Mitgefühl hilft!

M A G A Z I N für
Menschen mit und ohne MS
Nr. 3 / Nov. 2015
Nicht alles ist MS
Verschiedene Erkrankungen
voneinander abgrenzen
Mobil und Fit
Rehasport für MS-Betroffene
Krankenhausreform
Was die Beitragszahler erwartet
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Griechenland
2,50 € Schutzgebühr
Sehenswertes, Sonnenschein &
Wassermelonen
Impressum
lidwina – Heft 3, November 2015
lidwina erscheint in Deutschland
Verlag und Herausgeber: Kunst- und
Werbedruck, Bad Oeynhausen
Chefredaktion: Friederike Rausch,
M.A. (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Michael Grüß,
Jochen Gutjahr, Ann-Madeline Pfister
Autoren dieser Ausgabe:
Eftichia Balogianni, Erikaiti-Maria Fintzou,
Jochen Gutjahr, Thomas Henze,
Konstantinos Michalakis,
Ann-Madeline Pfister, Friederike Rausch,
Katharina Sternal, Adolf Bauer
Gestaltung: Tack Design, Berlin
Druck: Kunst- und Werbedruck,
Bad Oeynhausen
Postanschrift der Redaktion:
Redaktionsservice Friederike Rausch
Christianstraße 56, 50825 Köln
Tel.: 0178 - 402 44 15
E-Mail: [email protected]
lidwina kann kostenfrei
abonniert werden:
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der Bayer Vital GmbH
www.ms-gateway.de
Nachdruck, Aufnahmen in Onlinedienste und Internet sowie
Vervielfältigung auf Datenträgern nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Bilder,
#MS-Symptome #Rehasport
#Station 17 #Krankenhausstrukturreform
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
„Wann wird es endlich richtig Sommer“ fragt Rudi Carell 1975. Wir
können ihm nun diese Frage beantworten: in diesem Jahr. Wir hoffen, Sie haben die Hitze gut überstanden. Jetzt geht es schon wieder stramm auf das Ende des Jahres zu und es gibt noch so vieles zu
tun, oder?
Für mich ist die Herbstzeit auch immer Lese-Zeit und nicht umsonst
finden die großen Literatur-Messen
um diese Zeit statt. Falls Sie nicht
schon lange selbst darauf gestoßen
sind: unter ms-gateway.de/News
finden Sie Bücher über Multiple
Sklerose und Bücher von Autorinnen und Autoren, die selbst an MS
erkrankt sind. Wer also noch „Lesefutter“ benötigt, kann sich hier vielleicht einige Anregungen holen.
Auch wir bieten wieder einiges an
Lesefutter: Professor Henzes Beitrag über die Abgrenzung von verschiedenen Erkrankungen, die mit
ähnlichen Symptomen daherkommen wie MS, ist spannend und sehr
aufschlussreich.
Behindertensport als MS-Patient.
Wir können da nur zustimmen:
Sport ist kein Mord!
Herbstzeit ist aber auch immer ein
bisschen Zeit für Musik und Kultur,
oder? Das Angebot hier ist ja mittlerweile kaum noch zu überschauen. Aber vielleicht interessiert sich
ja der eine oder andere für neue
Bands, die sich in der Szene etabliert haben: Station 17 gehört dazu
und wir stellen sie gerne vor.
Und last but not least ist da noch
die Politik: Am 10. Juni dieses Jahres wurde der Gesetzentwurf zum
Krankenhausstrukturgesetz verabschiedet. Für viele Menschen ist
nicht deutlich, was sich dadurch ändert. Wir haben beim Sozialverband
Deutschland e.V. nachgefragt. Die
ausführliche Stellungnahme finden
Sie in diesem Heft.
Wie immer wünschen wir Ihnen
viel Spaß beim Lesen und erhellende Momente in dieser dunklen
Jahreszeit.
Beste Grüße
Manuskripte und Waren übernehmen wir keine Haftung.
Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen und ohne Gewähr. Leserbriefe werden ggf. gekürzt wiedergegeben.
Wir behalten uns vor, Leserbriefe im Internet unter www.
ms-gateway.de zu veröffentlichen. Die angegebenen Internetadressen wurden vor Drucklegung überprüft. Für
nachträgliche Änderungen übernimmt die Redaktion keine Gewähr. lidwina erscheint drei Mal jährlich.
ISSN 1614-7863
Wir plädieren immer wieder dafür, dass sich jeder in seinen Möglichkeiten sportlich betätigen sollte. Und damit stehen wir nicht allein. Der Behindertensportverband
hat für Sie einmal zusammengestellt, welche Angebote es gibt und
wie sie genutzt werden können.
Und im Interview spricht Fred über
seine Erfahrungen beim Reha- und
Friederike Rausch
Chefredakteurin lidwina
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Mitgefü
Mitgefühl
hilft!
Nicht alles
ist MS
MSGuide:
Stammtisch im Netz
Immer wieder werden wir aufgefordert,
Mitgefühl zu zeigen. In ihren Aktionen
überschreiten mutige Menschen dabei
manchmal die eigenen Grenzen und
bringen sich selbst in Gefahr. Warum?
Seite 4
Es ist häufig schwierig bei MS, verschiedene Erkrankungen voneinander
abzugrenzen. Dennoch ist eine gute
Diagnose wichtig, um die richtige Behandlung zu finden.
Seite 8
Dirk Riepe ist MS-Betroffener und Autor von Rolli-Kurt. Nun ist sein neues
Projekt an den Start gegangen: der MSStammtisch im Internet. Neugierig?
Schauen Sie mal vorbei!
Seite 14
Fit und mobil
bleiben
Sehenswertes, Sonne
und Wassermelonen
Dass Sport auch bei Multipler Sklerose
sinnvoll ist, ist bekannt. Die Krankenkassen gehen noch einen Schritt weiter
und fördern mit ihrem präventiven Ansatz den Rehasport.
Seite 18
Der Geschäftsführer der griechischen
Multiple-Sklerose Gesellschaft hat gemeinsam mit zwei anderen Autoren
eine liebevolle Beschreibung seiner
Heimat verfasst.
Seite 22
Krankenhausreform
Was bedeutet die beschlossene Krankenhausreform für die Beitragszahler?
Kommt es zu Beitragserhöhungen?
Adolf Bauer, Präsident des Sozial­verband
Deutschland SoVD, bezieht Stellung.
Seite 26
Rubriken:
Helden des Alltags Seite 13 // BETAPLUS® Seite 16 //
Ernährung Seite 30 // Leserforum Seite 31 // Vorschau Seite 32 //
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Titel
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Der Brummifahrer Jürgen Thiesing aus Niedersachsen bremste
gemeinsam mit einem Kollegen einen Geisterfahrer aus und machte sich selbst zum Schutzschild für
die anderen Autobahnbenutzer.1
Immer wieder erfahren wir von
solchen Begebenheiten, in denen
sich Menschen, aber auch Tiere in
Gefahr begeben, um anderen zu
helfen. Sind sie alle Supermänner
und -frauen oder ist es ein natürlicher Instinkt, anderen in Notsituationen beizustehen? Die jüngste
Forschung beschäftigt sich eingehend mit dem Thema und stellt dabei auch die Faust’sche Frage: Was
ist es, was die Welt im Innersten
zusammenhält?2
Zwischen „Gutmensch“
und „Egozentriker“: die
Mitfühler
In diesen Tagen, in denen uns die
täglichen Nachrichten immer wieder das Leid anderer eindringlich
vor Augen führen, wird allerorten darüber diskutiert: Sollen wir
helfen oder nicht? Und wie weit
geht die Hilfe des Einzelnen? Dabei werden die zwei Pole menschlichen Verhaltens in der Argumentation deutlich: „Gutmenschen“ – so
der Teil der hämischen Darstellung
in der Diskussion – opfern sich auf
für andere, um ihr eigenes Seelenheil zu retten und vor aller Welt als
moralisch korrekt und auf der Höhe
der Zeit dazustehen oder auch nur,
um sich selbst aufzugeben. „Gutmenschen“ wird immer wieder geraten, sich nicht zu weit aus dem
1 Vgl.: Margret Hucko: Zivilcourage: Der Trucker, der den Falschfahrer ausbremste, www.SPIEGEL ONLINE.de
2 Vgl.: Werner Bartens geht in seinem Buch dieser Frage nach. Dieser Artikel stützt sich im Wesentlichen auf
diese Veröffentlichung: Werner Bartens: Empathie, die macht des gefühls, München 2015
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Fenster zu lehnen, es könnte böse im
Burn-out enden. Am anderen Ende
steht der kalte Egozentriker, der nur
seine eigenen Interessen sieht und
den das Leid anderer nicht rührt. Ein
Abbild einer kranken Gesellschaft.
Aber so einfach ist das nicht! Zwischen diesen beiden Polen gibt es
eine Vielzahl von Verhaltensweisen,
die die natürliche Fähigkeit mit anderen zu fühlen, erlebbar machen.
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Was ist eigentlich
Mitgefühl oder Empathie?
Empathie ist „eine automatische Reaktion, eine Art Reflex. Der ist zwar
bei vielen Menschen verschüttet
oder wird von negativen Gefühlen,
von Stress, Wut, Ärger oder Angst
überlagert. Aber spontan kann sich
kein Mensch der Empfindung des
Mitgefühls entziehen, (…)“3. Diese Aussage deutet darauf hin, dass
Empathie eine menschliche Konstante, sozusagen ein entwicklungsbedingtes Rüstzeug ist. Damit ist
Mitgefühl nicht mehr nur das Ergebnis von Erziehung, Normen und
Werten, die gesellschaftlich vermittelt sind. Die Grundlagen hierfür, so
der Verhaltensforscher Frans de Wal,
sind evolutionsbedingt: Die Fähigkeit zur Empathie ist eine Anlage
bei Mensch und Tier, die es ermöglicht, Hilfsmechanismen und Strategien zu entwickeln, die das Überleben der ganzen Gruppe bzw. der Art
sichern.4
Verhaltensforscher kommen daher
zum Schluss: So wie Aggression gegenüber Angreifern, Nahrungs- und Sexualkonkurrenten
nötig ist, um das Überleben der
eigenen Gruppe zu sichern, so ist
Kooperation und Mitgefühl nötig,
um Krisensituationen zu meistern
und die Individuen der Gemeinschaft zu stützen und zu schützen
und ebenfalls zum Überleben der
Arten beizutragen. In beiden Fällen ist das Verhalten zielgerichtet
Titel
und dient nicht nur dem einzelnen
Individuum, sondern der ganzen
Gruppe – bzw. der Gemeinschaft.
