Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären

Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
AJP/PJA 6/2015
Neue Meldepflichten bezüglich
Aktionären, Gesellschaftern und
wirtschaftlich Berechtigten – die
«société anonyme» ist Geschichte
Daniel Kuhn
Dieter Gericke
Per 1. Juli 2015 treten im Obligationenrecht neue Meldepflichten bei
privaten Gesellschaften in Kraft: Einerseits für alle Erwerber von Inhaberaktien, andererseits für wirtschaftlich Berechtigte an Beteiligungen, die mindestens 25 % von Stimmrecht oder Kapital von Aktiengesellschaften und GmbHs repräsentieren. Faktisch gibt es auch eine
Meldepflicht für Genossenschafter. Die Meldung muss jeweils innert
Monatsfrist erfolgen, zudem – für Inhaberaktionäre – erstmals innert
6 Monaten seit Inkrafttreten. Das Gesetz sieht bei Nichteinhaltung der
Meldepflichten harte Sanktionen vor: das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte und gar die Verwirkung der Vermögensrechte.
Die Gesellschaften trifft die Pflicht zur Führung der entsprechenden Verzeichnisse. Überdies müssen Genossenschaften ein Verzeichnis
sämtlicher Genossenschafter führen.
Die Autoren setzen sich schwergewichtig mit den Meldepflichten
und Sanktionen auseinander, zeigen Unklarheiten, Probleme und Konzeptionsfehler auf und entwickeln Lösungen für eine pragmatische
Umsetzung in der Praxis.
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Hintergrund und Zweck des Gesetzgebungsprojekts –
GAFI/FATF und Global Forum
A. Übersicht
B. GAFI-Vorgaben
C. Vorgaben des Global Forum
D. Umsetzung
III.Die neuen Meldepflichten für Aktionäre
A. Meldepflicht für Inhaberaktionäre («einfache Meldepflicht»)
1. Gesetzestext
2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
B. Meldepflicht betr. wirtschaftlich berechtigte Person
(«qualifizierte Meldepflicht»)
1. Gesetzestext
2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
C. Ausnahmen
1. Keine Meldepflicht bei börsenkotierten Gesellschaften
2. Meldung betreffend Inhaberaktionäre an Finanzinter­
mediär statt an Gesellschaft
3. Teleologische Ausweitung der Ausnahmetatbestände
D. Sanktionen bei Nichteinhaltung der Meldepflichten
1. Gesetzestext
2. Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
E. Exkurs: Meldepflichten bei Mergers & Acquisitions
IV. Pflichten der Aktiengesellschaften bzw. der Verwaltungsräte
A. Aktienbuch
B. Verzeichnis
C. Verhindern einer Rechtsausübung bei Verletzung der
Meldepflichten
D. Vertretung der Gesellschaft und Zugang zu Aktienbuch
und Verzeichnis
Le 1er juillet 2015, de nouvelles obligations d’annoncer entreront en
vigueur dans le code des obligations pour les sociétés privées: d’une
part pour tous les acquéreurs d’actions au porteur, d’autre part pour
les ayants droit économiques dont les participations représentent au
moins 25 % des voix ou du capital de sociétés anonymes ou de Sàrl. De
fait, l’obligation d’annoncer existe aussi pour les associés des sociétés
coopératives. L’annonce doit intervenir dans un délai d’un mois et –
pour les actionnaires au porteur – la première fois dans les six mois qui
suivent l’entrée en vigueur. La loi prévoit des sanctions sévères en cas
de non-respect des obligations d’annoncer: la suspension des droits
sociaux et même l’extinction des droits patrimoniaux.
Les sociétés ont l’obligation de tenir les listes correspondantes.
Par ailleurs, les sociétés coopératives doivent tenir une liste de tous les
associés.
Les auteurs traitent essentiellement des obligations d’annoncer
et des sanctions, relèvent les incertitudes, problèmes et défauts de
conception et développent des solutions pour une mise en pratique
pragmatique.
V. Weitere Änderungen
A. Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien
B. Übersicht über die Änderungen betr. GmbH und
Genossenschaften
1. GmbH
2. Genossenschaft
C. Übergangsbestimmungen und Nachmeldepflicht
VI.Würdigung
I.
Einleitung
Am 12. Dezember 2014 haben die eidgenössischen Räte
das «Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten
Empfehlungen der Groupe d’action financière»1 (hier
auch «GAFI-Gesetz» oder «Gesetzgebungsprojekt») verabschiedet. Die Referendumsfrist ist am 2. April 2015
unbenutzt verstrichen. Das Inkrafttreten der hier interessierenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen (hier
als «revOR» zitiert) erfolgt auf den 1. Juli 2015 und steht
somit unmittelbar bevor2.
1
2
Dieter Gericke, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Zürich.
Daniel Kuhn, MLaw, Zürich.
BBl 2014 9689 ff.
Siehe Medienmitteilung des Bundesrats vom 29. April 2015 zur Inkraftsetzung des Bundesgesetzes zur Umsetzung der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen (zit. Medienmitteilung Inkraftsetzung, ab-
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Der wenig aussagekräftige Titel dieses Gesetzgebungsprojekts ist wohl einer der Gründe3 dafür, dass die
Novelle bislang kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen
hat – jedenfalls nicht in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht4.
Hinter der Bezeichnung verbirgt sich eine Vorlage, welche es in sich hat: Nicht weniger als acht Bundesgesetze
(ZGB, OR, SchKG, StGB, VStrR, KAG, GwG und BEG)
werden durch sie abgeändert5. Was das Gesellschaftsrecht
anbetrifft, stehen neue Meldepflichten, versehen mit engen Fristen und harschen Sanktionen im Zentrum. Diese
werden in nicht weniger als 14 (meist zusätzlichen) ORArtikeln geregelt.
So muss der Erwerb von nicht börsenkotierten Inhaberaktien innert Monatsfrist der Gesellschaft gemeldet
werden. Eine zweite Meldepflicht, welche nicht börsenkotierte Inhaber- und Namenaktien sowie GmbH-Anteile
betrifft, sieht vor, dass neu derjenige, der den Grenzwert
von 25 % von Kapital oder Stimmen allein oder in Absprache mit Dritten erreicht oder überschreitet, der Gesellschaft binnen Monatsfrist die natürliche Person melden muss, «für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich
berechtigte Person)». Bei Genossenschaften muss ein
Verzeichnis aller Genossenschafter mit Name und Adresse geführt werden, was faktisch ebenfalls entsprechende
Meldepflichten impliziert.
Um den Pflichten Nachdruck zu verleihen, wartet die
Vorlage mit diversen Sanktionen6 auf. So ruhen für die
Dauer der unterlassenen Meldung nicht nur die mit den
Aktien und Stammanteilen verbundenen Stimmrechte und
sonstigen Mitgliedschaftsrechte. Vielmehr verwirkt der
Gesellschafter für die entsprechende Dauer die Vermögensrechte7.
Da bestehende Inhaberaktionäre innert einer Übergangsfrist von nur sechs Monaten ihren Bestand bzw. die
wirtschaftlich Berechtigten melden müssen8, ist manch
böses Erwachen vorprogrammiert. Zudem kann eine
Missachtung der Regelung zur persönlichen Haftung der
Verwaltungsräte führen.
Kurz gesagt wird das Schweizer Gesellschaftsrecht
eine einschneidende Änderung erfahren, deren rechtliche und praktische Tragweite9 bislang wohl weder von
der Politik noch von der Praxis gebührend erfasst wurde. Namentlich ist anzunehmen, dass neben den rund
50’000 Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien wohl um
die 80 % der rund 206’000 Aktiengesellschaften und der
rund 160’000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung
über Aktionäre bzw. Anteilsinhaber verfügen, die gemäss
Wortlaut des Gesetzes von der Pflicht zur Meldung des
wirtschaftlich Berechtigten betroffen sind. Die meisten
6
3
4
5
rufbar unter <https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/
medienmitteilungen.msg-id-57064.html>, zuletzt besucht am
11.5.2015).
Ein weiterer Grund wird vermutlich der Umstand sein, dass das
GAFI-Gesetz nicht klar einem Rechtsgebiet zugeordnet werden
kann, sondern zugleich u.a. Gesellschafts-, Steuer-, Straf- und Banken- bzw. Kapitalmarktrecht betrifft, weshalb die Beobachtung des
Gesetzgebungsprojektes da und dort wohl etwas «zwischen Stuhl
und Bank» gefallen sein dürfte.
Die bislang erschienene Literatur, welche die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des GAFI-Gesetzes behandelt, ist noch überschaubar – zu nennen ist in erster Linie der Beitrag von Lukas
Glanzmann/Philip Spoerlé, Die Inhaberaktie – leben Totgesagte
wirklich länger?, GesKR 2014, 4 ff., in dem sich die Autoren noch
vor den parlamentarischen Beratungen eingehend mit dem damaligen Gesetzesentwurf auseinandergesetzt hatten. Sodann werden
die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des GAFI-Gesetzes in einigen Beiträgen gestreift, vgl. etwa Michael Kunz, Umsetzung der
GAFI-Empfehlungen 2012, Die Geldwäschereiprävention verlässt
den Finanzsektor, Jusletter vom 23. Februar 2015; Jonatan Riegler, Fiduziarische Vinkulierung nicht kotierter Namenaktien – Art
der Vinkulierung und ihre handelsregisterrechtliche Behandlung,
­REPRAX 2015, 17 ff., 28; Gottlieb Keller, Die Inhaberaktie,
GesKR 2014, 246 ff.; Peter Lutz, Vorlage betreffend Umsetzung
der 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen: erste Analyse der Auswirkungen auf den Anwalt als Finanzintermediär, Anwaltsrevue
2014, 59 ff.
Die weiteren, zum Teil ebenfalls einschneidenden Änderungen,
welche das GAFI-Gesetz mit sich bringt, sollen hier schon nur aus
Platzgründen unberücksichtigt bleiben.
7
8
9
Der bundesrätliche Entwurf hatte für den Fall der Nichteinhaltung
von Meldepflichten sogar strafrechtliche Sanktionen vorgesehen,
vgl. die E‑Art. 327 und 327a StGB, welche gemäss Entwurf zum
Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen
der Groupe d’action financière (BBl 2014, 605 ff.; zit. Entwurf)
beabsichtigt waren. Im Parlament wurden die entsprechenden
Strafbestimmungen aber gekippt, obwohl eine Votantin diesbezüglich gar eine lex imperfecta kommen sah, sollten die flankierenden Strafbestimmungen wegfallen (vgl. AB NR 2014, 1176, NR
­Susanne Leutenegger Oberholzer). Glücklicherweise ist das Parlament in diesem Fall aber nicht der (grassierenden) Versuchung erlegen, im Strafrecht das Allheilmittel zur Disziplinierung im Bereich
des Wirtschaftsrechts zu sehen.
Siehe hinten III.D.2.c).
Siehe hinten V.C.
Gemäss Botschaft des Bundesrats zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) vom
13. Dezember 2013 (BBl 2014 605 ff., zit. Botschaft), 615 und 654,
gibt es in der Schweiz rund 50’000 Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben. Davon wird wohl nur ein kleiner Teil
über börsenkotierte oder als Bucheffekten ausgestaltete Inhaberaktien verfügen, welche nicht unter die Meldepflicht fallen. Hinzu
kommen diejenigen Aktiengesellschaften, welche Namenaktien
ausgegeben haben und bei denen ein oder mehrere Aktionäre unter die Meldepflicht von Art. 697j revOR fallen. Schliesslich unterliegen auch Erwerber von GmbH-Stammanteilen eine Art. 697j
­revOR nachgebildeten Meldepflicht bezüglich wirtschaftlich berechtigter Personen (Art. 790a revOR). Da die Meldepflicht aber
nicht die Gesellschaften, sondern die Erwerber von Aktien bzw.
Stammanteilen betrifft, dürften insgesamt Hunderttausende natürliche und juristische Personen betroffen sein.
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privaten Gesellschaften sind in den Händen eines oder
weniger Gesellschafter (z.B. Handwerksbetriebe oder
Gruppengesellschaften). Zusätzlich sind alle rund 9’000
Genossenschaften von der neuen Regelung betroffen.10
Bedenkt man, dass es für GAFI-Zwecke wohl genügt
hätte, in einem Absatz eine simple Meldepflicht für kontrollierende Inhaberaktionäre festzuschreiben11, stellt sich
die Frage, ob sich der Gesetzgeber dieser Folgen bewusst
war und die Verhältnismässigkeit genügend berücksichtigte12. Dies gilt umso mehr als die neuen Pflichten in erster Linie mittelständische und kleine Gesellschaften betreffen.
Der vorliegende Beitrag will den Hintergrund und
Zweck des Gesetzesprojekts (vgl. II.) schildern, sodann
die neuen Meldepflichten und Sanktionen für Aktionäre
(vgl. III.), die Pflichten der Aktiengesellschaften bzw. der
Verwaltungsräte (vgl. IV.) sowie weitere Änderungen
(vgl. V.) beleuchten, jeweilige Probleme und Unklarheiten aufzeigen sowie Lösungsansätze präsentieren. Am
Schluss des Beitrags würdigen die Autoren die Regelung
(vgl. VI.).
10
11
12
Die Zahlen betreffend Häufigkeit der verschiedenen Rechtsformen
ergeben sich aus der Statistik (Stichtag: 1. Januar 2015) des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister (abrufbar unter <http://
zefix.admin.ch/zfx-cgi/hrform.cgi/hraPage?alle_eintr=on&pers_
sort=original&pers_num=0&language=1&col_width=366&amt=
007>, zuletzt besucht am 17.5.2015).
