Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten – die «société anonyme» ist Geschichte Daniel Kuhn Dieter Gericke Per 1. Juli 2015 treten im Obligationenrecht neue Meldepflichten bei privaten Gesellschaften in Kraft: Einerseits für alle Erwerber von Inhaberaktien, andererseits für wirtschaftlich Berechtigte an Beteiligungen, die mindestens 25 % von Stimmrecht oder Kapital von Aktiengesellschaften und GmbHs repräsentieren. Faktisch gibt es auch eine Meldepflicht für Genossenschafter. Die Meldung muss jeweils innert Monatsfrist erfolgen, zudem – für Inhaberaktionäre – erstmals innert 6 Monaten seit Inkrafttreten. Das Gesetz sieht bei Nichteinhaltung der Meldepflichten harte Sanktionen vor: das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte und gar die Verwirkung der Vermögensrechte. Die Gesellschaften trifft die Pflicht zur Führung der entsprechenden Verzeichnisse. Überdies müssen Genossenschaften ein Verzeichnis sämtlicher Genossenschafter führen. Die Autoren setzen sich schwergewichtig mit den Meldepflichten und Sanktionen auseinander, zeigen Unklarheiten, Probleme und Konzeptionsfehler auf und entwickeln Lösungen für eine pragmatische Umsetzung in der Praxis. Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Hintergrund und Zweck des Gesetzgebungsprojekts – GAFI/FATF und Global Forum A. Übersicht B. GAFI-Vorgaben C. Vorgaben des Global Forum D. Umsetzung III.Die neuen Meldepflichten für Aktionäre A. Meldepflicht für Inhaberaktionäre («einfache Meldepflicht») 1. Gesetzestext 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze B. Meldepflicht betr. wirtschaftlich berechtigte Person («qualifizierte Meldepflicht») 1. Gesetzestext 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze C. Ausnahmen 1. Keine Meldepflicht bei börsenkotierten Gesellschaften 2. Meldung betreffend Inhaberaktionäre an Finanzinter mediär statt an Gesellschaft 3. Teleologische Ausweitung der Ausnahmetatbestände D. Sanktionen bei Nichteinhaltung der Meldepflichten 1. Gesetzestext 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze E. Exkurs: Meldepflichten bei Mergers & Acquisitions IV. Pflichten der Aktiengesellschaften bzw. der Verwaltungsräte A. Aktienbuch B. Verzeichnis C. Verhindern einer Rechtsausübung bei Verletzung der Meldepflichten D. Vertretung der Gesellschaft und Zugang zu Aktienbuch und Verzeichnis Le 1er juillet 2015, de nouvelles obligations d’annoncer entreront en vigueur dans le code des obligations pour les sociétés privées: d’une part pour tous les acquéreurs d’actions au porteur, d’autre part pour les ayants droit économiques dont les participations représentent au moins 25 % des voix ou du capital de sociétés anonymes ou de Sàrl. De fait, l’obligation d’annoncer existe aussi pour les associés des sociétés coopératives. L’annonce doit intervenir dans un délai d’un mois et – pour les actionnaires au porteur – la première fois dans les six mois qui suivent l’entrée en vigueur. La loi prévoit des sanctions sévères en cas de non-respect des obligations d’annoncer: la suspension des droits sociaux et même l’extinction des droits patrimoniaux. Les sociétés ont l’obligation de tenir les listes correspondantes. Par ailleurs, les sociétés coopératives doivent tenir une liste de tous les associés. Les auteurs traitent essentiellement des obligations d’annoncer et des sanctions, relèvent les incertitudes, problèmes et défauts de conception et développent des solutions pour une mise en pratique pragmatique. V. Weitere Änderungen A. Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien B. Übersicht über die Änderungen betr. GmbH und Genossenschaften 1. GmbH 2. Genossenschaft C. Übergangsbestimmungen und Nachmeldepflicht VI.Würdigung I. Einleitung Am 12. Dezember 2014 haben die eidgenössischen Räte das «Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière»1 (hier auch «GAFI-Gesetz» oder «Gesetzgebungsprojekt») verabschiedet. Die Referendumsfrist ist am 2. April 2015 unbenutzt verstrichen. Das Inkrafttreten der hier interessierenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen (hier als «revOR» zitiert) erfolgt auf den 1. Juli 2015 und steht somit unmittelbar bevor2. 1 2 Dieter Gericke, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Zürich. Daniel Kuhn, MLaw, Zürich. BBl 2014 9689 ff. Siehe Medienmitteilung des Bundesrats vom 29. April 2015 zur Inkraftsetzung des Bundesgesetzes zur Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen (zit. Medienmitteilung Inkraftsetzung, ab- 849 Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 850 Der wenig aussagekräftige Titel dieses Gesetzgebungsprojekts ist wohl einer der Gründe3 dafür, dass die Novelle bislang kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat – jedenfalls nicht in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht4. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich eine Vorlage, welche es in sich hat: Nicht weniger als acht Bundesgesetze (ZGB, OR, SchKG, StGB, VStrR, KAG, GwG und BEG) werden durch sie abgeändert5. Was das Gesellschaftsrecht anbetrifft, stehen neue Meldepflichten, versehen mit engen Fristen und harschen Sanktionen im Zentrum. Diese werden in nicht weniger als 14 (meist zusätzlichen) ORArtikeln geregelt. So muss der Erwerb von nicht börsenkotierten Inhaberaktien innert Monatsfrist der Gesellschaft gemeldet werden. Eine zweite Meldepflicht, welche nicht börsenkotierte Inhaber- und Namenaktien sowie GmbH-Anteile betrifft, sieht vor, dass neu derjenige, der den Grenzwert von 25 % von Kapital oder Stimmen allein oder in Absprache mit Dritten erreicht oder überschreitet, der Gesellschaft binnen Monatsfrist die natürliche Person melden muss, «für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich berechtigte Person)». Bei Genossenschaften muss ein Verzeichnis aller Genossenschafter mit Name und Adresse geführt werden, was faktisch ebenfalls entsprechende Meldepflichten impliziert. Um den Pflichten Nachdruck zu verleihen, wartet die Vorlage mit diversen Sanktionen6 auf. So ruhen für die Dauer der unterlassenen Meldung nicht nur die mit den Aktien und Stammanteilen verbundenen Stimmrechte und sonstigen Mitgliedschaftsrechte. Vielmehr verwirkt der Gesellschafter für die entsprechende Dauer die Vermögensrechte7. Da bestehende Inhaberaktionäre innert einer Übergangsfrist von nur sechs Monaten ihren Bestand bzw. die wirtschaftlich Berechtigten melden müssen8, ist manch böses Erwachen vorprogrammiert. Zudem kann eine Missachtung der Regelung zur persönlichen Haftung der Verwaltungsräte führen. Kurz gesagt wird das Schweizer Gesellschaftsrecht eine einschneidende Änderung erfahren, deren rechtliche und praktische Tragweite9 bislang wohl weder von der Politik noch von der Praxis gebührend erfasst wurde. Namentlich ist anzunehmen, dass neben den rund 50’000 Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien wohl um die 80 % der rund 206’000 Aktiengesellschaften und der rund 160’000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung über Aktionäre bzw. Anteilsinhaber verfügen, die gemäss Wortlaut des Gesetzes von der Pflicht zur Meldung des wirtschaftlich Berechtigten betroffen sind. Die meisten 6 3 4 5 rufbar unter <https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/ medienmitteilungen.msg-id-57064.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015). Ein weiterer Grund wird vermutlich der Umstand sein, dass das GAFI-Gesetz nicht klar einem Rechtsgebiet zugeordnet werden kann, sondern zugleich u.a. Gesellschafts-, Steuer-, Straf- und Banken- bzw. Kapitalmarktrecht betrifft, weshalb die Beobachtung des Gesetzgebungsprojektes da und dort wohl etwas «zwischen Stuhl und Bank» gefallen sein dürfte. Die bislang erschienene Literatur, welche die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des GAFI-Gesetzes behandelt, ist noch überschaubar – zu nennen ist in erster Linie der Beitrag von Lukas Glanzmann/Philip Spoerlé, Die Inhaberaktie – leben Totgesagte wirklich länger?, GesKR 2014, 4 ff., in dem sich die Autoren noch vor den parlamentarischen Beratungen eingehend mit dem damaligen Gesetzesentwurf auseinandergesetzt hatten. Sodann werden die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des GAFI-Gesetzes in einigen Beiträgen gestreift, vgl. etwa Michael Kunz, Umsetzung der GAFI-Empfehlungen 2012, Die Geldwäschereiprävention verlässt den Finanzsektor, Jusletter vom 23. Februar 2015; Jonatan Riegler, Fiduziarische Vinkulierung nicht kotierter Namenaktien – Art der Vinkulierung und ihre handelsregisterrechtliche Behandlung, REPRAX 2015, 17 ff., 28; Gottlieb Keller, Die Inhaberaktie, GesKR 2014, 246 ff.; Peter Lutz, Vorlage betreffend Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen: erste Analyse der Auswirkungen auf den Anwalt als Finanzintermediär, Anwaltsrevue 2014, 59 ff. Die weiteren, zum Teil ebenfalls einschneidenden Änderungen, welche das GAFI-Gesetz mit sich bringt, sollen hier schon nur aus Platzgründen unberücksichtigt bleiben. 7 8 9 Der bundesrätliche Entwurf hatte für den Fall der Nichteinhaltung von Meldepflichten sogar strafrechtliche Sanktionen vorgesehen, vgl. die E‑Art. 327 und 327a StGB, welche gemäss Entwurf zum Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (BBl 2014, 605 ff.; zit. Entwurf) beabsichtigt waren. Im Parlament wurden die entsprechenden Strafbestimmungen aber gekippt, obwohl eine Votantin diesbezüglich gar eine lex imperfecta kommen sah, sollten die flankierenden Strafbestimmungen wegfallen (vgl. AB NR 2014, 1176, NR Susanne Leutenegger Oberholzer). Glücklicherweise ist das Parlament in diesem Fall aber nicht der (grassierenden) Versuchung erlegen, im Strafrecht das Allheilmittel zur Disziplinierung im Bereich des Wirtschaftsrechts zu sehen. Siehe hinten III.D.2.c). Siehe hinten V.C. Gemäss Botschaft des Bundesrats zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) vom 13. Dezember 2013 (BBl 2014 605 ff., zit. Botschaft), 615 und 654, gibt es in der Schweiz rund 50’000 Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben. Davon wird wohl nur ein kleiner Teil über börsenkotierte oder als Bucheffekten ausgestaltete Inhaberaktien verfügen, welche nicht unter die Meldepflicht fallen. Hinzu kommen diejenigen Aktiengesellschaften, welche Namenaktien ausgegeben haben und bei denen ein oder mehrere Aktionäre unter die Meldepflicht von Art. 697j revOR fallen. Schliesslich unterliegen auch Erwerber von GmbH-Stammanteilen eine Art. 697j revOR nachgebildeten Meldepflicht bezüglich wirtschaftlich berechtigter Personen (Art. 790a revOR). Da die Meldepflicht aber nicht die Gesellschaften, sondern die Erwerber von Aktien bzw. Stammanteilen betrifft, dürften insgesamt Hunderttausende natürliche und juristische Personen betroffen sein. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 851 privaten Gesellschaften sind in den Händen eines oder weniger Gesellschafter (z.B. Handwerksbetriebe oder Gruppengesellschaften). Zusätzlich sind alle rund 9’000 Genossenschaften von der neuen Regelung betroffen.10 Bedenkt man, dass es für GAFI-Zwecke wohl genügt hätte, in einem Absatz eine simple Meldepflicht für kontrollierende Inhaberaktionäre festzuschreiben11, stellt sich die Frage, ob sich der Gesetzgeber dieser Folgen bewusst war und die Verhältnismässigkeit genügend berücksichtigte12. Dies gilt umso mehr als die neuen Pflichten in erster Linie mittelständische und kleine Gesellschaften betreffen. Der vorliegende Beitrag will den Hintergrund und Zweck des Gesetzesprojekts (vgl. II.) schildern, sodann die neuen Meldepflichten und Sanktionen für Aktionäre (vgl. III.), die Pflichten der Aktiengesellschaften bzw. der Verwaltungsräte (vgl. IV.) sowie weitere Änderungen (vgl. V.) beleuchten, jeweilige Probleme und Unklarheiten aufzeigen sowie Lösungsansätze präsentieren. Am Schluss des Beitrags würdigen die Autoren die Regelung (vgl. VI.). 10 11 12 Die Zahlen betreffend Häufigkeit der verschiedenen Rechtsformen ergeben sich aus der Statistik (Stichtag: 1. Januar 2015) des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister (abrufbar unter <http:// zefix.admin.ch/zfx-cgi/hrform.cgi/hraPage?alle_eintr=on&pers_ sort=original&pers_num=0&language=1&col_width=366&amt= 007>, zuletzt besucht am 17.5.2015). GAFI (Hrsg.), The FATF Recommendations, International Standards on Combating Money Laundering and the Financing of Terrorism & Proliferation, February 2012, Paris 2013 (zit. GAFI-Empfehlungen 2012, abrufbar unter <http://www.fatf-gafi.org/topics/ fatfrecommendations/documents/fatf-recommendations.