In beiden Fällen profitiert aber
erst einmal das Individuum vom
jeweiligen Verhalten: Kampf und
Kooperation – so die neue Forschung, sind die Prinzipien des
Überlebens. Empathisch zu handeln, heißt dann aber einfach nur:
Natürlich handeln!
Eine zentrale Rolle scheinen im
Zusammenhang mit mitfühlendem
Verhalten die sogenannten Spiegelneuronen zu spielen, die zuerst
bei Affen entdeckt wurden und
nun auch bei Menschen nachgewiesen sind.5 Diese Spiegelneuronen ermöglichen es uns, in vielbelebten Einkaufszonen aneinander
vorbeizugehen, ohne zusammenzustoßen. Reflexartig „verstehen“
wir, was das Gegenüber tun wird
und handeln entsprechend. Wir
fühlen sozusagen, was der andere
empfindet. Aber worin – so Bartens - besteht der Vorteil dieses
Verhaltens?
Lebe länger – mit Gefühl
Die Konsequenzen empathischen
Handelns sind vom Einzelnen deutlich spürbar: Mitfühlendes Handeln
hilft nicht nur demjenigen, der die
Hilfe erfährt, gesund und munter zu
bleiben, so die neue Forschung, sondern ebenso demjenigen, der mitfühlt. „Mitgefühl stärkt Körper wie
Seele, macht psychisch robuster, physisch stärker und stimuliert nebenbei
das Immunsystem. Wer mit anderen
fühlt und leidet ist gesünder, seelisch
gefestigt und hat bessere Abwehrkräfte.“6 Menschen, die mitfühlen
leiden seltener an Depressionen. Bei
ihnen laufen Entzündungsreaktionen
sanfter ab und – wen wundert’s – die
„Mitfühler“ leben länger, so die Untersuchungen, auf die Bartens sich
❞
Das Rezept für einen
mitfühlenden Umgang
ist also eigentlich ganz
einfach: weniger Stress
und mehr Miteinander
sowie eine paar Augenblicke Zeit, um das
Fremde und Trennende
abzubauen.
❝
stützt.7 Und, so Bartens, Mitgefühl
wird erlebbar, nicht nur in den großen
guten Taten, sondern im Alltag hier
und jetzt: „Die Art und Weise, wie
man nach getaner Arbeit zu Hause
empfangen wird, hat beispielsweise
starken Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit.“8
Empathie-Killer: Stress
Eine amerikanische Forschungsgruppe kommt zu dem Ergebnis, Stress in jeder Form ist der
„Killer-Faktor“ für Mitgefühl. Dabei führt gerade sozialer Stress zur
Blockade empathischen Verhaltens.
Sozialer Stress entsteht durch das
Gefühl der Fremdheit und des Ausgeschlossen-Seins aus einer Gruppe.9
„Fühlen sich Menschen gar ausgeschlossen und von einer Gruppe isoliert, zu der sie gerne gehören
würden, nehmen ihre Anteilnahme und ihr soziales Verhalten stark
ab.“10 Die Betroffenen schwingen
sozusagen nicht mehr mit ihrer Mitwelt und mit ihren Mitmenschen.
Es fehlt die Resonanz. Das hat wiederum negative Auswirkungen auf
die körperliche wie seelische Befindlichkeit des Betroffenen.
Gut sein
Jeder kennt den Wunsch, sich möglichst in der Komfortzone zu bewegen. Die meisten Menschen möchten sich in vertrauten Gruppen bewegen, angenommen und akzeptiert
sein – sich zugehörig fühlen: sich
identifizieren mit ihrer Mitwelt. Ist
dies der Fall, ist der Raum für Mitgefühl sehr viel größer.
Wer also die Glücksgefühle und die
positiven Effekte des Mitfühlens
erleben will, hat nur eine Aufgabe:
„Das Rezept für einen mitfühlenden Umgang ist also eigentlich ganz
einfach: weniger Stress und mehr
Miteinander sowie ein paar Augenblicke Zeit, um das Fremde und
Trennende abzubauen.“11 ■
3 Vgl. Werner Bartens: empathie, die macht des gefühls, München 2015, S. 13
4 Vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Frans_de_Waal
5 Vgl.: Bartens: empathie, die macht des gefühls, München 2015, S.104
6 Werner Bartens: empathie, die macht des mitgefühls, München 2015, S.14
7 Ebenda, S. 115
8 Ebenda, S.116
9 Ebenda S. 19
10 Ebenda, S. 107
11 Ebenda, S. 20
lidwina
7
8
lidwina
Wissenschaft
Müdigkeit
Schwindel
Kopfschmerzen
Augenerkrankungen
Rückenschmerzen
Verschiedene
Erkrankungen
abgrenzen
Bauchschmerzen
Blasenbeschwerden
Beinschmerzen
Nicht alle
Symptome
sind MS!
Wissenschaft
lidwina
Jeder MS-Betroffene kennt die MS als die „Krankheit mit den
1000 Gesichtern“. Neben den häufigen und gut bekannten Symptomen wie Muskelschwäche, Spastik, Blasenproblemen und Fatigue kann sie nämlich eine nahezu unendliche Zahl seltenerer
Symptome hervorrufen. Da liegt es nahe, jedes neu auftretende
Symptom zunächst mit der MS in Verbindung zu bringen.
Das ist aber längst nicht immer
richtig. Vielmehr können zusätzlich
zur MS auch andere Erkrankungen
vorhanden sein oder sich entwickeln, die mit ihr nichts zu tun haben und einer eigenen Behandlung
bedürfen.
Besondere „Kandidaten“ für ein
gleichzeitiges Auftreten sind z.B.
andere Autoimmunkrankheiten mit
sehr unterschiedlichen Symptomen,
Bandscheibenleiden bzw. Erkrankungen der Wirbelsäule, Kopfschmerzen oder die sehr häufigen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also
Herzinfarkt und Schlaganfall. In
diesem kurzen Artikel kann allerdings nur ein orientierender Überblick über häufigere Symptome, die
nicht direkt durch die MS bedingt
sein müssen, gegeben werden.
Einige Symptome sind hinsichtlich
ihres Ursprungs zumeist recht klar,
z.B. ein plötzlicher sehr heftiger
Schmerz in der Brust, der evtl. bis
zum Unterkiefer oder den linken
Arm ausstrahlt (Verdacht auf Herzinfarkt), oder auch eine plötzliche
Halbseitenschwäche oder Sprachstörungen (Verdacht auf Schlaganfall). Hier ist immer die sofortige
Alarmierung eines Notarztes (Tel.
112 oder 19222) erforderlich.
Die Unterscheidung, ob ein Symptom durch die MS oder aber durch
eine andere Erkrankung ausgelöst
wird, kann von großer Bedeutung
sein, da es dann ggf. anders behandelt werden oder in einem anderen
Krankheitszusammenhang gesehen
werden muss.
Symptome und Beschwerden
Rückenschmerzen kommen
bei bis zu 85% aller Einwohner
Deutschlands irgendwann einmal
in ihrem Leben vor und damit bei
fast jedem. Frauen und Männer sind
etwa gleich häufig betroffen. Ursachen sind zumeist eine falsche Körperhaltung, zu wenig Bewegung,
Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Bandscheibenschäden.
Ganz offensichtlich spielen bei ihrer Entstehung auch psychische Belastungen und Erkrankungen eine
große Rolle. All diese Ursachen
von Rückenschmerzen können auch
bei der MS auftreten. Viele von
MS Betroffene haben bekanntlich
Schwierigkeiten beim Gehen, sei es
aufgrund einer Spastik, einer Muskelschwäche der Beine oder des
Rumpfes, oder einer Ataxie. Diese
Symptome führen, wenn sie über
längere Zeit bestehen, zu einem
„unrunden“ Gangbild und damit
wiederum zu übermäßiger Belastung bzw. Fehlbelastung von Knochen, Gelenken und Bandscheiben.
Folge sind dann Rückenschmerzen, Fehlhaltungen und Bandscheibenschäden. Auch zu kurze oder
zu lange Gehstöcke können ebenso
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lidwina
Wissenschaft
wie falsch angepasste Rollstühle zu
Wirbelsäulenschäden führen. Insbesondere bei Bandscheibenvorfällen oder einem zu engen Rückenmarkskanal (Spinalkanalstenose)
treten oftmals zusätzliche Daueroder belastungsabhängige Schmerzen oder intensive Missempfindungen auf, die in ein Bein ziehen und
zumeist sehr unangenehm sind. Es
kann aber eben auch ein MS-Entzündungsherd im Rückenmark die
Ursache sein. Die Behandlung ist
dann eine andere, sodass die genaue Feststellung der Schmerzursache durch eine körperliche Untersuchung und eine Kernspintomografie
erforderlich ist.
Hinzuweisen ist hier auch auf die
Bechterew-Krankheit, die zu erheblichen Rückenschmerzen und
einer Kyphose (Rundrücken) führt.
Sie ist ebenso wie die MS eine Autoimmunkrankheit, weshalb beide gelegentlich auch gleichzeitig
vorkommen.
Kopfschmerzen sind ebenfalls
sehr häufig und es leiden ca. ⅔ aller
Erwachsenen mindestens einmal in
ihrem Leben unter Kopfschmerzen.
Aktuell unterscheidet man mehr
als 100 verschiedene KopfschmerzErkrankungen. Einige von ihnen
kommen bei MS-Betroffenen überdurchschnittlich häufig vor. Über
die Gründe hierfür gibt es bislang
kein klares Bild. Kopfschmerzen
bei MS erfordern jedoch immer
eine genaue Diagnostik und konsequente Therapie.
Eine durchaus häufige Schmerzkrankheit bei der MS ist die Trigeminus-Neuralgie, die im strengen
Sinne nicht zu den Kopfschmerzen
gerechnet wird, sondern vielmehr
eine Erkrankung des Nervus trigeminus bzw. seines Nervenkerns
ist und quälende Nervenschmerzen verursacht (neuropathische
Kopfschmerzen sind ebenfalls sehr
häufig und es leiden ca. ²⁄³ aller Erwachsenen mindestens einmal in ihrem Leben
unter Kopfschmerzen. Aktuell unterscheidet man mehr als 100 verschiedene
Kopfschmerz-Erkrankungen.