GAFI (Hrsg.), The FATF Recommendations, International Standards on Combating Money Laundering and the Financing of Terrorism & Proliferation, February 2012, Paris 2013 (zit. GAFI-Empfehlungen 2012, abrufbar unter <http://www.fatf-gafi.org/topics/
fatfrecommendations/documents/fatf-recommendations.html>,
zuletzt besucht am 11.5.2015), 86 f. (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 14): «Countries should take measures to prevent
the misuse of bearer shares and bearer share warrants, for example
by applying one or more of the following mechanisms: (a), […] or
(d) requiring shareholders with a controlling interest to notify the
company, and the company to record their identity.» Das Global
Forum wünscht – unter Vorbehalt der Verhältnismässigkeit – die
Identifizierung der «owners» (siehe hinten II.C.), d.h. auch unter
jenen Prämissen würde eine simple Meldepflicht genügen. Sanktionen müssten die Verhältnismässigkeit beachten.
Die Botschaft (FN 9), 698, macht keine statistischen Ausführungen/Betroffenheitsanalysen und gibt die geschätzten Einführungskosten gar nicht und die Folgekosten nur sehr vage an. Eine De
Minimis-Regelung, etwa für operativ tätige Kleingesellschaften,
gibt es nicht.
II. Hintergrund und Zweck des Gesetzgebungsprojekts – GAFI/FATF und
Global Forum
A. Übersicht
Die Financial Action Task Force (FATF) bzw. Groupe
d’action financière (GAFI) wurde 1989 anlässlich des
G7-Gipfels in Paris gegründet und entwickelte sich über
die Jahre zur wichtigsten Expertengruppe in der internationalen Zusammenarbeit gegen Geldwäscherei13. Die
Schweiz ist dem Gremium 1990 beigetreten. Seither veröffentlichte dieses regelmässig Empfehlungen, welche
heute von den Teilnehmerregierungen als internationale
Standards im Bereich der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verwendet werden14. Die
aktuell gültigen Empfehlungen stammen aus dem Jahr
2012.
Obschon es sich beim GAFI um keine internationale
Organisation im Sinne des Völkerrechts handelt und die
GAFI-Empfehlungen keine Rechtsnormen sind, wird
die Durchsetzung derselben durch Überwachungs- und
«Ächtungs»massnahmen vorangetrieben15. So führt GAFI
als «mutual evaluation reports» bezeichnete Länderexamen durch, bei denen überprüft wird, ob die Empfehlungen eingehalten werden16. Die nächste Evaluation der
Schweiz ist für den Frühling 2016 geplant17. Die Schweiz
hat die 2012 revidierten Empfehlungen angenommen und
ist daher nach Ansicht des Bundesrates gehalten, diese innerstaatlich umzusetzen18.
Beim «Global Forum on Transparency and Exchange
of Information for Tax Purposes» (Global Forum) handelt
13
14
15
16
17
18
Vgl. Tamara Taube, Die Schwarze Liste der FATF – was droht
der Schweiz wirklich?, recht 2014, 210 ff., 210.
Botschaft (FN 9), 606 und 611; Taube (FN 13), 211.
Vgl. Botschaft (FN 9), 650 f.; Taube (FN 13), 211; Paolo
Bernasconi, in: Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band II, Zürich
2002, N 474 zu Internationale Amts- und Rechtshilfe; Werner de
­ apitani, in: Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, orC
ganisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band II, Zürich 2002, GwG
AT N 65; Jürg-Beat Ackermann, in: Niklaus Schmid (Hrsg.),
Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei,
Band I, Zürich 1998, N 27 zu Art. 305bis StGB; Marlène Kistler,
La vigilance requise en matière d’opérations financières, Diss. Lausanne, Zürich 1994, 17.
Vgl. Taube (FN 13), 211; de Capitani (FN 15), GwG AT N 65.
Taube (FN 13), 211 f. m.w.H.
Botschaft (FN 9), 651. Aus rechtsstaatlicher Sicht nicht unbedenklich ist der Umstand, dass diese «Annahme» keiner demokratischen
Kontrolle unterstand. Zu den allenfalls zu erwartenden Sank­tionen,
welchen sich die Schweiz im Falle der Nichtbefolgung der Empfehlungen aussetzen würde: Taube (FN 13), passim.
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es sich um ein im Jahr 2000 gegründetes und unter der
Aufsicht der OECD und der G20 stehendes Gremium,
welches internationale Standards hinsichtlich Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken auf internationaler Ebene formuliert und deren Einhaltung und
Umsetzung überwacht. Auch das Global Forum unterzieht seine 126 Mitglieder19 (darunter auch die Schweiz)
regelmässig Länderexamen, welche als «peer reviews»
bezeichnet werden. Eine weitere solche Länderprüfung
steht für die Schweiz im Herbst dieses Jahres an20.
B.
GAFI-Vorgaben
Im Rahmen des im Jahre 2005 durchgeführten GAFILänderexamens21 wurde die Schweiz hinsichtlich der
Transparenz juristischer Personen als «nicht konform»
mit den GAFI-Empfehlungen benotet22. Der GAFI-Länderbericht bemängelte, dass es bei Aktiengesellschaften
mit Inhaberaktien nicht möglich sei herauszufinden, wer
die juristische Person zu Eigentum habe bzw. kontrolliere
und forderte Massnahmen zur Verbesserung dieser Situation23.
Die 2012 revidierten GAFI-Empfehlungen sehen bezüglich Transparenz juristischer Personen unter dem Titel «Transparency and beneficial ownership of legal persons» Folgendes vor24:
«Countries should take measures to prevent the misuse of legal
persons for money laundering or terrorist financing. Countries
should ensure that there is adequate, accurate and timely information on the beneficial ownership and control of legal persons
that can be obtained or accessed in a timely fashion by competent authorities. In particular, countries that have legal persons
19
20
21
22
23
24
Insgesamt hat das Global Forum 126 Mitglieder (Stand Mai
2015) – 125 Länder sowie die Europäische Union (vgl. <http://
www.oecd.org/tax/transparency/membersoftheglobalforum.htm>,
zuletzt besucht am 11.5.2015).
Medienmitteilung Inkraftsetzung (FN 2).
GAFI (Hrsg.), 3ème rapport d’évaluation mutuelle de la lutte antiblanchiment de capitaux et contre le financement du terrorisme,
synthèse, Suisse, 14 octobre 2005 (zit. GAFI-Länderbericht 2005,
abrufbar unter <https://www.sif.admin.ch/sif/de/home/dokumentation/berichte/bekaempfung-der-finanzkriminalitaet.html>, zuletzt
besucht am 11.5.2015).
Botschaft (FN 9), 614, m.H. auf die GAFI-Empfehlung 33 (2003).
GAFI-Länderbericht 2005 (FN 21), 6 (Ziff. 20), 11 (Ziff. 54) sowie 22. In Ziff. 20 ist zu lesen: «En outre, le fait que les sociétés
anonymes de droit suisse peuvent émettre des actions au porteur
et qu’aucune mesure n’est actuellement en vigueur pour assurer la
transparence de leur actionnariat – en dehors du cas où il s’agit de
sociétés cotées en bourse – a pour conséquence de rendre plus difficile pour les intermédiaires financiers la vérification des personnes qui contrôlent ou possèdent la personne morale. Les autorités
suisses devraient prendre les mesures nécessaires pour remédier à
ces faiblesses».
GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 22 (Empfehlung 24).
that are able to issue bearer shares or bearer share warrants,
or which allow nominee shareholders or nominee directors,
should take effective measures to ensure that they are not mis­
used for money laundering or terrorist financing […]»
Den Begriff des «wirtschaftlich Berechtigten» (bzw. des
«beneficial owner») definieren die GAFI-Empfehlungen
als «natural person(s) who ultimately owns or controls
a customer and/or the natural person on whose behalf a
transaction is being conducted. It also includes those persons who exercise ultimate effective control over a legal
person or arrangement». Was die Wendung «ultimately owns or controls» sowie «ultimate effective control»
angeht, so wird präzisiert, dass es dabei um Situationen
geht, «in which ownership/control is exercised through a
chain of ownership or by means of control other than direct control».25 Als Beispiel einer möglichen Schwelle, ab
welcher ein Aktionär als «kontrollierend» angesehen werden kann, nennen die GAFI-Empfehlungen eine Beteiligungsquote von 25 %26. Diese Schwelle, welche als willkürlich erscheint, ist unseres Erachtens für das Schweizer
Recht zu tief angesetzt, da eine privat gehaltene Aktiengesellschaft mit einer Beteiligung von 25 % in aller Regel
nicht kontrolliert werden kann.
Die Abschaffung der Inhaberaktie fordern die GAFIEmpfehlungen 2012 nicht, obwohl eine solche als mögliche Lösung des Problems vorgeschlagen wird. Des
Weiteren werden als Massnahmen die Umwandlung in
Namenaktien, die Immobilisierung der Inhaberaktien
durch Hinterlegung bei einem Finanzintermediär sowie
die Einführung einer Meldepflicht empfohlen27. Wie diese
vorgeschlagenen Massnahmen schliesslich umzusetzen
sind, lassen die GAFI-Empfehlungen offen, womit für die
Länder ein Handlungsspielraum besteht.
C. Vorgaben des Global Forum
Das besprochene Gesetzgebungsprojekt nimmt zwar im
Titel nur Bezug auf die Umsetzung der 2012 revidierten
GAFI-Empfehlungen, stützt sich aber gemäss Botschaft28
auch auf die Vorgaben des Global Forum29. Jene sehen –
25
26
27
28
29
Vgl. zur Begriffsdefinition: GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11),
110 (Glossar), siehe auch die dortige Fn. 50.
GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 84, Fn. 38 (Interpretativnote
zu Empfehlung 24).
GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 86 f. (Interpretativnote zu
Empfehlung 24).
Botschaft (FN 9), 606, 611, 615 f. und 639 f.
Global Forum (Hrsg.), Terms of Reference, To monitor and Review
Progress Towards Transparency and Exchange of Information for
Tax Purposes, 2010 (zit. Richtlinien des Global Forum, abrufbar
unter <http://www.oecd.org/ctp/44824681.pdf>, zuletzt besucht
am 11.5.2015).
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
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für den Informationsaustausch zu Steuerzwecken – ebenfalls eine vertiefte Transparenz hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an juristischen Personen vor30:
«A.1.1. Jurisdictions should ensure that information is available to their competent authorities that identifies the owners of
companies and any bodies corporate. Owners include legal owners, and, in any case where a legal owner acts on behalf of any
other person as a nominee or under a similar arrangement, that
other person, as well as persons in an ownership chain.
A.1.2. Where jurisdictions permit the issuance of bearer shares they should have appropriate mechanisms in place that allow the owners of such shares to be identified. One possibility
among others is a custodial arrangement with a recognized
custodian or other similar arrangement to immobilize such
shares.»
III. Die neuen Meldepflichten für Aktionäre
A. Meldepflicht für Inhaberaktionäre
(«einfache Meldepflicht»)
1.
Art. 697i revOR
1
Wer Inhaberaktien einer Gesellschaft erwirbt, deren Aktien
nicht an einer Börse kotiert sind, muss den Erwerb, seinen Vorund seinen Nachnamen oder seine Firma sowie seine Adresse
innert Monatsfrist der Gesellschaft melden.
2
Der Aktionär hat den Besitz der Inhaberaktie nachzuweisen
und sich wie folgt zu identifizieren:
a. als natürliche Person: durch einen amtlichen Ausweis mit
Fotografie, namentlich durch den Pass, die Identitätskarte
oder den Führerausweis, im Original oder in Kopie;
b. als schweizerische juristische Person: durch einen Handelsregisterauszug;
c. als ausländische juristische Person: durch einen aktuellen
beglaubigten Auszug aus dem ausländischen Handelsregister oder durch eine gleichwertige Urkunde.
3
Der Aktionär muss der Gesellschaft jede Änderung seines Voroder seines Nachnamens oder seiner Firma sowie seiner Adresse melden.
4
Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Inhaberaktien nach
dem Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 als Bucheffekten ausgestaltet sind. Die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle, bei der die Inhaberaktien hinterlegt oder ins
Hauptregister eingetragen werden; die Verwahrungsstelle
muss in der Schweiz sein.
D. Umsetzung
Im Bereich des Gesellschaftsrechts sehen sowohl die
GAFI-Empfehlungen als auch die Standards des Global
Forum eine erhöhte Transparenz bei juristischen Personen vor. Im Ergebnis sollen die Behörden eines Landes
demnach jederzeit die Eigentümer bzw. wirtschaftlich
Berechtigten einer juristischen Person in Erfahrung bringen können. Zweck dieser Bestrebungen ist einerseits,
den Missbrauch von Gesellschaften mit Inhaberaktien für
Zwecke der Geldwäscherei zu verhindern. Andererseits
geht es darum, die Grundlagen bzw. Voraussetzungen hinsichtlich des internationalen Informationsaustauschs für
Steuerzwecke zu schaffen31.
Während die GAFI-Empfehlungen an sich nur eine
Meldepflicht bei Erreichen einer «Kontrollbeteiligung»
verlangen würden, scheinen die Vorgaben des Global Forum diesbezüglich strenger zu sein, indem Transparenz
hinsichtlich sämtlicher «Eigentümer» gefordert wird32.
Indessen behalten sowohl GAFI wie auch Global Forum ausdrücklich die Verhältnismässigkeit vor. Um die
Schweizer Gesetzgebung den geltenden Standards der
GAFI sowie des Global Forum anzupassen, wurde das
hier punktuell besprochene Gesetz erlassen.
30
31
32
Richtlinien des Global Forum (FN 29), 4 (Kriterien A.1.1 und
A.1.2).
Information des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen
(SIF) zu «Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes», abrufbar unter <https://www.sif.admin.
ch/sif/de/home/themen/internationale-steuerpolitik/global-forumon-transparency-and-exchange-of-information-for-tax.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015.