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015), 86 f. (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 14): «Countries should take measures to prevent the misuse of bearer shares and bearer share warrants, for example by applying one or more of the following mechanisms: (a), […] or (d) requiring shareholders with a controlling interest to notify the company, and the company to record their identity.» Das Global Forum wünscht – unter Vorbehalt der Verhältnismässigkeit – die Identifizierung der «owners» (siehe hinten II.C.), d.h. auch unter jenen Prämissen würde eine simple Meldepflicht genügen. Sanktionen müssten die Verhältnismässigkeit beachten. Die Botschaft (FN 9), 698, macht keine statistischen Ausführungen/Betroffenheitsanalysen und gibt die geschätzten Einführungskosten gar nicht und die Folgekosten nur sehr vage an. Eine De Minimis-Regelung, etwa für operativ tätige Kleingesellschaften, gibt es nicht. II. Hintergrund und Zweck des Gesetzgebungsprojekts – GAFI/FATF und Global Forum A. Übersicht Die Financial Action Task Force (FATF) bzw. Groupe d’action financière (GAFI) wurde 1989 anlässlich des G7-Gipfels in Paris gegründet und entwickelte sich über die Jahre zur wichtigsten Expertengruppe in der internationalen Zusammenarbeit gegen Geldwäscherei13. Die Schweiz ist dem Gremium 1990 beigetreten. Seither veröffentlichte dieses regelmässig Empfehlungen, welche heute von den Teilnehmerregierungen als internationale Standards im Bereich der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verwendet werden14. Die aktuell gültigen Empfehlungen stammen aus dem Jahr 2012. Obschon es sich beim GAFI um keine internationale Organisation im Sinne des Völkerrechts handelt und die GAFI-Empfehlungen keine Rechtsnormen sind, wird die Durchsetzung derselben durch Überwachungs- und «Ächtungs»massnahmen vorangetrieben15. So führt GAFI als «mutual evaluation reports» bezeichnete Länderexamen durch, bei denen überprüft wird, ob die Empfehlungen eingehalten werden16. Die nächste Evaluation der Schweiz ist für den Frühling 2016 geplant17. Die Schweiz hat die 2012 revidierten Empfehlungen angenommen und ist daher nach Ansicht des Bundesrates gehalten, diese innerstaatlich umzusetzen18. Beim «Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes» (Global Forum) handelt 13 14 15 16 17 18 Vgl. Tamara Taube, Die Schwarze Liste der FATF – was droht der Schweiz wirklich?, recht 2014, 210 ff., 210. Botschaft (FN 9), 606 und 611; Taube (FN 13), 211. Vgl. Botschaft (FN 9), 650 f.; Taube (FN 13), 211; Paolo Bernasconi, in: Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band II, Zürich 2002, N 474 zu Internationale Amts- und Rechtshilfe; Werner de apitani, in: Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, orC ganisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band II, Zürich 2002, GwG AT N 65; Jürg-Beat Ackermann, in: Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band I, Zürich 1998, N 27 zu Art. 305bis StGB; Marlène Kistler, La vigilance requise en matière d’opérations financières, Diss. Lausanne, Zürich 1994, 17. Vgl. Taube (FN 13), 211; de Capitani (FN 15), GwG AT N 65. Taube (FN 13), 211 f. m.w.H. Botschaft (FN 9), 651. Aus rechtsstaatlicher Sicht nicht unbedenklich ist der Umstand, dass diese «Annahme» keiner demokratischen Kontrolle unterstand. Zu den allenfalls zu erwartenden Sanktionen, welchen sich die Schweiz im Falle der Nichtbefolgung der Empfehlungen aussetzen würde: Taube (FN 13), passim. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 852 es sich um ein im Jahr 2000 gegründetes und unter der Aufsicht der OECD und der G20 stehendes Gremium, welches internationale Standards hinsichtlich Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken auf internationaler Ebene formuliert und deren Einhaltung und Umsetzung überwacht. Auch das Global Forum unterzieht seine 126 Mitglieder19 (darunter auch die Schweiz) regelmässig Länderexamen, welche als «peer reviews» bezeichnet werden. Eine weitere solche Länderprüfung steht für die Schweiz im Herbst dieses Jahres an20. B. GAFI-Vorgaben Im Rahmen des im Jahre 2005 durchgeführten GAFILänderexamens21 wurde die Schweiz hinsichtlich der Transparenz juristischer Personen als «nicht konform» mit den GAFI-Empfehlungen benotet22. Der GAFI-Länderbericht bemängelte, dass es bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien nicht möglich sei herauszufinden, wer die juristische Person zu Eigentum habe bzw. kontrolliere und forderte Massnahmen zur Verbesserung dieser Situation23. Die 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen sehen bezüglich Transparenz juristischer Personen unter dem Titel «Transparency and beneficial ownership of legal persons» Folgendes vor24: «Countries should take measures to prevent the misuse of legal persons for money laundering or terrorist financing. Countries should ensure that there is adequate, accurate and timely information on the beneficial ownership and control of legal persons that can be obtained or accessed in a timely fashion by competent authorities. In particular, countries that have legal persons 19 20 21 22 23 24 Insgesamt hat das Global Forum 126 Mitglieder (Stand Mai 2015) – 125 Länder sowie die Europäische Union (vgl. <http:// www.oecd.org/tax/transparency/membersoftheglobalforum.htm>, zuletzt besucht am 11.5.2015). Medienmitteilung Inkraftsetzung (FN 2). GAFI (Hrsg.), 3ème rapport d’évaluation mutuelle de la lutte antiblanchiment de capitaux et contre le financement du terrorisme, synthèse, Suisse, 14 octobre 2005 (zit. GAFI-Länderbericht 2005, abrufbar unter <https://www.sif.admin.ch/sif/de/home/dokumentation/berichte/bekaempfung-der-finanzkriminalitaet.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015). Botschaft (FN 9), 614, m.H. auf die GAFI-Empfehlung 33 (2003). GAFI-Länderbericht 2005 (FN 21), 6 (Ziff. 20), 11 (Ziff. 54) sowie 22. In Ziff. 20 ist zu lesen: «En outre, le fait que les sociétés anonymes de droit suisse peuvent émettre des actions au porteur et qu’aucune mesure n’est actuellement en vigueur pour assurer la transparence de leur actionnariat – en dehors du cas où il s’agit de sociétés cotées en bourse – a pour conséquence de rendre plus difficile pour les intermédiaires financiers la vérification des personnes qui contrôlent ou possèdent la personne morale. Les autorités suisses devraient prendre les mesures nécessaires pour remédier à ces faiblesses». GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 22 (Empfehlung 24). that are able to issue bearer shares or bearer share warrants, or which allow nominee shareholders or nominee directors, should take effective measures to ensure that they are not mis used for money laundering or terrorist financing […]» Den Begriff des «wirtschaftlich Berechtigten» (bzw. des «beneficial owner») definieren die GAFI-Empfehlungen als «natural person(s) who ultimately owns or controls a customer and/or the natural person on whose behalf a transaction is being conducted. It also includes those persons who exercise ultimate effective control over a legal person or arrangement». Was die Wendung «ultimately owns or controls» sowie «ultimate effective control» angeht, so wird präzisiert, dass es dabei um Situationen geht, «in which ownership/control is exercised through a chain of ownership or by means of control other than direct control».25 Als Beispiel einer möglichen Schwelle, ab welcher ein Aktionär als «kontrollierend» angesehen werden kann, nennen die GAFI-Empfehlungen eine Beteiligungsquote von 25 %26. Diese Schwelle, welche als willkürlich erscheint, ist unseres Erachtens für das Schweizer Recht zu tief angesetzt, da eine privat gehaltene Aktiengesellschaft mit einer Beteiligung von 25 % in aller Regel nicht kontrolliert werden kann. Die Abschaffung der Inhaberaktie fordern die GAFIEmpfehlungen 2012 nicht, obwohl eine solche als mögliche Lösung des Problems vorgeschlagen wird. Des Weiteren werden als Massnahmen die Umwandlung in Namenaktien, die Immobilisierung der Inhaberaktien durch Hinterlegung bei einem Finanzintermediär sowie die Einführung einer Meldepflicht empfohlen27. Wie diese vorgeschlagenen Massnahmen schliesslich umzusetzen sind, lassen die GAFI-Empfehlungen offen, womit für die Länder ein Handlungsspielraum besteht. C. Vorgaben des Global Forum Das besprochene Gesetzgebungsprojekt nimmt zwar im Titel nur Bezug auf die Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen, stützt sich aber gemäss Botschaft28 auch auf die Vorgaben des Global Forum29. Jene sehen – 25 26 27 28 29 Vgl. zur Begriffsdefinition: GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 110 (Glossar), siehe auch die dortige Fn. 50. GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 84, Fn. 38 (Interpretativnote zu Empfehlung 24). GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 86 f. (Interpretativnote zu Empfehlung 24). Botschaft (FN 9), 606, 611, 615 f. und 639 f. Global Forum (Hrsg.), Terms of Reference, To monitor and Review Progress Towards Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes, 2010 (zit. Richtlinien des Global Forum, abrufbar unter <http://www.oecd.org/ctp/44824681.pdf>, zuletzt besucht am 11.5.2015). Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 853 für den Informationsaustausch zu Steuerzwecken – ebenfalls eine vertiefte Transparenz hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an juristischen Personen vor30: «A.1.1. Jurisdictions should ensure that information is available to their competent authorities that identifies the owners of companies and any bodies corporate. Owners include legal owners, and, in any case where a legal owner acts on behalf of any other person as a nominee or under a similar arrangement, that other person, as well as persons in an ownership chain. A.1.2. Where jurisdictions permit the issuance of bearer shares they should have appropriate mechanisms in place that allow the owners of such shares to be identified. One possibility among others is a custodial arrangement with a recognized custodian or other similar arrangement to immobilize such shares.» III. Die neuen Meldepflichten für Aktionäre A. Meldepflicht für Inhaberaktionäre («einfache Meldepflicht») 1. Art. 697i revOR 1 Wer Inhaberaktien einer Gesellschaft erwirbt, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind, muss den Erwerb, seinen Vorund seinen Nachnamen oder seine Firma sowie seine Adresse innert Monatsfrist der Gesellschaft melden. 2 Der Aktionär hat den Besitz der Inhaberaktie nachzuweisen und sich wie folgt zu identifizieren: a. als natürliche Person: durch einen amtlichen Ausweis mit Fotografie, namentlich durch den Pass, die Identitätskarte oder den Führerausweis, im Original oder in Kopie; b. als schweizerische juristische Person: durch einen Handelsregisterauszug; c. als ausländische juristische Person: durch einen aktuellen beglaubigten Auszug aus dem ausländischen Handelsregister oder durch eine gleichwertige Urkunde. 3 Der Aktionär muss der Gesellschaft jede Änderung seines Voroder seines Nachnamens oder seiner Firma sowie seiner Adresse melden. 4 Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Inhaberaktien nach dem Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 als Bucheffekten ausgestaltet sind. Die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle, bei der die Inhaberaktien hinterlegt oder ins Hauptregister eingetragen werden; die Verwahrungsstelle muss in der Schweiz sein. D. Umsetzung Im Bereich des Gesellschaftsrechts sehen sowohl die GAFI-Empfehlungen als auch die Standards des Global Forum eine erhöhte Transparenz bei juristischen Personen vor. Im Ergebnis sollen die Behörden eines Landes demnach jederzeit die Eigentümer bzw. wirtschaftlich Berechtigten einer juristischen Person in Erfahrung bringen können. Zweck dieser Bestrebungen ist einerseits, den Missbrauch von Gesellschaften mit Inhaberaktien für Zwecke der Geldwäscherei zu verhindern. Andererseits geht es darum, die Grundlagen bzw. Voraussetzungen hinsichtlich des internationalen Informationsaustauschs für Steuerzwecke zu schaffen31. Während die GAFI-Empfehlungen an sich nur eine Meldepflicht bei Erreichen einer «Kontrollbeteiligung» verlangen würden, scheinen die Vorgaben des Global Forum diesbezüglich strenger zu sein, indem Transparenz hinsichtlich sämtlicher «Eigentümer» gefordert wird32. Indessen behalten sowohl GAFI wie auch Global Forum ausdrücklich die Verhältnismässigkeit vor. Um die Schweizer Gesetzgebung den geltenden Standards der GAFI sowie des Global Forum anzupassen, wurde das hier punktuell besprochene Gesetz erlassen. 