Schmerzen). Die Trigeminus-Neuralgie kommt auch bei Menschen
ohne MS vor, dann zumeist aber
im 2. Lebensabschnitt und praktisch immer einseitig, d.h. nur eine
Gesichtshälfte betreffend. Bei der
MS tritt diese Neuralgie oft schon
in deutlich jüngeren Lebensjahren
auf, sie kann beide Gesichtshälften betreffen und die Schmerzanfälle sind zumeist länger als bei der
Trigeminus-Neuralgie ohne MS.
Glücklicherweise stehen für diese
äußerst schmerzhafte Erkrankung
zahlreiche wirksame Medikamente
und auch Operationsverfahren zur
Verfügung.
Bauchschmerzen haben meistens
ihre Ursachen in Erkrankungen des
Magens, der Leber, der Gallenblase, der Bauchspeicheldrüse oder
des Dünn- und/oder Dickdarms.
Leiden Sie also unter hartnäckigen Bauchschmerzen, evtl. sogar
begleitet von Übelkeit, Erbrechen
oder Durchfall, sollten Sie unbedingt sofort Ihren Hausarzt oder einen Internisten aufsuchen, der die
Ursache in der Regel rasch findet.
Bauchschmerzen bei MS-Betroffenen können aber auch durch eine
volle Blase oder eine hartnäckige
Verstopfung bedingt sein. Ebenso kann eine Blasenentzündung zu
Wissenschaft
Unterleibsschmerzen führen. Diese
Schmerzen sind aber nicht immer
ein verlässlicher Warnhinweis für
eine Blasenentzündung, da einige MS-Betroffene auch Gefühlsstörungen im Unterleib haben und
die Schmerzen daher nicht immer
wahrnehmen können.
Bauchschmerzen oder andere
Bauchsymptome kommen bekanntlich auch als Nebenwirkung einer
Immuntherapie mit Dimethylfumarat vor, zumeist aber nur in den ersten Wochen der Therapie. Auch in
einem solchen Fall sollte der Hausarzt hiervon wissen, damit er Untersuchungen durchführen kann,
mit denen andere Ursachen ausgeschlossen werden können.
Augenkrankheiten: Eine verschlechterte Sehfähigkeit muss
nicht immer Folge einer SehnervEntzündung sein. Es kann sich
hierbei auch durchaus um andere Augenkrankheiten handeln, die
zu unscharfem Sehen, verändertem
Farbensehen, Einschränkungen des
Gesichtsfeldes, ggf. auch zu Augenschmerzen führen. Sie sollten daher
bei diesen Symptomen unbedingt
einen Augenarzt aufsuchen. Das
Auftreten von Doppelbildern ist dagegen sehr häufig auf die MS zurückzuführen. Aber auch in einem
solchen Fall ist die Untersuchung
durch einen Augenarzt erforderlich.
Der Schwindel ist ein leider häufiges Symptom der MS. Er wird
als Schwankschwindel (oder Fahrstuhlgefühl) oder als Drehschwindel („wie im Karussell“) empfunden und geht mit unterschied­lichen
Begleitsymptomen einher, u.a.
Übelkeit und Erbrechen. Schwindel
kann z.B. durch Entzündungsherde im Hirnstamm und im Kleinhirn
hervorgerufen werden. Es gibt aber
auch zahlreiche andere Ursachen
für Schwindel. Vor allem dann,
wenn er zusammen mit einer Hörminderung oder Ohrgeräuschen
auftritt, sollten Sie einen HNO-Arzt
konsultieren und eine Kernspintomografie des Gehirns durchführen
lassen.
Blasenbeschwerden äußern sich
bei MS zumeist im Sinne von häufigem Harndrang, Inkontinenz und
vermehrtem Restharn. Diese Symptome können insbesondere beim
älteren Mann, aber auch durch eine
Vergrößerung der Prostata hervorgerufen werden. Die Inkontinenz kann ebenfalls, vor allem mit
lidwina
zunehmendem Alter bei Frauen und
Männern, andere Ursachen als die
MS haben, sodass bei diesen Beschwerden unbedingt ein Urologe aufgesucht werden sollte. Dies
gilt auch, wenn dem Harn ein- oder
mehrmals Blut beigemischt ist bzw.
dieser blutig aussieht. Dann ist auf
jeden Fall eine rasche urologische
Untersuchung erforderlich.
Auch Symptome seitens des
Darms wie häufige Verstopfung,
Durchfall oder Bauchschmerzen
können, müssen aber nicht durch
die MS bedingt sein. Hinter diesen Symptomen können sich auch
Eine verschlechterte Sehfähigkeit ­muss
nicht immer Folge einer Sehnerv-­
Entzündung sein. Es kann sich hierbei
auch durchaus um andere Augenkrankheiten handeln, die zu unscharfem
Sehen, verändertem Farbensehen,
Einschränkungen des Gesichtsfeldes,
ggf. auch zu Augenschmerzen führen.
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lidwina
Wissenschaft
Die Müdigkeit (oder: Fatigue) ist
nicht nur ein häufiges und sehr unangenehmes Symptom einer MS, sie
kann vielmehr auch durch zahlreiche
Medikamente hervorgerufen oder
verstärkt werden.
andere Darmerkrankungen verbergen, die am besten von Internisten
abgeklärt werden sollten. Bei Blutauflagerungen auf dem Stuhlgang ist
es unbedingt erforderlich, einen Internisten aufzusuchen, da diese auf
Magen- oder Darmblutungen (dann
fast immer dunkles/schwarzes Blut),
einen Darmtumor oder auch Hämorrhoiden (helles Blut) hinweisen.
Schmerzen oder Missempfindungen der Beine können, vor
allem wenn sie beim Gehen zunehmen, auch durch Durchblutungsstörungen der Beine, die sog. Schaufenster-Krankheit, hervorgerufen
werden. Sie müssen nicht immer
durch die MS bedingt sein.
Die Müdigkeit (oder: Fatigue) ist
nicht nur ein häufiges und sehr unangenehmes Symptom einer MS,
sie kann vielmehr auch durch zahlreiche Medikamente hervorgerufen
oder verstärkt werden. Zu den müde
machenden Medikamenten zählen
z.B. Mittel gegen Spastik, Antidepressiva, einige Schmerzmittel oder
auch Mittel zur Verbesserung der
Blasenfunktion. Der müde machende Effekt ist bei MS-Betroffenen
sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Oft ist dann der Wechsel auf ein
anderes Medikament mit ähnlicher
Wirkung möglich.
Es gibt außerdem einige Erkrankungen, die Müdigkeit auslösen können,
z.B. die Zuckerkrankheit (Diabetes
mellitus), die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) oder eine Blutarmut (Anämie). Alle diese Erkrankungen kann Ihr Hausarzt zumeist durch
einige Blutuntersuchungen schnell
ausschließen. Müdigkeit kann natürlich auch durch Schlafstörungen entstehen, wie sie bei häufigem nächtlichem Harndrang, heftiger (schmerzhafter) Spastik oder im Rahmen einer
Depression vorkommen.
Krebserkrankungen sind bekanntlich sehr häufig und auch MSBetroffene sind vor ihnen nicht gefeit. Am häufigsten treten wohl das
Mammakarzinom und Bauchtumore
auf. Für einige Tumore besteht für
MS-Betroffene ein gegenüber der
übrigen Bevölkerung gering erhöhtes Risiko (gutartige Hirntumore,
Nieren- und Blasenkrebs), während
das Risiko für Bauchspeicheldrüsen-, Eierstock-, Prostata- und Hodenkrebs niedriger ist. Auf jeden
Fall sollten Sie immer dann, wenn
neue Symptome auftreten, diese
ernst nehmen und von Ihrem Hausarzt weiter abklären lassen.
Fazit
Aus diesen kurzen Ausführungen
ergibt sich, dass Sie, wann immer
neue Krankheitssymptome bei Ihnen auftreten, diese mit Ihrem Neurologen besprechen sollten. Er wird
dann klären, ob sie durch die MS
oder eine andere Erkrankung bedingt sind und Sie bei Bedarf an
weitere Fachärzte überweisen. ■
Prof. Dr. med. Thomas Henze
Passauer Wolf Reha-Zentrum Nittenau
Gutes
lidwina
Helden
des Alltags
„Alles ist
für alle“
... ist das Statement im
eingängigen Sound der Band
Station 17
Die Band kommt bunt, spritzig und absolut professionell rüber. Seit 28 Jahren
funktioniert das Bandkonzept und wird immer besser.
Kai Boysen, damals Zivi in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, hat die Musiker aus der BehindertenWohngruppe 17 aufs Gleis der professionellen Musikszene gesetzt. Er gründete die Band und schaffte es,
Zusammenarbeiten mit professionellen Künstlern zu
initiieren. Unterstützung fand er bei vielen: z.B. Holger Czukay von Can, F M Einheit von den Einstürzende Neubauten, Thomas Fehlmann von The Orb
und den Toten Hosen. Der Zug „Station 17“ hat das
Abstellgleis „Behinderte machen Musik“ schon lange
verlassen: Zwischen den – meistens – 12 Bandmitgliedern gibt es „keine Differenzierung mehr zwischen
Musiker, Betreuer oder Behindertem“, sagt Boysen –
nicht ganz ohne Stolz.
Das Projekt hat sich mittlerweile emanzipiert und
funktioniert. „Es geht nur um die einzelnen Künstler
und wie die Gruppe die Stärken der einzelnen Mitglieder nutzt. Wir sind eine heterogene Gruppe, die unterschiedlicher in den Geschmäckern kaum sein könnte.