Botschaft (FN 9), 615.
Gesetzestext
2.
Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze33
a.
Übersicht
Die Bestimmung regelt den Kern der gesetzgeberischen
Absicht: Inhaberaktionäre sollen sich nicht mehr «verstecken» können, sondern der Gesellschaft ihre Identität bekanntgeben müssen34.
b.
Kein Schwellenwert
Die in Art. 697i revOR festgeschriebene Meldepflicht
sieht keinen Schwellenwert vor. Das bedeutet, dass auch
der Erwerb einer einzigen Aktie die Meldepflicht auslöst.
Insofern unterliegen nichtkotierte Inhaberaktien neu einer
strengeren Meldepflicht, als ihre börsenkotierten Pendants, da bei Letzteren eine Meldung erst ab Erreichen eines Schwellenwertes von 3 % vorgesehen ist (vgl. Art. 20
Abs. 1 BEHG).
33
34
Die nachfolgenden Ausführungen gelten mutatis mutandis auch für
die qualifizierte Meldepflicht nach Art. 697j revOR (siehe hinten
III.B).
Zur Ausnahme für börsenkotierte Gesellschaften siehe hinten
III.C.1.
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
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Obwohl im Lichte des Zwecks35 überschiessend36,
dürfte es schwierig sein, über teleologische Argumente
in der Praxis einer vernünftigen de minimis-Lösung das
Wort zu reden: Der Gesetzgeber lehnte einen Schwellenwert analog zum Börsenrecht ab37.
c.
Auslösendes Moment der Meldepflicht
Nach dem Gesetzeswortlaut löst der Erwerb von Inhaberaktien die Meldepflicht aus (Art. 697i Abs. 1 revOR).
Damit muss im Unterschied zur börsenrechtlichen Meldepflicht38 der Eigentumsübergang (das Verfügungsgeschäft) gemeint sein, nicht das Verpflichtungsgeschäft39.
Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung: Bei den
GAFI-Regelungen geht es in erster Linie um die Verhinderung anonymer Veräusserungen und Übertragungen
der vermögensrechtlichen Rechtszuständigkeit – entsprechend sieht auch die Sanktion die Verwirkung der Vermögensrechte vor. Demgegenüber bezweckt die börsenrechtliche Offenlegung in erster Linie die möglichst frühzeitige
Information des Marktes über tatsächliche oder anstehende Veränderungen in der Kontrollstruktur.
Art. 13 BEHV-FINMA, welcher die in Art. 20 BEHG
vorgesehene Offenlegungspflicht konkretisiert, sieht zudem vor, dass auch die Begründung oder die Beendigung
einer Nutzniessung der Meldepflicht untersteht. Art. 697i
Abs. 1 revOR enthält keine analoge Regelung. Da die Errichtung einer Nutzniessung an Wertpapieren jedoch deren Übertragung erfordert (Art. 746 Abs. 1 ZGB) und dies
auch dem Zweck der Vorschriften entspricht, dürfte im
Zweifel auch der «Erwerb» durch Nutzniessung zu melden sein40.
Demgegenüber wird das Bestellen eines Pfandrechts
an Inhaberaktien in Ermangelung einer entsprechenden
gesetzlichen Bestimmung die Meldepflicht nicht auslösen. Hier verbleibt die vermögensrechtliche Rechtszuständigkeit (einstweilen) beim Verpfänder, obwohl auch
zur Errichtung eines Pfandrechts an Inhaberaktien deren
Übertragung erforderlich ist (Art. 901 Abs. 1 ZGB). Dar35
36
37
38
39
40
Siehe vorne II.
Siehe auch die Kritik bei Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9.
Vgl. z.B. den Antrag von SR Paul Niederberger, der einen Schwellenwert von 3 % (analog BEHG) festschreiben wollte, jedoch schon
im Ständerat mit 25 zu 15 Stimmen verworfen wurde (vgl. AB SR
2014, 162 ff.).
Für die börsenrechtliche Offenlegungspflicht hält Art. 11 Abs. 1
BEHV-FINMA ausdrücklich fest, dass diese mit der «Begründung
des Anspruchs auf Erwerb oder Veräusserung von Beteiligungspapieren (Verpflichtungsgeschäft)» entsteht.
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9. Zur Meldepflicht bei
Unternehmenskäufen im Besonderen siehe hinten III.E.
A.M. wohl Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9, da vom Wortlaut des
Gesetzes nicht erfasst.
an ändert sich auch nichts, wenn dem Pfandgläubiger gestattet wird, die Stimmrechte auszuüben41.
d.
Kurze Frist
Der Erwerber von nicht börsenkotierten Inhaberaktien hat
ab Erwerb einen Monat Zeit, die in Art. 697i Abs. 1 ­revOR
vorgesehene Meldung an die Gesellschaft zu erstatten.
Was bei einem «normalen» derivativen Erwerb schon kurz
bemessen sein kann, ist bei «besonderen» Erwerbsarten –
namentlich der Universalsukzession durch Erbgang –
kaum praktikabel. Zwar erwerben die Erben die Erbschaft
kraft Gesetzes durch Universalsukzession «mit dem Tode
des Erblassers» und mithin Eigentum an den Erbschaftsgegenständen (vgl. Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB). Allerdings macht sie das vorläufig nur zu Gesamteigentümern
(Art. 602 Abs. 2 ZGB) und auch sonst ist der Erbgang unter Umständen noch von vielen Unwägbarkeiten geprägt.
So kann umstritten sein, wer überhaupt Erbenstellung hat
oder welche Erbschaftsgegenstände (z.B. Inhaberaktien)
Gegenstand welcher letztwilliger Verfügungen sind. Unserer Meinung nach kann die Monatsfrist (Meldepflicht
nach Art. 697i und Art. 697j ­revOR) für Erben daher erst
dann zu laufen beginnen, wenn für die Erben klar ist, wem
die Inhaberaktien zufallen bzw., falls seitens Erblasser ein
Willensvollstrecker eingesetzt wurde, wenn dieser sein
Amt angetreten hat.
Nach allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln
wäre für die Fristwahrung auf den Eingang der Meldung
abzustellen42. Aufgrund der pönalen Natur der Sanktionen
wäre aber im Sinne des öffentlichen Rechts ein Abstellen
auf den Abgang der Meldung sachgerechter. Da bei Abgang der Meldung im Rahmen der Frist u.E. aber ohnehin
von Sanktionen abzusehen ist43, kann diese Frage letztlich
offen bleiben.
e.
Fehlende Frist für Namens- und
Adressänderungen
Für die in Art. 697i Abs. 3 revOR vorgesehene Meldepflicht im Falle einer Änderung des Vor- oder Nachnamens bzw. der Firma oder der Adresse des Aktionärs
schreibt das Gesetz keine Frist vor44. Es handelt sich um
eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung keine Verwirkung der Vermögensrechte nach sich zieht (Art. 697m
Abs. 3 revOR e contrario). Diese Differenzierung ist
41
42
43
44
Vgl. demgegenüber Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 9, die bei
Stimmberechtigung eine Meldepflicht nicht ausschliessen.
Vgl. zum Zugangsprinzip Peter Gauch/Walter R. Schluep/
Jörg Schmid, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner
Teil, Band I, 10. A., Zürich 2014, Nr. 196 ff.
Siehe hinten III.D.2.b) und III.D.2.c).
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11.
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
AJP/PJA 6/2015
855
sachgerecht, da es sich um Aktionäre handelt, die den Erwerb fristgerecht gemeldet haben.
f.
B.
Meldepflicht betr. wirtschaftlich
berechtigte Person («qualifizierte
Meldepflicht»)
1.
Gesetzestext
Partizipationsscheine und Dispoaktien
Partizipationsscheine sind nichts anderes als stimmrechtslose Aktien45. Das Gesetz ordnet in Art. 656a Abs. 2
OR an, dass die Bestimmungen über die Aktien grundsätzlich auch für Partizipationsscheine gelten. Entsprechend bezieht sich die mit Art. 697i revOR eingeführte
Meldepflicht für Inhaberaktionäre ebenfalls auf die Erwerber von Inhaberpartizipationsscheinen, zumal, wie
erwähnt, anders als im Börsenrecht die vermögensrechtliche Rechtszuständigkeit im Fokus der Regelung steht.
Aus den parlamentarischen Beratungen wird deutlich,
dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass Partizipationsscheine unter die Meldepflicht fallen46.
Anders sieht es bei sog. «Dispoaktien» aus. Als solche
werden Namenaktien einer börsenkotierten Gesellschaft
bezeichnet, deren Erwerber sich nicht ins Aktienbuch eintragen lassen haben47. Dadurch nähern sich Dispoaktien
Inhaberpartizipationsscheinen an48, zumal den Dispoaktionären auch ohne Eintrag im Aktienbuch Dividenden
über das Bankensystem bzw. die Kette der Verwahrungsstellen bei Bucheffekten ausgeschüttet werden49. Trotz
der grundsätzlichen Anonymität unterstehen jedoch auch
Dispoaktionäre bei Überschreiten der 3 %-Schwelle der
Meldepflicht von Art. 20 BEHG, weshalb sie wie alle
Aktionäre börsenkotierter Gesellschaften von der aktienrechtlichen Meldepflicht ausgenommen sind50.
Art. 697j revOR
1
Wer allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten ­Aktien
einer Gesellschaft, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert
sind, erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des
Aktienkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet,
muss der Gesellschaft innert Monatsfrist den Vor- und den
Nachnamen und die Adresse der natürlichen Person melden,
für die er letztendlich handelt (wirtschaftlich berechtigte Person).
2
Der Aktionär muss der Gesellschaft jede Änderung des Voroder des Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person melden.
3
Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Aktien nach dem Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 als Bucheffekten ausgestaltet sind. Die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle,
bei der die Aktien hinterlegt oder ins Hauptregister eingetragen
werden; die Verwahrungsstelle muss in der Schweiz sein.
2.
Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
a.
Übersicht
Neu und sowohl für Namen- als auch für Inhaberaktionäre sieht das Gesetz vor, dass ein Aktionär oder Gesellschafter, der allein oder in Absprache mit Dritten so viele
Aktien oder GmbH-Anteile hält, dass er 25 % des Kapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, den
oder die an diesen Gesellschaftsanteilen wirtschaftlich
Berechtigten melden muss51.
b.
45
46
47
48
49
50
Statt vieler: Hans Caspar von der Crone, Aktienrecht, Bern
2014, § 3 N 149; Peter Forstmoser/Arthur Meier-Hayoz/­
Peter Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 46 N 2
und 9.
Das ergibt sich daraus, dass der Nationalrat in Bezug auf die qualifizierte Meldepflicht (Art. 697j revOR) zwischenzeitlich einen
Abs. 4 zu E‑Art. 697j OR angenommen hatte. Nach diesem Absatz
hätte die dortige Meldepflicht nicht bestanden, wenn der Grenzwert
von 25 % durch den Erwerb von Partizipationsscheinen erreicht
oder überschritten worden wäre (vgl. AB NR 2014 1185). Diese
Bestimmung wurde aber durch den Ständerat wieder gestrichen
(AB SR 2014 734) – mit dem Argument, wonach es keine Rolle
spiele, dass die Partizipationsscheine keine Stimmrechte vermittelten, weil dies in Bezug auf die GAFI-Empfehlungen nur sekundär
sei (vgl. das Votum von SR Stefan Engler, AB SR 2014 734).
Daniel Häusermann, Dispoaktien: Ein 250-Milliarden-Problem?, GesKR 2012, 220 ff., 220;
Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., Zürich 2009, § 6
N 152, m.w.H.
Vgl. von der Crone (FN 45), § 3 N 125; Böckli (FN 48), § 6
N 165; Hans Caspar von der Crone/Martina Isler, Dispoaktien, GesKR-Sondernummer 2008, 76 ff., 77.
Siehe hinten III.C.1.
Fragliche Definition des «wirtschaftlich
Berechtigten»
Der Begriff des «wirtschaftlich Berechtigten» wird in
Art. 697j Abs. 1 revOR als natürliche Person definiert, für
die der Erwerber (der Aktien) letztendlich handelt. Wirtschaftlich berechtigt kann der Erwerber selbst sein, wenn
er für sich handelt, oder eine Drittperson – immer ist es
aber laut gesetzlicher Anordnung eine natürliche Person.
Damit wird dem Wortlaut nach zusätzlich zu den bereits
bestehenden gesetzlichen Definitionen des wirtschaftlich
Berechtigten (namentlich die Art. 20 BEHG oder dem
GwG zugrunde liegenden) bzw. derjenigen des GAFI eine
neue Kategorie geschaffen.
Diese gesetzliche Definition des wirtschaftlich Berechtigten ist unklar, indem sie an ein Kriterium anknüpft,
das eine direkte oder indirekte Stellvertretung impliziert.
51
Zur Ausnahme bei börsenkotierten Gesellschaften siehe hinten
III.C.1.
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
AJP/PJA 6/2015
856
Indes geht die Botschaft von der Person am Ende der
Kontrollkette aus52 – also wohl vom obersten Aktionär bei
übereinander gestaffelten Gesellschaften oder demjenigen, der vertraglich das Sagen hat. Dies entspräche auch
dem Ansatz, der vom GAFI (vgl. vorne II.B) sowie im
ebenfalls revidierten GwG verfolgt wurde53. Demgegenüber wäre wirtschaftliche Berechtigung i.e.S. nochmals
etwas anderes – nämlich die Person, in deren Vermögen
sich Veränderungen der Rechtszuständigkeit letztlich auswirken, auch wenn diese Person nicht unmittelbar an den
Aktien berechtigt ist und auch keine Kontrolle ausübt.
