U1_U2_U3_U4__Layout 1 18.08.15 10:50 Seite 1 Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 Das Magazin für Lesben www.l-mag.de | September/ Oktober 2015 MAG IM GESPRÄCH Super-Butch Lea DeLaria ZDF-Gesicht Dunja Hayali WER SPIELT MIT WEM? Saisonstart der Frauen-Bundesliga AR SUPERST RUOBSEY R Das Film-Heft MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND! Warten auf’s Happy End: vom New Queer Cinema zum Mainstream Titel_L-MAG_U2_U3_U4__Layout 1 17.08.15 13:48 Seite 2 Europas größte Partnervermittlung *03-03 Editorial_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 18.08.15 11:16 Seite 3 INTRO L-MAG September/Oktober 2015 Das Film-Heft L-MATES Coverfoto: Mathieu Young/Netflix, Model: Ruby Rose Eine der derzeit wohl schönsten Frauen, die sich in der öffentlichen lesbischen Welt tummeln, ziert unser Cover: Ruby Rose, Schauspielerin, Serien- und Filmstar. Was wäre ein Heft zum Thema Film auch ohne einen Star? Vor allem einer, der trotz makelloser Schönheit seine Stachligkeit nicht verliert, sondern frech und immer offen und selbstbewusst ihr Lesbischsein zelebriert – das zelebrieren wir doch gerne mit! CHRISTIANE LEIDINGER, 46 ist freischaffende Politikwissenschaftlerin in Berlin-Kreuzberg. Die Feministin steht auf Hitze, Meer und Akten. Sie lehrt und forscht zu Protest und Lesbengeschichte. Für das aktuelle Heft porträtiert sie die Vorkämpferin Johanna Elberskirchen. LAWRENCE FERBER, 46, ist ein waschechter New Yorker. Dort ist er Kultur- und Reisejournalist sowie Drehbuchautor. Für diese Ausgabe interviewte er die Schauspielerin und Sängerin Lea DeLaria zu ihrem David-Bowie-TributeAlbum und ihren Frauengeschichten. Das Filmheft Fotos: David Higgs, Privat(3) MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND! Warten auf’s Happy End: Vom New Queer Cinema zum Mainstream L-MAG SARAH STUTTE, 37, ist in Zürich als freischaffende HerzblutFilmjournalistin tätig. Über ihrem Sofa hängen alte Horrorfilmplakate und sie betreibt mit einem Verein ein kleines, alternatives Kino. Für dieses Heft hat sie die Film-Päpstin B. Ruby Rich interviewt und die Legende Liva Tresch porträtiert. 3 *04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:46 Seite 4 32 INHALT 3 INTRO 4 INHALT 6 LESERINNENPOST/ IMPRESSUM 8 MAGAZIN Angela Merkel mit L-MAG Fußball-Trikot | CindySherman-Ausstellung | Homo-Ehe in Italien | Filmreihe„Aufbruch der Autorinnen | Heldin: Patrisse Cullors | Neues Geschlechtsbestimmungs-Gesetz in Irland 11 L-KAMPAGNE Fussballerin Nilla Fischer 12 MAGAZIN REGIO Baden-Württemberg: Frida Kahlo Ausstellung | Bayern: Lesben-Kultur-Tage München | Basel: 25 Jahre Lesbian & Gay Sport 14 POLITIK Nach uns die Zukunft: neuer Umgang der Kirchen mit Homosexualität? | Post-homophobe USA: Interview mit US-Botschafter John B. Emerson 18 INTERNATIONAL Rückwärtsgang in Indonesien? 20 ABO 22 PERSONALITY „Der Körper einer Frau ist für mich Heimat“: Die Schweizer Legende Liva Tresch 26 FERNSEHEN Die Frühaufsteherin: ZDF-Moderatorin Dunja Hayali im Interview 28 GESCHICHTE „Homosexualität_en“-Ausstellung in Berlin | Die Geschichte der Johanna Elberskirchen 32 TITELTHEMA FILM Ruby Rose im Porträt | Corky, Lisbeth, Pussy – unsere Lieblingsfilmheldinnen| New Queer Cinema: Interview mit B. Ruby Rich |Ignoranz ist keine Option – Frauen und das Filmemachen | Queer Filmfestivals | Die schönsten Trash-Filme 4 50 FOTO Jessica Yatrofsky:„I Heart Girl“ 56 SPORT TITELTHEMA FILM MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND! Spielerinnenkarussell: Zum Start der Frauenfußball-Bundesliga Saison 2015/16 58 MUSIK Ist Jazz heterosexuell? | Interview mit Big-Butch Lea DeLaria 64 MUSIK L-SOUNDS Peaches | Sophie Auster | K’s Choice | Georgia | Ane Brun | Wallis Bird | Mo Kenney | Malo 66 DIGITALES LEBEN Die Heldinnen: L-MAGs Top Five der starken Frauen in Games 70 BUCH 20 Jahre Querverlag |„Marta Halusa und Margot Liu“ |„Was in den Schatten ruht“ und„Herzblut: Du stirbst in meinem Herzen nicht“ |„How to Be Gay“ |„Kritik des Staatsfeminismus“ 74 REISE Volksentscheid macht sexy: Irland als angesagtes Reiseziel für LGBT 76 HEIM & HERD Leidenschaftlich ökologisch: Bäckerei Cibaria in Münster 78 EROTIK Schatz, wir müssen reden! – Pornos mit Handlung 80 KLATSCH 82 HOROSKOP L-MAG im Internet: www.l-mag.de 26 FERNSEHEN Dunja Hayali im L-MAG-Gespräch L-MAG *04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:46 Seite 5 L-MAG SEPTEMBER/OKTOBER 2015 66 DIGITALES LEBEN Heldinnen der Games 60 MUSIK Lea DeLaria im Interview 50 FOTO „I Heart Girl“ Fotos: Jackie Baier, Tomec Weiss, Sophy Holland, Jessica Yatrofsky L-MAG 5 *06-07 Leserinnenbriefe_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 18.08.15 12:25 Seite 6 LESERINNENPOST Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 www.l-mag.de | Juli / August Das Magazin für Lesbe n MAG Die aktuelle L-MAG-Ausgabe bequem und portofrei online bestellen bei: www.magazineshoppen.de Hallo, wir waren diese Woche auf Mallorca als Wiederholungstäterinnen und haben uns tierisch gefreut, dass es seit diesem Jahr im Megapark (Arenal) eine LGBT-Lounge gibt. Leider scheint es noch recht unbekannt zu sein. Wir waren fast die Einzigen in dieser Lounge. Wir haben sonst das Gefühl, dass wir unterwegs auf Mallorca immer recht viele Lesben sehen, aber die Lounge ist einfach noch zu unbekannt. Es wäre schön, wenn wir das nächstes Jahr hingehen, die Lounge noch bestehen würde und wir mehr LGBT-Leute dort antreffen würden. Viele Grüße aus Lörrach, Sonja Kleine Liebesbriefe zwischendurch versüßen den Redaktionalltag: Liebe L-MAG-Frauen, meine Partnerin und ich, frisch