Das erzeugt eine Vielzahl an Klangfarben und Nuancen, die man in anderen Bands wohl niemals findet.“
So beschreibt Peter Tiedeken, Bassist und Gitarrist der
Band die gemeinsame Arbeit: Die Songzeile aus dem
neuen Album „Alles für alle“ steht mithin für die Programmatik dieses Kollektivs „es gibt mehr Abenteuer
als die paar Gefahren“. Leben pur, ganz und jetzt. Das
ist diese Band – mit dem eindeutigen Markenzeichen:
Nichts bleibt wie es ist, der Zug nimmt immer wieder
Fahrt auf ... ■
Jochen Gutjahr
Redakteur lidwina
Mehr Infos: www.17rec.de
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lidwina
Feuilleton
Denise
Gerald
Almuth
MSGuide
Der Stammtisch im Netz
Dirk Riepe, der Autor von „Rolli Kurt“, hat sich eines
Franziska
neuen Projektes angenommen: Er entwickelte einen virtuellen Stammtisch mit virtuellen MS-Betroffenen im Internet. Statt echter Menschen schuf er „echte“ Typen –
Mangas – deren Aufgabe es ist, lebensnah über MS-Probleme zu sprechen. Im persönlichen Gespräch hat Dirk
Riepe seine Idee geschildert.
Feuilleton
lidwina: Herr Riepe, wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet einen virtuellen Stammtisch mit virtuellen
Personen zu entwickeln?
Riepe: Es gibt zwei Erfahrungen, die den Anstoß dazu
gaben: Erstens schießen allerorten persönliche Seiten MS-Betroffener aus dem virtuellen Boden. Jeder
kann sich im World Wide Web verewigen, aber es bleibt
manchmal offen, worin der Zugewinn für die Mitwelt
besteht. Und zweitens: Mein Neurologe riet mir vor 20
Jahren, möglichst viel über MS zu lesen und versorgte
mich mit Originaltexten über die neuesten Studien. Als
Einstieg wählte ich damals Gerhardt Roth: „Das Gehirn
und seine Wirklichkeit, kognitive Neurobiologie und
ihre philosophischen Konsequenzen“, weil meine Angst
an MS zu verblöden, alles andere, was mir noch so drohen konnte, in den Schatten stellte. Mir war klar, dass
man seinen Kopf schlecht durch ein Hilfsmittel ersetzen kann.
Faszinierend und hoffnungsvoll fand ich die Idee, durch
Lesen von Texten, die man nicht versteht, in seinem
Gehirn neue Verbindungen zu schaffen. Dazu war das
Buch von Roth perfekt geeignet, da es extrem schwer
zu verstehen war. Mein Gehirn hätte bei der Hirnstrommessung anfangs nur ein müdes Flackern gezeigt. Zum Schluss leuchtete es wie ein amerikanischer
Weihnachtsbaum.
Der Selbstversuch hatte mich zu der Überzeugung gebracht, dass die Komponente „Selbst-machen“ im Umgang mit MS eminent wichtig ist. Das sollte eine Säule der Idee „MSGuide“ werden: Der selbstbestimmte
Betroffene!
lidwina: Ihre Gesprächsrunde besteht aber aus „Typen“,
die Sie entwickelt haben, statt aus echten Menschen.
Riepe: Man kann zu jeder Zeit in Foren informationswillige Betroffene zu jedem Thema befragen. Aber dabei gibt es einen Haken: Du weißt nicht, ob etwas davon
stimmt, was man dir erzählt. Trotzdem ist der Austausch mit anderen Betroffen sicher wichtig, um sich
überhaupt mit Leidensgenossen zu unterhalten.
Ich wusste anfangs nicht, wie ich ein fachlich korrektes
Forum erfinden sollte, bis mir klar wurde, dass die Teilnehmer nicht real sein dürfen. Dr. House, der kompetenteste, ekeligste Arzt der Fernsehgeschichte half mir mit
seinem zynischen Spruch: „Jeder Patient lügt!“
lidwina: Harte Kost für die Nutzer Ihres Angebotes –
meinen Sie nicht auch?
lidwina
Riepe: Ja, schon. Aber um dem klassischen Forum-Dilemma zu entgehen, entschloss ich mich, fiktive Personen in eine Art „Internet-Stammtisch“ zu setzen, und
ich kontrolliere die „Personen“ als Administrator und
Betroffener. Diese Idee war der endgültige Schritt in die
virtuelle Realität.
lidwina: Und wie kommt die „Wissensvermittlung“ ins
virtuelle Spiel?
Riepe: Wie soll man verstehen, warum man zum x-ten
Mal evozierte Potenziale untersuchen lässt, wenn man
nicht einmal weiß, was evoziert heißt? Nach dem Studium sämtlicher MS Lexika im Internet war mir klar,
dass kein Arzt ein weiteres MS-Lexikon verfassen sollte. Die Erklärungen der medizinischen Fachbegriffe
sind – gelinde gesagt – kaum zu verstehen.
Und – es ist völlig egal, was es bedeutet, weil es uninteressant für den Betroffenen ist. Alles, was da steht,
ist für Ärzte interessant, sozusagen Studium „Superlight“. Wir brauchen ein alternatives Fachwörterbuch,
das medizinische Fachbegriffe in patientengerechter
Sprache erklärt und allgemeine Tipps zum Umgang mit
ihnen gibt. Nicht die bloße Übersetzung, sondern eine
Antwort auf die Fragen: Wie gehe ich damit um? Was
soll / kann ich tun?
lidwina: Jetzt haben wir Mangas statt Betroffene, ein
alternatives Wörterbuch und wo sind die Fragen der
Betroffenen?
Riepe: Gute Frage: Interaktiv muss der „MSGuide“
sein! Und zwar in eine andere als bisher bekannte Richtung: Der „MSGuide“ ist nie fertig. Er wächst ständig
weiter – eben wie ein Stammtisch. Seine Dialoge wachsen mit den Kommentaren und Vorschlägen von Betroffenen auf der Facebook-Seite: „MSGuide“. Dort kann
jeder eingreifen, was die fachlichen Themen betrifft
und auch in die Dialogthemen im Stammtisch. Genau
das ist der letzte Baustein zum „MSGuide“.
Ich hoffe, das Konzept wird deutlich. Die persönliche
Komponente wird durch die Dialogform des Stammtischs erreicht. Jeder sollte sich mit einem Typus aus der
Gruppe identifizieren können. Es ist durchaus angedacht, die Gruppe noch zu erweitern. Und diskutieren
soll man dort natürlich auch.
lidwina: Vielen Dank für das Gespräch.
Mehr Infos: www.msguide.de
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lidwina
BETAPLUS®
Einfach und sehr
hilfreich – der elektronische
Injektomat
Befragung zur Patientenzufriedenheit
Etwas mehr als ein Jahr ist der „Neue“ nun im Einsatz
und wir wollten wissen, ob sich bewährt hat, was von Medizinern, Ingenieuren und Patienten gemeinsam entwickelt
wurde. Aus diesem Grund haben wir 2.300 Patienten im
BETAPLUS®-Programm, die diese Applikationshilfe für das
MS-Basistherapeutikum von Bayer in Deutschland im täglichen Einsatz verwenden, im Oktober 2014 befragt.
Überwältigt hat uns die Resonanz
bei den Befragten: sowohl im Hinblick auf die Rücksendung der Befragungsbögen als auch in der Beurteilung dieses Injektomaten.
1.365 Patienten – das sind fast 69
Prozent der Befragten – haben uns
geantwortet. Dafür möchten wir Ihnen allen herzlich danken! Diese
Injektionshilfe zu entwickeln, war
ein langer Prozess, bei dem viele
unterschiedliche Menschen mitgewirkt haben.1
Eigentlich ist eine Injektionshilfe
„nur“ ein technisches Hilfsmittel.
Aber für die betroffenen MS-Patienten ist es im täglichen Handling
weit mehr als nur das: Injektomaten
helfen den Betroffenen, die psychologische Barriere der Angst vor der
Selbstindikation zu überwinden.
Die Häufigkeit von Reaktionen an
der Injektionsstelle kann durch Anwendung eines Injektomaten vermindert werden. Darüber hinaus
ermöglichen sie eine Injektion an
schwer zugänglichen Stellen – und
das ohne fremde Hilfe. Damit sind
sie eine effektive Unterstützung im
Rahmen der Basistherapie.
Für Sie haben wir einige der wichtigsten Ergebnisse der Befragung zusammengefasst: 1.163 Patienten – das
sind die meisten Befragten – benutzten bereits die Vorgängermodelle
des elektronischen Injektomaten, nur
wenige (52 Patienten) injizierten ihre
Therapie per Hand. Die Mehrheit der
Patienten wendet die MS-Basistherapie bereits länger als fünf Jahre (688
Patienten) bzw. zwischen zwei und
fünf Jahren (288 Patienten) an.
BETAPLUS®
Wie hilfreich ist der neue Injektomat für Sie bei
der Durchführung Ihrer MS-Basistherapie?
■ Sehr hilfreich (917)
■ Hilfreich (344)
■ Weniger hilfreich (44)
■ Überhaupt nicht hilfreich (39)
■ Keine Angabe (21)
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie den
neuen Injektomaten weiterempfehlen?
■ Sehr wahrscheinlich (894)
■ Wahrscheinlich (322)
■ Weniger wahrscheinlich (66)
■ Überhaupt nicht wahrscheinlich (35)
■ Keine Angabe (48)
Da der neue elektronische Injektomat bei der Befragung erst wenige
Monate verfügbar war, wundert es
nicht, dass die meisten Patienten diesen erst ein bis zwei Monate (514 Patienten) bzw. etwas länger als zwei
Monate (658 Patienten) verwendeten. Bei der Frage, wie hilfreich der
neue Injektomat für die Durchführung der MS-Therapie ist, antworteten zwei Drittel der Befragten (917
Patienten) „sehr hilfreich“ und ein
Viertel (344 Patienten) „hilfreich“.
Auf die Frage, welche Eigenschaften
beim neuen Injektomaten besonders
wichtig sind, haben die Patienten folgende Features genannt:
✚ der wiederaufladbare Akku,
✚ die LED-Akkuanzeige,
✚ das optische und akustische
Signal am Injektionsende,
✚ die einstellbare Injektionstiefe
und -geschwindigkeit sowie
✚ der Kontaktsensor
Auf die Frage nach möglichen Anregungen zum Injektomaten äußerten
die Patienten Verbesserungswünsche, die uns bei der Weiterentwicklung des Gerätes sehr helfen. Dazu
gehören z. B. die Regulierbarkeit der
lidwina
17
Signaltöne und die Empfindlichkeit
des Kontaktsensors. Auch für diese
Hinweise: Herzlichen Dank.