Da es sich um die Umsetzung einer GAFI-Empfehlung54
handelt und damit die Verhinderung von Geldwäscherei
im Vordergrund steht, muss unseres Erachtens darauf
abgestellt werden, in wessen Vermögen sich der Erwerb
letztlich auswirkt (d.h. von wem das Geld für den Erwerb kommt), sofern diese Person auch Einfluss auf die
Erwerbsentscheidung nehmen kann. Ist dies vollständig
getrennt55, kann u.E. nicht von wirtschaftlicher Berechtigung im Sinne des Gesetzes gesprochen werden. Die
gewählte Formulierung impliziert demgegenüber, dass
der Erwerber einer Beteiligung von mindestens 25 % jede
natürliche Person melden muss, die vom Erwerb tangiert
wird, mag deren indirekte Beteiligung an der betreffenden
Gesellschaft noch so klein sein und unabhängig davon,
ob sie bezüglich des Erwerbs (mit)entscheiden kann oder
auch nur davon weiss56.
c.
Die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten
in der Praxis
(1) Falsche Anknüpfung von Grenzwert und Melde­
pflicht – namentlich im Konzern
Unklar ist die Situation beim Vorliegen von «Eigen­
tumsketten»57 bzw. bei in Absprache handelnden Perso-
52
53
54
55
56
57
Botschaft (FN 9), 659.
Art. 2a Abs. 3 revGwG: «Als wirtschaftlich berechtigte Personen
einer operativ tätigen juristischen Person gelten die natürlichen
Personen, welche die juristische Person letztendlich dadurch kontrollieren, dass sie direkt oder indirekt, allein oder in gemeinsamer
Absprache mit Dritten, mit mindestens 25 Prozent des Kapitals
oder des Stimmenanteils an dieser beteiligt sind oder sie auf andere
Weise kontrollieren […].».
GAFI-Empfehlungen (FN 11), 22 (Empfehlung 24) sowie 110 (Definition des Begriffs «beneficial owner») und dazu vorne II.B.
Vgl. das Beispiel des Private Equity Fonds hinten III.B.2.c)(2).
Ähnlich Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 12.
Botschaft (FN 9), 615: «Gemäss dem Global Forum umfasst der
Begriff des «Eigentümers» den Eigentümer und – wenn dieser als
Beauftragter oder aufgrund einer anderen, ähnlichen Bestimmung
in fremdem Namen handelt – auch die Personen, zu deren Gunsten
der Eigentümer handelt, sowie diejenigen Personen, die Teil einer
Eigentumskette sind (Kriterium A.1.1).»
nen sowie in Konzernverhältnissen. In der Botschaft58
wird lapidar festgestellt, dass der (formelle) Erwerber
der Aktien «nach bestem Wissen» melden muss, «wer die
Person am Ende der Kontrollkette ist». Wenn er für eine
juristische Person handelt, so wird in der Botschaft weiter ausgeführt, «muss […] er die Identität des an dieser
juristischen Person wirtschaftlich Berechtigten bei dieser
juristischen Person in Erfahrung bringen und so weiter».
«Verweigert die juristische Person [gemeint ist eine juristische Person, für die der formelle Erwerber handelt] die
Auskunft darüber [d.h. über ihre wirtschaftlich Berechtigten], so setzt sich die Aktionärin oder der Aktionär den
Sanktionen bei Verletzung der Meldepflicht aus, wenn
sie oder er eine Meldung vornimmt, ohne die erforderlichen Information zu haben.»59 Eine einzige Ausnahme
ist für den Fall vorgesehen, dass es keinen wirtschaftlich
Berechtigten gibt (z.B. bei gemeinnützigen Organisationen) – diesfalls hat der Aktionär diesen Umstand der Gesellschaft zu melden60.
Das Gesetz auferlegt die formelle Pflicht zur Meldung
des wirtschaftlich Berechtigten dem Erwerber der Aktien,
nicht etwa dem wirtschaftlich Berechtigten selbst, wie es
im Bereich des Börsenrechts der Fall ist61. Dies mag gewollt sein, um einen Anknüpfungspunkt und eine inländische Handlungspflicht zu begründen, auch wenn sich
die wirtschaftlich Berechtigten im Ausland befinden und
aufgrund mehrstufiger Beteiligungsverhältnissen schwer
identifizierbar sind. Dass gemäss Wortlaut aber auch die
materielle Pflicht und Überschreitung des Grenzwerts
(ausschliesslich) auf Stufe des formellen Aktionärs (nicht
des wirtschaftlich Berechtigten) gemessen werden soll,
stellt einen Konzeptions- oder Redaktionsfehler dar, der
unseres Erachtens im Lichte des Zwecks der Bestimmung
korrigiert werden kann und muss. Der Wortlaut würde
sonst zahlreiche Fälle erfassen, die keine Meldepflicht
rechtfertigen bzw. die der Gesetzgeber ausnehmen wollte.
Beispielsweise müsste gemäss Wortlaut eine Konzernmuttergesellschaft aufgrund ihrer 100 %-Beteiligung
an den Konzerntochtergesellschaften diesen alle ihre Aktionäre als wirtschaftlich Berechtigte melden, auch wenn
kein Aktionär der Konzernmutter allein oder in Absprache mit Dritten 25 % oder mehr der Konzernmutter (und
damit indirekt der Töchter) beherrscht. Eine Meldung
58
59
60
61
Vgl. Botschaft (FN 9), 659.
Diese Aussage erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der
ursprüngliche Entwurf nicht «nur» gesellschaftsrechtliche, sondern
auch strafrechtliche Sanktionen vorsah (siehe auch FN 6).
Vgl. Botschaft (FN 9), 659. Eine solche Pflicht – nämlich zu melden, dass es keinen wirtschaftlich Berechtigten gibt – ist mangels
gesetzlicher Grundlage jedoch abzulehnen.
Vgl. Art. 9 BEHV-FINMA.
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
AJP/PJA 6/2015
857
müsste zudem auch dann erfolgen, wenn die Aktionäre
und wirtschaftlich Berechtigten der Konzernmuttergesellschaft in Bezug auf diese keinen aktienrechtlichen Meldepflichten unterstehen, weil die Konzernmuttergesellschaft
börsenkotiert ist. Diese Meldung müsste zudem jeden Aktionär der börsenkotierten Konzernmutter erfassen, nicht
nur solche, welche ihre Beteiligung aufgrund von Art. 20
BEHG melden mussten. Somit ergäbe sich die absurde
Situation, dass die eine Konzerntochter betreffende Meldepflicht viel weiter ginge als diejenige, welche sich auf
die Konzernmutter bezieht62.
Am Umstand, dass weder in der Botschaft noch in den
Ratsdebatten diese besonderen Konstellationen Erwähnung fanden, wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber
dieser gar nicht bewusst war. Somit ist von einem gesetzgeberischen Versehen auszugehen, wurden vorliegend
doch Sachverhalte mitgeregelt, denen aufgrund ihrer Besonderheit eine unterschiedliche Behandlung hätte zuteil
kommen sollen. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies berücksichtigt hätte, wären ihm die diesbezüglichen Probleme bewusst gewesen.
Es rechtfertigt sich daher, diese besonderen Konstellationen in teleologischer Auslegung und Ergänzung wie
folgt einer sachgerechten Lösung zuzuführen:
– Die Meldepflicht muss sachlogisch als unterbrochen
gelten, sobald auf einer Stufe auf dem Weg zum wirtschaftlich Berechtigten keine Beteiligung von mindestens 25 % mehr vorliegt. Dies hat folgende Konsequenzen:
– Der Aktionär einer direkten Aktienbeteiligung
von mindestens 25 % an einer Gesellschaft muss
die wirtschaftlich Berechtigten (nur) dann melden,
wenn diese die direkte Aktienbeteiligung von 25 %
(zum Beispiel aufgrund eines Treuhandverhältnisses) beherrschen.
– Gehören die über der formellen Aktionärin stehenden Gesellschaften nur zum Teil dem wirtschaftlich Berechtigten, stellt sich die Frage, ob auf jeder Stufe eine Beteiligung von mindestens 25 %
gegeben sein muss (z.B. hält der Aktionär 25 % an
einer Gesellschaft, die wiederum mindestens 25 %
an der eigentlichen Gesellschaft hält) oder ob die
Beteiligungen zu multiziplieren sind (z.B. 25 %
von 50 % = 12.5 % < 25 %). Hätte das Gesetz einen
Kon­trollgrenzwert genommen, der wirklich Kon­
trolle vermittelt (d.h. mindestens 50 %), so wäre
die erste Lösung logisch. Mit den 25 % verwässert sich der Einfluss jedoch graduell, weshalb der
62
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 12.
Multiplikationstest in der Regel zusätzlich zu erfüllen ist, um abzuschätzen, ob noch ernstlich von
Kontrolle gesprochen werden kann.
– Ferner muss die Börsenkotierung der Konzernmuttergesellschaft von der Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich Berechtigten auf allen Konzernstufen63 befreien, nicht nur auf Ebene der Konzernmutter64.
– Aus den gleichen Gründen, welche für die Ausnahme
von der Meldepflicht bezüglich Tochtergesellschaften
einer börsenkotierten Gesellschaft sprechen (Ausreichen der Meldepflicht auf Ebene der Muttergesellschaft), muss die Meldepflicht bezüglich der Tochtergesellschaften einer nicht kotierten Konzernmutter als
durch die Meldung an die Konzernmutter konsumiert
gelten.
(2) Anlagefonds, Aktionärbindungsverträge und
Familien­gesellschaften
In der Praxis werden sich viele heikle Grenzfälle und
komplexe Fragestellungen dazu ergeben, wer wirtschaftlich berechtigt ist und ob es (da aufgrund des Gesetzeswortlauts nur natürliche Personen in Frage kommen)
überhaupt einen gibt. Anders als im Börsenrecht sieht das
Gesetz keine Instanz vor, bei der ein Vorabentscheid zu
solchen Fragen eingeholt werden könnte. Fragen könnten
u.a. folgende Situationen aufwerfen:
– Beteiligung eines Private Equity Fonds (oder eines
anderen Anlagefonds): Hält ein Private Equity Fonds
25 % oder mehr einer Gesellschaft, so ist unklar, ob
und wer zu melden ist. Gemäss Gesetzeswortlaut wären es die Fondsinvestoren, da «letztendlich» für diese
gehandelt wird. Dies wäre jedoch oft nicht praktikabel
und auch ohne jede Aussagekraft im Hinblick auf den
Gesetzeszweck, da die Fondsinvestoren über keine
Kontrollrechte verfügen. Gemäss der von uns favorisierten teleologischen Definition wird es in der Regel
vielmehr so sein, dass diejenigen, welche den Erwerbs63
64
Für dieses Ergebnis spricht auch das Heranziehen von Art. 4 Abs. 1
revGwG, wonach der Finanzintermediär die an der Vertragspartei
wirtschaftlich berechtigte Person dann nicht feststellen muss, wenn
es sich bei der Vertragspartei um «eine börsenkotierte Gesellschaft
oder eine von einer solchen Gesellschaft mehrheitlich kontrollierte
Tochtergesellschaft» handelt. Eine solche ausdrückliche Ausnahme
wäre auch im Bereich des Gesellschaftsrechts wünschenswert gewesen, muss aber aus teleologischen Gründen auch analog gelten.
Dass die börsenrechtliche Offenlegung aus Sicht des Gesetzgebers für ausreichend Transparenz sorgt, ergibt sich daraus, dass die
Meldepflichten aus diesem Grund nur hinsichtlich nicht kotierter
­Aktien eingeführt werden sollten, vgl. Botschaft (FN 9), 658 und
659 f. Diese Wertung ist bei der Auslegung zu berücksichtigen.
Siehe zur Ausnahme für börsenkotierte Unternehmen ferner hinten
III.C.1.
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
AJP/PJA 6/2015
858
entscheid treffen (die Mitglieder des Investmentkomitees des Fondsmanagers) und die Fondsinvestoren,
von welchen das Geld stammt, das «gewaschen»
werden könnte, völlig unabhängig voneinander sind
und die Fondsinvestoren nicht einmal wissen, worin
investiert wird. Da die Fonds selber oder die Banken,
über die Fondsinvestments getätigt werden, Finanzintermediäre sind, müssen sie zudem bereits die Regeln
des GwG (oder analoge ausländische Vorschriften) bei
Entgegennahme der Investorengelder beachten. Aus
diesem Grund ist eine Meldepflicht im Zusammenhang mit Fondsbeteiligungen gewöhnlich abzulehnen.
Eine Ausnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein
Fondsinvestor allein so viele Fondsanteile hält, dass
er indirekt auf über 25 % an der Portfoliogesellschaft
kommt und faktisch (wenn nicht rechtlich) eine gewisse Kontrolle ausüben kann. Dies kann namentlich bei
«Single Investor Funds» der Fall sein.
– Aktionärbindungsverträge: Oftmals sind die Aktionäre privater Gesellschaften (und allein um diese geht
es hier) durch Aktionärbindungsverträge verbunden.
Diese sehen regelmässig Vorkaufsrechte sowie Stimmbindungen in bestimmten Fällen vor, etwa die Beachtung eines vertraglichen Vetorechts (z.B. bezüglich
der Gründung einer Tochtergesellschaft), eines vertraglichen Nominationsrechts (für den Verwaltungsrat) oder Minderheitenrechts (z.B. für die Lancierung
eines Börsengangs). Somit könnte im weitesten Sinne
von einer gemeinsamen Kontrolle gesprochen werden.
Dennoch würde es u.E. zu weit gehen, wenn automatisch alle ihre Aktien als in Absprache gehalten zu
betrachten wären. Dann müsste man überhaupt jede
Aktiengesellschaft und jede GmbH als Kontrollvereinbarung verstehen, da sie auch über ein gesetzliches
Verfahren zur gemeinschaftlichen Willensbildung verfügen. Vielmehr ist zu differenzieren: Diejenigen (z.B.