verliebt und zwei Tage nach unserem ersten Date schon zusammenlebend, freuen uns aufs gemeinsame Schmökern in unserem kuscheligen Bett. Lena und Melli T FRAUEN MIT MEINUNG ÜBER Keine Lust, zum Laden zu gehen? Mitten aus dem Leben von L-MAG-Leserinnen 2015 DEUTSCHL AND DISKUTIER Unsere Leserinnen Diana und Michelle warfen sich für die Hochzeit von Freundinnen in Schale: Post(s) von L-MAGFreundinnen auf Facebook KULTSP ORT ROLLER DERBY 16.000 FANS! POLITIK ODER PARTY? Mitglieder-Befragung der Berliner CDU zur Ehe-Öffnung. Ergebnis: 45 Prozent dagegen, 35 Prozent dafür: Manuela B.: Vor allem haben nur ein Drittel der Mitglieder abgestimmt. Miriam K: Die wollten Mutti nur nicht vor den Kopf stoßen. ;-) Sina E.: Warum wird das Volk nicht gefragt? Diana (li.) und Michelle (re.) Die Redaktion fand das großartig und wünscht allen Oktoberfest-Fans ein tolles Fest! Wohlsein! Liebe Leserinnen, schreibt uns, wir freuen uns: [email protected] Die nächste L-MAG-Ausgabe November/Dezember 2015 erscheint am 30.10.2015 Angela Merkel spricht sich im Interview mit YouTube-Star Le Floid gegen die Homo-Ehe aus: Renate M.: Wann wacht diese Frau mal auf?! Jennifer Q.: Gehen wir wählen und schauen, was dann passiert. Vielleicht haben wir mit nem neuen Kanzler mehr Glück? Angie F.: Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es doch, oder nicht?! Also bitte, Frau Bundeskanzlerin, jede so, wie es ihr gefällt. L-MAG ist Deutschlands Magazin für Lesben. Es erscheint zweimonatlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Verlag: Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin, Tel.: (030) 23 55 39-0, Fax: -19 Geschäftsleitung: Gudrun Fertig, Manuela Kay Creative Director online: Gudrun Fertig Creative Director print und Chefredaktion: Manuela Kay (V. i. S. d. P.) 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Die Special Media SDL GmbH Gläubiger-ID: DE88ZZZ00000661768 L-MAG im Internet: www.l-mag.de www.facebook.com/MagazinLMAG Foto: Privat IMPRESSUM L-MAG *06-07 Leserinnenbriefe_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 17.08.15 12:40 Seite 7 *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 8 L.MAGAZIN Echte Angela Merkel mit echtem L-MAG-Trikot Fototermin mit 100 Fußballerinnen und der Kanzlerin im Rahmen von „Discover Football“ Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es gewohnt, internationalen Besuch zu bekommen. Aber mit über 100 Fußballerinnen aus 25 Ländern, die sich zur Eröffnung des Frauenfußball-Festivals „Discover Football – Beyond Borders“ in Berlin bei ihr am 30. Juni im Kanzleramt einfanden, war dann doch sichtlich eine Menge geboten. Als Auftakt zur „Kleinen WM in Kreuzberg“, wie die künftige Bundestrainerin Steffi Jones das Turnier nennt, wurden die Teilnehmerinnen zum Fototermin mit Frau Merkel geladen. Dabei wurde ihr auch ein OriginalTrikot des Berliner Heimteams von Discover Football überreicht. Stolzer 8 Trikotsponsor dieser Mannschaft ist L-MAG – Sichtbarkeit, auch des großen Anteils von Lesben im Fußball, ist nur eines der vielen Themen, um die es beim „Discover Football Turnier“ ging. Überthema waren Grenzen, die es in jeder Hinsicht zu überwinden gilt sowie die Selbstverwirklichung von Frauen, was sich durchaus auch am Recht auf Fußballspielen ablesen lässt. Menschenrechte für Frauen fangen unter Umständen nämlich schon auf dem Fußballplatz an. Das Turnier wurde übrigens ein voller Erfolg und Angela Merkel hat jetzt eine schöne Alternative zum Drei-Knopf-Blazer. // kay L-MAG *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 9 Fotografisches Lebenswerk Cindy Sherman-Ausstellung in Berlin Cindy Sherman, Meisterin ihres Fachs und eine der wenigen wirklich erfolgreichen Frauen in der internationalen Kunstszene, hat sich in ihren Fotoarbeiten zumeist mit Körper, Identität und Stereotypen von weiblichen Rollenbildern befasst. Bekannt wurde die mittlerweile 61jährige New Yorkerin vor allem durch ihre fotografischen Selbstinszenierungen. Dabei fungiert sie zugleich als Künstlerin und als Model – dies oft bewusst provokant-verstörend und hässlich. Die Zeitschrift ARTnews zählt sie zu den besten zehn lebenden Künstlerinnen und Künstlern der Welt. Grund genug also, die Ausstellung mit 65 Fotografien von Sherman aus fast all ihren Schaffensperioden in der Berliner Galerie me Collectors Room zu besuchen. Zeit dafür ist noch bis April nächsten Jahres. // kay Cindy Sherman: „Works from the Olbricht Collection“, 16. September 2015 bis 10. April 2016, me Collectors Room Berlin, www.me-berlin.com Fotos: Dana Rösiger, Cindy Sherman and Metro Pictures, Soyham Erim Italien muss Eingetragene Lebenspartnerschaft einführen Italien muss für homosexuelle Paare eine rechtlich verbindliche Institution zur Anerkennung ihrer Lebenspartnerschaft einführen, entschied am 21. Juli der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der LSVD begrüßte das Urteil als richtungsweisend. Wie Sprecherin Gabriela Lünsmann erklärte, mache das Urteil erstmals deutlich, dass gleichgeschlechtlichen Paaren eine rechtliche Absicherung zusteht: „Alles andere ist ein Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die festlegt, dass jede Person das ,Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens‘ besitzt.