
Verfügung stellen, die sie benötigen; ohne dabei unnötige Kosten zu verursachen und die Unternehmen
davon abzuhalten Geld auf den öffentlichen Märkten zu besorgen. Der heutige Vorschlag schafft ein
besseres Gleichgewicht. Es wird das System einfacher, billiger und schneller machen. Es wird Anleger
schützen, und es gleichzeitig KMU und anderen Unternehmen leichter machen Geld zu beschaffen. "
Es ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Anleger über alle Informationen verfügen, die sie
für eine fundierte Anlageentscheidung benötigen. Nur dann können sowohl Unternehmen als auch
Anleger die Möglichkeiten, die der europäische Kapitalmarkt bietet, nutzen. Eine gute Regelung der
Prospektvorschriften ist für Start-ups, KMU und Blue Chips gleichermaßen wichtig. Der heutige
Vorschlag wird überflüssigen Verwaltungsaufwand verringern und gleichzeitig den Anlegerschutz und
das Vertrauen in die Kapitalmärkte stärken.“
Der Vorschlag sieht folgende Änderungen vor:
- Ausnahme für geringe Kapitalbeschaffungen: Der Schwellenwert, ab dem Unternehmen einen
Prospekt ausgeben müssen, wird erhöht. So wird beispielsweise kein EU-Prospekt verlangt, wenn
das zu beschaffende Kapital unter einer Höhe von 500 000 EUR (vorher 100 000 EUR) bleibt, was
vielen KMU den dringend benötigten Raum zum Atmen verschafft. Die Mitgliedstaaten können
diese Schwellenwerte für ihren Inlandsmarkt weiter anheben; die entsprechende Höchstgrenze
wird von 5 Mio. EUR auf 10 Mio. EUR heraufgesetzt.
- Vereinfachter Prospekt für kleinere Unternehmen:KMU brauchen eine Regelung, die auf ihre
Bedürfnisse und den Bedarf ihrer Anleger abgestimmt ist, so dass sie einen Prospekt erstellen
können, der im Verhältnis zum Umfang der Finanzmittel oder den Vorteilen für die Anleger keine
unangemessenen Kosten verursacht. Für kleinere Emittenten, die europäische Märkte erschließen
wollen, werden wir eine echte „ Light-Regelung“ schaffen, d. h. billigere und weniger komplizierte
Prospekte vorsehen. Wir werden zudem die bestehenden Schwellenwerte für KMU, die diese
Regelung in Anspruch nehmen können, anheben – von einer Marktkapitalisierung von
100 Mio. EUR auf 200 Mio. EUR.
- Kürzere Prospekte und bessere Anlegerinformation: Die Zusammenfassung des Prospekts ist
oft recht lang und in einer komplizierten Rechtssprache abgefasst, die für die meisten Anleger nicht
adressatengerecht ist. Dies erhöht die Kosten für die Unternehmen, ohne den Anlegern greifbare
Vorteile zu bringen. Wir werden die Erstellung kürzerer und klarerer Prospekte unterstützen und zu
diesem Zweck den Umfang der EU-weit vorgeschriebenen Informationen, auf die verwiesen werden
kann und die deshalb nicht wiederholt werden müssen, erhöhen.
- Erleichterung von Sekundäremissionen börsennotierter Unternehmen: Unternehmen, die
bereits auf öffentlichen Märkten notieren und zusätzliche Aktien oder Schuldtitel
(Unternehmensanleihen) begeben wollen, können einen neuen, vereinfachten Prospekt ausgeben.
Dies erhöht die Flexibilität und senkt den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die mehr als nur
einmal auf die Kapitalmärkte zugreifen möchten. Derzeit betreffen 70 % der jährlich gebilligten
Prospekte sogenannte Sekundäremissionen von bereits auf einem öffentlichen Markt notierten
Unternehmen.
- Beschleunigte und vereinfachte Regelung für aktive Emittenten: Unternehmen, die die
Kapitalmärkte häufig in Anspruch nehmen, wird die Möglichkeit der Einreichung eines jährlichen
„Einheitlichen Registrierungsformulars“ und damit einer Art von „Rahmenregistrierung“ geboten,
bei der alle notwendigen Informationen über das Unternehmen, das Aktien oder Anleihen begeben
will, erteilt werden. Emittenten, die ein solches Formular bei ihren Aufsichtsbehörden regelmäßig
aktualisieren, kommen in den Genuss eines beschleunigten Billigungsverfahren von fünf Tagen,
das zur Anwendung kommt, wenn sie durch die Ausgabe von Aktien, Anleihen oder Derivaten die
Kapitalmärkte in Anspruch nehmen wollen.