30 31 32 Richtlinien des Global Forum (FN 29), 4 (Kriterien A.1.1 und A.1.2). Information des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) zu «Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes», abrufbar unter <https://www.sif.admin. ch/sif/de/home/themen/internationale-steuerpolitik/global-forumon-transparency-and-exchange-of-information-for-tax.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015. Botschaft (FN 9), 615. Gesetzestext 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze33 a. Übersicht Die Bestimmung regelt den Kern der gesetzgeberischen Absicht: Inhaberaktionäre sollen sich nicht mehr «verstecken» können, sondern der Gesellschaft ihre Identität bekanntgeben müssen34. b. Kein Schwellenwert Die in Art. 697i revOR festgeschriebene Meldepflicht sieht keinen Schwellenwert vor. Das bedeutet, dass auch der Erwerb einer einzigen Aktie die Meldepflicht auslöst. Insofern unterliegen nichtkotierte Inhaberaktien neu einer strengeren Meldepflicht, als ihre börsenkotierten Pendants, da bei Letzteren eine Meldung erst ab Erreichen eines Schwellenwertes von 3 % vorgesehen ist (vgl. Art. 20 Abs. 1 BEHG). 33 34 Die nachfolgenden Ausführungen gelten mutatis mutandis auch für die qualifizierte Meldepflicht nach Art. 697j revOR (siehe hinten III.B). Zur Ausnahme für börsenkotierte Gesellschaften siehe hinten III.C.1. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 854 Obwohl im Lichte des Zwecks35 überschiessend36, dürfte es schwierig sein, über teleologische Argumente in der Praxis einer vernünftigen de minimis-Lösung das Wort zu reden: Der Gesetzgeber lehnte einen Schwellenwert analog zum Börsenrecht ab37. c. Auslösendes Moment der Meldepflicht Nach dem Gesetzeswortlaut löst der Erwerb von Inhaberaktien die Meldepflicht aus (Art. 697i Abs. 1 revOR). Damit muss im Unterschied zur börsenrechtlichen Meldepflicht38 der Eigentumsübergang (das Verfügungsgeschäft) gemeint sein, nicht das Verpflichtungsgeschäft39. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung: Bei den GAFI-Regelungen geht es in erster Linie um die Verhinderung anonymer Veräusserungen und Übertragungen der vermögensrechtlichen Rechtszuständigkeit – entsprechend sieht auch die Sanktion die Verwirkung der Vermögensrechte vor. Demgegenüber bezweckt die börsenrechtliche Offenlegung in erster Linie die möglichst frühzeitige Information des Marktes über tatsächliche oder anstehende Veränderungen in der Kontrollstruktur. Art. 13 BEHV-FINMA, welcher die in Art. 20 BEHG vorgesehene Offenlegungspflicht konkretisiert, sieht zudem vor, dass auch die Begründung oder die Beendigung einer Nutzniessung der Meldepflicht untersteht. Art. 697i Abs. 1 revOR enthält keine analoge Regelung. Da die Errichtung einer Nutzniessung an Wertpapieren jedoch deren Übertragung erfordert (Art. 746 Abs. 1 ZGB) und dies auch dem Zweck der Vorschriften entspricht, dürfte im Zweifel auch der «Erwerb» durch Nutzniessung zu melden sein40. Demgegenüber wird das Bestellen eines Pfandrechts an Inhaberaktien in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung die Meldepflicht nicht auslösen. Hier verbleibt die vermögensrechtliche Rechtszuständigkeit (einstweilen) beim Verpfänder, obwohl auch zur Errichtung eines Pfandrechts an Inhaberaktien deren Übertragung erforderlich ist (Art. 901 Abs. 1 ZGB). Dar35 36 37 38 39 40 Siehe vorne II. Siehe auch die Kritik bei Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9. Vgl. z.B. den Antrag von SR Paul Niederberger, der einen Schwellenwert von 3 % (analog BEHG) festschreiben wollte, jedoch schon im Ständerat mit 25 zu 15 Stimmen verworfen wurde (vgl. AB SR 2014, 162 ff.). Für die börsenrechtliche Offenlegungspflicht hält Art. 11 Abs. 1 BEHV-FINMA ausdrücklich fest, dass diese mit der «Begründung des Anspruchs auf Erwerb oder Veräusserung von Beteiligungspapieren (Verpflichtungsgeschäft)» entsteht. Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9. Zur Meldepflicht bei Unternehmenskäufen im Besonderen siehe hinten III.E. A.M. wohl Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9, da vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst. an ändert sich auch nichts, wenn dem Pfandgläubiger gestattet wird, die Stimmrechte auszuüben41. d. Kurze Frist Der Erwerber von nicht börsenkotierten Inhaberaktien hat ab Erwerb einen Monat Zeit, die in Art. 697i Abs. 1 revOR vorgesehene Meldung an die Gesellschaft zu erstatten. Was bei einem «normalen» derivativen Erwerb schon kurz bemessen sein kann, ist bei «besonderen» Erwerbsarten – namentlich der Universalsukzession durch Erbgang – kaum praktikabel. Zwar erwerben die Erben die Erbschaft kraft Gesetzes durch Universalsukzession «mit dem Tode des Erblassers» und mithin Eigentum an den Erbschaftsgegenständen (vgl. Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB). Allerdings macht sie das vorläufig nur zu Gesamteigentümern (Art. 602 Abs. 2 ZGB) und auch sonst ist der Erbgang unter Umständen noch von vielen Unwägbarkeiten geprägt. So kann umstritten sein, wer überhaupt Erbenstellung hat oder welche Erbschaftsgegenstände (z.B. Inhaberaktien) Gegenstand welcher letztwilliger Verfügungen sind. Unserer Meinung nach kann die Monatsfrist (Meldepflicht nach Art. 697i und Art. 697j revOR) für Erben daher erst dann zu laufen beginnen, wenn für die Erben klar ist, wem die Inhaberaktien zufallen bzw., falls seitens Erblasser ein Willensvollstrecker eingesetzt wurde, wenn dieser sein Amt angetreten hat. Nach allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln wäre für die Fristwahrung auf den Eingang der Meldung abzustellen42. Aufgrund der pönalen Natur der Sanktionen wäre aber im Sinne des öffentlichen Rechts ein Abstellen auf den Abgang der Meldung sachgerechter. Da bei Abgang der Meldung im Rahmen der Frist u.E. aber ohnehin von Sanktionen abzusehen ist43, kann diese Frage letztlich offen bleiben. e. Fehlende Frist für Namens- und Adressänderungen Für die in Art. 697i Abs. 3 revOR vorgesehene Meldepflicht im Falle einer Änderung des Vor- oder Nachnamens bzw. der Firma oder der Adresse des Aktionärs schreibt das Gesetz keine Frist vor44. Es handelt sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung keine Verwirkung der Vermögensrechte nach sich zieht (Art. 697m Abs. 3 revOR e contrario). Diese Differenzierung ist 41 42 43 44 Vgl. demgegenüber Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9, die bei Stimmberechtigung eine Meldepflicht nicht ausschliessen. Vgl. zum Zugangsprinzip Peter Gauch/Walter R. Schluep/ Jörg Schmid, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 10. A., Zürich 2014, Nr. 196 ff. Siehe hinten III.D.2.b) und III.D.2.c). Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 855 sachgerecht, da es sich um Aktionäre handelt, die den Erwerb fristgerecht gemeldet haben. f. B. Meldepflicht betr. wirtschaftlich berechtigte Person («qualifizierte Meldepflicht») 1. Gesetzestext Partizipationsscheine und Dispoaktien Partizipationsscheine sind nichts anderes als stimmrechtslose Aktien45. Das Gesetz ordnet in Art. 656a Abs. 2 OR an, dass die Bestimmungen über die Aktien grundsätzlich auch für Partizipationsscheine gelten. Entsprechend bezieht sich die mit Art. 697i revOR eingeführte Meldepflicht für Inhaberaktionäre ebenfalls auf die Erwerber von Inhaberpartizipationsscheinen, zumal, wie erwähnt, anders als im Börsenrecht die vermögensrechtliche Rechtszuständigkeit im Fokus der Regelung steht. Aus den parlamentarischen Beratungen wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass Partizipationsscheine unter die Meldepflicht fallen46. Anders sieht es bei sog. «Dispoaktien» aus. Als solche werden Namenaktien einer börsenkotierten Gesellschaft bezeichnet, deren Erwerber sich nicht ins Aktienbuch eintragen lassen haben47. Dadurch nähern sich Dispoaktien Inhaberpartizipationsscheinen an48, zumal den Dispoaktionären auch ohne Eintrag im Aktienbuch Dividenden über das Bankensystem bzw. die Kette der Verwahrungsstellen bei Bucheffekten ausgeschüttet werden49. Trotz der grundsätzlichen Anonymität unterstehen jedoch auch Dispoaktionäre bei Überschreiten der 3 %-Schwelle der Meldepflicht von Art. 20 BEHG, weshalb sie wie alle Aktionäre börsenkotierter Gesellschaften von der aktienrechtlichen Meldepflicht ausgenommen sind50. Art. 697j revOR 1 Wer allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer Gesellschaft, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind, erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, muss der Gesellschaft innert Monatsfrist den Vor- und den Nachnamen und die Adresse der natürlichen Person melden, für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich berechtigte Person). 2 Der Aktionär muss der Gesellschaft jede Änderung des Voroder des Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person melden. 3 Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Aktien nach dem Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 als Bucheffekten ausgestaltet sind. Die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle, bei der die Aktien hinterlegt oder ins Hauptregister eingetragen werden; die Verwahrungsstelle muss in der Schweiz sein. 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze a. Übersicht Neu und sowohl für Namen- als auch für Inhaberaktionäre sieht das Gesetz vor, dass ein Aktionär oder Gesellschafter, der allein oder in Absprache mit Dritten so viele Aktien oder GmbH-Anteile hält, dass er 25 % des Kapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, den oder die an diesen Gesellschaftsanteilen wirtschaftlich Berechtigten melden muss51. b. 45 46 47 48 49 50 Statt vieler: Hans Caspar von der Crone, Aktienrecht, Bern 2014, § 3 N 149; Peter Forstmoser/Arthur Meier-Hayoz/ Peter Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 46 N 2 und 9. Das ergibt sich daraus, dass der Nationalrat in Bezug auf die qualifizierte Meldepflicht (Art. 697j revOR) zwischenzeitlich einen Abs. 4 zu E‑Art. 697j OR angenommen hatte. Nach diesem Absatz hätte die dortige Meldepflicht nicht bestanden, wenn der Grenzwert von 25 % durch den Erwerb von Partizipationsscheinen erreicht oder überschritten worden wäre (vgl. AB NR 2014 1185). Diese Bestimmung wurde aber durch den Ständerat wieder gestrichen (AB SR 2014 734) – mit dem Argument, wonach es keine Rolle spiele, dass die Partizipationsscheine keine Stimmrechte vermittelten, weil dies in Bezug auf die GAFI-Empfehlungen nur sekundär sei (vgl. das Votum von SR Stefan Engler, AB SR 2014 734). Daniel Häusermann, Dispoaktien: Ein 250-Milliarden-Problem?, GesKR 2012, 220 ff., 220; Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., Zürich 2009, § 6 N 152, m.w.H. Vgl. von der Crone (FN 45), § 3 N 125; Böckli (FN 48), § 6 N 165; Hans Caspar von der Crone/Martina Isler, Dispoaktien, GesKR-Sondernummer 2008, 76 ff., 77. Siehe hinten III.C.1. Fragliche Definition des «wirtschaftlich Berechtigten» Der Begriff des «wirtschaftlich Berechtigten» wird in Art. 697j Abs. 1 revOR als natürliche Person definiert, für die der Erwerber (der Aktien) letztendlich handelt. Wirtschaftlich berechtigt kann der Erwerber selbst sein, wenn er für sich handelt, oder eine Drittperson – immer ist es aber laut gesetzlicher Anordnung eine natürliche Person. Damit wird dem Wortlaut nach zusätzlich zu den bereits bestehenden gesetzlichen Definitionen des wirtschaftlich Berechtigten (namentlich die Art. 20 BEHG oder dem GwG zugrunde liegenden) bzw. derjenigen des GAFI eine neue Kategorie geschaffen. Diese gesetzliche Definition des wirtschaftlich Berechtigten ist unklar, indem sie an ein Kriterium anknüpft, das eine direkte oder indirekte Stellvertretung impliziert. 