Manageraktionäre), die sich vertraglich den Rechten
anderer (etwa der Finanzinvestoren als Vorzugsak­
tionäre) zu unterwerfen haben, können nicht als (mit)
kontrollierend gelten. Aber auch mehrere mit vertraglichen Minderheitenrechten versehene Aktionäre können nicht als in Absprache handelnd gelten, wenn sie
für die wesentlichen Entscheidungen der Zustimmung
weiterer Investoren bedürfen, die in ihrer Entscheidung frei sind. Oft können die Investoren je nur einen
Verwaltungsrat bestimmen und die Verwaltungsräte
entscheiden im Gremium mit Mehrheitsentscheid wie
jeder Verwaltungsrat. Damit kann nicht von gemeinsamer Kontrolle in Absprache gesprochen werden.
– Familienaktiengesellschaften und Erbengemeinschaften: Sollten von Familienmitgliedern gehaltene Ge-
sellschaften über einen Aktionärbindungsvertrag verfügen, so gelten die vorstehenden Erörterungen. Im
Übrigen kann u.E. allein aufgrund der familiären Bande oder auch aufgrund der gesamthandschaftlichen
Stellung im Rahmen einer Erbengemeinschaft allein
nicht von Handeln in Absprache ausgegangen werden.
Dass ein gesamthänderisches Handeln eine Einigung
voraussetzt, bedeutet vielmehr, dass jeder Erbe jeden
Entscheid blockieren kann.
C. Ausnahmen
1.
Keine Meldepflicht bei börsenkotierten
Gesellschaften
Gemäss Art. 697i Abs. 1 bzw. Art. 697j Abs. 1 revOR e
contrario sind Aktionäre von Gesellschaften, deren Ak­
tien an einer Börse kotiert sind, von der Meldepflicht
ausgenommen65. Da der Gesetzestext von Aktien spricht,
die an «einer Börse» kotiert sind, und somit nicht die Kotierung in der Schweiz voraussetzt, wie dies im BEHG
der Fall ist («ganz oder teilweise in der Schweiz kotiert»,
Art. 20 Abs. 1 BEHG), gilt die Ausnahme auch dann,
wenn die Aktien an einer ausländischen Börse kotiert
sind. Sinngemäss dürfte die Ausnahme jedoch nur Geltung haben, wenn das anwendbare ausländische Börsenrecht auf ähnliche Weise Transparenz herstellt66. Ob der
betreffende ausländische Grenzwert etwas höher ist67 oder
die Meldepflicht etwas andere Fristen und Modalitäten
aufweist, kann nicht entscheidend sein.
Fraglich ist, ob die in Art. 697i Abs. 1 revOR vorgesehene Ausnahme auch dann Platz greift, wenn nicht die
Inhaberaktien, sondern nur eine andere Kategorie von Beteiligungsrechten (z.B. Namenaktien oder Partizipationsscheine) kotiert sind. In Anbetracht des Umstands, dass
die börsenrechtliche Offenlegungspflicht nach Art. 20
BEHG sich auch dann auf alle Beteiligungspapiere bezieht, wenn bloss eine Kategorie kotiert ist68, kann die
Ausnahme bejaht werden69. Kein Ausnahmetatbestand
liegt dagegen vor, wenn nur Anleihensobligationen, d.h.
keine Beteiligungspapiere i.S.v. Art. 2 lit. e BEHG kotiert
65
66
67
68
69
Dieser Umstand wird dadurch erklärt, dass die Transparenz bei
börsenkotierten Aktien durch die börsenrechtlichen Offenlegungspflichten (Art. 20 BEHG aber auch Art. 663c OR) gewährleistet sei
(vgl. Botschaft [FN 9], 616 und 658).
Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 10.
Der Grenzwert von 3 % gemäss Art. 20 BEHG ist international einer der tiefsten.
Botschaft des Bundesrats zum einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. Februar 1993, BBl 1993 I
1369 ff., 1410; BSK BEHG-Weber, N 52 zu Art. 20 BEHG.
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11.
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
AJP/PJA 6/2015
859
sind, was keine Meldepflicht gemäss Art. 20 BEHG nach
sich zieht.
Die börsenrechtlichen Meldepflichten und diejenigen gemäss Art. 697i und Art. 697j revOR sind nicht nur
aufgrund des börsenrechtlichen Schwellenwerts nicht
ganz synchron. Vielmehr stellt die börsenrechtliche
Meldepflicht auf die durch die Beteiligung vermittelten
Stimmrechte ab, während bei der GAFI-motivierten Meldepflicht zusätzlich zur Kontrolle die Vermögensrechte
im Vordergrund stehen. So unterliegt eine Beteiligung
an Partizipationsscheinen einer börsenkotierten Gesellschaft unabhängig von der Grösse dieser Beteiligung nie
einer Meldepflicht gemäss Art. 20 BEHG. Dennoch gilt
die Ausnahme von Art. 697i Abs. 1 und Art. 697j Abs. 1
­revOR auch für die Halter von Partizipationsscheinen einer börsenkotierten Gesellschaft.
2.
Meldung betreffend Inhaberaktionäre an
Finanzintermediär statt an Gesellschaft
a.
Gesetzestext
Art. 697k revOR
1
Die Generalversammlung kann vorsehen, dass die Meldungen
nach den Artikeln 697i und 697j, die Inhaberaktien betreffen,
nicht der Gesellschaft zu erstatten sind, sondern einem Finanzintermediär im Sinne des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997.
2 Der Verwaltungsrat bezeichnet den Finanzintermediär und
macht den Aktionären bekannt, wen er bezeichnet hat.
3
Der Finanzintermediär hat der Gesellschaft jederzeit darüber
Auskunft zu geben, für welche Inhaberaktien die vorgeschriebenen Meldungen erstattet und der Besitz nachgewiesen wurden.
b.
Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
(1) Übersicht
Damit Inhaberaktionäre und an Inhaberaktien wirtschaftlich Berechtigte gegenüber der Gesellschaft und ihren
Organen ihre Anonymität im Regelfall trotz Meldepflicht
wahren können70, erlaubt es das Gesetz, eine Meldung an
einen Finanzintermediär statt an die Gesellschaft vorzusehen. Bezüglich Namenaktien soll dieser Weg für die
Meldung des wirtschaftlich Berechtigten jedoch nicht offenstehen71.
70
71
Botschaft (FN 9), 660.
In der Botschaft ([FN 9], 660) wird die Beschränkung auf Inhaberaktien damit begründet, dass eine Anwendung auf Namenaktien Art. 685b Abs. 3 OR widersprechen würde, welcher die Gesellschaft ermächtigt, die Eintragung von Namenaktionären in das
Aktienbuch zu verweigern, wenn der Erwerber nicht ausdrücklich
erklärt, dass er diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
erwirbt. Diese Begründung übersieht jedoch, dass Art. 685b Abs. 3
OR nur zur Anwendung kommt, falls die Statuten überhaupt eine
(2) Kompetenz zur Einsetzung eines Finanz­
intermediärs
Gemäss Gesetzeswortlaut fällt es in die Kompetenz der
Generalversammlung zu entscheiden, ob die Meldungen
nach Art. 697i und Art. 697j revOR, welche Inhaberaktien betreffen, an einen Finanzintermediär im Sinne des
GwG72 (z.B. an eine Bank nach BankG, an einen Effektenhändler oder an einen berufsmässigen Verwahrer und
Verwalter von Effekten) anstatt an die Gesellschaft zu
erstatten sind. Dabei handelt es sich nicht um eine unentziehbare Kompetenz der Generalversammlung. Sie lässt
sich statutarisch auf den Verwaltungsrat übertragen73.
Die Bezeichnung eines konkreten Finanzinterme­diärs
als Meldestelle fällt aufgrund gesetzlicher Anordnung
(Art. 698k Abs. 2 revOR) ohnehin in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrats. Es ist anzunehmen, dass
namentlich die etablierten Aktienregisterdienstleister für
börsenkotierte Gesellschaften, sofern sie sich als Finanzintermediäre (z.B. i.S.v. Art. 2 Abs. 3 lit. g GwG) organisieren oder mit einem zusammenarbeiten, oder Anbieter
von Escrow-Diensten hier ein neues Geschäftsfeld vorfinden.
(3) Bekanntmachung des Finanzintermediärs
Gemäss Art. 697k Abs. 2 revOR muss der Verwaltungsrat den bezeichneten Finanzintermediär den Aktionären
bekanntmachen. Nach der Botschaft soll dies gemäss den
statutarischen Bestimmungen (vgl. Art. 626 Ziff. 7 OR)
erfolgen74. Unseres Erachtens ist dies nicht zwingend.
Vielmehr können die Aktionäre auch anderweitig informiert werden.
(4) Umfang der Preisgabe von Informationen
an die Gesellschaft
Gemäss Art. 697k Abs. 3 revOR hat der Finanzinterme­
diär der Gesellschaft «jederzeit darüber Auskunft zu geben, für welche Inhaberaktien die vorgeschriebenen Meldungen erstattet und der Besitz nachgewiesen wurden».
Der Umfang der Informationspflicht bestimme sich primär nach der Delegationsvereinbarung zwischen Finanz­
72
73
74
Vinkulierung vorsehen (Art. 685a Abs. 1 OR). Weiter wird argumentiert, dass die Ausdehnung auf Namenaktien zur Folge hätte,
dass sich die Informationen über den Aktionär und den wirtschaftlich Berechtigten nicht am selben Ort befänden. Kritisch auch
Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 15.
Vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 GwG sowie die Verordnung vom 18. November 2009 über die berufsmässige Ausübung der Finanzintermediation (SR 955.071).
Botschaft (FN 9), 660.
Botschaft (FN 9), 661.
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860
intermediär und Gesellschaft sowie nach den Gründen für
die Delegation, so die Botschaft75.
Es erscheint fraglich, ob die Delegationsvereinbarung
zwischen Gesellschaft und Finanzintermediär der Parteiautonomie vollumfänglich zugänglich ist. Durch das Bezeichnen eines Finanzintermediärs wird für potenzielle
Aktionäre nämlich der Eindruck erweckt, ihre Anonymität gegenüber der Gesellschaft bleibe gewahrt. Obwohl
tatsächlich auch andere Gründe76 als die Aufrechterhaltung der Anonymität (z.B. mangelnde Ressourcen der
Gesellschaft) die Gesellschaft veranlassen können, einen
Finanz­intermediär als Meldestelle einzusetzen, ist in der
Regel davon auszugehen, dass die Delegationsvereinbarung hinsichtlich des Umfangs der Informationspflicht
ohne Zustimmung der meldepflichtigen Aktionäre nicht
über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen (Art. 697k
Abs. 3 revOR) hinausgeht. Nur so kann der eigentliche
Zweck der Bestimmung, die «charakteristische Anonymität» der Inhaberaktionäre zu wahren und der «Unpersönlichkeit der aktienrechtlichen Mitgliedschaft» Rechnung
zu tragen77, erfüllt werden78. Dies jedenfalls dann, wenn
die Generalversammlung bestimmt, dass die Meldung an
einen Finanzintermediär erfolgen soll. Wird dieser Entscheid an den Verwaltungsrat delegiert79, könnte a ­maiore
ad minus auch eine weitergehende Auskunftspflicht vereinbart werden. Darüber müssten die Aktionäre aber
schon aus datenschutzrechtlichen Gründen einlässlich informiert werden.
bank Anteile eines Anlagefonds erwirbt, der seinerseits
in Gesellschaften investiert. In solchen Fällen wird den
geldwäschereirechtlichen Identifikationspflichten bereits
auf Ebene der Depotbank bzw. des Fondsmanagers oder
Fonds Genüge getan. Eine zusätzliche Meldung an die
Gesellschaft scheint im Lichte des Zwecks der Regelungen weder erforderlich noch zielführend oder verhältnismässig. Ganz generell ist u.E. jemand, der beispielsweise
alle (auch private) Beteiligungen über ein Depot bei einer
Bank oder einem anderen Finanzintermediär (beispielsweise ein Nominee oder ein Aktienregister) hält, von den
Meldepflichten gemäss Art. 697i und 697j revOR befreit.
3.
2.
Regelung, Unklarheiten und Lösungsansätze
a.
Übersicht
Teleologische Ausweitung der Ausnahmetatbestände
Im Lichte der Ausnahmen für Aktien börsenkotierter Gesellschaften und der Meldung an einen Finanzintermediär
sind in teleologisch motivierter Analogie bzw. Reduktion
weitere Ausnahmen anzunehmen. Bereits erwähnt wurde die Ausdehnung der Ausnahme bei börsenkotierten
Gesellschaften auf deren Tochtergesellschaften und folgerichtig auf 100 %-Tochtergesellschaften von Konzernmuttergesellschaften im Allgemeinen (auf welcher Stufe
entweder börsenrechtliche oder aktienrechtliche Meldungen zu erstatten sind)80.
Ebenfalls bereits angeführt wurde die Situation, dass
über einen Finanzintermediär investiert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn jemand über seine Depot-
D. Sanktionen bei Nichteinhaltung
der Meldepflichten
1.
Art. 697m Abs. 1–3 revOR81
1
Solange der Aktionär seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist, ruhen die Mitgliedschaftsrechte, die mit den Aktien verbunden sind, deren Erwerb gemeldet werden muss.
2
Die Vermögensrechte, die mit solchen Aktien verbunden sind,
kann der Aktionär erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist.
3
Kommt der Aktionär seinen Meldepflichten nicht innert eines
Monats nach dem Erwerb der Aktien nach, so sind die Vermögensrechte verwirkt. Holt er die Meldung zu einem späteren
Zeitpunkt nach, so kann er die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen.