- Einheitliche Anlaufstelle für alle EU-Prospekte: Die Europäische Wertpapier- und
Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wird erstmals einen kostenlosen Online-Zugang mit Suchfunktion
für alle im Europäischen Wirtschaftsraum gebilligten Prospekte bieten. Der Vorteil für die Anleger
besteht darin, dass sie über ein einziges Portal Zugang zu Informationen über Unternehmen
erhalten können, die börsennotierte Aktien oder Unternehmensanleihen auf Märkten anbieten, auf
denen die Öffentlichkeit investieren kann. Prospekte und damit verbundene Dokumente müssen
auch auf den Websites der Emittenten verfügbar sein, um einen einfachen Zugang in allen
relevanten Sprachen zu gewährleisten.
Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU (den Mitgliedstaaten) zur
Beratung und Verabschiedung unterbreitet.
Hintergrund
Die aktuelle Richtlinie 2003/71/EG (Prospektrichtlinie) harmonisiert die Regelungen für die
Veröffentlichung von Prospekten durch Unternehmen, die entweder durch Ausgabe von Aktien oder
durch Anbieten von Investitionsmöglichkeiten für die breite Öffentlichkeit Kapital beschaffen wollen.
Die Prospektrichtlinie wurde 2003 verabschiedet und 2010 überarbeitet [ÜBERPRÜFEN], um die
Kapitalaufnahme für Unternehmen in der gesamten Union einfacher und kostengünstiger zu machen.
Sobald ein Prospekt von einer Aufsichtsbehörde in einem Mitgliedstaat gebilligt wurde, kann er genutzt
werden, um in allen anderen Mitgliedstaaten Aktien oder Unternehmensanleihen und Derivate
auszugeben.
Die Richtlinie gewährleistet auch harmonisierte Mindestanforderungen an den Anlegerschutz, indem
vorgeschrieben wird, dass sämtliche Prospekte unabhängig davon, wo sie veröffentlicht werden, klare,
umfassende und standardisierte Informationen enthalten müssen, die Anleger für die Entscheidung, in
ein Unternehmen zu investieren, benötigen. Die Anleger kommen somit in den Genuss gemeinsamer
EU-Standards für Prospektangaben, dank deren sie vertrauensvoll in Unternehmen in der gesamten
Union investieren können.
Die Rückmeldungen zu einer im Jahr 2015 von der Kommission durchgeführten Konsultation brachten
jedoch einige Mängel der Richtlinie zum Vorschein[1]. Für Unternehmen ist die Erfüllung der
derzeitigen Vorschriften mit einem erheblichen Bürokratieaufwand und der Erstellung von
Dokumentationen verbunden, die mitunter mehrere hundert Seiten umfassen. Die Informationen
werden häufig in einer Rechtsterminologie verfasst, die für viele Anleger schwer verständlich ist. Dies
schafft Rechtsunsicherheit und steht im Widerspruch zum Ziel der Kapitalmarktunion, den Anlegern
einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten zu bieten.
Mit der vorgeschlagenen Verordnung werden diese Mängel behoben und wird sichergestellt, dass die
offenzulegenden Informationen in ihrem Umfang auf ein angemessenes Maß reduziert und in einer
klaren und verständlichen Sprache präsentiert werden. Durch die Umwandlung der Richtlinie in eine
Verordnung werden in der gesamten EU ein effizienteres und einheitlicheres Herangehen gewährleistet
und die Fragmentierung entlang den nationalen Grenzen und der Spielraum für Unterschiede bei der
Umsetzung auf nationaler Ebene verringert.
Weitere Informationen
Die vorgeschlagene Verordnung ist eine Schlüsselmaßnahme der Kapitalmarktunion:
Pressemitteilung Aktionsplan für den Aufbau einer Kapitalmarktunion
Memo Aktionsplan für den Aufbau einer Kapitalmarktunion
Weitere Informationen zur Überarbeitung der Prospektvorschriften
Siehe auch: MEMO/12/163
Weitere Informationen über die europäischen Prospektvorschriften
[1] http://ec.europa.eu/finance/consultations/2015/prospectus-directive/index_de.htm
IP/15/6196
Kontakt für die Medien:
Vanessa MOCK (+32 2 295 61 94)
Patrick McCullough (+32 229 87183)
Kontakt für die Öffentlichkeit: Europe Direct – telefonisch unter 00 800 67 89 10 11 oder per E-Mail