51 Zur Ausnahme bei börsenkotierten Gesellschaften siehe hinten III.C.1. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 856 Indes geht die Botschaft von der Person am Ende der Kontrollkette aus52 – also wohl vom obersten Aktionär bei übereinander gestaffelten Gesellschaften oder demjenigen, der vertraglich das Sagen hat. Dies entspräche auch dem Ansatz, der vom GAFI (vgl. vorne II.B) sowie im ebenfalls revidierten GwG verfolgt wurde53. Demgegenüber wäre wirtschaftliche Berechtigung i.e.S. nochmals etwas anderes – nämlich die Person, in deren Vermögen sich Veränderungen der Rechtszuständigkeit letztlich auswirken, auch wenn diese Person nicht unmittelbar an den Aktien berechtigt ist und auch keine Kontrolle ausübt. Da es sich um die Umsetzung einer GAFI-Empfehlung54 handelt und damit die Verhinderung von Geldwäscherei im Vordergrund steht, muss unseres Erachtens darauf abgestellt werden, in wessen Vermögen sich der Erwerb letztlich auswirkt (d.h. von wem das Geld für den Erwerb kommt), sofern diese Person auch Einfluss auf die Erwerbsentscheidung nehmen kann. Ist dies vollständig getrennt55, kann u.E. nicht von wirtschaftlicher Berechtigung im Sinne des Gesetzes gesprochen werden. Die gewählte Formulierung impliziert demgegenüber, dass der Erwerber einer Beteiligung von mindestens 25 % jede natürliche Person melden muss, die vom Erwerb tangiert wird, mag deren indirekte Beteiligung an der betreffenden Gesellschaft noch so klein sein und unabhängig davon, ob sie bezüglich des Erwerbs (mit)entscheiden kann oder auch nur davon weiss56. c. Die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten in der Praxis (1) Falsche Anknüpfung von Grenzwert und Melde pflicht – namentlich im Konzern Unklar ist die Situation beim Vorliegen von «Eigen tumsketten»57 bzw. bei in Absprache handelnden Perso- 52 53 54 55 56 57 Botschaft (FN 9), 659. Art. 2a Abs. 3 revGwG: «Als wirtschaftlich berechtigte Personen einer operativ tätigen juristischen Person gelten die natürlichen Personen, welche die juristische Person letztendlich dadurch kontrollieren, dass sie direkt oder indirekt, allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten, mit mindestens 25 Prozent des Kapitals oder des Stimmenanteils an dieser beteiligt sind oder sie auf andere Weise kontrollieren […].». GAFI-Empfehlungen (FN 11), 22 (Empfehlung 24) sowie 110 (Definition des Begriffs «beneficial owner») und dazu vorne II.B. Vgl. das Beispiel des Private Equity Fonds hinten III.B.2.c)(2). Ähnlich Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 12. Botschaft (FN 9), 615: «Gemäss dem Global Forum umfasst der Begriff des «Eigentümers» den Eigentümer und – wenn dieser als Beauftragter oder aufgrund einer anderen, ähnlichen Bestimmung in fremdem Namen handelt – auch die Personen, zu deren Gunsten der Eigentümer handelt, sowie diejenigen Personen, die Teil einer Eigentumskette sind (Kriterium A.1.1).» nen sowie in Konzernverhältnissen. In der Botschaft58 wird lapidar festgestellt, dass der (formelle) Erwerber der Aktien «nach bestem Wissen» melden muss, «wer die Person am Ende der Kontrollkette ist». Wenn er für eine juristische Person handelt, so wird in der Botschaft weiter ausgeführt, «muss […] er die Identität des an dieser juristischen Person wirtschaftlich Berechtigten bei dieser juristischen Person in Erfahrung bringen und so weiter». «Verweigert die juristische Person [gemeint ist eine juristische Person, für die der formelle Erwerber handelt] die Auskunft darüber [d.h. über ihre wirtschaftlich Berechtigten], so setzt sich die Aktionärin oder der Aktionär den Sanktionen bei Verletzung der Meldepflicht aus, wenn sie oder er eine Meldung vornimmt, ohne die erforderlichen Information zu haben.»59 Eine einzige Ausnahme ist für den Fall vorgesehen, dass es keinen wirtschaftlich Berechtigten gibt (z.B. bei gemeinnützigen Organisationen) – diesfalls hat der Aktionär diesen Umstand der Gesellschaft zu melden60. Das Gesetz auferlegt die formelle Pflicht zur Meldung des wirtschaftlich Berechtigten dem Erwerber der Aktien, nicht etwa dem wirtschaftlich Berechtigten selbst, wie es im Bereich des Börsenrechts der Fall ist61. Dies mag gewollt sein, um einen Anknüpfungspunkt und eine inländische Handlungspflicht zu begründen, auch wenn sich die wirtschaftlich Berechtigten im Ausland befinden und aufgrund mehrstufiger Beteiligungsverhältnissen schwer identifizierbar sind. Dass gemäss Wortlaut aber auch die materielle Pflicht und Überschreitung des Grenzwerts (ausschliesslich) auf Stufe des formellen Aktionärs (nicht des wirtschaftlich Berechtigten) gemessen werden soll, stellt einen Konzeptions- oder Redaktionsfehler dar, der unseres Erachtens im Lichte des Zwecks der Bestimmung korrigiert werden kann und muss. Der Wortlaut würde sonst zahlreiche Fälle erfassen, die keine Meldepflicht rechtfertigen bzw. die der Gesetzgeber ausnehmen wollte. Beispielsweise müsste gemäss Wortlaut eine Konzernmuttergesellschaft aufgrund ihrer 100 %-Beteiligung an den Konzerntochtergesellschaften diesen alle ihre Aktionäre als wirtschaftlich Berechtigte melden, auch wenn kein Aktionär der Konzernmutter allein oder in Absprache mit Dritten 25 % oder mehr der Konzernmutter (und damit indirekt der Töchter) beherrscht. Eine Meldung 58 59 60 61 Vgl. Botschaft (FN 9), 659. Diese Aussage erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der ursprüngliche Entwurf nicht «nur» gesellschaftsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Sanktionen vorsah (siehe auch FN 6). Vgl. Botschaft (FN 9), 659. Eine solche Pflicht – nämlich zu melden, dass es keinen wirtschaftlich Berechtigten gibt – ist mangels gesetzlicher Grundlage jedoch abzulehnen. Vgl. Art. 9 BEHV-FINMA. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 857 müsste zudem auch dann erfolgen, wenn die Aktionäre und wirtschaftlich Berechtigten der Konzernmuttergesellschaft in Bezug auf diese keinen aktienrechtlichen Meldepflichten unterstehen, weil die Konzernmuttergesellschaft börsenkotiert ist. Diese Meldung müsste zudem jeden Aktionär der börsenkotierten Konzernmutter erfassen, nicht nur solche, welche ihre Beteiligung aufgrund von Art. 20 BEHG melden mussten. Somit ergäbe sich die absurde Situation, dass die eine Konzerntochter betreffende Meldepflicht viel weiter ginge als diejenige, welche sich auf die Konzernmutter bezieht62. Am Umstand, dass weder in der Botschaft noch in den Ratsdebatten diese besonderen Konstellationen Erwähnung fanden, wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber dieser gar nicht bewusst war. Somit ist von einem gesetzgeberischen Versehen auszugehen, wurden vorliegend doch Sachverhalte mitgeregelt, denen aufgrund ihrer Besonderheit eine unterschiedliche Behandlung hätte zuteil kommen sollen. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies berücksichtigt hätte, wären ihm die diesbezüglichen Probleme bewusst gewesen. Es rechtfertigt sich daher, diese besonderen Konstellationen in teleologischer Auslegung und Ergänzung wie folgt einer sachgerechten Lösung zuzuführen: – Die Meldepflicht muss sachlogisch als unterbrochen gelten, sobald auf einer Stufe auf dem Weg zum wirtschaftlich Berechtigten keine Beteiligung von mindestens 25 % mehr vorliegt. Dies hat folgende Konsequenzen: – Der Aktionär einer direkten Aktienbeteiligung von mindestens 25 % an einer Gesellschaft muss die wirtschaftlich Berechtigten (nur) dann melden, wenn diese die direkte Aktienbeteiligung von 25 % (zum Beispiel aufgrund eines Treuhandverhältnisses) beherrschen. – Gehören die über der formellen Aktionärin stehenden Gesellschaften nur zum Teil dem wirtschaftlich Berechtigten, stellt sich die Frage, ob auf jeder Stufe eine Beteiligung von mindestens 25 % gegeben sein muss (z.B. hält der Aktionär 25 % an einer Gesellschaft, die wiederum mindestens 25 % an der eigentlichen Gesellschaft hält) oder ob die Beteiligungen zu multiziplieren sind (z.B. 25 % von 50 % = 12.5 % < 25 %). Hätte das Gesetz einen Kontrollgrenzwert genommen, der wirklich Kon trolle vermittelt (d.h. mindestens 50 %), so wäre die erste Lösung logisch. Mit den 25 % verwässert sich der Einfluss jedoch graduell, weshalb der 62 Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 12. Multiplikationstest in der Regel zusätzlich zu erfüllen ist, um abzuschätzen, ob noch ernstlich von Kontrolle gesprochen werden kann. – Ferner muss die Börsenkotierung der Konzernmuttergesellschaft von der Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich Berechtigten auf allen Konzernstufen63 befreien, nicht nur auf Ebene der Konzernmutter64. – Aus den gleichen Gründen, welche für die Ausnahme von der Meldepflicht bezüglich Tochtergesellschaften einer börsenkotierten Gesellschaft sprechen (Ausreichen der Meldepflicht auf Ebene der Muttergesellschaft), muss die Meldepflicht bezüglich der Tochtergesellschaften einer nicht kotierten Konzernmutter als durch die Meldung an die Konzernmutter konsumiert gelten. (2) Anlagefonds, Aktionärbindungsverträge und Familiengesellschaften In der Praxis werden sich viele heikle Grenzfälle und komplexe Fragestellungen dazu ergeben, wer wirtschaftlich berechtigt ist und ob es (da aufgrund des Gesetzeswortlauts nur natürliche Personen in Frage kommen) überhaupt einen gibt. Anders als im Börsenrecht sieht das Gesetz keine Instanz vor, bei der ein Vorabentscheid zu solchen Fragen eingeholt werden könnte. Fragen könnten u.a. folgende Situationen aufwerfen: – Beteiligung eines Private Equity Fonds (oder eines anderen Anlagefonds): Hält ein Private Equity Fonds 25 % oder mehr einer Gesellschaft, so ist unklar, ob und wer zu melden ist. Gemäss Gesetzeswortlaut wären es die Fondsinvestoren, da «letztendlich» für diese gehandelt wird. Dies wäre jedoch oft nicht praktikabel und auch ohne jede Aussagekraft im Hinblick auf den Gesetzeszweck, da die Fondsinvestoren über keine Kontrollrechte verfügen. Gemäss der von uns favorisierten teleologischen Definition wird es in der Regel vielmehr so sein, dass diejenigen, welche den Erwerbs63 64 Für dieses Ergebnis spricht auch das Heranziehen von Art. 4 Abs. 1 revGwG, wonach der Finanzintermediär die an der Vertragspartei wirtschaftlich berechtigte Person dann nicht feststellen muss, wenn es sich bei der Vertragspartei um «eine börsenkotierte Gesellschaft oder eine von einer solchen Gesellschaft mehrheitlich kontrollierte Tochtergesellschaft» handelt. Eine solche ausdrückliche Ausnahme wäre auch im Bereich des Gesellschaftsrechts wünschenswert gewesen, muss aber aus teleologischen Gründen auch analog gelten. Dass die börsenrechtliche Offenlegung aus Sicht des Gesetzgebers für ausreichend Transparenz sorgt, ergibt sich daraus, dass die Meldepflichten aus diesem Grund nur hinsichtlich nicht kotierter Aktien eingeführt werden sollten, vgl. Botschaft (FN 9), 658 und 659 f. Diese Wertung ist bei der Auslegung zu berücksichtigen. Siehe zur Ausnahme für börsenkotierte Unternehmen ferner hinten III.C.1. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 858 entscheid treffen (die Mitglieder des Investmentkomitees des Fondsmanagers) und die Fondsinvestoren, von welchen das Geld stammt, das «gewaschen» werden könnte, völlig unabhängig voneinander sind und die Fondsinvestoren nicht einmal wissen, worin investiert wird. Da die Fonds selber oder die Banken, über die Fondsinvestments getätigt werden, Finanzintermediäre sind, müssen sie zudem bereits die Regeln des GwG (oder analoge ausländische Vorschriften) bei Entgegennahme der Investorengelder beachten. Aus diesem Grund ist eine Meldepflicht im Zusammenhang mit Fondsbeteiligungen gewöhnlich abzulehnen. Eine Ausnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein Fondsinvestor allein so viele Fondsanteile hält, dass er indirekt auf über 25 % an der Portfoliogesellschaft kommt und faktisch (wenn nicht rechtlich) eine gewisse Kontrolle ausüben kann. Dies kann namentlich bei «Single Investor Funds» der Fall sein. – Aktionärbindungsverträge: Oftmals sind die Aktionäre privater Gesellschaften (und allein um diese geht es hier) durch Aktionärbindungsverträge verbunden. Diese sehen regelmässig Vorkaufsrechte sowie Stimmbindungen in bestimmten Fällen vor, etwa die Beachtung eines vertraglichen Vetorechts (z.B. bezüglich der Gründung einer Tochtergesellschaft), eines vertraglichen Nominationsrechts (für den Verwaltungsrat) oder Minderheitenrechts (z.B. für die Lancierung eines Börsengangs). Somit könnte im weitesten Sinne von einer gemeinsamen Kontrolle gesprochen werden. Dennoch würde es u.E. zu weit gehen, wenn automatisch alle ihre Aktien als in Absprache gehalten zu betrachten wären. Dann müsste man überhaupt jede Aktiengesellschaft und jede GmbH als Kontrollvereinbarung verstehen, da sie auch über ein gesetzliches Verfahren zur gemeinschaftlichen Willensbildung verfügen. Vielmehr ist zu differenzieren: Diejenigen (z.B. Manageraktionäre), die sich vertraglich den Rechten anderer (etwa der Finanzinvestoren als Vorzugsak tionäre) zu unterwerfen haben, können nicht als (mit) kontrollierend gelten. Aber auch mehrere mit vertraglichen Minderheitenrechten versehene Aktionäre können nicht als in Absprache handelnd gelten, wenn sie für die wesentlichen Entscheidungen der Zustimmung weiterer Investoren bedürfen, die in ihrer Entscheidung frei sind. Oft können die Investoren je nur einen Verwaltungsrat bestimmen und die Verwaltungsräte entscheiden im Gremium mit Mehrheitsentscheid wie jeder Verwaltungsrat. Damit kann nicht von gemeinsamer Kontrolle in Absprache gesprochen werden. – Familienaktiengesellschaften und Erbengemeinschaften: Sollten von Familienmitgliedern gehaltene Ge- sellschaften über einen Aktionärbindungsvertrag verfügen, so gelten die vorstehenden Erörterungen. Im Übrigen kann u.E. allein aufgrund der familiären Bande oder auch aufgrund der gesamthandschaftlichen Stellung im Rahmen einer Erbengemeinschaft allein nicht von Handeln in Absprache ausgegangen werden. Dass ein gesamthänderisches Handeln eine Einigung voraussetzt, bedeutet vielmehr, dass jeder Erbe jeden Entscheid blockieren kann. C. Ausnahmen 1. Keine Meldepflicht bei börsenkotierten Gesellschaften Gemäss Art. 697i Abs. 1 bzw. Art. 697j Abs. 1 revOR e contrario sind Aktionäre von Gesellschaften, deren Ak tien an einer Börse kotiert sind, von der Meldepflicht ausgenommen65. Da der Gesetzestext von Aktien spricht, die an «einer Börse» kotiert sind, und somit nicht die Kotierung in der Schweiz voraussetzt, wie dies im BEHG der Fall ist («ganz oder teilweise in der Schweiz kotiert», Art. 20 Abs. 1 BEHG), gilt die Ausnahme auch dann, wenn die Aktien an einer ausländischen Börse kotiert sind. Sinngemäss dürfte die Ausnahme jedoch nur Geltung haben, wenn das anwendbare ausländische Börsenrecht auf ähnliche Weise Transparenz herstellt66. Ob der betreffende ausländische Grenzwert etwas höher ist67 oder die Meldepflicht etwas andere Fristen und Modalitäten aufweist, kann nicht entscheidend sein. Fraglich ist, ob die in Art. 697i Abs. 1 revOR vorgesehene Ausnahme auch dann Platz greift, wenn nicht die Inhaberaktien, sondern nur eine andere Kategorie von Beteiligungsrechten (z.B. Namenaktien oder Partizipationsscheine) kotiert sind. In Anbetracht des Umstands, dass die börsenrechtliche Offenlegungspflicht nach Art. 20 BEHG sich auch dann auf alle Beteiligungspapiere bezieht, wenn bloss eine Kategorie kotiert ist68, kann die Ausnahme bejaht werden69. Kein Ausnahmetatbestand liegt dagegen vor, wenn nur Anleihensobligationen, d.h. keine Beteiligungspapiere i.S.v. Art. 2 lit. e BEHG kotiert 65 66 67 68 69 Dieser Umstand wird dadurch erklärt, dass die Transparenz bei börsenkotierten Aktien durch die börsenrechtlichen Offenlegungspflichten (Art. 20 BEHG aber auch Art. 663c OR) gewährleistet sei (vgl. Botschaft [FN 9], 616 und 658). Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 10. Der Grenzwert von 3 % gemäss Art. 20 BEHG ist international einer der tiefsten. Botschaft des Bundesrats zum einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. Februar 1993, BBl 1993 I 1369 ff., 1410; BSK BEHG-Weber, N 52 zu Art. 20 BEHG. Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 859 sind, was keine Meldepflicht gemäss Art. 20 BEHG nach sich zieht. Die börsenrechtlichen Meldepflichten und diejenigen gemäss Art. 697i und Art. 697j revOR sind nicht nur aufgrund des börsenrechtlichen Schwellenwerts nicht ganz synchron. Vielmehr stellt die börsenrechtliche Meldepflicht auf die durch die Beteiligung vermittelten Stimmrechte ab, während bei der GAFI-motivierten Meldepflicht zusätzlich zur Kontrolle die Vermögensrechte im Vordergrund stehen. So unterliegt eine Beteiligung an Partizipationsscheinen einer börsenkotierten Gesellschaft unabhängig von der Grösse dieser Beteiligung nie einer Meldepflicht gemäss Art. 20 BEHG. Dennoch gilt die Ausnahme von Art. 697i Abs. 1 und Art. 697j Abs. 1 revOR auch für die Halter von Partizipationsscheinen einer börsenkotierten Gesellschaft. 2. Meldung betreffend Inhaberaktionäre an Finanzintermediär statt an Gesellschaft a. Gesetzestext Art. 697k revOR 1 Die Generalversammlung kann vorsehen, dass die Meldungen nach den Artikeln 697i und 697j, die Inhaberaktien betreffen, nicht der Gesellschaft zu erstatten sind, sondern einem Finanzintermediär im Sinne des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997. 2 Der Verwaltungsrat bezeichnet den Finanzintermediär und macht den Aktionären bekannt, wen er bezeichnet hat. 3 Der Finanzintermediär hat der Gesellschaft jederzeit darüber Auskunft zu geben, für welche Inhaberaktien die vorgeschriebenen Meldungen erstattet und der Besitz nachgewiesen wurden. b. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze (1) Übersicht Damit Inhaberaktionäre und an Inhaberaktien wirtschaftlich Berechtigte gegenüber der Gesellschaft und ihren Organen ihre Anonymität im Regelfall trotz Meldepflicht wahren können70, erlaubt es das Gesetz, eine Meldung an einen Finanzintermediär statt an die Gesellschaft vorzusehen. Bezüglich Namenaktien soll dieser Weg für die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten jedoch nicht offenstehen71. 70 71 Botschaft (FN 9), 660. In der Botschaft ([FN 9], 660) wird die Beschränkung auf Inhaberaktien damit begründet, dass eine Anwendung auf Namenaktien Art. 685b Abs. 3 OR widersprechen würde, welcher die Gesellschaft ermächtigt, die Eintragung von Namenaktionären in das Aktienbuch zu verweigern, wenn der Erwerber nicht ausdrücklich erklärt, dass er diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung erwirbt. Diese Begründung übersieht jedoch, dass Art. 685b Abs. 3 OR nur zur Anwendung kommt, falls die Statuten überhaupt eine (2) Kompetenz zur Einsetzung eines Finanz intermediärs Gemäss Gesetzeswortlaut fällt es in die Kompetenz der Generalversammlung zu entscheiden, ob die Meldungen nach Art. 697i und Art. 697j revOR, welche Inhaberaktien betreffen, an einen Finanzintermediär im Sinne des GwG72 (z.B. an eine Bank nach BankG, an einen Effektenhändler oder an einen berufsmässigen Verwahrer und Verwalter von Effekten) anstatt an die Gesellschaft zu erstatten sind. Dabei handelt es sich nicht um eine unentziehbare Kompetenz der Generalversammlung. Sie lässt sich statutarisch auf den Verwaltungsrat übertragen73. Die Bezeichnung eines konkreten Finanzintermediärs als Meldestelle fällt aufgrund gesetzlicher Anordnung (Art. 698k Abs. 2 revOR) ohnehin in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrats. Es ist anzunehmen, dass namentlich die etablierten Aktienregisterdienstleister für börsenkotierte Gesellschaften, sofern sie sich als Finanzintermediäre (z.B. i.S.v. Art. 2 Abs. 3 lit. g GwG) organisieren oder mit einem zusammenarbeiten, oder Anbieter von Escrow-Diensten hier ein neues Geschäftsfeld vorfinden. (3) Bekanntmachung des Finanzintermediärs Gemäss Art. 697k Abs. 2 revOR muss der Verwaltungsrat den bezeichneten Finanzintermediär den Aktionären bekanntmachen. Nach der Botschaft soll dies gemäss den statutarischen Bestimmungen (vgl. Art. 626 Ziff. 7 OR) erfolgen74. Unseres Erachtens ist dies nicht zwingend. Vielmehr können die Aktionäre auch anderweitig informiert werden. (4) Umfang der Preisgabe von Informationen an die Gesellschaft Gemäss Art. 697k Abs. 3 revOR hat der Finanzinterme diär der Gesellschaft «jederzeit darüber Auskunft zu geben, für welche Inhaberaktien die vorgeschriebenen Meldungen erstattet und der Besitz nachgewiesen wurden». Der Umfang der Informationspflicht bestimme sich primär nach der Delegationsvereinbarung zwischen Finanz 72 73 74 Vinkulierung vorsehen (Art. 685a Abs. 1 OR). Weiter wird argumentiert, dass die Ausdehnung auf Namenaktien zur Folge hätte, dass sich die Informationen über den Aktionär und den wirtschaftlich Berechtigten nicht am selben Ort befänden. Kritisch auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 15. Vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 GwG sowie die Verordnung vom 18. November 2009 über die berufsmässige Ausübung der Finanzintermediation (SR 955.071). Botschaft (FN 9), 660. Botschaft (FN 9), 661. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 860 intermediär und Gesellschaft sowie nach den Gründen für die Delegation, so die Botschaft75. Es erscheint fraglich, ob die Delegationsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Finanzintermediär der Parteiautonomie vollumfänglich zugänglich ist. Durch das Bezeichnen eines Finanzintermediärs wird für potenzielle Aktionäre nämlich der Eindruck erweckt, ihre Anonymität gegenüber der Gesellschaft bleibe gewahrt. Obwohl tatsächlich auch andere Gründe76 als die Aufrechterhaltung der Anonymität (z.B. mangelnde Ressourcen der Gesellschaft) die Gesellschaft veranlassen können, einen Finanzintermediär als Meldestelle einzusetzen, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Delegationsvereinbarung hinsichtlich des Umfangs der Informationspflicht ohne Zustimmung der meldepflichtigen Aktionäre nicht über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen (Art. 697k Abs. 3 revOR) hinausgeht. Nur so kann der eigentliche Zweck der Bestimmung, die «charakteristische Anonymität» der Inhaberaktionäre zu wahren und der «Unpersönlichkeit der aktienrechtlichen Mitgliedschaft» Rechnung zu tragen77, erfüllt werden78. Dies jedenfalls dann, wenn die Generalversammlung bestimmt, dass die Meldung an einen Finanzintermediär erfolgen soll. Wird dieser Entscheid an den Verwaltungsrat delegiert79, könnte a maiore ad minus auch eine weitergehende Auskunftspflicht vereinbart werden. Darüber müssten die Aktionäre aber schon aus datenschutzrechtlichen Gründen einlässlich informiert werden. bank Anteile eines Anlagefonds erwirbt, der seinerseits in Gesellschaften investiert. In solchen Fällen wird den geldwäschereirechtlichen Identifikationspflichten bereits auf Ebene der Depotbank bzw. des Fondsmanagers oder Fonds Genüge getan. Eine zusätzliche Meldung an die Gesellschaft scheint im Lichte des Zwecks der Regelungen weder erforderlich noch zielführend oder verhältnismässig. Ganz generell ist u.E. jemand, der beispielsweise alle (auch private) Beteiligungen über ein Depot bei einer Bank oder einem anderen Finanzintermediär (beispielsweise ein Nominee oder ein Aktienregister) hält, von den Meldepflichten gemäss Art. 697i und 697j revOR befreit. 3. 2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze a. Übersicht Teleologische Ausweitung der Ausnahmetatbestände Im Lichte der Ausnahmen für Aktien börsenkotierter Gesellschaften und der Meldung an einen Finanzintermediär sind in teleologisch motivierter Analogie bzw. Reduktion weitere Ausnahmen anzunehmen. Bereits erwähnt wurde die Ausdehnung der Ausnahme bei börsenkotierten Gesellschaften auf deren Tochtergesellschaften und folgerichtig auf 100 %-Tochtergesellschaften von Konzernmuttergesellschaften im Allgemeinen (auf welcher Stufe entweder börsenrechtliche oder aktienrechtliche Meldungen zu erstatten sind)80. Ebenfalls bereits angeführt wurde die Situation, dass über einen Finanzintermediär investiert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn jemand über seine Depot- D. Sanktionen bei Nichteinhaltung der Meldepflichten 1. Art. 697m Abs. 1–3 revOR81 1 Solange der Aktionär seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist, ruhen die Mitgliedschaftsrechte, die mit den Aktien verbunden sind, deren Erwerb gemeldet werden muss. 2 Die Vermögensrechte, die mit solchen Aktien verbunden sind, kann der Aktionär erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist. 3 Kommt der Aktionär seinen Meldepflichten nicht innert eines Monats nach dem Erwerb der Aktien nach, so sind die Vermögensrechte verwirkt. Holt er die Meldung zu einem späteren Zeitpunkt nach, so kann er die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen. Kommt ein Aktionär der «einfachen» (Art. 697i revOR) oder der «qualifizierten» (Art. 697j revOR) Meldepflicht nicht nach, drohen ihm Sanktionen. Die Botschaft82 zitiert die GAFI-Empfehlungen83, wonach «effiziente, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen» vorgesehen werden müssten. Das Gesetz sieht Rechtsfolgen für die «Mitgliedschaftsrechte» sowie für die «Vermögensrechte» vor. Die ursprünglich vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen wurden im Zuge der parlamentarischen Beratungen fallengelassen84. 