“ Die Straßburger Entscheidung geht zurück auf die Klage von drei schwulen italienischen Paaren. Als eines der wenigen EU-Länder hatte Italien bislang keine legale Möglichkeit der Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften. Die Umsetzung des Urteils auf nationaler Ebene dürfte sich in dem wertkonservativen und traditionell stark katholisch beeinflussten Land nicht ohne Gegenwind verwirklichen lassen. Bislang waren derartige Vorstöße am Widerstand der Opposition und der katholischen Kirche gescheitert. Als Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist Italien rechtlich an das Urteil des EGMR gebunden. Die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Ministerpräsidenten Matteo Renzi kündigte denn auch an, die Straßburger Entscheidung in Form einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft bis Jahresende umzusetzen. Bislang haben nur gut die Hälfte der 47 Vertragsstaaten, die die Konvention unterzeichnet haben, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich anerkannt. // Melanie Götz L-MAG Filmheldinnen der 60er Jahre Filmreihe „Aufbruch der Autorinnen“ Der Film„The Girls“ von Mai Zetterling Mit der „Nouvelle Vague“ gab es im europäischen Kino der 1960er Jahre neuartige Filme über Konflikte sowie die gesellschaftliche Emanzipation in dieser Zeit. Das Festival „Aufbruch der Autorinnen. Die Regisseurinnen der 60er Jahre in Europa und die Heldinnen ihrer Filme“ widmet sich als kommentierte Filmreihe und Tagung „der weitgehend unbekannten Tatsache, dass in diesem Kino nicht nur die Rebellion der Söhne gegen die Väter zum Ausdruck kommt, sondern dass es zugleich einer ersten Generation von jungen Frauen gelang, als Autorinnen abendfüllende Spielfilme zu drehen“, wie es im Programm heißt. Angeboten werden 30 Veranstaltungen mit rund 20 teilweise unbekannten, neu restaurierten und untertitelten Spielfilmen mit weiblichen Heldinnen. Darunter Filme von Mai Zetterling, Vera Chytilová, Márta Mészáros, Paula Delsol und Judit Elek. Kommentiert und eingeordnet werden diese filmischen, feministischen Meilensteine von zeitgenössischen Filmemacherinnen und Expertinnen wie Nelly Kaplan, Ula Stöckl, Tatjana Turanskyj, Gaby Babic, Erika Gregor und anderen. Die Filmreihe und Tagung möchte deutlich machen, dass es bereits in den 60er Jahren einen weiblichen, mitunter radikalen Blick auf die Gesellschaft gab und dieser auch in einer modernen Kinosprache umgesetzt wurde. Eine echte Entdeckungsreise wird hier geboten, die für neue und alte Film-Feministinnen absolut empfehlenswert ist. // kay ^ Zur Anerkennung verurteilt Cindy Sherman, Untitled # 96, 1981 Festival vom 15. Oktober bis 15. November, Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum, Berlin www.sasch-berlin.de 9 *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 10 L.MAGAZIN DIE HELDIN Patrisse Cullors Aktivistin, Künstlerin und #BlackLivesMatter-Superheldin *1984, Los Angeles, USA Patrisse Cullors wurde 1984 in Los Angeles geboren und war früh gezwungen, sich mit dem US-amerikanischen Gefängnissystem auseinanderzusetzen: Ihr Vater wurde während ihrer Kindheit immer wieder wegen Drogenanklagen verknackt. Als schließlich auch noch ihr älterer Bruder im Gefängnis landete und ihr von erheblicher Gewalt durch Justizbeamte berichtete, begann Cullors, sich dem Aktivismus zu widmen. Erst sammelte sie Geld für die Anwaltskosten ihres Bruders, später arbeitete sie als Freiwillige für die Civil Rights Organisation Bus Riders Union und engagierte sich für grundlegende Reformen des Gefängnissystems. Nach ihrem Comingout wurde sie zu Hause rausgeworfen und lebte fortan mit anderen jungen queer Women of Color zusammen. Sie arbeitete weiterhin aktivistisch und künstlerisch für soziale Gerechtigkeit, gegen rassistische Polizeigewalt und gegen das Gefängnissystem. Sie begann, Religionswissenschaft und Philosophie zu studieren und sich mit Theater, Tanz und Performancekunst zu befassen. Nachdem im Juli 2013 George Zimmermann, der angeklagt war, den afroamerikanischen Teenager Trayvon Martin ermordet zu haben, freigesprochen wurde, veröffentlichte eine Freundin Cullors, Alicia Garza, auf Facebook ein Posting, das mit dem Statement „Our Lives Matter, Black Lives Matter“ endete. Cullors machte daraus den Social Media Hashtag #BlackLivesMatter, der sich auf Twitter, Tumblr und Facebook rasant verbreitete. Seitdem ist #BlackLivesMatter antirassistisches Programm, Aufruf, Erkennungszeichen der neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung und in mehreren Ländern tätige Organisation zugleich. Für ihr Engagement wurde Cullors inzwischen mit einem Sidney Goldfarb Award und dem von der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) verliehenen Titel „History Maker“ geehrt. // kk „In den USA und der ganzen Welt hat Rassismus gegen Schwarze globale Konsequenzen. ,Black Lives Matter’ ist ein Weckruf‚ ein Mantra, ein Glaubensbekenntnis“ My gender? My choice! Die Transgender-Flagge (als Symbol der Trans-Bewegung) mit irischem Glücksymbol 10 Trans-Menschen und -Aktivistinnen haben in Irland allen Grund zu feiern: Am 15. Juli hat das irische Parlament die „Gender Recognition Bill“, ein Gesetz zur selbstbestimmten Geschlechtsanerkennung, verabschiedet. Zum ersten Mal können damit Trans-Personen ab dem 18. Lebensjahr ihr Geschlecht im Personenstandsrecht per eidesstaatlicher Erklärung selbst definieren und rechtsverbindlich anerkennen lassen. Nach einer Überarbeitung früherer Entwürfe ist hierfür auch keine medizinische Diagnose mehr nötig. Evelyne Paradis, Geschäftsführerin der europäischen Sektion der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGAEurope), spricht von einem „großen Sprung nach vorne“ in Irland und verband damit die Hoffnung, dass diese Gesetzesänderung „auch die europäischen Nachbarländer inspirieren“ könne. Neben Irland gibt es ähnlich progressive Gesetzesregelungen zur Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit ohne Gutachten über eine vermeintliche „Geschlechtsidentitätsstörung“ weltweit bislang nur in Dänemark, Malta, der Region Andalusien (Spanien), Argentinien, Kolumbien und in Teilen Australiens. (Mehr zu Irland auf Seite 74) // Melanie Götz Fotos: Blaine Ohigashi/picture alliance/ZUMA Press Irland beschließt neues Gesetz für Trans-Personen L-MAG *08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:53 Seite 11 Supercool lesbisch Nilla Fischer ist eine der besten Fußballspielerinnen der Welt und hatte es noch nie nötig, sich zu verbiegen oder zu verstecken. Die in ihrem Heimatland Schweden sehr beliebte und bekannte Sportlerin wurde dort im Jahr 2014 zur LGBT-Person des Jahres gewählt. Selten sprach eine Prominente so locker und unverkrampft über ihr Lesbischsein wie Fischer im L-MAG-Interview (Mai/Juni 2015), als wir sie bei ihrem deutschen Verein VfL Wolfsburg, dem Pokalsieger und Titelfavorit für die Saison 2015/16 besuchten. (Mehr zur kommenden Bundesliga-Saison auf Seite 56). // kay Foto: Tanja Schnitzler *12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:48 Seite 12 L.MAGAZIN REGIONAL Baden-Württemberg Zu Gast bei Frida Foto-Ausstellung „Frida Kahlo – Größer als das Leben“ Frida Kahlo1926, fotografiert von ihrem Vater Wilhelm„Guillermo“ Kahlo Wer Frida Kahlo liebt, sollte sich sofort ein Ticket nach Baden-Baden besorgen, denn dort findet gerade etwas noch nie Dagewesenes statt: Das Kunstmuseum GehrkeRemund lädt in das private Reich der Künstlerin ein. Die Fotoschau ist eine Mischung aus Tempel, Ehrenmal und Aufklärungsfilm, ambitioniert bis zum Anschlag und wahnsinnig schön. Nie gezeigte Fotos geben Einblicke – von kleinformatig bis riesengroß. Man sieht mexikanische Kleider und Accessoires, die Frida hätte tragen können. Die Ausstellung wirkt ganz so, als wäre die Künstlerin nur kurz auf die Terrasse gegangen, während man selbst ihre Gastfreundschaft genießt. Ein Katalog gibt Zusatzinformationen und so manches Geheimnis preis, das hinter den über 160 Fotografien und Raum-Situationen verborgen ist. Übrigens tourt die Gemäldeausstellung von Frida Kahlo „Viva La Vida“ der Museumsgründerin Dr. Mariella Remund und des -gründers HansJürgen Gehrke mit Repliken von Fridas malerischem Werk derzeit in den USA. //Lena Braun „Frida Kahlo“ noch bis 10. Januar 2016, www.kunstmuseum-gehrke-remund.org www.fridakahlostory.com Acht neue phantasievolle Storys, in denen es lustvoll und unverblümt zur Sache geht. Auch zum Vorlesen bestens geeignet! uch als A eBook ch! erhältli 12 ---> www.krugschadenberg.de Fotos: Wilhelm Kahlo, Privat(2) Venusgeflüster 2 L-MAG *12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:48 Seite 13 Der Verein der Münchner „Powerlesben“ organisiert zum zweiten Mal die Lesben-Kultur-Tage Bayern Geballte Kultur Lesben-Kultur-Tage Simona Meiler, Snowboard-Weltcup-Athletin und Olympia-Teilnehmerin Basel Maximale Herzfrequenz 25 Jahre lesbisch-schwuler Sport in der Schweiz Die Münchner „Powerlesben“ hoben im letzten Jahr ein Event aus der Taufe, das ihrer Meinung nach schon lange fällig war. Mit den LesbenKultur-Tagen wollte die Gruppe, die im Verein LesKult – Lesben bewegen München e.V. – beheimatet ist, eine Plattform für lesbische Sichtbarkeit schaffen sowie das vielfältige persönliche, kulturelle und politische Wirken von Lesben zeigen und reflektieren. Dies vor allem, um Brücken zu bauen und die verschiedensten Kulturen sowie Generationen zu verbinden. Deshalb wird bei den einzelnen Veranstaltungen nach Möglichkeit auf Barrierefreiheit geachtet. So werden unter anderem Gebärdendolmetscherinnen auf Anfrage gestellt. Nach dem erfolgreichen Start im letzten Jahr gibt es diesmal einen Veranstaltungstag mehr, so stehen zehn Tage ganz im Zeichen lesbischer Kultur. Das bunte Programm beinhaltet Livemusik, lesbisch-feministisches Theater, Speeddating, ein Frauenfest, einen Selbstbehauptungsworkshop, Lesungen, Vorträge sowie einen „erotischen Spielplatz“. Damit werden auch in diesem Jahr keine lesbisch-kulturellen Wünsche offengelassen. Die „Powerlesben“ freuen sich gemeinsam mit den mitwirkenden Organisationen Imma (Initiative für Münchener Mädchen – mit JuLeZ), Munich Kiev Queer, LeTRa, Münchner Aidshilfe, Forum Homosexualität München, Lillemors Frauenbuchladen und dem Großen Frauenfest München auf eine rege Teilnahme von Lesben, Bi und Trans. // Sarah Stutte Unter dem Motto „25 Jahre maximale Herzfrequenz“ feiert Lesbian & Gay Sport Regio Basel in diesem Herbst sein 25-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass stellt der Verein das vielfältige Veranstaltungs- und Informationsprogramm „Sportpanorama Basel“ auf die Beine. An drei Veranstaltungstagen werden Vorträge und Diskussionen rund um das Thema Sport und Homosexualität geboten. Am 23. September heißt es „Homosexualität im Sport“, am 28. September „Homophobie und Sexismus rund um den Fußball“ und am 2. Oktober „Wie viele Geschlechter kennt der Sport?