Und last but not least haben wir danach gefragt, wie wahrscheinlich es
ist, dass die Befragten den neuen Injektomaten weiterempfehlen. Dieses
Ergebnis hat uns sehr gefreut: Neun
von zehn Patienten würden den Injektomaten „sehr wahrscheinlich“ (894
Patienten) bzw. „wahrscheinlich“
(322 Patienten) weiterempfehlen.
Wir freuen uns sehr, dass die überwältigende Mehrheit der befragten
Patienten mit unserem „Neuen“ sehr
zufrieden bzw. zufrieden ist. Das ist
für uns ein wichtiges Signal, dass mit
diesem Injektomaten für viele Patienten die Durchführung der Basistherapie wieder ein Stückchen einfacher
geworden ist und Sie damit Ihre MSTherapie möglichst einfach in Ihren
Alltag integrieren können. ■
Ivonne Weller
Patientenkommunikation
Bayer HealthCare Deutschland
1 Vgl. Carsten Pedersen, Torsten Wollenberg:
Den Anwender mit ins Boot nehmen,
lidwina 2-2014
BETAPLUS®-Serviceteam: 0800 – 2 38 23 37 (gebührenfrei)
Mo. – Fr. 08:00 bis 20:00 Uhr; Sa. 09:00 bis 13:00 Uhr
Mehr Infos:
www.ms-gateway.de
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lidwina
Schwerpunkt
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Schwerpunkt
K. Sternal: Was hat sich in
Ihrem Leben nach der Diagnose
MS verändert?
FRED: 1983 habe ich die Diagnose erhalten. Nach der Diagnose hat
sich nicht allzu viel verändert. Meine Mutter hatte ebenfalls MS. Daher wusste ich schon Bescheid, wie
es sein könnte. Auch wenn meine
Mutter schlimmer dran war als ich.
Kurz gesagt: MS war mir bekannt
und ich konnte schon damit umgehen. Daher war es kein fürchterlicher Schock für mich.
K. Sternal: Wie gehen Sie mit der
Krankheit nach außen hin um?
FRED: Als ich die Diagnose erhielt,
habe ich sie erst einmal drei Jahre
für mich behalten. Ich konnte noch
gut laufen, brauchte nur zwischendurch kurze Ruhepausen beim Laufen. Da ich einen sitzenden Beruf
am Schreibtisch hatte, brauchte ich
nicht viel herumzulaufen und habe
das ausgenutzt, sodass ich mich ausruhen konnte. Drei Jahre nach Erhalt
der Diagnose war ich in Rehabilitation. Danach habe ich in meinem
Bekanntenkreis und im Umfeld bekannt gemacht, dass ich MS habe.
Nach dem Motto „Jetzt kann es jeder wissen“.
Die Reha war in St. Wendel. Dort
waren viele Menschen mit MS. Es
war nicht leicht, es im Umfeld mitzuteilen. Auch meinem Arbeitgeber
habe ich Bescheid gesagt, der hatte
sich schon gedacht, dass ich so etwas
wie MS habe, weil ich nicht so gut
laufen konnte. Vorher wussten nur
meine Tochter und meine Frau von
der Diagnose. Nachdem das Umfeld
Bescheid wusste, war es gut.
K. Sternal: Wann haben Sie sich
entschlossen, am Rehabilitationssport teilzunehmen?
FRED: Schon relativ früh habe ich
am MS-Kontaktkreis in Bergheim
lidwina
Stichwort
Deutscher Behindertensportverband
Der Deutsche Behindertensportverband e.V. (DBS) ist der Spitzenverband
für den Leistungs-, Breiten-, Präventions- und Rehabilitationssport von
Menschen mit Behinderung. Gleichzeitig ist der DBS Nationales Paralympisches Komitee für Deutschland und in dieser Funktion Mitglied im Internationalen Paralympischen Komitee (IPC). Er gehört zum Deutschen
Olympischen Sportbund (DOSB).
Mit seinen 17 Landes- und 2 Fachverbänden (Deutscher Rollstuhl-Sportverband e.V. und Deutscher Schwerhörigen-Sportverband e.V.) sowie über
6.000 Vereinen und mehr als 630.000 Mitgliedern gehört der DBS zu den
weltweit größten Sportverbänden für Menschen mit Behinderung. Die
Anschriften der Landesverbände können der Webseite www.dbs-npc.de/
sportentwicklung-landesverbaende.html entnommen werden.
Bundesweit sind rund 40.000 lizenzierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter und Trainerinnen und Trainer sowie rund 100.000 ehrenamtlich tätige
Vereinsmitarbeiterinnen und Vereinsmitarbeiter im Einsatz, die die Menschen mit Behinderung beim Leistungs-, Breiten-, Präventions- und Rehabilitationssport in den Vereinen anleiten und unterstützen. Die eigenständige
Nachwuchsorganisation ist die Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ).
Im Mittelpunkt der Arbeit des DBS stehen Bewegung, Spiel und Sport
als Mittel der Rehabilitation und Sozialisation. Durch seinen bio-psychosozialen Ansatz leistet der DBS mit seinen Landes- und Fachverbänden
und deren Vereinen nicht nur vielen Menschen mit Behinderung und
chronischen Erkrankungen Hilfe zur Selbsthilfe, sondern stärkt auch die
Eigenverantwortung sowie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Bewegung, Spiel und Sport fördern die selbstbestimmte und gleichberechtigte Mitwirkung und Mitbestimmung von Menschen mit Behinderung
in der Gesellschaft.
Aufgabe des DBS ist, allen Menschen mit oder mit drohender Behinderung sowie mit chronischer Erkrankung nach ihren individuellen Wünschen und Voraussetzungen die Teilnahme am Sport zu ermöglichen. Dabei arbeitet der DBS mit einer Vielzahl von Partnern zusammen, um die Interessen von Menschen mit Behinderung zu vertreten, den Sport für Menschen mit Behinderung in den Blickpunkt zu rücken und gemeinsames
Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern.
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lidwina
Schwerpunkt
Keine Abseitsfalle
Rehasport und Behindertensport in Deutschland
Sport ist ein wichtiges Element im Behandlungskanon der Multiplen Sklerose. Sport kann dazu beitragen, viele Symptome zu lindern. Beweglichkeit und
Ausdauer helfen dabei, den Alltag zu bewältigen. Und
die Kontakte, die durch den Sport entstehen, sind eine
wichtige Unterstützung, um mit den Tücken der Erkrankung zurechtzukommen.
Aber viele Betroffene schreckt die Vorstellung Sport zu
betreiben. Verfolgt man die Übertragungen der Leis­
tungssportler, verliert auch der Letzte den Mut, sich in
die Riege der Wohlproportionierten, Durchtrainierten
und Nimmermüden einzureihen. Aber von dieser Art
der körperlichen Ertüchtigung ist hier keine Rede.
An dieser Stelle geht es um Rehasport und Behindertensport. Beides wurde in den letzten Jahren – auch dank der
Paralympics und der neuen präventiven Handlungsweise der Krankenkassen - entstaubt und aus dem Abseits
geholt. Und die Veränderungen im Angebot des Breitensportes, die damit einhergingen, sind beachtenswert.
Im Rahmen der Neuordnungen des Gesundheitswesens hat sich der Rehasport als ergänzende Leistung zur
medizinischen Rehabilitation mittlerweile etabliert. Eine
Teilnahme am Rehasport wird über den behandelnden
Arzt, in manchen Fällen auch über die Reha-Klinik, verordnet. Der bewilligte Zeitraum richtet sich nach der Indikation und der Schwere der Erkrankung. Die Kosten
für den Rehasport tragen die Krankenkassen, Rentenversicherungsträger oder die Unfallversicherungen.
Ziel des Reha-Sports ist es, langfristige, individuelle positive Veränderungen zu bewirken, die die Beschwerden im Alltag vermindern und Folgeschäden möglichst reduzieren. Dazu erarbeiten eigens ausgebildete
Übungsleiter mit einer Teilnehmergruppe Übungen für
bestimmte Indikationen, die später auch im Alltag von
den Betroffenen selbst weiter ausgeführt werden können, sodass die Hilfe zur Selbsthilfe gefördert wird. Es
gilt, die Teilnehmer zu motivieren, auch nach der RehaSport-Maßnahme die Übungen durchzuführen. Die
Gruppen werden in verschiedenen Einrichtungen, insbesondere von Vereinen angeboten. Die jeweiligen Kos­
tenträger führen Listen der Gruppen, die örtlich belegt
werden können.
Wirklich gelungen sind die Maßnahmen dann, wenn
die Teilnahme am Rehasport in einen Eintritt in eine der
vielen Behindertensportgruppen mündet, die sich in
Deutschland etabliert haben.
Die Kosten für die Mitgliedschaft in einem der vielen
Behindertensportvereine müssen Sie selbst übernehmen. Aber hier ist eine Menge in Bewegung geraten:
Kaum eine Sportart, die es in diesem Zusammenhang
nicht gibt. Dabei geht es in den meisten Vereinen nicht
um Preise und Pokale, sondern um die Freude am gemeinsamen Tun.
Die sportlichen Anforderungen richten sich nach den
Teilnehmern. Hier finden die meisten ein Angebot für
ihre individuellen Bedürfnisse. Höher, schneller, weiter
ist in den meisten Sportgruppen kein Thema mehr. Individuelle Fähigkeiten erhalten und falls möglich ausbauen, im eigenen Tempo mit den eigenen Kräften und mit
Rücksicht auf die Ressourcen der Teilnehmer – das bestimmt heute ein gutes sportliches Angebot.
Unter dem Dach des Deutschen Behindertensportverbandes e.V. versammeln sich die Gruppen und Anbieter sowohl des Reha- wie des Behindertensportes. Hier
finden diejenigen Informationen, die das Angebot näher kennenlernen möchten oder Informationen darüber benötigen, wie und wo sie ein passendes Sportangebot finden. ■
Schwerpunkt
teilgenommen. Dort war ein Mann,
der die Feldenkrais-Bewegungsmethode gemacht hat und mich auf die
Gangschule in der Kölner Sporthochschule aufmerksam machte.
Er hat mir geraten, doch mal mitzukommen. Das habe ich dann gemacht. Ich bin dorthin gegangen
und bis jetzt immer noch dabei.