81 75 76 77 78 79 80 Botschaft (FN 9), 661. Vgl. Botschaft (FN 9), 661. Botschaft (FN 9), 660. Vgl. auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 14. Siehe vorne III.C.2.b)(2). Siehe vorne III.B.2.c)(1). Gesetzestext 82 83 84 Art. 697m Abs. 4 revOR wird hinten (siehe IV.C) behandelt, da es dort um Pflichten des Verwaltungsrates geht. Botschaft (FN 9), 662. GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 87 (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 18): «There should be […] effective, proportionate and dissuasive sanctions, as appropriate for any legal or natural person that fails to comply with the requirements». Siehe dazu vorne FN 6. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 861 b. Ruhen der Mitgliedschaftsrechte Gemäss Art. 697m Abs. 1 revOR «ruhen die Mitgliedschaftsrechte, die mit den Aktien verbunden sind, deren Erwerb gemeldet werden muss». Das Gesetz definiert nicht, was unter «Mitgliedschaftsrechten» zu verstehen ist. Die Botschaft hält fest, dass damit «primär das Stimmrecht»85 gemeint sei und scheint sie von den Vermögensrechten abzugrenzen. In der Lehre ist die diesbezügliche Terminologie uneinheitlich86. Das Gesetz subsumiert seinerseits die Art. 689–697g OR unter die Marginalie «persönliche Mitgliedschaftsrechte», mithin das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung (Art. 689 ff. OR), das Stimmrecht in der Generalversammlung (Art. 692 ff. OR), die Kontrollrechte, d.h. das Recht auf Bekanntgabe des Geschäftsberichts (Art. 696 OR) und die Auskunfts- und Einsichtsrechte (Art. 697 OR) sowie das Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697a ff. OR). Somit ist anzunehmen, dass mit dem Begriff «Mitgliedschaftsrechte» in Art. 697m Abs. 1 revOR die Art. 689–697g OR gemeint sind. Die Frage, ob ein Aktionär, der weniger als ein Monat vor der Generalversammlung der betreffenden Aktiengesellschaft Inhaberaktien erwirbt, auch ohne vorgängige Meldung an der Generalversammlung teilnehmen kann, muss unseres Erachtens bejaht werden87. Dem Erwerber wird für die einfache88 wie für die qualifizierte89 Meldepflicht gesetzlich eine Monatsfrist eingeräumt, welche er ausreizen darf. Solange die Monatsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann daher (noch) nicht davon gesprochen werden, der Aktionär sei seinen Meldepflichten «nicht nachgekommen» (vgl. Art. 697m Abs. 1 revOR sowie die Marginalie «Nichteinhaltung der Meldepflichten» bzw. französisch «non-respect des obligations d’annoncer»). Dieses Verständnis drängt sich überdies angesichts der Regelung der Vermögensrechte auf, welche die Verwirkung für den Fall, dass die Meldepflicht verpasst wird, ausdrücklich anordnet. Wenn es die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, die Mitwirkungsrechte gar bereits während der Monatsfrist und unabhängig von einer recht- zeitigen Meldung verwirken zu lassen, wäre eine ausdrückliche Regelung erst recht erforderlich gewesen90. Eine allfällige Missbrauchsgefahr91 mag eine gesetzliche Grundlage für eine weitergehende Einschränkung nicht zu ersetzen. Zudem scheint unter dem Gesichtspunkt der Geldwäschereibekämpfung das Ausüben der Mitgliedschaftsrechte wesentlich weniger problematisch als dasjenige der Vermögensrechte. Schliesslich muss sich ein Generalversammlungsteilnehmer in der Regel ohnehin persönlich offenbaren. c. Gemäss Art. 697m Abs. 2 revOR kann der Aktionär «die Vermögensrechte, die mit solchen Aktien verbunden sind, […] erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist». Das Gesetz lässt offen, was unter den Begriff «Vermögensrechte» zu subsumieren ist. Die Botschaft sieht darin «primär das Recht auf Dividendenausschüttung»92. In der Lehre93 mehrheitlich zu den Vermögensrechten gezählt werden (neben dem Recht auf Dividende) das Recht auf einen Liquida tionserlös (Art. 660 Abs. 1 OR), das Recht auf Bauzinsen (Art. 676 OR) sowie das Recht auf Benutzung der gesellschaftlichen Anlagen. Demgegenüber kommt dem Bezugs- und dem Vorwegzeichnungsrecht sowohl eine mitgliedschaftsrechtliche als auch eine vermögensrechtliche Komponente zu94. Dem gesetzgeberischen Ziel, «effiziente, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen»95 vorzusehen, scheint es nicht abträglich, das Bezugs- und das Vorwegzeichnungsrecht vom Begriff auszuklammern. Zum einen ist 90 91 92 93 85 86 87 88 89 Botschaft (FN 9), 662. Vgl. etwa von der Crone (FN 45), § 8 N 12 ff.; Arthur MeierHayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. A., Bern 2012, § 16 N 167 ff.; Böckli (FN 48), § 1 N 123 ff., § 2 N 272; § 6 N 135 und § 12 N 134 ff.; Forstmoser/MeierHayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 2 ff.; BSK OR II-Schaad, N 2 ff. zu Art. 689 OR; für eine Übersicht vgl. auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 16 m.w.H. A.M. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17. Vgl. Art. 697i Abs. 1 revOR. Vgl. Art. 697j Abs. 1 revOR. Verwirken der Vermögensrechte 94 95 Konkret hätte der Gesetzgeber zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte auf den Zeitpunkt der Meldung abstellen müssen. Vgl. dazu auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die davon auszugehen scheinen, dass das Gesetz so zu interpretieren sei, was aber abzulehnen ist. Siehe Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die befürchten, dass etwa Aktien kurz vor der Generalversammlung erworben werden, um Stimmrechte und Dividendenansprüche geltend zu machen und danach wieder rückübertragen werden. Botschaft (FN 9), 662. Statt vieler: von der Crone (FN 45), § 8 N 12; Meier-Hayoz/ Forstmoser (FN 86), § 16 N 168 ff.; Forstmoser/MeierHayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 13 ff. Bezeichnung als Vermögensrecht: von der Crone (FN 45), § 8 N 12; BSK OR II-Schaad, N 4 zu Art. 689 OR (bzgl. Bezugsrecht); Bezeichnung als «Rechte auf Beibehaltung der Bezugsquote»: Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 86), § 16 N 152 und 227 ff.; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 13 und 215 ff.; Bezeichnung als Mischung aus Mitgliedschafts- und Vermögensrecht: Böckli (FN 48), § 2 N 272; BSK OR II-Zindel/ Isler, N 3 zu Art. 652b OR. Botschaft (FN 9), 662, m.H. auf GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 87 (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 18). Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 862 der potenzielle Verlust des Rechts auf Dividende und der weiteren Vermögensrechte schon ausreichend abschreckend. Zum anderen geht das Gesetz davon aus, dass nach erfolgter, wenn auch verspäteter Meldung die Vermögensrechte fortan geltend gemacht werden können. Könnte ein Aktionär sein Bezugsrecht nicht geltend machen, wären künftige Dividendenansprüche auf diesen Aktien für immer verwirkt, weshalb eine Verwirkung des Bezugsrechts an sich unverhältnismässig wäre. Zudem könnte eine solche Sanktion, etwa wenn jemand vergessen hat oder (etwa in einem Familienunternehmen) nicht weiss, dass er Meldung erstatten müsste, als Instrument zur Verwässerung von Aktionären ohne Sachkunde missbraucht werden. Anders als bei den Mitgliedschaftsrechten96 ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 697m Abs. 2 revOR ausdrücklich, dass der Aktionär die mit den Aktien verbundenen Vermögensrechte bei rechtzeitiger Meldung nicht verwirkt, aber erst ausüben kann, nachdem er Meldung erstattet hat97. Wird beispielsweise eine Dividende kurz nach einem Aktienerwerb und vor Meldung an die Gesellschaft fällig, so kann deren Bezahlung (erst aber immerhin) gefordert werden, wenn die Meldung innerhalb eines Monats erfolgt ist. Abs. 3 des nämlichen Artikels sieht sodann vor, dass die Vermögensrechte nach Ablauf der Monatsfrist verwirken. Der Aktionär kann bei nachträglicher Meldung nur die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen. Das Sanktionsregime ist angesichts seiner sehr einschneidenden, pönalen Natur98 restriktiv anzuwenden, unter Berücksichtigung von Verhältnismässigkeit und Treu und Glauben. Namentlich die Verwirkungsfolge ist einer vollumfänglichen Einziehung geldwerter Vorteile gleichzusetzen, obschon eine Fristverletzung nicht einmal den Verdacht einer Geldwäschereihandlung impliziert. Verpasst es beispielsweise ein gesetzlicher Vertreter von Kindern und anderen Schutzbefohlenen, die Meldung (rechtzeitig) zu erstatten, so tritt unseres Erachtens keinerlei Verwirkung ein. Auch muss «substance over form» gelten: Sind Gesellschaft und Aktionäre in einem Ak tionärbindungsvertrag verbunden, woraus alle Aktionäre und ihre Beteiligung ersichtlich sind, so kann die Zahlung einer Dividende nicht verweigert werden, wenn es ein Aktionär verpasst, eine förmliche Meldung zu ma- 96 97 98 Siehe vorne III.D.2.b. Vgl. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die aufgrund der Gesetzessystematik zum gleichen Resultat kommen. In der Botschaft anerkennt der Bundesrat, dass es sich bei der Verwirkung der Vermögensrechte um eine «erhebliche Verstärkung der Meldepflicht» handelt (Botschaft [FN 9], 663). chen. Auch bei den gesetzlichen Erben kann die Identität grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden und die Berufung der Gesellschaft auf die Verwirkung wäre als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen. Ebenso werden fehlende oder fehlerhafte Belege keine Verwirkung auslösen, sofern die Meldung von Name und Adresse gemäss Art. 697i Abs. 1 und Art. 697j Abs. 1 revOR rechtzeitig erfolgt ist und die Belege nachgereicht werden. Schliesslich ist als allgemeiner, dem verfassungsrechtlichen Verhältnismässigkeitsgrundsatz und Treu und Glauben entspringender Rechtsgrundsatz in Ermangelung einer anderweitigen Anordnung davon auszugehen, dass nur die verschuldete Säumnis eine Sanktion auslösen kann. Ist das Verschulden gering, ist eine Sanktion in analoger Anwendung von Art. 43 Abs. 1 bzw. Art. 163 Abs. 3 OR herabzusetzen. Bei sehr geringfügigen Fällen (z.B. Absenden der Meldung innert Frist, Eingang bei der Gesellschaft nach Fristablauf) ist von Sanktionen abzusehen. Unseres Erachtens tritt die Verwirkungsfolge daher nicht von Gesetzes wegen ein, sondern ist von der Gesellschaft anzuordnen. Ein Automatismus könnte den Umständen nicht Rechnung tragen und würde zu grosser Rechtsunsicherheit führen. E. Exkurs: Meldepflichten bei Mergers & Acquisitions Ausser beim sog. «Asset Deal» gehen Unternehmenskäufe und -verkäufe gewöhnlich mit Veräusserung und Erwerb von Gesellschaftsanteilen einher, sei es im Rahmen eines sog. «Share Deal», sei es bei einer Fusion gemäss Fusionsgesetz. Während die Meldepflichten den Erwerbsvorgang technisch nicht berühren, ist für die Wahrnehmung der Stimmrechte (und damit der Kontrolle) sowie die Geltendmachung und Nichtverwirkung der Vermögensrechte die Meldung an die Gesellschaft zwingend erforderlich. Da praktisch alle M&A-Transaktionen den Erwerb von mehr als 25 % mit sich bringen, ist dies bei sämtlichen Erwerbsvorgängen, die Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung betreffen, zu beachten. Ohne Meldung von Aktionär bzw. wirtschaftlich Berechtigtem kann nur das nudum ius erworben werden. Würde man die Meldepflicht – entgegen unserer Auffassung99 – zudem auf jedes einzelne Unternehmen einer Unternehmensgruppe beziehen, wären Kontrollerwerb und Erwerb der Vermögensrechte gar erst mit der Meldung an die erworbene Muttergesellschaft und je einzeln an jede ihrer Tochtergesellschaften perfekt. 99 Siehe vorne III.B.2.c.(1). Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 863 Wird eine börsenkotierte Gesellschaft durch öffentliche Übernahme erworben, gilt – solange die Zielgesellschaft börsenkotiert bleibt – die Ausnahme von Art. 697i Abs. 1 bzw. Art. 697j Abs. 1 revOR. Erst bei Vollzug des Squeeze-out und damit einhergehender Dekotierung muss die aktienrechtliche Meldepflicht erstmals wahrgenommen werden. Wird eine Gesellschaft erworben, indem sie in die übernehmende Gesellschaft oder eine ihrer Tochtergesellschaften hinein fusioniert wird («Forward Merger»), ist keine Meldung nötig. Wird die übernehmende Gesellschaft oder eine ihrer Tochtergesellschaften dagegen in die Zielgesellschaft hinein fusioniert («Reverse Merger»), wird eine Meldung unabhängig davon, ob die Zielgesellschaft börsenkotiert ist oder nicht, stets erforderlich sein. Es wird sich kaum ein Erwerber auf die Monatsfrist für die Meldung und die Unwägbarkeiten der Rechtsfolgen100 verlassen wollen. Deshalb dürfte es fortan zu einem neuen Standardelement der sog. «Closing Actions» werden, dass der Erwerber bei Vollzug der Zielgesellschaft eine Meldung des wirtschaftlich Berechtigten (und bei Inhaberaktien/-partizipationsscheinen des Erwerbers im technischen Sinn) erstattet und im Gegenzug einen Auszug des Verzeichnisses der Zielgesellschaft verlangt. IV. Pflichten der Aktiengesellschaften bzw. der Verwaltungsräte Durch das GAFI-Gesetz werden nicht nur den Erwerbern von Inhaber- und Namenaktien Meldepflichten auferlegt. Vielmehr treffen auch die Aktiengesellschaften bzw. die Verwaltungsräte neue Pflichten, welche zum Teil in reziproker Beziehung zu den neuen Meldepflichten der Aktionäre stehen. In der Übersicht: A. Aktienbuch101 – Das Aktienbuch muss so geführt werden, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 686 Abs. 1 revOR); das schliesst eine elektronische Führung des Aktienbuches im Ausland nicht aus, solange sichergestellt ist, dass sich Schweizer Behörden jederzeit darauf Zugriff verschaffen können102. – Die Belege, die einer Eintragung ins Aktienbuch zugrunde liegen, müssen während zehn Jahren nach der Streichung des Eigentümers oder Nutzniessers aus dem Aktienbuch aufbewahrt werden (Art. 686 Abs. 5 revOR); eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit der Schweizer Behörden auf die Belege ist gesetzlich nicht gefordert und muss daher auch nicht sichergestellt werden103. Im Übrigen können die Belege auch digitalisiert werden104. – Das Aktienbuch muss (wie heute schon die Geschäftsbücher) während zehn Jahren nach der Löschung der Gesellschaft an einem sicheren Ort aufbewahrt werden – und zwar so, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 747 revOR). B. – Die Gesellschaft muss ein Verzeichnis über die Inhaberaktionäre (Art. 697i revOR) und über die (gemäss Art. 697j revOR) gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen führen (Art. 697l Abs. 1 revOR). Die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses entfällt, wenn ein Finanzintermediär als Meldestelle bezeichnet wurde (Art. 697l Abs. 4 revOR). – Das Verzeichnis muss den Vor- und Nachnamen bzw. die Firma sowie die Adresse der Inhaberaktionäre und der wirtschaftlich berechtigten Personen enthalten. Für die Inhaberaktionäre ist zusätzlich die Erfassung der Staatsangehörigkeit und des Geburtsdatums vorgeschrieben (Art. 697l Abs. 2 revOR). Sodann scheint es sachgerecht, bei der einfachen Meldung (Art. 697i OR) zusätzlich die Zahl der gehaltenen Aktien in das Verzeichnis aufzunehmen106. – Die Belege, welche einer Meldung gem. den Art. 697i und 697j revOR zugrunde liegen, müssen während zehn Jahren nach der Streichung der Person aus dem Verzeichnis aufbewahrt werden (Art. 697l Abs. 3 revOR). Eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit der Schweizer Behörden auf die Belege wird gesetzlich nicht gefordert107. 103 104 100 101 102 Siehe die Diskussion vorne III.D. Für die Führung das Aktienbuches ist der Verwaltungsrat zuständig, was ihn allerdings nicht daran hindert, diese zu delegieren (vgl. Böckli [FN 48], § 13 N 161 m.w.H). Erläuternder Bericht des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen zur Vernehmlassungsvorlage betr. Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière vom 27. Februar 2013 (zitiert: Erläuternder Bericht, abrufbar unter Verzeichnis105 105 106 107 <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2309/GAFI-2012_ Erl-Bericht_de.pdf>, zuletzt besucht am 11.5.2015), 39. Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 16. Botschaft (FN 9), 657. Die Führung des Verzeichnisses obliegt (analog zum Aktienbuch) dem Verwaltungsrat, der die Aufgabe aber delegieren kann (für das Aktienbuch: vgl. Böckli [FN 48], § 13 N 161 m.w.H). Die drei curae (cura in eligendo, instruendo vel custodiendo) bleiben aber stets beim Verwaltungsrat (vgl. Böckli [FN 48], § 13 N 161 m.w.H). Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11 und 15. Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 16. Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 864 – Das Verzeichnis muss so geführt werden, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 697l Abs. 5 revOR); auch hier ist eine elektronische Führung auf einem ausländischen Server oder vom Ausland aus nicht ausgeschlossen, solange sichergestellt ist, dass sich Schweizer Behörden (nötigenfalls auf dem Rechtshilfeweg) Zugriff verschaffen können108. – Das Verzeichnis sowie die diesem zugrunde liegenden Belege müssen (wie die Geschäftsbücher) während zehn Jahren nach der Löschung der Gesellschaft an einem sicheren Ort aufbewahrt werden – und zwar so, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 747 revOR). C. Verhindern einer Rechtsausübung bei Verletzung der Meldepflichten Der Verwaltungsrat muss sicherstellen, dass keine Aktionäre unter Verletzung der Meldepflichten (Art. 697i und Art. 697j revOR) ihre Rechte ausüben (Art. 697m Abs. 4 revOR). Der Verwaltungsrat hat gemäss Botschaft109 namentlich dafür zu sorgen, dass keine Unberechtigten an der Generalversammlung teilnehmen – als Massnahmen werden je nach zahlenmässigem Umfang des Aktiona riats eine Legitimationsprüfung vor Ort oder aber vorgängige Massnahmen empfohlen. Allenfalls ist dazu eine Zusammenarbeit mit dem als Meldestelle eingesetzten Finanzintermediär anzustreben. Den unter Mitwirkung von unberechtigten Aktionären zustande gekommenen Beschlüssen der Generalversammlung droht die Anfechtbarkeit nach Art. 691 Abs. 3 OR110. Im Weiteren hat der Verwaltungsrat auch dafür zu sorgen, dass die ihrer Meldepflicht nicht nachkommenden Aktionäre keine Vermögensrechte geltend machen können – insbesondere, dass sie nicht in den Genuss von Dividendenausschüttungen kommen. Auch hier drängt sich allenfalls die Zusammenarbeit mit dem Finanzintermediär auf. Verletzt der Verwaltungsrat seine Pflichten, so setzt er sich unter Umständen aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 ff. OR aus111. Die Verwaltungsratspflichten dürfen in diesem Zusammenhang indessen nicht überdehnt werden. Von einer Garantenstellung bezüglich pflichtgemässen Verhaltens der Aktionäre ist abzusehen. Namentlich kann aus Art. 697m Abs. 4 revOR keine Nachforschungspflicht bezüglich wirtschaftlich Berechtigter, korrekter Namen und Adressen oder sonstwie abgeleitet werden. Vielmehr kann die Pflicht nur Geltung haben, falls der Verwaltungsrat positiv weiss, dass ein Aktionär seine Pflicht verletzt hat. Schliesslich ergibt sich aus dem Wortlaut («stellt sicher»), dass der Verwaltungsrat die betreffenden Funk tionen nicht selber wahrnehmen muss. Er kann die Überwachung der Einhaltung der Regelungen durch Beschluss oder im Organisationsreglement delegieren. D. Vertretung der Gesellschaft und Zugang zu Aktienbuch und Verzeichnis Die Gesellschaft muss (wie bisher) durch eine Person vertreten werden können, welche in der Schweiz wohnt. Neu muss diese jedoch mindestens Verwaltungsrat oder «Direktor» sein. Zusätzlich muss diese Person Zugang zum Aktienbuch und zum Verzeichnis nach Art. 697l revOR haben, soweit nicht ein Finanzintermediär als Meldestelle bezeichnet wurde (Art. 718 Abs. 4 revOR). V. Weitere Änderungen A. Umwandlung von Inhaberin Namenaktien Die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien soll erleichtert werden112. Aus diesem Grund sieht Art. 704a revOR neu vor, dass der Beschluss der Generalversammlung über die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden kann und dass die Statuten die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien nicht erschweren dürfen. Mit dem relativen Mehr führt diese Bestimmung ein Novum ein, gilt nach dispositiver (und allgemein verbreiteter) Regelung doch das absolute Mehr der vertretenen Stimmen113. Sodann wird durch das GAFI-Gesetz Art. 627 Ziff. 7 OR aufgehoben, womit es neu nicht mehr erforderlich sein wird, dass die Statuten die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien vorsehen. 112 113 108 109 110 111 Erläuternder Bericht (FN 102), 39 und 43. Botschaft (FN 9), 663. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 18. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 18. Botschaft (FN 9), 663. Art. 703 OR. Demnach wirken sich Enthaltungen wie Nein-Stimmen aus. Vgl. aber den Vorschlag zur Einführung des relativen Mehrs, z.B. in VE‑Art. 703 Abs. 2 und 3 des Vorentwurfs vom 28. November 2014 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), abrufbar unter <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2499/ OR-Aktienrechte_Entwurf_de.pdf>, zuletzt besucht am 17.5.2015. Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 865 B. Übersicht über die Änderungen betreffend GmbH und Genossenschaften 1. GmbH Das GAFI-Gesetz führt eine Meldepflicht für denjenigen ein, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Stammanteile erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Stammkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet (Art. 790a Abs. 1 revOR). Es handelt sich um eine der qualifizierten Meldepflicht114 des Ak tienrechts nachgebildete Pflicht. In Bezug auf die sich stellenden Fragen und Probleme, auch hinsichtlich der Führung und Aufbewahrung des Anteilbuches, kann – mutatis mutandis – auf die Ausführungen zu den entsprechenden Pflichten des Aktionärs115 bzw. der Aktiengesellschaften und Verwaltungsräte116 verwiesen werden, zumal das GAFI-Gesetz die Bestimmungen des Aktienrechts betreffend das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen (Art. 697l revOR) und die Folgen der Nichteinhaltung der Meldepflichten (Art. 697m revOR) als auf das GmbH-Recht sinngemäss anwendbar erklärt (Art. 790a Abs. 3 revOR)117. 