Kommt ein Aktionär der «einfachen» (Art. 697i revOR)
oder der «qualifizierten» (Art. 697j revOR) Meldepflicht
nicht nach, drohen ihm Sanktionen. Die Botschaft82 zitiert
die GAFI-Empfehlungen83, wonach «effiziente, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen» vorgesehen
werden müssten. Das Gesetz sieht Rechtsfolgen für die
«Mitgliedschaftsrechte» sowie für die «Vermögensrechte» vor. Die ursprünglich vorgesehenen strafrechtlichen
Sanktionen wurden im Zuge der parlamentarischen Beratungen fallengelassen84.
81
75
76
77
78
79
80
Botschaft (FN 9), 661.
Vgl. Botschaft (FN 9), 661.
Botschaft (FN 9), 660.
Vgl. auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 14.
Siehe vorne III.C.2.b)(2).
Siehe vorne III.B.2.c)(1).
Gesetzestext
82
83
84
Art. 697m Abs. 4 revOR wird hinten (siehe IV.C) behandelt, da es
dort um Pflichten des Verwaltungsrates geht.
Botschaft (FN 9), 662.
GAFI-Empfehlungen 2012 (FN 11), 87 (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 18): «There should be […] effective, proportionate and dissuasive sanctions, as appropriate for any legal or natural
person that fails to comply with the requirements».
Siehe dazu vorne FN 6.
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
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861
b.
Ruhen der Mitgliedschaftsrechte
Gemäss Art. 697m Abs. 1 revOR «ruhen die Mitgliedschaftsrechte, die mit den Aktien verbunden sind, deren
Erwerb gemeldet werden muss». Das Gesetz definiert
nicht, was unter «Mitgliedschaftsrechten» zu verstehen ist. Die Botschaft hält fest, dass damit «primär das
Stimmrecht»85 gemeint sei und scheint sie von den Vermögensrechten abzugrenzen. In der Lehre ist die diesbezügliche Terminologie uneinheitlich86.
Das Gesetz subsumiert seinerseits die Art. 689–697g
OR unter die Marginalie «persönliche Mitgliedschaftsrechte», mithin das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung (Art. 689 ff. OR), das Stimmrecht in der
Generalversammlung (Art. 692 ff. OR), die Kontrollrechte, d.h. das Recht auf Bekanntgabe des Geschäftsberichts
(Art. 696 OR) und die Auskunfts- und Einsichtsrechte (Art. 697 OR) sowie das Recht auf Einleitung einer
Sonderprüfung (Art. 697a ff. OR). Somit ist anzunehmen, dass mit dem Begriff «Mitgliedschaftsrechte» in
Art. 697m Abs. 1 revOR die Art. 689–697g OR gemeint
sind.
Die Frage, ob ein Aktionär, der weniger als ein Monat
vor der Generalversammlung der betreffenden Aktiengesellschaft Inhaberaktien erwirbt, auch ohne vorgängige
Meldung an der Generalversammlung teilnehmen kann,
muss unseres Erachtens bejaht werden87. Dem Erwerber
wird für die einfache88 wie für die qualifizierte89 Meldepflicht gesetzlich eine Monatsfrist eingeräumt, welche
er ausreizen darf. Solange die Monatsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann daher (noch) nicht davon gesprochen
werden, der Aktionär sei seinen Meldepflichten «nicht
nachgekommen» (vgl. Art. 697m Abs. 1 revOR sowie die
Marginalie «Nichteinhaltung der Meldepflichten» bzw.
französisch «non-respect des obligations d’annoncer»).
Dieses Verständnis drängt sich überdies angesichts der
Regelung der Vermögensrechte auf, welche die Verwirkung für den Fall, dass die Meldepflicht verpasst wird,
ausdrücklich anordnet. Wenn es die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, die Mitwirkungsrechte gar bereits
während der Monatsfrist und unabhängig von einer recht-
zeitigen Meldung verwirken zu lassen, wäre eine ausdrückliche Regelung erst recht erforderlich gewesen90.
Eine allfällige Missbrauchsgefahr91 mag eine gesetzliche Grundlage für eine weitergehende Einschränkung
nicht zu ersetzen. Zudem scheint unter dem Gesichtspunkt der Geldwäschereibekämpfung das Ausüben der
Mitgliedschaftsrechte wesentlich weniger problematisch
als dasjenige der Vermögensrechte. Schliesslich muss
sich ein Generalversammlungsteilnehmer in der Regel
ohnehin persönlich offenbaren.
c.
Gemäss Art. 697m Abs. 2 revOR kann der Aktionär «die
Vermögensrechte, die mit solchen Aktien verbunden
sind, […] erst geltend machen, wenn er seinen Meldepflichten nachgekommen ist». Das Gesetz lässt offen,
was unter den Begriff «Vermögensrechte» zu subsumieren ist. Die Botschaft sieht darin «primär das Recht auf
Dividendenausschüttung»92. In der Lehre93 mehrheitlich zu den Vermögensrechten gezählt werden (neben
dem Recht auf Dividende) das Recht auf einen Liquida­
tionserlös (Art. 660 Abs. 1 OR), das Recht auf Bauzinsen
(Art. 676 OR) sowie das Recht auf Benutzung der gesellschaftlichen Anlagen.
Demgegenüber kommt dem Bezugs- und dem Vorwegzeichnungsrecht sowohl eine mitgliedschaftsrechtliche als auch eine vermögensrechtliche Komponente zu94.
Dem gesetzgeberischen Ziel, «effiziente, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen»95 vorzusehen, scheint
es nicht abträglich, das Bezugs- und das Vorwegzeichnungsrecht vom Begriff auszuklammern. Zum einen ist
90
91
92
93
85
86
87
88
89
Botschaft (FN 9), 662.
Vgl. etwa von der Crone (FN 45), § 8 N 12 ff.; Arthur MeierHayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht,
11. A., Bern 2012, § 16 N 167 ff.; Böckli (FN 48), § 1 N 123 ff.,
§ 2 N 272; § 6 N 135 und § 12 N 134 ff.; Forstmoser/MeierHayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 2 ff.; BSK OR II-Schaad, N 2 ff.
zu Art. 689 OR; für eine Übersicht vgl. auch Glanzmann/­Spoerlé
(FN 4), 16 m.w.H.
A.M. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17.
Vgl. Art. 697i Abs. 1 revOR.
Vgl. Art. 697j Abs. 1 revOR.
Verwirken der Vermögensrechte
94
95
Konkret hätte der Gesetzgeber zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte auf den Zeitpunkt der Meldung abstellen müssen. Vgl. dazu
auch Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die davon auszugehen
scheinen, dass das Gesetz so zu interpretieren sei, was aber abzulehnen ist.
Siehe Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die befürchten, dass etwa
Aktien kurz vor der Generalversammlung erworben werden, um
Stimmrechte und Dividendenansprüche geltend zu machen und danach wieder rückübertragen werden.
Botschaft (FN 9), 662.
Statt vieler: von der Crone (FN 45), § 8 N 12; Meier-Hayoz/
Forstmoser (FN 86), § 16 N 168 ff.; Forstmoser/MeierHayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 13 ff.
Bezeichnung als Vermögensrecht: von der Crone (FN 45), § 8
N 12; BSK OR II-Schaad, N 4 zu Art. 689 OR (bzgl. Bezugsrecht); Bezeichnung als «Rechte auf Beibehaltung der Bezugsquote»: Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 86), § 16 N 152 und
227 ff.; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 45), § 40 N 13
und 215 ff.; Bezeichnung als Mischung aus Mitgliedschafts- und
Vermögensrecht: Böckli (FN 48), § 2 N 272; BSK OR II-Zindel/
Isler, N 3 zu Art. 652b OR.
Botschaft (FN 9), 662, m.H. auf GAFI-Empfehlungen 2012
(FN 11), 87 (Interpretativnote zu Empfehlung 24, Ziff. 18).
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
AJP/PJA 6/2015
862
der potenzielle Verlust des Rechts auf Dividende und der
weiteren Vermögensrechte schon ausreichend abschreckend. Zum anderen geht das Gesetz davon aus, dass nach
erfolgter, wenn auch verspäteter Meldung die Vermögensrechte fortan geltend gemacht werden können. Könnte ein
Aktionär sein Bezugsrecht nicht geltend machen, wären
künftige Dividendenansprüche auf diesen Aktien für immer verwirkt, weshalb eine Verwirkung des Bezugsrechts
an sich unverhältnismässig wäre. Zudem könnte eine solche Sanktion, etwa wenn jemand vergessen hat oder (etwa
in einem Familienunternehmen) nicht weiss, dass er Meldung erstatten müsste, als Instrument zur Verwässerung
von Aktionären ohne Sachkunde missbraucht werden.
Anders als bei den Mitgliedschaftsrechten96 ergibt
sich aus dem Wortlaut von Art. 697m Abs. 2 revOR ausdrücklich, dass der Aktionär die mit den Aktien verbundenen Vermögensrechte bei rechtzeitiger Meldung nicht
verwirkt, aber erst ausüben kann, nachdem er Meldung
erstattet hat97. Wird beispielsweise eine Dividende kurz
nach einem Aktienerwerb und vor Meldung an die Gesellschaft fällig, so kann deren Bezahlung (erst aber immerhin) gefordert werden, wenn die Meldung innerhalb eines
Monats erfolgt ist.
Abs. 3 des nämlichen Artikels sieht sodann vor, dass
die Vermögensrechte nach Ablauf der Monatsfrist verwirken. Der Aktionär kann bei nachträglicher Meldung nur
die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte
geltend machen.
Das Sanktionsregime ist angesichts seiner sehr einschneidenden, pönalen Natur98 restriktiv anzuwenden,
unter Berücksichtigung von Verhältnismässigkeit und
Treu und Glauben. Namentlich die Verwirkungsfolge ist
einer vollumfänglichen Einziehung geldwerter Vorteile
gleichzusetzen, obschon eine Fristverletzung nicht einmal
den Verdacht einer Geldwäschereihandlung impliziert.
Verpasst es beispielsweise ein gesetzlicher Vertreter von
Kindern und anderen Schutzbefohlenen, die Meldung
(rechtzeitig) zu erstatten, so tritt unseres Erachtens keinerlei Verwirkung ein. Auch muss «substance over form»
gelten: Sind Gesellschaft und Aktionäre in einem Ak­
tionärbindungsvertrag verbunden, woraus alle Aktionäre
und ihre Beteiligung ersichtlich sind, so kann die Zahlung einer Dividende nicht verweigert werden, wenn es
ein Aktio­när verpasst, eine förmliche Meldung zu ma-
96
97
98
Siehe vorne III.D.2.b.
Vgl. Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 17, die aufgrund der Gesetzessystematik zum gleichen Resultat kommen.
In der Botschaft anerkennt der Bundesrat, dass es sich bei der Verwirkung der Vermögensrechte um eine «erhebliche Verstärkung der
Meldepflicht» handelt (Botschaft [FN 9], 663).
chen. Auch bei den gesetzlichen Erben kann die Identität grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden und
die Berufung der Gesellschaft auf die Verwirkung wäre
als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen. Ebenso werden
fehlende oder fehlerhafte Belege keine Verwirkung auslösen, sofern die Meldung von Name und Adresse gemäss
Art. 697i Abs. 1 und Art. 697j Abs. 1 revOR rechtzeitig
erfolgt ist und die Belege nachgereicht werden. Schliesslich ist als allgemeiner, dem verfassungsrechtlichen
Verhältnismässigkeitsgrundsatz und Treu und Glauben
entspringender Rechtsgrundsatz in Ermangelung einer
anderweitigen Anordnung davon auszugehen, dass nur
die verschuldete Säumnis eine Sanktion auslösen kann.
Ist das Verschulden gering, ist eine Sanktion in analoger
Anwendung von Art. 43 Abs. 1 bzw. Art. 163 Abs. 3 OR
herabzusetzen. Bei sehr geringfügigen Fällen (z.B. Absenden der Meldung innert Frist, Eingang bei der Gesellschaft nach Fristablauf) ist von Sanktionen abzusehen.
Unseres Erachtens tritt die Verwirkungsfolge daher
nicht von Gesetzes wegen ein, sondern ist von der Gesellschaft anzuordnen. Ein Automatismus könnte den
Umständen nicht Rechnung tragen und würde zu grosser
Rechtsunsicherheit führen.
E.
Exkurs: Meldepflichten bei Mergers
& Acquisitions
Ausser beim sog. «Asset Deal» gehen Unternehmenskäufe und -verkäufe gewöhnlich mit Veräusserung und Erwerb von Gesellschaftsanteilen einher, sei es im Rahmen
eines sog. «Share Deal», sei es bei einer Fusion gemäss
Fusionsgesetz. Während die Meldepflichten den Erwerbsvorgang technisch nicht berühren, ist für die Wahrnehmung der Stimmrechte (und damit der Kontrolle) sowie
die Geltendmachung und Nichtverwirkung der Vermögensrechte die Meldung an die Gesellschaft zwingend
erforderlich. Da praktisch alle M&A-Transaktionen den
Erwerb von mehr als 25 % mit sich bringen, ist dies bei
sämtlichen Erwerbsvorgängen, die Aktiengesellschaften
oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung betreffen,
zu beachten. Ohne Meldung von Aktionär bzw. wirtschaftlich Berechtigtem kann nur das nudum ius erworben
werden. Würde man die Meldepflicht – entgegen unserer
Auffassung99 – zudem auf jedes einzelne Unternehmen
einer Unternehmensgruppe beziehen, wären Kontrollerwerb und Erwerb der Vermögensrechte gar erst mit der
Meldung an die erworbene Muttergesellschaft und je einzeln an jede ihrer Tochtergesellschaften perfekt.
99
Siehe vorne III.B.2.c.(1).