Das war ein lustiger Verein und ist
es immer noch. Auch darum bin ich
dabeigeblieben. Es gab noch eine
Rollstuhlgruppe. Vier Menschen,
die im Rollstuhl saßen. Als ich einen Schub hatte und auch einen
Rollstuhl bekommen hatte, habe ich
den mitgenommen und konnte mitmachen. Dann war ich dort ebenfalls dabei. Mittwochs mache ich
die Gehschule und freitags nehme
ich an der Rollstuhlgruppe teil.
K. Sternal: Welche Bedeutung hat
der Sport für Sie?
FRED: Ich bin eigentlich kein sportlicher Typ. Als Kind und als Jugendlicher hatte ich natürlich Sport
getrieben. Im Erwachsenenalter dann aber nicht mehr. Seitdem
ich nun MS habe und mich wieder
sportlich betätige, bin ich aktiver
als vorher.
K. Sternal: Welche Sportarten betreiben Sie noch?
FRED: Außer dem Rehabilitationssport bleibt nicht viel Zeit.
Ich laufe mit dem Rollator um den
Adenauerweiher (ca. 2 km). Wenn
ich Lust habe. Eine bis zwei Runden. Schwimmen habe ich ein Jahr
mitgemacht – das war anstrengend,
denn ich brauchte immer lange Vorbereitungszeit mit Umziehen und
Duschen. Der Aufwand war mir zu
groß. Fand ich nicht so angenehm.
K. Sternal: Hilft das Sporttreiben,
die Auswirkungen Ihrer Krankheit
besser zu meistern?
FRED: Ich kann Auto fahren und
bin nicht von vielen Personen abhängig. Rehasport kann ich nur
weiterempfehlen. Man kann was
unternehmen und das muss man
auch. Ich bleibe mobiler und fitter.
Es ist eine gute Sache und es gibt
viele verschiedene Möglichkeiten,
je nach Bedarf.
K. Sternal: Was kann man während
der Schübe tun und was tun Sie?
FRED: Den letzten Schub hatte ich
vor zwei bis drei Jahren. Da konnte ich schlecht laufen. Während des
Schubs durfte ich keinen Sport treiben. Während der Einnahme von
Cortison sollte man absolute Ruhe
einhalten.
K. Sternal: Welche Rolle spielt die
Atmosphäre in der Gruppe?
FRED: In der Gruppe fühle ich
mich sehr wohl. Es herrscht meistens gute Stimmung und es gibt
Gelegenheit zum Austausch. Auch
mit jungen Studenten, die etwas
lidwina
über diese Krankheit lernen und
von denen ich viel erfahre, wenn
ich sie ausfrage. Ich habe mehrere Kontaktkreise und animiere
die Leute, auch mal woanders hin
mitzukommen.
K. Sternal: Vervollständigen Sie
bitte den Satz „Sport bedeutet für
mich ...“
FRED: ... dass ich weiter so aktiv
sein kann, dass ich weiter so bleiben kann. Es soll so bleiben. Es soll
nicht schlechter gehen.
K. Sternal: Vervollständigen Sie
bitte den Satz „MS ist für mich…“
FRED: … Mach´s selbst! ■
Hinweis: Das Interview führte Katharina Sternal, Deutscher Behindertensportverband e.V.
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Reisen
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Sehenswertes, Sonnen
Wassermelonen
Reisen
lidwina
Mythologie und Geschichte – das verbindet
man mit Griechenland, dieses Land gilt als Wiege der Naturwissenschaften und der Philosophie.
Griechenland – das sind aber auch Inseln, Strände,
strahlender Sonnenschein, Wassermelonen und
Meerestiere. All das erwartet die Urlauber bei uns.
Wir haben Ihnen eine Liste griechischer Städte zusammengestellt, die
Sie als Ausgangsbasis nutzen können, um andere Landesteile kennenzulernen. Hier finden Sie außerdem Informationen und nützliche Tipps für einen gelungenen
Griechenlandurlaub.
Athen
Ganz oben auf der Liste der Sehenswürdigkeiten stehen die Akropolis
und das angeschlossene Museum.
Hier begegnen Sie der Geschichte,
dem Geist und den Sagen der Antike. Vielleicht lassen Sie sich im Restaurant des Museums einen Tee,
einen Kaffee oder auch eine Mahlzeit servieren – mit Blick auf die
Akropolis. Die Straße am Fuß des
Felsens per pedes zu erkunden, bietet sich ebenfalls an. Sie können in
der griechischen Hauptstadt auch
noch weitere Museen und Sehenswürdigkeiten besichtigen, doch in jedem Fall sollten Sie die griechische
Küche probieren und ins Nachtleben
eintauchen. Clubs, Bars, traditionelle Musik, Konzerte, Schauspiel – Sie
haben die Wahl!
Athen ist barrierefrei: Es gibt genug öffentliche Verkehrsmittel
wie die U-Bahn (Metro), S-Bahn
(Proastiakos), Oberleitungsbusse,
Straßenbahnen und herkömmliche
Omnibusse, Taxen oder spezielle
Sightseeing-Busse.
Von Athen und Piräus aus gelangen
Sie praktisch an alle Orte Griechenlands, entweder mit dem Zug (z.B.
nach Meteora), mit dem Schiff (z.B.
die Inseln Mykonos und Syros), mit
dem Flugzeug (z.B. Alexandroupolis im Norden oder Kreta) oder mit
Fernreisebussen: Das Netz nennt
sich KTEL und bringt Sie in fast jeden Winkel des Landes.
Thessaloniki
Die zweitgrößte Stadt des Landes
befindet sich im Norden und beherbergt Zeugnisse dreier Epochen:
der römischen, der byzantinischen
und der ottomanischen. Die Sammlung byzantinischer Werke im
gleichnamigen Museum ist eine der
besten in ganz Europa. Thessaloniki bietet sehenswerte Freiluftmärkte, köstliche Speisen und Süßigkeiten aus dem Orient – und es liegt
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lidwina
Reisen
Tipps
für MS-Patienten
✚ Führen
Sie ein Schreiben Ihres Hausarztes in englischer Sprache
mit sich, mit Informationen über Ihren gesundheitlichen Zustand,
die Behandlung und weiterführende Informationen. Am Flughafen
kann Ihnen dieses Schreiben ebenfalls helfen, wenn Sie Medikamente bei sich führen. Außerdem sollten Sie eine Telefonnummer
dabei haben, unter der man notfalls Ihren Arzt erreichen kann.
✚ In der Regel gibt es in den Krankenhäusern auf dem griechischen Festland und auf größeren Inseln auch Neurologen. In kleineren Ortschaften gibt es hingegen häufig nur medizinische Versorgungszentren mit Allgemeinmedizinern.
gerade einmal fünf Kilometer vom
Meer entfernt. Ein Ausflug dorthin
lohnt sich, egal, ob Sie spazieren
gehen, sich amüsieren oder einfach
die Aussicht auf die See und – bei
klarer Sicht – den Olymp genießen
möchten.
In Thessaloniki können Sie sich mit
Bussen oder dem Taxi fortbewegen
oder sich ein Fahrrad leihen; auch
damit kommen Sie gut ans Meer
und durch die Stadt. Außerdem
gibt es spezielle Sightseeing-Busse, wobei viele Sehenswürdigkeiten
auch zu Fuß gut zu erreichen sind
(die Beschilderung ist im gesamten
Stadtgebiet ausgezeichnet).
Zu den Zielen in der Umgebung von
Thessaloniki gehören Vergina und
Pella (wo sich die Paläste und Königsgräber des antiken Makedoniens befinden), die westgriechischen
Seen (Kerkini oder Prespes), der
✚ Die Großstädte sind generell barrierefrei, was Menschen mit
eingeschränkter Mobilität angeht. Trotzdem sollten Sie vor einer
Griechenlandreise recherchieren und den Urlaub auf die eigenen
Bedürfnisse zuschneiden.
Thessaloniki
✚ Wichtig
ist die Auswahl des Reiseziels nach Ihren klimatischen
Bedürfnissen. In den Sommermonaten ist von einem Besuch von
Kreta und anderen Regionen, in denen es sehr heiß werden kann,
abzuraten, denn durch die Hitze fühlen Sie sich möglicherweise
schnell erschöpft und unwohl. Ein Besuch dieser Insel im Frühjahr
oder Herbst ist hingegen ein unvergesslich schönes Erlebnis.
✚ Die großen Hotels haben häufig umfassende Pakete, was die
Unterkunft, den Transport und die Freizeitgestaltung angeht. Die
meisten griechischen Städte werden von Überlandbussen angefahren. Diese Busse nennen sich „KTEL“, und mit ihnen lassen sich
kurze wie auch längere Strecken gut überbrücken. Eine günstige
Art zu reisen, die aber Menschen mit eingeschränkter Mobilität
nicht unbedingt zu empfehlen ist.
✚ Auf Fähren gibt es spezielle barrierefreie, behindertengerechte
Kabinen. Aufgrund ihrer begrenzten Anzahl sollten Sie vor einer
Überfahrt die Fährgesellschaft kontaktieren und rechtzeitig eine
solche Kabine buchen.
Korfu
Athen
Heraklion
Reisen
Olymp und natürlich die Halbinsel
Chalkidiki, ein wahrhaft paradiesischer Ort. Entlang der römischen
Via Egnatia gelangen Sie auf schnellem Weg selbst bis nach Istanbul.
Heraklion
Die Hauptstadt von Kreta ist das Tor
zu dieser Insel, die für ihre Strände
berühmt ist. Einige von ihnen zählen
zu den schönsten der Welt. Sprichwörtlich gut sind auch Speis und
Trank und die Gastfreundschaft auf
Kreta – die sogenannte Kreta-Diät
gilt als besonders gesund.
Heraklion ist keine Stadt mit traditioneller Architektur wie Rethymno oder Chania, aber ausgesprochen lebendig: Es ist einfach immer etwas los. In der unmittelbaren Umgebung liegt Knossos, ein
Wallfahrtsort für Archäologen mit
einem Palast aus minoischer Zeit.
Auch die von den Venezianern erbaute Stadtmauer ist sehenswert.
Venedig herrschte mehr als vier
Jahrhunderte über Heraklion; entsprechend viele Spuren finden sich
im gesamten Stadtbild. Das archäologische Museum ist überdies das
größte Europas.