2. Genossenschaft Neu muss jede Genossenschaft – unabhängig davon, ob deren Statuten eine persönliche Haftung oder Nachschusspflicht vorsehen, oder nicht – ein Genossenschafterverzeichnis führen (Art. 837 Abs. 1 revOR). Umgekehrt muss das Verzeichnis nicht mehr dem Handelsregisteramt eingereicht werden und wird nicht mehr offengelegt. Dieses Verzeichnis, das den Vor- und Nachnamen bzw. die Firma sowie die Adresse der Genossenschafter beinhalten muss, ist so zu führen, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 837 Abs. 1 revOR)118. Und auch bei der Genossenschaft sind die Belege, die einer Eintragung im Genossenschafterverzeichnis zugrunde liegen, während zehn Jahren nach der Streichung des Genossenschafters aus dem Verzeichnis aufzubewahren (Art. 837 Abs. 2 revOR). Auch wenn das GAFI-Gesetz für Genossenschafter keine ausdrückliche Meldepflicht vorsieht, ist davon auszugehen, dass die Genossenschafter verpflichtet sind, der Genossenschaft 114 115 116 117 118 Siehe vorne III.B. Siehe vorne III. Siehe vorne IV. Siehe aber hinsichtlich der abweichenden Übergangsbestimmung hinten V.C. Siehe aber die Ausführungen zur entsprechenden Pflicht der Aktiengesellschaft (vorne IV.A). gegenüber ihre Identität kundzutun (vgl. auch Art. 840 Abs. 1 OR). Analog zu den entsprechenden Regelungen im Aktienund GmbH-Recht ist sodann auch für die Genossenschaft (wie bisher) vorgesehen, dass die Gesellschaft durch ein Mitglied der Verwaltung, einen Geschäftsführer oder einen «Direktor» mit Wohnsitz in der Schweiz vertreten werden können muss. Zusätzlich muss diese Person nun auch Zugang zum Genossenschafterverzeichnis nach Art. 837 revOR haben (Art. 898 Abs. 2 revOR). C. Übergangsbestimmungen und Nachmeldepflicht Das GAFI-Gesetz enthält «Übergangsbestimmungen der Änderung vom 12. Dezember 2014» («ÜBest»). In Art. 1 Abs. 2 ÜBest wird festgehalten, dass die durch das GAFI-Gesetz ins OR eingefügten Neuerungen mit deren Inkrafttreten auf bestehende Gesellschaften anwendbar werden – mithin per 1. Juli 2015. Die Gesellschaften, welche per 1. Juli 2015 im Handelsregister eingetragen sind, aber den neuen Vorschriften nicht entsprechen, haben eine Übergangsfrist von zwei Jahren, um ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen anzupassen (Art. 2 ÜBest). Das wird primär die Aufhebung von Statutenbestimmungen betreffen, welche die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien erschweren,119 oder Regelungen, welche die Einsetzung eines Finanzintermediärs als Meldestelle betreffen (vor allem Delegation des Entscheids an den Verwaltungsrat)120. Ferner ist zu empfehlen, die Zuständigkeiten und Abläufe im Zusammenhang mit den neuen Meldepflichten und Sanktionen bzw. die Delegation der betreffenden Verantwortlichkeiten im Organisationsreglement zu verankern. In den Übergangsbestimmungen findet sich in Bezug auf die Meldepflicht der Aktionäre eine eigenständige nachträgliche Meldepflicht – allerdings nur für Inhaberaktionäre, welche per 1. Juli 2015 bereits Inhaberaktien halten (Art. 3 Abs. 1 ÜBest). Diese müssen sowohl der einfachen121 als auch der qualifizierten122 Meldepflicht nachkommen. Dafür haben sie ab dem 1. Juli 2015 sechs Monate Zeit (d.h. bis 31. Dezember 2015), ehe die mit den zu meldenden Aktien verbundenen Vermögensrechte verwirken123. E contrario sind bestehende Namenaktionäre keiner Meldepflicht unterworfen. Diese Übergangsrege- 119 120 121 122 123 Siehe vorne V.A. Siehe vorne III.C. Siehe vorne III.A. Siehe vorne III.B. Siehe vorne III.D.2.c). Dieter Gericke/Daniel Kuhn AJP/PJA 6/2015 866 lung führt somit zur Ungleichbehandlung von Inhaberund Namenaktionären, was gewollt ist124. Die sehr kurz bemesse Frist zur nachträglichen Meldung dürfte indes viele Gesellschaften und Inhaberaktionäre überfordern. Ferner ist auch für die Meldung von an Stammanteilen einer GmbH wirtschaftlich berechtigten Personen keine Übergangsregelung getroffen worden, weshalb diesbezüglich keine rückwirkende Meldepflicht besteht125. VI. Würdigung Im Vorentwurf zur Aktienrechtsrevision aus dem Jahre 2005126 wurde vorgesehen, die Inhaberaktie abzuschaffen, um der schon in den damals geltenden GAFI-Empfehlungen enthaltenen Forderung nach mehr Transparenz nachzukommen127. Aufgrund des grossen Widerstandes in der Vernehmlassung wurde diese Idee aber fallengelassen128. Mit der hier besprochenen Gesetzesnovelle dürfte die Inhaberaktie aufgrund der einschneidenden Pflichten und erheblichen Sanktionsrisiken jetzt aber doch faktisch abgeschafft werden. Der Anspruch auf Ausübung der Mitgliedschafts- und Vermögensrechte hängt zusätzlich zur Papiervorweisung suspensiv bedingt davon ab, dass die geforderten Meldungen (m.a.W. die Preisgabe der Identität des Aktionärs sowie allfälliger wirtschaftlicher Berechtigter) an die Gesellschaft (oder alternativ 124 125 126 127 128 Botschaft (FN 9), 667: Da von Inhaberaktien eine erhöhte Geldwäschereigefahr ausgehe. Ebenso: Kunz (FN 4), Rz. 43. Art. 622 Abs. 1 des Vorentwurfs zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts im Obligationenrecht vom 2. Dezember 2005, abrufbar unter <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/1275/ Vorlage_d.pdf>, zuletzt besucht am 11.5.2015. Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbHRecht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht) vom 21. Dezember 2007, BBl 2008 1589 ff. (zitiert: Botschaft Aktienrecht 2007), 1618. Botschaft Aktienrecht 2007 (FN 127), 1618; siehe auch Böckli (FN 48), § 4 N 2a und 97b. Das Gesetzgebungsprojekt wurde in der Sommersession 2013 von den eidgenössischen Räten schliesslich an den Bundesrat zurückgewiesen, um es unter Berücksichtigung der neuen verfassungsmässigen Vorgaben (Annahme der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» am 3. März 2013) zu überarbeiten (vgl. AB NR 2013 884 ff., 887 und AB SR 2013 568 ff., 570). Inzwischen hat der Bundesrat die Aktienrechtsrevision wieder aufgenommen und einen Vorentwurf in die Vernehmlassung geschickt, welche bis zum 15. März 2015 dauerte (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 28. November 2014 zur Modernisierung des Aktienrechts, abrufbar unter <https://www.admin.ch/gov/de/start/ dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-55451.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015). an einen beauftragten Finanzintermediär) erstattet werden. Erfolgen diese nicht rechtzeitig, verwirken die Vermögensrechte grundsätzlich unwiderruflich, was der aus dem Straf- und Verwaltungsrecht bekannten Einziehung gleichkommt129. Aus rechtssystematischer und rechtsstaatlicher Warte ist die Verankerung einer Meldepflicht zu Gunsten des Staates als pseudoprivatrechtliche Pflicht problematisch. Dies zeigt sich besonders an den Sanktionen. Statt dass eine Behörde eine anfechtbare Verfügung erlassen würde, müsste etwa ein Aktionär einen Generalversammlungsbeschluss anfechten, wenn er meint, sein Stimmrecht sei zu Unrecht suspendiert worden. Die Gesellschaft würde diesen Prozess dann ohne Eigeninitiative quasi als Vertreter staatlicher Interessen führen müssen. Ganz grundsätzlich sind die gesetzlichen Fristen und Sanktionen zudem von übertriebener Härte, weisen doch nicht alle Aktionäre von Kleinunternehmen die nötigen Kenntnisse und organisatorischen Möglichkeiten auf, um diesem engen regulatorischen Rahmen Genüge zu tun. Offenbar scheint der Gesetzgeber jede Fristverletzung mit Geldwäscherei oder Steuerbetrug gleichzusetzen, was allein den definitiven «Einzug» der vermögensmässigen Vorteile rechtfertigen würde. Eine von der Gesellschaft zu bestimmende und verhängende Sanktion, verbunden mit einer subsidiären Ordnungsbusse, allenfalls in Abstufung nach Wert der nicht gemeldeten Aktien, wäre angemessener. Nicht nur was das Sanktionsregime und die praxisfremd kurze Einführungsfrist anbelangt, sondern ganz allgemein wird die Gesetzesnovelle den sich in der Praxis zu erwartenden Schwierigkeiten nicht gerecht. So mutet sie über weite Strecken als zugleich undifferenziert und detailversessen an. Stellenweise wähnt man sich bei der Lektüre in Sachen Detaillierungsgrad eher in einer Ausführungsverordnung als im Obligationenrecht130. Des Weiteren ist anzunehmen, dass sich grosse Teil der Regelung als «Swiss Finish» herausstellen. Das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung hat in 129 130 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erstreckt sich die verfassungsmässige Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) nicht nur auf das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, sondern u.a. auch auf beschränkte dingliche Rechte und obligatorische Rechte (St. Galler Kommentar BV-Vallender/Hettich, N 15 zu Art. 26 BV). So vermag es doch zu irritieren, dass es der Gesetzgeber nötig befunden hat festzulegen, dass sich ein Aktionär (etwa in einer Familiengesellschaft) stets «durch einen amtlichen Ausweis mit Fotografie, namentlich durch den Pass, die Identitätskarte oder den Führerausweis, im Original oder in Kopie» auszuweisen hat (Art. 697i Abs. 1 revOR). Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten AJP/PJA 6/2015 867 einem Gutachten131 aus dem Jahre 2012 die Zulässigkeit und Verbreitung von Inhaberaktien in diversen Ländern untersucht und sich auch mit der Frage beschäftigt, welche Massnahmen zur Steigerung der Transparenz in den untersuchten Ländern ergriffen werden. Daraus wird ersichtlich, dass zu jenem Zeitpunkt eine flächendeckende Meldepflicht für Inhaberaktien in keinem der untersuchten Länder bestand132. Ob sich dies im europäischen Raum ändern wird, bleibt abzuwarten – ist aber eher unwahrscheinlich. Deutschland etwa hat sich für einen anderen Weg entschieden. Im Zuge der «Aktienrechtsnovelle 2014»133, welche sich zurzeit in den parlamentarischen Beratungen befindet, sollen Inhaberaktien neu nur noch dann ausgegeben werden können, wenn diese als Sammelurkunden und bei einer Wertpapiersammelbank, bei einem zugelassenen Zentralverwahrer, einem anerkannten DrittlandZentralverwahrer oder einem sonstigen Verwahrer im Sinne des deutschen Depotgesetzes hinterlegt werden134. Eine allgemeine Meldepflicht für Inhaberaktionäre ist hingegen nicht vorgesehen. In der Europäischen Union (EU) sind die Gesetzgebungsarbeiten im Zusammenhang mit dem «Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung»135 («4. EU-Geldwäscherichtlinie» oder «neue Geldwäscherichtlinie»; die Artikel des Entwurfs hier als «E‑Art.» bezeichnet) in vollem Gange136. Die 4. EU-Geldwäscherichtlinie, welche noch 131 132 133 134 135 136 Vgl. Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR) vom 11. Mai 2012 zur Zulässigkeit und Verbreitung von Inhaberaktien (zitiert: SIR-Gutachten), abrufbar unter <https:// www.sif.admin.ch/sif/de/home/dokumentation/berichte/bekaempfung-der-finanzkriminalitaet.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015. Ebenso: Botschaft (FN 9), 652. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014), Drucksache 18/4349 vom 18. März 2015 (zit. D-Aktienrechtsnovelle 2014, abrufbar unter <http://dip21. bundestag.de/dip21/btd/18/043/1804349.pdf>, zuletzt besucht am 17.5.2015). D-Aktienrechtsnovelle 2014 (FN 133), 7 (§ 10 Abs. 1 E‑AktG) und 15 ff. Vgl. den «Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung» in der am 27. Januar 2015 bzw. 10. Februar 2015 durch den Rat angenommenen Fassung (abrufbar unter <http://register. consilium.europa.eu/doc/srv?l=DE&f=ST%205748%202015%20 INIT>, zuletzt besucht am 17.5.2015). Vgl. die Informationen auf der offiziellen Website des Rates der EU und des Europäischen Rates (abrufbar unter <http://www.consili- dieses Jahr verabschiedet werden dürfte, muss sodann voraussichtlich innert zwei Jahren von den EU-Mitgliedern in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt werden (vgl. E‑Art. 61 Abs. 1). Nach der neuen Geldwäscherichtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die auf ihrem Territorium gegründeten Gesellschaften oder sonstigen juristischen Personen «angemessene, präzise und aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlichen Eigentümern, einschliesslich genauer Angaben zum wirtschaftlichen Eigentum, einholen und aufbewahren müssen» (vgl. E‑Art. 29 Abs. 1) – mithin werden hier die juristischen Personen und nicht etwa die «wirtschaftlichen Eigentümer»137 verpflichtet. Gemäss E‑Art. 3 Abs. 5 gelten als «wirtschaftliche Eigentümer» in diesem Zusammenhang jedenfalls die natürlichen Personen, «in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle eine juristische Person […] über das direkte oder indirekte Halten eines ausreichenden Anteils von Aktien oder Stimmrechten oder eine Beteiligung an jener Rechtsperson, einschliesslich in Form von Inhaberaktien, oder durch andere Formen der Kontrolle letztlich steht». Somit führt die EU nicht eine allgemeine Meldepflicht für sämtliche Inhaberaktionäre ein, sondern beschränkt sich auf die Erfassung der «wirtschaftlichen Eigentümer» – mithin der natürlichen Personen, welche i.d.R. einen Aktienanteil bzw. eine Beteiligung von mindestens 25 % an der fraglichen Gesellschaft aufweisen. In der Schweiz können die neuen Regelungen ihrem Wortlaut nach in einem für die Wirtschaft und den Wohlstand zentralen Rechtsbereich teils zu stossenden Pflichten und Folgen führen, ohne dass die GAFI-Empfehlungen dies verlangen würden. Die Einführung wird zudem mit hohen Kosten und enormem Zeitdruck verbunden sein138. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Praxis rasch in einer pragmatischen Umsetzung findet und der Gesetzgeber sich nötigenfalls nach dem Sturm der Länderexamen nochmals der Materie widmet. 137 138 um.europa.eu/de/policies/money-laundering-terrorist-financing/>, zuletzt besucht am 17.5.2015). Eine Definition des Begriffs «wirtschaftlicher Eigentümer» findet sich in E‑Art. 3 Abs. 5 der neuen Geldwäscherichtlinie. Siehe vorne I.
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