“ Zu den Themenabenden werden unter anderem die ehemalige deutsche Fußball-Bundesligaspielerin Tanja WaltherAhrens, die Snowboarderin Simona Meiler und die Kulturwissenschaftlerin Dr. Tatjana Eggeling, die unter anderem Bundesligaclubs zum Thema Homophobie berät, anwesend sein. Der lesbischschwule Sportverein bietet eine Vielzahl von sportlichen Disziplinen von Badminton bis Yoga an. Im Regelfall sind alle Angebote mixed, also für Frauen und Männer – außer natürlich Fußball, der ist den Frauen vorbehalten! // Sabine Mahler 29. Oktober bis 7. November www.leskult.de 23., 28. September und 2. Oktober www.lgsportbasel.ch L-MAG 13 *14-15 Politik Kirche und Homos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:49 Seite 14 POLITIK Nach uns die Zukunft? Die Kirchen sind in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber. Egal ob katholische oder evanglische, der Umgang mit Lesben und Schwulen, die für die Kirchen arbeiten, oder ihr angehören, ist alles andere als zeitgemäß. Ist ein Wandel überhaupt möglich? Neuer Rekord der Kirchenaustritte Und während auf katholischer Seite Papst Franziskus von manchen wie ein Popstar gefeiert wird, meldet die Deutsche Bischofskonferenz eine neue Rekordzahl an Kirchenaustritten in Deutschland. Mit 217.716 Austritten stimmen die Menschen sozusagen mit den Füßen ab: die katholische Kirche ist für sie offensichtlich nicht mehr zeitgemäß. Ein herber Schlag für die Amtskirche, die sich zumindest in den Ländern des Globalen Nordens mit dem Wandel hin zu einer 14 gesellschaftlichen Integration und Gleichstellung von LGBT konfrontiert sieht. Mit der höchstrichterlichen Entscheidung für die Homo-Ehe in den USA und dem weltweit einzigartigen Volksentscheid im mehrheitlich katholischen Irland, ja sogar ihrer Verankerung in der Verfassung, sind die Zeichen der Zeit deutlich. Dazu bedarf es jedoch nicht immer ausdrücklich den Zusatz „Homo“. So steht im Gesetzentwurf der Iren beispielsweise „Marriage may be contracted in accordance with law by two persons without distinction as to their sex.“ (in Deutsch etwa: Eine Ehe kann zwischen zwei Personen egal welchen Geschlechts im Einklang mit den Gesetzen geschlossen werden). Folgte man dieser Logik, die auch Pfarrer Carsten Bolz in den Mittelpunkt seiner Predigt am Vorabend des CSD stellt, könnten die Amtskirchen eigentlich ohne Richtungsstreitigkeiten allen Gläubigen eine tolerante und respektvolle Gemeinschaft bieten. Doch davon scheinen sie weit entfernt. So sind die Kirchen nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Nicht nur Pfarrer sind bei ihnen angestellt, auch Pflegekräfte, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Lehrerinnen und jede Menge Verwaltungskräfte. „Grundsätze der katholischen Lehre anerkennen“ In der katholischen Kirche bedeutet dies unter anderem, dass diese Angestellten einen weitreichenden Arbeitsvertrag unterzeichnen, der bislang noch tief ins Privatleben eingreift. In der 1993 von der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeten Grundordnung für den kirchlichen Dienst steht unter anderem: „Von den katholischen Foto: Beyhan Yazar/istock Es ist der Vorabend des CSD in Berlin. In der Gedächtniskirche am Kurfürstendamm sind Lisa und Silke mit die ersten Besucherinnen, die zum Gottesdienst der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) kommen. Seit über dreißig Jahren feiert die Gruppe den CSD-Gottesdienst, die beiden Frauen sind zum dritten Mal dabei. Im Gespräch mit L-MAG erklärt Silke, warum: „Wir sind ein fester Kern von 150 bis 200 Leuten, denen es wichtig ist, am Vorabend eines Festes wie des CSD zu einem Gottesdienst zu gehen.“ Lisa, die in Berlin evangelische Theologie studiert, fügt hinzu: „Die Kirche wiederum möchte an dieser Stelle signalisieren, dass alle Menschen eingeladen sind, Gottesdienst und Abendmahl zu feiern, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.“ Carsten Bolz, Superintendent des Berliner Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf, predigt an diesem Abend über die Schöpfungsgeschichte und die darin angelegte Vielfalt, zu der für ihn auch unterschiedliche sexuelle Orientierungen gehören. Die offizielle Lehrmeinung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist dies freilich nicht. L-MAG *14-15 Politik Kirche und Homos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:49 Seite 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten.“ Eine eingetragene Partnerschaft ist nicht erlaubt und verhindert so beispielsweise auch die Stiefkindadoption für Lesben und Schwule oder die gegenseitige sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Doch auch die Richtlinie, die der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland 2005 veröffentlichte, verlangt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, „dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen“. Weiter heißt es: „Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.“ Theologiestudentin Lisa, die später eine Gemeinde leiten möchte, sieht für sich darin keinen Widerspruch zu ihrem Lesbischsein. „Im Gegenteil. Ich möchte künftig als Pfarrerin gerade eine Gemeinde aufbauen, in der natürlich auch Regenbogenfamilien willkommen sind.“ Dies ist jedoch nicht überall möglich, das ist ihr klar. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Landgemeinden häufig weniger aufgeschlossen sind als Gemeinden in Städten wie Berlin oder Hamburg“, ergänzt sie. „Aber Lesben und Schwule leben nun auch mal deutlich mehr in den Großstädten.