Ob Sie in Heraklion unterwegs sind
oder einer anderen Stadt oder einem
Inseldorf: Ein Muss ist der Besuch
eines Festes mit Tanz, gutem Essen, Musik etc. Als Transportmittel
bieten sich auf der Insel Fernbusse
oder ein Leihwagen an.
Rhodos
Korfu
Die dem Westen Griechenlands
vorgelagerte Insel ist berühmt für
ihre Gastfreundschaft. Der Sage
nach fand schon Odysseus dort
nach all seinen Abenteuern Unterschlupf und wurde bestens versorgt.
Das kam vielleicht auch Kaiserin
Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sisi, zu Ohren, die dort
eine Sommerresidenz (Achilleion)
bauen ließ. Die Inselstrände (Palaiokastritsa, Kassiopi, Lefkimi und
viele weitere) sind fantastisch, und
die Stadt bietet viel Historie und
musikalische Unterhaltung.
Abgesehen von den Museen, der
Altstadt und dem alten Fort der Briten lohnen sich ein Spaziergang
durch die engen, verwinkelten Gassen und ein Besuch der Kirche, die
dem heiligen Spyridon geweiht ist,
dem Schutzpatron der Stadt. Vielleicht gehen Sie auch in ein Konzert: Auf Korfu gibt es fast vierzig
unterschiedlichste Musikvereine und
Orchester. Selbst der lokale Dialekt
klingt schon fast wie Musik!
Einzigartig sind auch die Museen
für Muscheln und asiatische Kunst.
Von Korfu aus gelangen Sie problemlos auf das westgriechische
Festland, und zwar in die Region
Epirus, oder auch auf andere Inseln,
von denen jede einzelne ihren besonderen Reiz besitzt.
Rhodos
Die Insel der Sonne, so lautet ihr
Beiname, denn fast immer scheint
sie dort. Bekannt ist Rhodos aufgrund seiner Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten. Die Insel hat
nicht nur schöne Strände zu bieten,
sondern auch viel antike Kultur –
nicht zuletzt stand hier der Koloss,
eines der sieben Weltwunder. Auch
der Johanniterorden residierte hier
einst; die mittelalterliche Stadt ist
von den Ordensrittern geprägt.
Die antiken Städte Ialissos und
Kameiros lohnen ebenso einen Ausflug wie das Tal der Schmetterlinge
und das Zentrum für Meeresbiologie, ein Paradies auf Erden.
Auf Rhodos gibt es ein innovatives,
genossenschaftlich organisiertes
Unternehmen, das von Menschen
mit Behinderungen geführt wird.
Diese Kooperative hat es sich zum
Ziel gesetzt, anderen Menschen mit
lidwina
Lesezeichen
Griechenland
theacropolismuseum.gr
Museum der Akropolis, Athen
oasa.gr
athenstransport.com
Öffentlicher Nahverkehr Athen
thessaloniki.gr
Website der Kommune
oasth.gr
Öffentlicher Nahverkehr der
Stadt Thessaloniki
Behinderungen mit detaillierten Informationen über die Barrierefreiheit von Hotels, Restaurants, Bars,
aber auch bei der allgemeinen Tourenplanung zu helfen.
Von Rhodos aus können Sie mit
dem Schiff viele nahe gelegene Inseln wie etwa Kos, Kalymnos und
Leros ansteuern. ■
Hinweis: Dieser Artikel entstand in
Kooperation von Konstantinos Michalakis, Vizepräsident der griechischen
Multiplen Sklerose Gesellschaft, mit Eftichia Balogianni, Ärztin für Neurologie,
und Erikaiti-Maria Fintzou, Studentin
Bildungs- und Sozialpolitik, Universität
Makedonien, Thessaloniki. Sie alle leben in Griechenland und beschreiben für
die deutschen Leser und Leserinnen Urlaubsziele in ihrer Heimat.
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lidwina
Gesellschaft
Krankenhausreform
Eine Bewertung der aktuellen Lage
Die Reform der Kliniklandschaft ist eines der
bedeutsamsten Projekte des deutschen Gesundheitswesens. Ein entsprechendes Gesetz
wurde im September auf den Weg gebracht.
Welche Veränderungen sind zu erwarten,
wenn das Gesetz beschlossen wird? Und wie
wirken sich die Regelungen auf die Patientinnen und Patienten aus? Dies sind folgenreiche
Fragen für Millionen Menschen in Deutschland. Denn mehr als ein Drittel der Bevölkerung leidet an chronischen Erkrankungen und
ist in einem besonderen Maß auf funktionierende Krankenhäuser angewiesen.
Gesellschaft
Mit einem bundesweiten Aktionstag protestierten die Krankenhäuser vor wenigen Tagen gegen die
von der Bundesregierung geplante
Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung. Kurz: Krankenhausstrukturgesetz – KHSG.
Der Auslöser für den Widerstand
war die Frage der künftigen Finanzierung der Kliniken. Nicht weniger als die Zukunft der Daseinsvorsorge stehe auf dem Spiel, warnten Vertreter der Ärzte. Sie forderten neue Stellen, einen finanziellen
Ausgleich für Tarifsteigerungen
und mehr Investitionen der Länder.
Ebenfalls harsch, aber zum Teil
auch durchaus besonnen kommentierten Interessengruppen, politische Akteure und Medien die geplante Klinikreform. Der Entwurf
bringe keine spürbare Entlastung,
lautete die zentrale Kritik. Mit dem
Gesetzentwurf würden die wesentlichen Probleme der Krankenhäuser
mit ihren insgesamt rund 1,2 Millionen Mitarbeitern nicht gelöst, sondern zum Teil auch verschärft.
Es besteht Handlungsbedarf
In der Tat fällt die Bewertung des
vorliegenden Gesetzentwurfes
auch aus Sicht des Sozialverbandes SoVD sehr durchwachsen aus.
So ist die geplante stärkere Messung und Darstellung der erbrachten
Behandlungsqualität in den Krankenhäusern grundsätzlich sehr zu
begrüßen. Zudem sind das geplante
Pflegestellen-Förderprogramm sowie die Prüfung besserer Berücksichtigung von Personalbedarf wichtig, um die Pflege der Patientinnen
und Patienten im Krankenhaus zu
lidwina
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Gesellschaft
Spickzettel
Sozialverband
Deutschland
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) vertritt die sozialpolitischen Interessen der chronisch Kranken, gesetzlich Rentenversicherten, der gesetzlich Krankenversicherten, der pflegebedürftigen und behinderten
Menschen.
Sitz des Verbandes ist seit 2003 Berlin. Rund 560.000 Mitglieder sind
in 14 Landesverbänden und bundesweit rund 2.300 Orts- und Kreisverbänden organisiert.
Der SoVD unterhält in den Landesverbänden ein flächendeckendes Netz
von Sozialberatungszentren und Kreisgeschäftsstellen, die die Beratung
der anspruchsberechtigten Mitglieder in allen sozialrechtlichen Angelegenheiten und auch die Vertretung vor den Sozialgerichten durchführen. Die Bundesrechtsabteilung nimmt die Interessen der Mitglieder vor
dem Bundessozialgericht wahr.
Der SoVD ist Träger von zwei Berufsbildungswerken in Bremen und Stendal, die eine berufliche Erstausbildung für junge Menschen mit Behinderung durchführen. Zudem ist der SoVD Träger einer Behindertenwerkstätte in Witten, die behinderten Menschen einen Arbeitsplatz bietet.
Der Verband wurde 1917 als Reichsbund für Kriegsverletzte und Kriegshinterbliebene des Ersten Weltkrieges gegründet. Um der Eingliederung
in den NS-Kriegsopferverband zuvorzukommen, löste sich der Reichsbund im April 1933 auf. Der 1946 neu gegründete Reichsbund hat sich
1999 in Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD) umbenannt.
Weitere Infos: sovd.de
gewährleisten. Aber auch Einzelmaßnahmen zur Sicherstellung der
Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten sind richtige
und wichtige Maßnahmen.
Dies gilt insbesondere mit Blick
auf eine bedarfsgerechte, barrierefreie, erreichbare und qualitativ
hochwertige stationäre Versorgung.
Diese Punkte sind nicht zu unterschätzen, weil ihre Bedeutung weiter wachsen wird. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Denn auch
wenn die Bevölkerung künftig tendenziell schrumpfen sollte, werden
die Krankenhäuser in wenigen Jahren deutlich mehr Patientinnen und
Patienten als heute behandeln müssen. Hierfür ursächlich sind die Zunahme typischer Alterskrankheiten
und die davon betroffenen Bezugsgruppen. Konkret bedeutet das zum
Beispiel: Bereits heute sind etwa 50
Prozent der Patienten in Allgemeinkrankenhäusern über 60 Jahre alt.
Jeder Zweite über 65 leidet an drei
oder mehr chronischen Erkrankungen. Dies stellt die Versorgung vor
besondere Herausforderungen.
Und die Altersgruppe der über Sechzigjährigen wird die zukünftige Bedarfsentwicklung bestimmen. Krankenhaus-, Patientenvertreterinnen
und -vertreter sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker
verweisen daher völlig zu Recht auf
die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgungssicherheit.
Diese Eckpunkte umfassend zu berücksichtigen und sicherzustellen,
ist zweifellos eine enorme Herausforderung. Sie bedeutet geradezu einen Kraftakt. Aber sie ist aus
Sicht der Patientinnen und Patienten unverzichtbar. Dies gilt insbesondere für den Zugang zu Krankenhäusern, der Grund- und Regelversorgung sowie der Notfallversorgung in strukturschwachen
Gebieten. Fachexperten warnen bereits seit längerer Zeit mit verschiedenen Szenarien vor einer drohenden Unterversorgung in Regionen
mit geringer Bevölkerungsdichte
und einer schwach ausgeprägten
Infrastruktur. Sie sind sich einig –
hier besteht Handlungsbedarf.
Negativ: Einseitige
Belastungen drohen
Mit Blick auf das geplante Gesetz
müssen zugleich die einseitigen Belastungen der gesetzlich Krankenversicherten durch steigende individuelle Zusatzbeiträge genauer betrachtet werden.
Gesellschaft
Zum 1. Januar 2015 wurde der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) auf
14,6 Prozent festgesetzt. Während
die Arbeitgeber vor den steigenden
Kosten geschützt sind, müssen die
Beschäftigten sowie die Rentnerinnen und Rentner sämtliche Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich
über Zusatzbeiträge allein schultern.
