Abstract - Österreichische Gesellschaft für

Tag der Politikwissenschaft
27. – 28. November 2015
Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft & Abteilung
Politikwissenschaften/Universität Salzburg
Call for Papers
Spukende Zukunft: Zur Theoretisierung von Hauntology, politischer
Handlungsfähigkeit und (post-)demokratischen Gefühlen in den Romanen
Quecksilbertage und Das lange Echo
Einreicher/in
Georg Spitaler
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Abstract
Angesichts der traumatischen Gegenwart eines „kapitalistischen Realismus“ diagnostiziert der
Britische Kulturtheoretiker Mark Fisher (2013) in seinem einflussreichen Essayband Ghosts of
my Life. Writings on Depression, Hauntology and Lost Futures die Schwierigkeit, eine
emanzipative Vorstellung der Zukunft zu entwickeln, die sich von der Gegenwart unterscheidet.
Er identifiziert Melancholie als (populär-)kulturelle Stimmung fehlender politischer
Handlungsfähigkeit und rückwärtsgewandter kultureller Stagnation ‒ als Ausdruck spukender
verdrängter Vergangenheit wie nicht eingetretener Zukunft, aber auch der Weigerung, das
Verlangen nach dieser möglichen Zukunft aufzugeben. Um diesen Problemhorizont von
postdemokratischen Gefühlen und politischer Handlungsfähigkeit weiter zu theoretisieren,
schlägt mein Beitrag eine „parallele Lektüre“ (Marion Löffler) von Fishers Essays mit den beiden
Romanen Quecksilbertage (Eva Schörkhuber, 2014) und Das lange Echo (Elena Messner, 2014)
vor. In den beiden literarischen Texten finden sich ebenfalls Motive der „Geisterbeschwörung“,
von „Spuren“, Störgeräuschen und „Echos“, behandelt werden auch Fragen von Erinnerung und
österreichischer Vergangenheitspolitik. Ein Leitthema bildet dabei gerade der
„Handlungsspielraum von Protagonistinnen, der durch ihre Beschäftigung mit historischen
Themen bis in die Gegenwart erweitert werden soll“ (Schörkhuber/Messner). So können die
beiden Romane einerseits als Beispiel für die von Fisher beschriebene Hauntology gesehen,
gleichzeitig aber auch als theoretischen Beitrag zur Debatte über den „kapitalistischen
Realismus“ gelesen werden. Der Vortrag fragt daher danach, welche Perspektiven die beiden
Romane im Hinblick auf die in Ghosts of my Life gezeichnete melancholische politische
Krisenstimmung bieten. Inwiefern liefern die literarischen Texte und ihre spezifischen
narrativen Stilmittel - etwa Polyphonie, Parodie, Modellierung von Zeitlichkeit - Möglichkeiten
zu einer „Neuaufteilung des Sinnlichen“ (Rancière), um auf diese Weise alternative bzw.
gegenhegemoniale Erzählungen zum „kapitalistischen Realismus“ zu entwerfen? Fiktionale
Literatur scheint besonders geeignet, Einblicke in politische Subjektivierung und die Bedeutung
von Gefühlen für politische Handlungsfähigkeit zu liefern. Neben der konkreten Themenstellung
gegenwärtiger Perspektiven emanzipativer Theoriebildung fragt der Beitrag damit allgemeiner
nach dem produktiven Beitrag von fiktionalen Narrativen für politische Theorie.
Schlagwörter: Politische Theorie, Affective turn, politische Handlungsfähigkeit,
Theoriearbeit