“ Doch es gibt auch gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Landeskirchen. So ist es noch lange nicht in allen Landeskirchen möglich, dass Pfarrerinnen und Pfarrer mit ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerin oder ihrem Partner ins Pfarrhaus einziehen. Und auch die offizielle Segnung einer eingetragenen Partnerschaft wird bislang nur in der Landeskirche Hessen-Nassau praktiziert. Mit Berlin-Brandenburgschlesische-Oberlausitz folgt nun die erste Landeskirche dem hessischen Beispiel. Ab 2016 soll es diesbezüglich auch hier die Gleichstellung homosexueller Paare geben. Dem stehen eher evangelikal-konservative Landeskirchen wie Württemberg und Sachsen ablehnend gegenüber. Eine Änderung der Grundhaltung scheint hier noch weit entfernt. Ist Modernisierung in Sicht? Ein CSD-Gottesdienst wie in der Gedächtniskirche ist in einem katholischen Gotteshaus offenbar noch lange nicht denkbar. Zwar haben die katholischen Bischöfe eine Expertengruppe beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, wie sich die Grundordnung verändern und modernisieren lässt. Ihr Vorsitzender, Reinhard Kardinal Marx, betont gegenüber der Presse auch gerne, dass es keinen Automatismus gebe, wenn ein geschiedener Mitarbeiter eine „zivile Ehe“ eingehe, „auch im Blick auf homosexuelle Partnerschaften nicht“. Gleichzeitig betont er aber, man müsse auch die „Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns“ im Blick behalten. „So bedarf es sicher noch weiterer Überlegungen, auch im Hinblick auf die Folgen des Abschlusses einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft für eine im kirchlichen Dienst tätige Person.“ Diese, wenn auch schwammige Erklärung hat in den vergangenen Monaten zumindest zu einem Beschluss der Bischofskonferenz geführt, wonach das Arbeitsrecht moderat liberalisiert wurde (L-MAG berichtete, Ausgabe Juli/August). Die Umsetzung sieht in den einzelnen Diözesen, ähnlich wie in den Landeskirchen der EKD, unterschiedlich aus. Ob die Laien, also nicht ordinierte Christen, ihren Kirchen noch lange auf dem rückwärtsgewandten Pfad der Tugend folgen, bleibt abzuwarten. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Vertretung ihrer Laien also, sprach sich im Frühjahr vehement für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus – und handelte sich damit großen Ärger mit den Kirchenoberen ein. Doch egal ob evangelisch oder katholisch: Herausforderungen werden sich im Zuge der Globalisierung nicht mehr nur auf Deutschland oder Europa beschränken lassen. Die nächste Welle der Aufklärung erwartet Kirchen und Gesellschaften in den Ländern des Globalen Südens, wo schon heute die große Mehrheit der Gläubigen zu Hause ist. // Sonya Winterberg L-MAG 15 *16-17 Politik USA_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:14 Seite 16 POLITIK Der US-Botschafter John B. Emerson (li.) mit seiner Frau Kimberly und ihren Kindern Hayley und Taylor beim diesjährigen CSD in Berlin Post-homophobe USA Zeitenwende in den USA: kurz vor Ende der Amtszeit von Präsident Obama tut sich viel für Lesben und Schwule in Amerika. Ein Gespräch mit dem US-Botschafter über CSDs und die neue-alte Offenheit der US-Politik gegenüber LGBT Als im Juni diesen Jahres das höchste Gericht der USA die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare für legal erklärte, konnten viele in Europa ihren Ohren nicht trauen. Ausgerechnet das als so prüde und konservativ eingestufte Land mit seinen vielen ultra-religiösen Hardlinern hatte Deutschland praktisch auf der Standspur überholt – und das Weiße Haus erstrahlte zur Feier des Tages in Regenbogenfarben. Doch die USA haben schon länger sowohl in ihrer Außenpolitik als auch innenpolitisch Rechte für LGBT auf dem Radar. Regelmäßig nimmt die US-Botschaft zum Beispiel in Berlin am CSD teil. Das USAußenministerium hat seit kurzem einen Sonderbotschafter für LGBT-Rechte (L-MAG berichtete, Ausgabe März/April 2015). Seit August 2013 ist John B. Emerson Botschafter der USA in Deutschland. L-MAG besuchte ihn in der US-Botschaft in Berlin-Mitte, wo er über seine Erfahrungen beim CSD, die Offenheit der USA gegenüber LGBT und die kommenden Präsidentschaftswahlen im November 2016 plauderte. 16 L-MAG: Herr Botschafter, seit ein paar Jahren gehört der Festwagen der amerikanischen Botschaft zu den farbenfrohesten und auffälligsten des Berliner CSD. Wer entscheidet denn eigentlich über die Teilnahme an der Parade? John B. Emerson: Es gibt in der Botschaft eine Gruppe, die jedes Jahr über die Dekoration entscheidet und einer unserer Fahrer fährt dann. Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier und meine Frau Kimberly und ich sind beide Jahre da gewesen. Der CSD gehört zu den jährlichen Ereignissen in Berlin, die wir nicht verpassen möchten, darum stelle ich frühzeitig sicher, dass der Termin freigehalten wird. In beiden Jahren waren unsere Leute unglaublich kreativ, und wer hätte gedacht, dass man einen Wagen zur EheGleichheit dekoriert, und nur zwei Tage vor dem Event würde das Oberste Gericht der USA die passende Entscheidung dazu fällen. Das war einfach wunderbar! Müssen Sie zur Teilnahme am CSD das Außenministerium oder das Weiße Haus um Erlaubnis bitten? Nein, das müssen wir nicht, abgesehen davon wären beide sowieso dafür. In Fragen der öf- fentlichen Diplomatie, und darunter fällt die Beteiligung am CSD, hat ein Botschafter große Flexibilität, das entscheiden wir selbst. Wie sieht es mit Gay Prides aus, die in weniger offenen Ländern stattfinden, wie zuletzt in Istanbul oder Belgrad? Nehmen die US-Botschaften dort auch teil? Wie Sie wissen, ist diese US-Regierung den LGBT-Rechten zutiefst verpflichtet. Allein die Tatsache, dass das Weiße Haus in Regenbogenfarben erstrahlte, spricht doch Bände. Oder nehmen Sie Obamas klare Worte gegen Homophobie in Kenia. In meinem BotschafterLehrgang waren von acht Teilnehmenden fünf selbst LGBT-Personen. US-Botschaften haben zum Beispiel in Israel, aber auch auf den Philippinen und in Nepal an Aktivitäten rund um den Gay Pride teilgenommen. Das Außenministerium hat sogar einen Sonderbotschafter für LGBT-Rechte weltweit ernannt. In den USA haben wir mit Sicherheit den Wendepunkt im Umgang mit LGBTFragen hinter uns. Und das ist großartig! Viele Deutsche halten die USA trotzdem für ein zutiefst sozialkonservatives