So sieht es seitdem das neue Gesetz
zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-FQWG) vor. Dieser Aspekt ist
auch für chronisch kranke Menschen
ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Denn die mit dem Gesetz einhergehende finanzielle Mehrbelastung ist
zweifellos beitragssatzrelevant. Zu
dieser Einschätzung kommt neben
dem SoVD auch der Spitzenverband
der gesetzlichen Krankenkassen. So
wird bereits heute für die Jahre 2016
bis 2018 ein Anstieg der Mehrausgaben um insgesamt 4,1 Milliarden
Euro prognostiziert. Aus Sicht der
Sozialverbände ist dies eine brandgefährliche Entwicklung an deren
Ende eine schwerwiegende soziale
Schieflage droht. Um dies präventiv
anzugehen, müssen die Zusatzbeiträge rasch auf den Prüfstand. Zudem gilt es, die steigenden Kosten
gerecht und solidarisch zu schultern. Dies setzt eine Rückkehr zur
paritätischen Finanzierung der Beiträge voraus. Mit der paritätischen
Finanzierung der Gesundheitskosten geht der Grundsatz einher, dass
die Versicherten entsprechend ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
Beiträge zahlen. Zum 1. Januar 2015
wurde die paritätische Finanzierung
einseitig zugunsten der Arbeitgeberseite verändert. Künftige Mehrbelastungen tragen seither ausschließlich
die Versicherten.
Zusätzlich braucht es Maßnahmen,
um die solidarische Umlagefinanzierung zu stärken. Dies könnte
zum Beispiel durch Einbezug weiterer Einkommensarten erfolgen.
Positiv: Behandlungs­
qualität rückt stärker in d
­ en
Mittelpunkt
Die im Gesetz eingeplante stärkere Messung und Darstellung der Behandlungsqualität in den Krankenhäusern ist im Grundsatz zu begrüßen. Denn eine Qualitätsoffensive ist
in diesem Bereich des Gesundheitswesens unbedingt erforderlich. Sie
auf die lange Bank zu schieben, wäre
riskant. Bereits 40 Prozent der Krankenhäuser schreiben rote Zahlen.
Dies hätte Einsparungen zur Folge,
die sich dann leicht auf die Qualität der Behandlung auswirken können. Deshalb ist es richtig, dass das
neue Gesetz die Behandlungsqualität in den Mittelpunkt stellt. Worum
geht es dabei im Detail? Hier fällt
der Blick zunächst auf eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Dies
ist neben der Qualität als Kriterium
der Krankenhausplanung sowie der
Krankenhausvergütung, eine patientenfreundlichere Gestaltung der
Qualitätsberichte der Krankenhäuser. Diese Berichte sollen künftig die
Ergebnisse von Patientenbefragungen enthalten und patientenrelevante
lidwina
Informationen übersichtlich und verständlich zusammenfassen. Zudem
soll jedes Krankenhaus verpflichtet
werden, seinen Qualitätsbericht leicht
auffindbar auf seiner Internetseite zu
veröffentlichen.
Diese Regelungen sind sehr zu begrüßen. Denn sie erhöhen die Transparenz über die Qualität der Behandlung. Dadurch wird eine umfassende,
verständliche und leicht zugängliche
Information ermöglicht. Auf dieser
Basis sind selbstbestimmte Patientenentscheidungen möglich. Deshalb
sollten die Ergebnisse der Qualitätsberichte möglichst einheitlich auf einer unabhängigen Plattform veröffentlicht werden. Damit wäre auch im
Sinne chronisch kranker Menschen
ein großer Schritt getan.
Fazit
Gut erreichbare und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung ist
unverzichtbar. Deshalb sind Maßnahmen der Klinikreform, die auf diese
Punkte abzielen, sehr zu begrüßen.
Die damit verbundenen Mehrausgaben werden jedoch zu steigenden
kassenindividuellen Zusatzbeiträgen führen. Dies bedeutet einseitige
Mehrbelastungen der Versicherten.
Um dies zu verhindern, ist insbesondere eine Rückkehr zur paritätischen
Finanzierung der solidarischen Umlagefinanzierung erforderlich. Hier
muss die Politik handeln und für Gerechtigkeit sorgen.
Adolf Bauer
Präsident des Sozialverbands
Deutschland
29
30
lidwina
Ernährung
Futter
für Muskeln
und Hirn
Ernährung ganz sportlich
Wer die Muskeln trainiert, tut auch etwas für
den Kopf. Körperliche Ertüchtigung hilft den
Nervenzellen, neue Verbindungen einzugehen
und sogar neue Nervenverbindungen zu bilden.
Rotes Thai Curry
mit ZitronengrasSeelachsfilet-Spießen
Für 2 Personen
1. 2 Seelachsfilets würfeln, mit 2 EL Limettensaft
beträufeln und würzen. 2 Stängel Zitronengras der
Länge nach halbieren und Fischwürfel damit aufspießen.
2. 1 Dose Kokosnussmilch in einem Topf erwärmen.
1 Stück Ingwer und 1 Knoblauchzehe mit der Knoblauchpresse ausdrücken und 1 TL Currypaste, Kreuzkümmel, Curry sowie 2 EL Limettensaft und Fischsoße dazugeben. Köcheln lassen.
3. 200 g Naturreis nach Anweisung kochen. Fischspieße in heißem Öl langsam anbraten und mit Fischsoße ablöschen. Reis mit Fisch und Soße servieren.
Quelle: kochbar.de
Hungrig nach dem Sport? Kein Problem: Wer durch
vermehrte Bewegung seinen Kalorienumsatz erhöht,
darf sich gesundes Essen gönnen: Berufene Experten
raten zur ausgewogenen, vollwertigeren Ernährung.
Die mediterrane Ernährung ist immer noch wegweisend – auch für MS-Patienten. Die Grundelemente dieser Ernährung unterstützen den Körper nachhaltig: Die
verwendeten Öle enthalten die nötigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, der Fisch versorgt den Körper mit
der Eicosapentaensäure (kurz EPA) und Vitamin D und
der hohe Anteil an Obst und Gemüse hält den Stoffwechsel auf Trab.
Zusammengefasst sieht ein gesunder Speiseplan so aus:
✚
Täglich Obst und Gemüse
Regelmäßig Fisch und eiweißhaltige Lebensmittel
(z.B. Soja oder Hülsenfrüchte)
✚ Wenig tierische Produkte, wie Fleisch, Wurst
und Eier
✚ Wenig Fett und Alkohol
✚
Übrigens: Im Portal www.kochbar.de finden kochwillige MS-Patienten ihre Gruppe: Gesund kochen & essen
bei MS. Ein tolles Angebot, um die „Jeden-Tag-Küche“
aufzupeppen. ■


Leserforum
lidwina
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


 ✒
 ❤ 
ein Anwalt hat es nicht geschafft, dieses durchzuboxen.

Ich habe es aufgegeben und suche nun ein gebrauchtes
✒
Dreirad mit Elektroantrieb.

 ❤ 
Jörg




 Gute Erfahrungen mit dem VdK
✒

✒

Die Kassen sind (finanziell) der „natürliche Geg (…)
❤


ner“
des Kranken, denn die kosten Geld. Chronisch
 ❤
Kranke sind besonders „große Gegner“. Damit ist es


Leserforum
Es steht ein Hotel in Kolberg
(…) mit großem Interesse habe ich Ihren Bericht über
Ihren Aufenthalt in Kolberg gelesen.
Die Beschreibung über das Hotel hat mir sehr gut gefallen, sodass ich gerne den Namen des Hotels erfahren
möchte. Über die Internetseite kolobrzeg.de war es mir
nicht möglich den Namen zu eruieren.
von der Sache her immer etwas schwieriger, Leistungen
einzufordern oder einzuklagen. Auf diesem Weg helfen
jedoch verschiedene Verbände oder Institutionen und
schlussendlich auch das Sozialgericht. Ich persönlich
habe mit dem VdK gute Erfahrungen gemacht, der im
Übrigen das Thema „Fahrrad/Therapiefahrrad“ gerade
in den Fokus genommen hat.
Ich kann Sie nur ermutigen, solche Wege zu gehen und
die Hilfen zu nutzen.
Hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen für das
Fahrrad – aus Behinderungsgründen – haben Sie nicht
die optimale Situation. Jedoch spielen auch eine Reihe
anderer Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung (z.B.
Verhinderung zunehmender Beeinträchtigungen etc.).
Damit würde ich Ihnen raten, sich mit Ihrer speziellen
Situation an den VdK oder eine andere Beratungsinstanz zu wenden, im Netz zu recherchieren und nicht so
schnell „die Flinte in das Korn zu schmeißen“.
Ich wünsche Ihnen ALLES Gute und Mut!
Jochen
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Nadja
Anm. d. Redaktion: So erging es noch einigen anderen
Lesern. Daher veröffentlichen wir hier den Namen des
Hotels: Es handelt sich um das Hotel IKAR in Kolberg.
Nähere Informationen erhalten Sie auch unter:
www.ikar-centrum.pl/de.
Therapiefahrrad? Fehlanzeige.
(…) Leider ist mir auch so etwas Ähnliches passiert.
Ich bin früher gerne Fahrrad gefahren. 120 Kilometer war kein Thema. Nach meinem MS-Schub 2008 ist
mein Gleichgewichtssinn und die linke Seite gelähmt.
Ich habe kein Therapiefahrrad bekommen, da ich ja einen Rollstuhl und einen Elektro-Scooter habe. Auch
In eigener Sache
Handicaps
2016
Phil Hubbes neuer Wandkalender ist im Lappan
Verlag erschienen. Der Verlag titelt hierzu: „Phil
Hubbes Cartoons sind erfrischend offen und befreiend komisch. Der Kalender für jeden mit (und
ohne) Handicap.“
www.lappan.de
Ich – Du –
Wir
Inkontinenz
& MS
Wir sind soziale Wesen und müssen
die Beziehungen mit anderen Menschen
gestalten. Aber wie geht das?
Ein Thema, dass immer
gern verschwiegen wird und
doch viele betrifft.
85063235 | L.DE.MKT.SM.10.2015.4102 | BETA lidwina 3 | 2015
Vorschau März 2016