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
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863
Wird eine börsenkotierte Gesellschaft durch öffentliche Übernahme erworben, gilt – solange die Zielgesellschaft börsenkotiert bleibt – die Ausnahme von Art. 697i
Abs. 1 bzw. Art. 697j Abs. 1 revOR. Erst bei Vollzug des
Squeeze-out und damit einhergehender Dekotierung muss
die aktienrechtliche Meldepflicht erstmals wahrgenommen werden.
Wird eine Gesellschaft erworben, indem sie in die
übernehmende Gesellschaft oder eine ihrer Tochtergesellschaften hinein fusioniert wird («Forward Merger»),
ist keine Meldung nötig. Wird die übernehmende Gesellschaft oder eine ihrer Tochtergesellschaften dagegen in
die Zielgesellschaft hinein fusioniert («Reverse Merger»),
wird eine Meldung unabhängig davon, ob die Zielgesellschaft börsenkotiert ist oder nicht, stets erforderlich sein.
Es wird sich kaum ein Erwerber auf die Monatsfrist
für die Meldung und die Unwägbarkeiten der Rechtsfolgen100 verlassen wollen. Deshalb dürfte es fortan zu einem
neuen Standardelement der sog. «Closing Actions» werden, dass der Erwerber bei Vollzug der Zielgesellschaft
eine Meldung des wirtschaftlich Berechtigten (und bei
Inhaberaktien/-partizipationsscheinen des Erwerbers im
technischen Sinn) erstattet und im Gegenzug einen Auszug des Verzeichnisses der Zielgesellschaft verlangt.
IV. Pflichten der Aktiengesellschaften
bzw. der Verwaltungsräte
Durch das GAFI-Gesetz werden nicht nur den Erwerbern
von Inhaber- und Namenaktien Meldepflichten auferlegt. Vielmehr treffen auch die Aktiengesellschaften bzw.
die Verwaltungsräte neue Pflichten, welche zum Teil in
rezipro­ker Beziehung zu den neuen Meldepflichten der
Aktionäre stehen. In der Übersicht:
A. Aktienbuch101
– Das Aktienbuch muss so geführt werden, dass in der
Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann
(Art. 686 Abs. 1 revOR); das schliesst eine elektronische Führung des Aktienbuches im Ausland nicht aus,
solange sichergestellt ist, dass sich Schweizer Behörden jederzeit darauf Zugriff verschaffen können102.
– Die Belege, die einer Eintragung ins Aktienbuch zugrunde liegen, müssen während zehn Jahren nach
der Streichung des Eigentümers oder Nutzniessers
aus dem Aktienbuch aufbewahrt werden (Art. 686
Abs. 5 revOR); eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit
der Schweizer Behörden auf die Belege ist gesetzlich
nicht gefordert und muss daher auch nicht sichergestellt werden103. Im Übrigen können die Belege auch
digitalisiert werden104.
– Das Aktienbuch muss (wie heute schon die Geschäftsbücher) während zehn Jahren nach der Löschung der
Gesellschaft an einem sicheren Ort aufbewahrt werden – und zwar so, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 747 revOR).
B.
– Die Gesellschaft muss ein Verzeichnis über die Inhaberaktionäre (Art. 697i revOR) und über die (gemäss
Art. 697j revOR) gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen führen (Art. 697l Abs. 1 revOR). Die
Pflicht zur Führung des Verzeichnisses entfällt, wenn
ein Finanzintermediär als Meldestelle bezeichnet wurde (Art. 697l Abs. 4 revOR).
– Das Verzeichnis muss den Vor- und Nachnamen bzw.
die Firma sowie die Adresse der Inhaberaktionäre und
der wirtschaftlich berechtigten Personen enthalten.
Für die Inhaberaktionäre ist zusätzlich die Erfassung
der Staatsangehörigkeit und des Geburtsdatums vorgeschrieben (Art. 697l Abs. 2 revOR). Sodann scheint
es sachgerecht, bei der einfachen Meldung (Art. 697i
OR) zusätzlich die Zahl der gehaltenen Aktien in das
Verzeichnis aufzunehmen106.
– Die Belege, welche einer Meldung gem. den Art. 697i
und 697j revOR zugrunde liegen, müssen während
zehn Jahren nach der Streichung der Person aus dem
Verzeichnis aufbewahrt werden (Art. 697l Abs. 3
revOR). Eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit der
Schweizer Behörden auf die Belege wird gesetzlich
nicht gefordert107.
103
104
100
101
102
Siehe die Diskussion vorne III.D.
Für die Führung das Aktienbuches ist der Verwaltungsrat zuständig, was ihn allerdings nicht daran hindert, diese zu delegieren (vgl.
Böckli [FN 48], § 13 N 161 m.w.H).
Erläuternder Bericht des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen zur Vernehmlassungsvorlage betr. Umsetzung der
2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière
vom 27. Februar 2013 (zitiert: Erläuternder Bericht, abrufbar unter
Verzeichnis105
105
106
107
<https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2309/GAFI-2012_
Erl-Bericht_de.pdf>, zuletzt besucht am 11.5.2015), 39.
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 16.
Botschaft (FN 9), 657.
Die Führung des Verzeichnisses obliegt (analog zum Aktienbuch)
dem Verwaltungsrat, der die Aufgabe aber delegieren kann (für
das Aktienbuch: vgl. Böckli [FN 48], § 13 N 161 m.w.H). Die
drei curae (cura in eligendo, instruendo vel custodiendo) bleiben
aber stets beim Verwaltungsrat (vgl. Böckli [FN 48], § 13 N 161
m.w.H).
Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 11 und 15.
Ebenso: Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 16.
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
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864
– Das Verzeichnis muss so geführt werden, dass in der
Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann
(Art. 697l Abs. 5 revOR); auch hier ist eine elektronische Führung auf einem ausländischen Server oder
vom Ausland aus nicht ausgeschlossen, solange sichergestellt ist, dass sich Schweizer Behörden (nötigenfalls auf dem Rechtshilfeweg) Zugriff verschaffen
können108.
– Das Verzeichnis sowie die diesem zugrunde liegenden
Belege müssen (wie die Geschäftsbücher) während
zehn Jahren nach der Löschung der Gesellschaft an
einem sicheren Ort aufbewahrt werden – und zwar so,
dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 747 revOR).
C. Verhindern einer Rechtsausübung bei
Verletzung der Meldepflichten
Der Verwaltungsrat muss sicherstellen, dass keine Aktionäre unter Verletzung der Meldepflichten (Art. 697i und
Art. 697j revOR) ihre Rechte ausüben (Art. 697m Abs. 4
revOR).
Der Verwaltungsrat hat gemäss Botschaft109 namentlich dafür zu sorgen, dass keine Unberechtigten an der
Generalversammlung teilnehmen – als Massnahmen
werden je nach zahlenmässigem Umfang des Aktiona­
riats eine Legitimationsprüfung vor Ort oder aber vorgängige Massnahmen empfohlen. Allenfalls ist dazu eine
Zusammenarbeit mit dem als Meldestelle eingesetzten
Finanzintermediär anzustreben. Den unter Mitwirkung
von unberechtigten Aktionären zustande gekommenen
Beschlüssen der Generalversammlung droht die Anfechtbarkeit nach Art. 691 Abs. 3 OR110.
Im Weiteren hat der Verwaltungsrat auch dafür zu sorgen, dass die ihrer Meldepflicht nicht nachkommenden
Aktionäre keine Vermögensrechte geltend machen können – insbesondere, dass sie nicht in den Genuss von Dividendenausschüttungen kommen. Auch hier drängt sich
allenfalls die Zusammenarbeit mit dem Finanzintermediär auf. Verletzt der Verwaltungsrat seine Pflichten, so setzt
er sich unter Umständen aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 ff. OR aus111.
Die Verwaltungsratspflichten dürfen in diesem Zusammenhang indessen nicht überdehnt werden. Von einer Garantenstellung bezüglich pflichtgemässen Verhaltens der Aktionäre ist abzusehen. Namentlich kann aus
Art. 697m Abs. 4 revOR keine Nachforschungspflicht
bezüglich wirtschaftlich Berechtigter, korrekter Namen
und Adressen oder sonstwie abgeleitet werden. Vielmehr
kann die Pflicht nur Geltung haben, falls der Verwaltungsrat positiv weiss, dass ein Aktionär seine Pflicht verletzt
hat. Schliesslich ergibt sich aus dem Wortlaut («stellt sicher»), dass der Verwaltungsrat die betreffenden Funk­
tionen nicht selber wahrnehmen muss. Er kann die Überwachung der Einhaltung der Regelungen durch Beschluss
oder im Organisationsreglement delegieren.
D. Vertretung der Gesellschaft und
Zugang zu Aktienbuch und Verzeichnis
Die Gesellschaft muss (wie bisher) durch eine Person vertreten werden können, welche in der Schweiz wohnt. Neu
muss diese jedoch mindestens Verwaltungsrat oder «Direktor» sein. Zusätzlich muss diese Person Zugang zum
Aktienbuch und zum Verzeichnis nach Art. 697l revOR
haben, soweit nicht ein Finanzintermediär als Meldestelle
bezeichnet wurde (Art. 718 Abs. 4 revOR).
V. Weitere Änderungen
A. Umwandlung von Inhaberin Namenaktien
Die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien soll erleichtert werden112. Aus diesem Grund sieht Art. 704a
revOR neu vor, dass der Beschluss der Generalversammlung über die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien
mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden kann und dass die Statuten die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien nicht erschweren dürfen. Mit dem
relativen Mehr führt diese Bestimmung ein Novum ein,
gilt nach dispositiver (und allgemein verbreiteter) Regelung doch das absolute Mehr der vertretenen Stimmen113.
Sodann wird durch das GAFI-Gesetz Art. 627 Ziff. 7
OR aufgehoben, womit es neu nicht mehr erforderlich
sein wird, dass die Statuten die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien vorsehen.
112
113
108
109
110
111
Erläuternder Bericht (FN 102), 39 und 43.
Botschaft (FN 9), 663.
Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 18.
Glanzmann/Spoerlé (FN 4), 18.
Botschaft (FN 9), 663.
Art. 703 OR. Demnach wirken sich Enthaltungen wie Nein-Stimmen
aus. Vgl. aber den Vorschlag zur Einführung des relativen Mehrs,
z.B. in VE‑Art. 703 Abs. 2 und 3 des Vorentwurfs vom 28. November 2014 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktien­recht), abrufbar unter <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2499/
OR-Aktienrechte_Entwurf_de.pdf>, zuletzt besucht am 17.5.2015.
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
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865
B.
Übersicht über die Änderungen betreffend GmbH und Genossenschaften
1.
GmbH
Das GAFI-Gesetz führt eine Meldepflicht für denjenigen
ein, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Stammanteile erwirbt und dadurch den Grenzwert von
25 Prozent des Stammkapitals oder der Stimmen erreicht
oder überschreitet (Art. 790a Abs. 1 revOR). Es handelt
sich um eine der qualifizierten Meldepflicht114 des Ak­
tienrechts nachgebildete Pflicht. In Bezug auf die sich
stellenden Fragen und Probleme, auch hinsichtlich der
Führung und Aufbewahrung des Anteilbuches, kann –
mutatis mutandis – auf die Ausführungen zu den entsprechenden Pflichten des Aktionärs115 bzw. der Aktiengesellschaften und Verwaltungsräte116 verwiesen werden, zumal
das GAFI-Gesetz die Bestimmungen des Aktienrechts
betreffend das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen (Art. 697l revOR) und die Folgen der
Nichteinhaltung der Meldepflichten (Art. 697m revOR)
als auf das GmbH-Recht sinngemäss anwendbar erklärt
(Art. 790a Abs. 3 revOR)117.
2.
Genossenschaft
Neu muss jede Genossenschaft – unabhängig davon,
ob deren Statuten eine persönliche Haftung oder Nachschusspflicht vorsehen, oder nicht – ein Genossenschafterverzeichnis führen (Art. 837 Abs. 1 revOR). Umgekehrt
muss das Verzeichnis nicht mehr dem Handelsregisteramt
eingereicht werden und wird nicht mehr offengelegt.
Dieses Verzeichnis, das den Vor- und Nachnamen
bzw. die Firma sowie die Adresse der Genossenschafter
beinhalten muss, ist so zu führen, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (Art. 837 Abs. 1
revOR)118. Und auch bei der Genossenschaft sind die
Belege, die einer Eintragung im Genossenschafterverzeichnis zugrunde liegen, während zehn Jahren nach der
Streichung des Genossenschafters aus dem Verzeichnis
aufzubewahren (Art. 837 Abs. 2 revOR). Auch wenn das
GAFI-Gesetz für Genossenschafter keine ausdrückliche
Meldepflicht vorsieht, ist davon auszugehen, dass die
Genossenschafter verpflichtet sind, der Genossenschaft
114
115
116
117
118
Siehe vorne III.B.
Siehe vorne III.
Siehe vorne IV.
Siehe aber hinsichtlich der abweichenden Übergangsbestimmung
hinten V.C.
Siehe aber die Ausführungen zur entsprechenden Pflicht der
Aktien­gesellschaft (vorne IV.A).
gegenüber ihre Identität kundzutun (vgl. auch Art. 840
Abs. 1 OR).
Analog zu den entsprechenden Regelungen im Aktienund GmbH-Recht ist sodann auch für die Genossenschaft
(wie bisher) vorgesehen, dass die Gesellschaft durch ein
Mitglied der Verwaltung, einen Geschäftsführer oder einen «Direktor» mit Wohnsitz in der Schweiz vertreten
werden können muss. Zusätzlich muss diese Person nun
auch Zugang zum Genossenschafterverzeichnis nach
Art. 837 revOR haben (Art. 898 Abs. 2 revOR).
C. Übergangsbestimmungen und
Nachmeldepflicht
Das GAFI-Gesetz enthält «Übergangsbestimmungen der
Änderung vom 12. Dezember 2014» («ÜBest»).
In Art. 1 Abs. 2 ÜBest wird festgehalten, dass die
durch das GAFI-Gesetz ins OR eingefügten Neuerungen
mit deren Inkrafttreten auf bestehende Gesellschaften anwendbar werden – mithin per 1. Juli 2015.
Die Gesellschaften, welche per 1. Juli 2015 im Handelsregister eingetragen sind, aber den neuen Vorschriften nicht entsprechen, haben eine Übergangsfrist von
zwei Jahren, um ihre Statuten und Reglemente den neuen
Bestimmungen anzupassen (Art. 2 ÜBest). Das wird primär die Aufhebung von Statutenbestimmungen betreffen,
welche die Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien
erschweren,119 oder Regelungen, welche die Einsetzung
eines Finanzintermediärs als Meldestelle betreffen (vor allem Delegation des Entscheids an den Verwaltungsrat)120.
Ferner ist zu empfehlen, die Zuständigkeiten und Abläufe im Zusammenhang mit den neuen Meldepflichten und
Sanktionen bzw. die Delegation der betreffenden Verantwortlichkeiten im Organisationsreglement zu verankern.
In den Übergangsbestimmungen findet sich in Bezug
auf die Meldepflicht der Aktionäre eine eigenständige
nachträgliche Meldepflicht – allerdings nur für Inhaberaktionäre, welche per 1. Juli 2015 bereits Inhaberaktien
halten (Art. 3 Abs. 1 ÜBest). Diese müssen sowohl der
einfachen121 als auch der qualifizierten122 Meldepflicht
nachkommen. Dafür haben sie ab dem 1. Juli 2015 sechs
Monate Zeit (d.h. bis 31. Dezember 2015), ehe die mit den
zu meldenden Aktien verbundenen Vermögensrechte verwirken123. E contrario sind bestehende Namenaktionäre
keiner Meldepflicht unterworfen. Diese Übergangsrege-
119
120
121
122
123
Siehe vorne V.A.
Siehe vorne III.C.
Siehe vorne III.A.
Siehe vorne III.B.
Siehe vorne III.D.2.c).
Dieter Gericke/Daniel Kuhn
AJP/PJA 6/2015
866
lung führt somit zur Ungleichbehandlung von Inhaberund Namenaktionären, was gewollt ist124. Die sehr kurz
bemesse Frist zur nachträglichen Meldung dürfte indes
viele Gesellschaften und Inhaberaktionäre überfordern.
Ferner ist auch für die Meldung von an Stammanteilen
einer GmbH wirtschaftlich berechtigten Personen keine
Übergangsregelung getroffen worden, weshalb diesbezüglich keine rückwirkende Meldepflicht besteht125.
VI. Würdigung
Im Vorentwurf zur Aktienrechtsrevision aus dem Jahre
2005126 wurde vorgesehen, die Inhaberaktie abzuschaffen,
um der schon in den damals geltenden GAFI-Empfehlungen enthaltenen Forderung nach mehr Transparenz nachzukommen127. Aufgrund des grossen Widerstandes in der
Vernehmlassung wurde diese Idee aber fallengelassen128.
Mit der hier besprochenen Gesetzesnovelle dürfte
die Inhaberaktie aufgrund der einschneidenden Pflichten
und erheblichen Sanktionsrisiken jetzt aber doch faktisch abgeschafft werden. Der Anspruch auf Ausübung
der Mitgliedschafts- und Vermögensrechte hängt zusätzlich zur Papiervorweisung suspensiv bedingt davon ab,
dass die geforderten Meldungen (m.a.W. die Preisgabe
der Identität des Aktionärs sowie allfälliger wirtschaftlicher Berechtigter) an die Gesellschaft (oder alternativ
124
125
126
127
128
Botschaft (FN 9), 667: Da von Inhaberaktien eine erhöhte Geldwäschereigefahr ausgehe.
Ebenso: Kunz (FN 4), Rz. 43.
Art. 622 Abs. 1 des Vorentwurfs zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts im Obligationenrecht vom 2. Dezember 2005,
abrufbar unter <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/1275/
Vorlage_d.pdf>, zuletzt besucht am 11.5.2015.
Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Obligationenrechts
(Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im
Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbHRecht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht)
vom 21. Dezember 2007, BBl 2008 1589 ff. (zitiert: Botschaft Aktienrecht 2007), 1618.
Botschaft Aktienrecht 2007 (FN 127), 1618; siehe auch Böckli
(FN 48), § 4 N 2a und 97b. Das Gesetzgebungsprojekt wurde in der
Sommersession 2013 von den eidgenössischen Räten schliesslich
an den Bundesrat zurückgewiesen, um es unter Berücksichtigung
der neuen verfassungsmässigen Vorgaben (Annahme der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» am 3. März 2013) zu überarbeiten
(vgl. AB NR 2013 884 ff., 887 und AB SR 2013 568 ff., 570). Inzwischen hat der Bundesrat die Aktienrechtsrevision wieder aufgenommen und einen Vorentwurf in die Vernehmlassung geschickt,
welche bis zum 15. März 2015 dauerte (vgl. Medienmitteilung
des Bundesrates vom 28. November 2014 zur Modernisierung des
Aktienrechts, abrufbar unter <https://www.admin.ch/gov/de/start/
dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-55451.html>, zuletzt
besucht am 11.5.2015).
an einen beauftragten Finanzintermediär) erstattet werden. Erfolgen diese nicht rechtzeitig, verwirken die Vermögensrechte grundsätzlich unwiderruflich, was der aus
dem Straf- und Verwaltungsrecht bekannten Einziehung
gleichkommt129.
Aus rechtssystematischer und rechtsstaatlicher Warte
ist die Verankerung einer Meldepflicht zu Gunsten des
Staates als pseudoprivatrechtliche Pflicht problematisch.
Dies zeigt sich besonders an den Sanktionen. Statt dass
eine Behörde eine anfechtbare Verfügung erlassen würde,
müsste etwa ein Aktionär einen Generalversammlungsbeschluss anfechten, wenn er meint, sein Stimmrecht sei zu
Unrecht suspendiert worden. Die Gesellschaft würde diesen Prozess dann ohne Eigeninitiative quasi als Vertreter
staatlicher Interessen führen müssen.
Ganz grundsätzlich sind die gesetzlichen Fristen und
Sanktionen zudem von übertriebener Härte, weisen doch
nicht alle Aktionäre von Kleinunternehmen die nötigen
Kenntnisse und organisatorischen Möglichkeiten auf, um
diesem engen regulatorischen Rahmen Genüge zu tun.
Offenbar scheint der Gesetzgeber jede Fristverletzung
mit Geldwäscherei oder Steuerbetrug gleichzusetzen, was
allein den definitiven «Einzug» der vermögensmässigen
Vorteile rechtfertigen würde. Eine von der Gesellschaft zu
bestimmende und verhängende Sanktion, verbunden mit
einer subsidiären Ordnungsbusse, allenfalls in Abstufung
nach Wert der nicht gemeldeten Aktien, wäre angemessener.
Nicht nur was das Sanktionsregime und die praxisfremd kurze Einführungsfrist anbelangt, sondern ganz
allgemein wird die Gesetzesnovelle den sich in der Praxis
zu erwartenden Schwierigkeiten nicht gerecht. So mutet
sie über weite Strecken als zugleich undifferenziert und
detailversessen an. Stellenweise wähnt man sich bei der
Lektüre in Sachen Detaillierungsgrad eher in einer Ausführungsverordnung als im Obligationenrecht130.
Des Weiteren ist anzunehmen, dass sich grosse Teil
der Regelung als «Swiss Finish» herausstellen. Das
Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung hat in
129
130
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erstreckt sich die verfassungsmässige Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) nicht nur auf das
Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, sondern u.a.
auch auf beschränkte dingliche Rechte und obligatorische Rechte
(St. Galler Kommentar BV-Vallender/Hettich, N 15 zu Art. 26
BV).
So vermag es doch zu irritieren, dass es der Gesetzgeber nötig
befunden hat festzulegen, dass sich ein Aktionär (etwa in einer
Familiengesellschaft) stets «durch einen amtlichen Ausweis mit
Fotografie, namentlich durch den Pass, die Identitätskarte oder
den Führerausweis, im Original oder in Kopie» auszuweisen hat
(Art. 697i Abs. 1 revOR).
Neue Meldepflichten bezüglich Aktionären, Gesellschaftern und wirtschaftlich Berechtigten
AJP/PJA 6/2015
867
einem Gutachten131 aus dem Jahre 2012 die Zulässigkeit
und Verbreitung von Inhaberaktien in diversen Ländern
untersucht und sich auch mit der Frage beschäftigt, welche Massnahmen zur Steigerung der Transparenz in den
untersuchten Ländern ergriffen werden. Daraus wird ersichtlich, dass zu jenem Zeitpunkt eine flächendeckende Meldepflicht für Inhaberaktien in keinem der untersuchten Länder bestand132. Ob sich dies im europäischen
Raum ändern wird, bleibt abzuwarten – ist aber eher unwahrscheinlich.
Deutschland etwa hat sich für einen anderen Weg entschieden. Im Zuge der «Aktienrechtsnovelle 2014»133,
welche sich zurzeit in den parlamentarischen Beratungen
befindet, sollen Inhaberaktien neu nur noch dann ausgegeben werden können, wenn diese als Sammelurkunden
und bei einer Wertpapiersammelbank, bei einem zugelassenen Zentralverwahrer, einem anerkannten DrittlandZentralverwahrer oder einem sonstigen Verwahrer im
Sinne des deutschen Depotgesetzes hinterlegt werden134.
Eine allgemeine Meldepflicht für Inhaberaktionäre ist
hingegen nicht vorgesehen.
In der Europäischen Union (EU) sind die Gesetzgebungsarbeiten im Zusammenhang mit dem «Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der
Terrorismusfinanzierung»135 («4. EU-Geldwäscherichtlinie» oder «neue Geldwäscherichtlinie»; die Artikel
des Entwurfs hier als «E‑Art.» bezeichnet) in vollem
Gange136. Die 4. EU-Geldwäscherichtlinie, welche noch­
131
132
133
134
135
136
Vgl. Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR) vom 11. Mai 2012 zur Zulässigkeit und Verbreitung
von Inhaberaktien (zitiert: SIR-Gutachten), abrufbar unter <https://
www.sif.admin.ch/sif/de/home/dokumentation/berichte/bekaempfung-der-finanzkriminalitaet.html>, zuletzt besucht am 11.5.2015.
Ebenso: Botschaft (FN 9), 652.
Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014), Drucksache 18/4349 vom 18. März 2015
(zit. D-Aktienrechtsnovelle 2014, abrufbar unter <http://dip21.
bundestag.de/dip21/btd/18/043/1804349.pdf>, zuletzt besucht am
17.5.2015).
D-Aktienrechtsnovelle 2014 (FN 133), 7 (§ 10 Abs. 1 E‑AktG) und
15 ff.
Vgl. den «Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung» in der am 27. Januar 2015 bzw. 10. Februar 2015 durch
den Rat angenommenen Fassung (abrufbar unter <http://register.
consilium.europa.eu/doc/srv?l=DE&f=ST%205748%202015%20
INIT>, zuletzt besucht am 17.5.2015).
Vgl. die Informationen auf der offiziellen Website des Rates der EU
und des Europäischen Rates (abrufbar unter <http://www.consili-
dieses Jahr verabschiedet werden dürfte, muss sodann
voraussichtlich innert zwei Jahren von den EU-Mitgliedern in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt werden (vgl.
E‑Art. 61 Abs. 1).
Nach der neuen Geldwäscherichtlinie haben die
Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die auf ihrem
Territorium gegründeten Gesellschaften oder sonstigen juristischen Personen «angemessene, präzise und
aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlichen Eigentümern, einschliesslich genauer Angaben zum wirtschaftlichen Eigentum, einholen und aufbewahren müssen»
(vgl. E‑Art. 29 Abs. 1) – mithin werden hier die juristischen Personen und nicht etwa die «wirtschaftlichen
Eigentümer»137 verpflichtet.
Gemäss E‑Art. 3 Abs. 5 gelten als «wirtschaftliche
Eigentümer» in diesem Zusammenhang jedenfalls die
natürlichen Personen, «in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle eine juristische Person […] über das direkte oder indirekte Halten eines ausreichenden Anteils von
Aktien oder Stimmrechten oder eine Beteiligung an jener
Rechtsperson, einschliesslich in Form von Inhaberaktien,
oder durch andere Formen der Kontrolle letztlich steht».
Somit führt die EU nicht eine allgemeine Meldepflicht
für sämtliche Inhaberaktionäre ein, sondern beschränkt
sich auf die Erfassung der «wirtschaftlichen Eigentümer» – mithin der natürlichen Personen, welche i.d.R.
einen Aktienanteil bzw. eine Beteiligung von mindestens 25 % an der fraglichen Gesellschaft aufweisen.
In der Schweiz können die neuen Regelungen ihrem
Wortlaut nach in einem für die Wirtschaft und den Wohlstand zentralen Rechtsbereich teils zu stossenden Pflichten und Folgen führen, ohne dass die GAFI-Empfehlungen dies verlangen würden. Die Einführung wird zudem
mit hohen Kosten und enormem Zeitdruck verbunden
sein138. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Praxis rasch in
einer pragmatischen Umsetzung findet und der Gesetzgeber sich nötigenfalls nach dem Sturm der Länderexamen
nochmals der Materie widmet.
137
138
um.europa.eu/de/policies/money-laundering-terrorist-financing/>,
zuletzt besucht am 17.5.2015).
Eine Definition des Begriffs «wirtschaftlicher Eigentümer» findet
sich in E‑Art. 3 Abs. 5 der neuen Geldwäscherichtlinie.
Siehe vorne I.