Land. Woher kommt ihrer Meinung nach diese Diskrepanz in der Wahrnehmung? L-MAG Fotos: White House Press, US-Botschaft Berlin *16-17 Politik USA_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:52 Seite 17 Unglücklicherweise wird das Bild vieler Deutscher von besonderen Vorfällen geprägt, die den Eindruck erwecken, als würden bestimmte Haltungen zu Fragen bezüglich Rasse, Religion oder Waffenbesitz einstimmig von allen Amerikanern geteilt werden und das ist einfach nicht wahr. Die USA sind zum einen bei weitem nicht so sozialkonservativ wie viele glauben. Zum anderen sind wir in einigen Bereichen, zum Beispiel bei LGBTThemen, bei der Bewusstseinsbildung und dem Eintreten für diese Rechte sogar der Geburtsort der sozialen Bewegungen. Wir sind lange mit den Themen vertraut und das zahlt sich mittlerweile aus, wir sehen die Dividende. Ich selbst wurde schon in den frühen Achtzigern durch meine politische Arbeit für LGBT-Fragen sensibilisiert. Und ich weiß, dass einige der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, die gegen die Ehe für alle waren, insgeheim hofften, dass das Oberste Gericht so entscheiden würde, wie es das getan hat, weil sie wussten, dass sie mit ihrer Meinung weit hinter dem Bewusstseinsstand des Landes lagen. Trotzdem gibt es Versuche eines konservativen Rollbacks wie zuletzt in Indiana, wo ein Gesetz auf den Weg gebracht wurde, mit dem LGBT-Menschen aufgrund religiöser Vorstellungen hätten diskriminiert werden dürfen. Ich behaupte auch nicht, wir hätten das Problem gelöst. Homophobie hat noch nicht den gleichen Stellenwert wie Rassismus, aber wir sind auf dem Weg. Der Versuch in Indiana führte vielleicht zu einem kurzfristigen Rückschritt im Kampf um die Ehe-Gleichheit, aber die Gegenreaktionen waren um vieles größer. Auf der Ebene der Bundesstaaten gibt es ja noch eine Reihe diskriminierender Gesetze … … und unser System funktioniert so, dass das Verfassungsgericht einen konkreten Fall braucht, um darüber am Ende des Tages eine Entscheidung fällen zu können. Haben Sie je mit Kanzlerin Merkel über die Sicht der US-Regierung zu LGBT-Themen gesprochen, insbesondere darüber, dass LGBTRechte Menschenrechte sind? Mit Frau Merkel habe ich noch nicht persönlich darüber gesprochen. Nicht dass es dafür einen Grund gäbe, es ist einfach noch nicht passiert. Aber ich habe diese Aussage schon häufig in öffentlichen Reden in Deutschland formuliert. Was halten sie persönlich davon, dass unsere Kanzlerin öffentlich erklärt hat, Lesben und Schwule sollten nicht das Recht haben, zu heiraten? Ich muss mir nur unser eigenes Land anschauen. In den USA hatten wir Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten, unter L-MAG ihnen als Kandidat auch Barack Obama, die noch nicht so weit waren, um diesen Schritt zu gehen. Ich glaube, in fortschrittlichen Gesellschaften wird die Ehe-Gleichheit kommen, das ist nur eine Frage der Zeit. Das Thema immer wieder zur Sprache bringen und darauf hinweisen, was in den USA passiert ist, all das wird dabei helfen. Das Ganze ist ein Prozess, was nicht bedeutet, die LGBT-Community sollte einfach abwarten, im Gegenteil. Chad Griffin, der Gründer der American Foundation for Equal Rights und ein guter Freund von mir, hat sich zum Beispiel immer sehr stark engagiert. Kluge „Ich muss mir nur meine Kinder ansehen, die sind post-rassistisch, postgender, post-homophob“ Interessenvertretung hat eine enorme Auswirkung. In dieser Frage werden die Politiker am Ende den Menschen folgen. Und dabei hat zumindest in den USA vor allem die jüngere Generation einen großen Einfluss. Ich muss mir nur meine Kinder ansehen, die rund um die Jahrtausendwende geboren wurden und jetzt aufs College kommen, die sind post-rassistisch, postgender, post-homophob, für die ist all das gar keine Frage mehr. In den USA hat der Wahlkampf begonnen. Glau ben sie, die USA sind reif für eine Präsidentin? Bei den letzten vier Wahlen haben 40 der 50 Bundesstaaten durchgehend entweder für Demokraten oder Republikaner gestimmt. Nur zehn Staaten sind so genannte „Swing States“ und dort geht es oft um wenige Prozentpunkte. Da reicht es manchmal, dass ein Kandidat in einer Debatte einen Fehler macht oder ein weltpolitisches Ereignis dazwischenkommt. Von daher wird das Ergebnis knapp ausfallen. Aber auf alle Fälle sind die USA reif für eine Präsidentin. Und wer Hillary nicht wählen will, weil sie eine Frau ist, der oder die würde wahrscheinlich auch für keinen anderen demokratischen Kandidaten stimmen. Von daher ist ihr Geschlecht, wenn überhaupt, eher ein Vorteil für sie. Falls der nächste amerikanische Präsident ein Republikaner wird, sind dann die LGBTRechte, die in den letzten acht Jahren erkämpft wurden, noch sicher für die Zukunft? Wenn einer Gruppe von Menschen einmal Rechte gegeben wurden, wird es sehr schwer, sie ihnen wieder wegzunehmen. Wenn man sich die Fortschritte in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung ansieht, stellt man das auch fest. Wenn Schulen einmal alle Kinder integrieren, wenn man Menschen nicht mehr entlassen kann, nur weil sie sind, wer sie sind, dann lässt sich das kaum zurückschrauben. Und ich glaube nicht, dass irgendeiner der Kandidaten, die gerade antreten, sein politisches Kapital lieber dafür einsetzen will, als für seine eigentlichen Themen. Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. //Interview: Dirk Ludigs Anlässlich der Entscheidung des Supreme Court zur Homo-Ehe erstrahlte das Weiße Hause am 26. Juni in Regenbogenfarben 17 *18-19 International Indonesien_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:08 Seite 18 INTERNATIONAL In Indonesiens Hauptstadt Jakarta gingen am internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie LGBT-Aktivistinnen und -Aktivisten auf die Straße Rückwärtsgang in Indonesien? In unseren Breiten ist der Sommer traditionell die Saison für den CSD. In den Metropolen Nordamerikas und Europas ziehen große Paraden und Demos durch die Straßen der Städte. In vielen Ländern dieser Welt sind solche CSD-Umzüge noch immer undenkbar. Hier soll jedoch nicht von den „üblichen Verdächtigen“ wie Saudi-Arabien oder Russland die Rede sein, sondern von Indonesien, der Nation in Südostasien mit dem weltweit größten muslimischen Bevölkerungsanteil. Indonesien ist ein eindrucksvolles, kulturell, religiös und ethnische vielfältiges Land. Gesellschaftspolitisch ist die Republik aus mehr als 17.000 Inseln mit über 250 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nach Jahrzehnten der Diktatur auf der Suche nach sich selbst. Mit Mühe und Not konnte Gründungspräsident Sukarno 1945 seine Idee eines säkularen Staates gegen jene durchsetzen, die von einem islamischen Gottesstaat träumten. Unter seinem Nachfolger, Diktator Suharto, wurden die Islamisten – wie alle, die andere Vorstellungen von der Gesellschaft hatten als dieser – unterdrückt und verfolgt. 18 Nach dem Sturz Suhartos vor 16 Jahren wagte Indonesien einen neuen demokratischen Aufbruch. Dazu gehörte auch Meinungsfreiheit. Liberale Kräfte, relativ unabhängige, mutige Medien, Bürgerrechtsorganisationen von ethnischen Minderheiten, Frauen, Lesben, Schwulen und Transsexuellen sind entstanden. Auch die 2007 in der Stadt Jogjakarta beschlossenen „Jogjakarta Prinzipien“ sind Ausdruck der neuen Freiheit und inzwischen sogar international als LGTB-Grundrechtecharta anerkannt. Meinungsfreiheit gilt aber auch für die ultrakonservativen islamischen Kräfte, die im Laufe der Jahre in so manchen Bezirken, Städten und Provinzen durch Erlasse ihre Vorstellungen von Moral und Ordnung durchsetzten. Dass viele davon zu Lasten von Frauen gingen, ist nicht überraschend. Zudem werden militante islamistische Gruppen wie die Islamische Verteidigungsfront (FPI) immer einflussreicher. Sie haben bereits die beiden großen muslimischen Massenorganisationen mit zusammen über 60 Millionen Mitgliedern sowie den Rat der Islamgelehrten in Indonesien (MUI) unterwandert. Foto: Agoes Rudianto/picture alliance Im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt wird es schwieriger für Lesben und Schwule, frei zu leben. Neue islamische Gesetzentwürfe wollen Homosexualität verbieten L-MAG *18-19 International Indonesien_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:08 Seite 19 Der MUI, das höchste theologische Gremium Indonesiens, wurde paradoxerweise erst vor wenigen Jahrzehten durch Suharto gegründet und mit dem Auftrag betraut, eben diese Islamisten in Schach zu halten. Moral und Ordnung zu Lasten von Frauen Jüngst hat der MUI den Entwurf eines Fatwa (rechtliche Empfehlung oder Gesetzentwurf im Islam) gegen Homosexualität veröffentlicht. Darin wird die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert. Noch ist das Fatwa nicht in Kraft und selbst wenn es erlassen wird, hat es für den weltlichen Rechtsalltag keine Konsequenzen. Aber schon der Entwurf dieses religiösen Gesetzes ermutigt radikale Gruppen wie die FPI, noch stärker gegen LGTB vorzugehen. „Das Fatwa hat bereits Auswirkungen auf das tägliche Leben von lesbischen Frauen“, weiß Agustine, die wie viele Indonesierinnen und Indonesier nur einen Namen hat. Die Lesbenund Frauenaktivistin sowie Leiterin des von ihr gegründeten Lesben- und Frauenforschungsinstituts Ardhanary berichtet per E-Mail gegenüber L-MAG weiter: „Besonders in Familien nimmt die Gewalt gegen Lesben zu, wie auch in Schulen und am Arbeitsplatz. Das Fatwa dient als Rechtfertigung.“ Junge Lesben müssten sich zunehmend verleugnen, sagt Agustin und erzählt von einer jungen Frau, welcher der Rausschmiss aus der Schule drohte. „Vor lauter Panik hat sie ihrem Lehrer „Wir haben die Unterstützung der Frauen- und Menschenrechtsbewegung“ gesagt, sie sei nicht lesbisch. Das sei nur ein böses Gerücht.“ Zumindest in der Hauptstadt Jakarta und einigen anderen Großstädten auf der Insel Java können Organisationen wie das Ardhanary Institut existieren und arbeiten, auch wenn immer die potenzielle Gewalt radikaler Islamisten wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt. In Jakarta kann das jährliche lesbisch-schwule Filmfestival QFest zwar stattfinden, aber nur mit der Unterstützung westlicher Botschaften und (meist) in den Räumen von Kulturinstitutionen wie dem Goethe Institut. Selbst ansonsten progressive Veranstaltungsorte beugen sich in einem vorauseilenden Gehorsam dem Druck der FPI und lehnen schwul-lesbische Filmabende ab. L-MAG Für viele Islamisten ist Indonesiens islamischste Provinz Aceh auf der Insel Sumatra das Ideal. Dort gilt die Scharia, die religiöse Gesetzesordnung des Islam. Auf Alkoholkonsum und gleichgeschlechtlichen Sex steht die Prügelstafe, die Scharia gilt dort neuerdings auch für Nichtmuslime. Mit immer neuen Verordnungen wird Frauen ein auch nur halbwegs eigenständiges Leben immer schwerer gemacht. Frauen dürfen keine Hosen mehr tragen, nicht mehr alleine Moped fahren. „Wir haben Kontakt mit einigen lesbischen Frauen und Gruppen in Aceh. Sie sagen uns, dass es unmöglich ist, offen als Lesbe zu leben. Sie treffen sich im Geheimen und kommunizieren verdeckt über Facebook. Besonders die Butch-Lesben finden es schrecklich, ein Kopftuch tragen zu müssen. Aber sie haben keine Wahl“, weiß Agustine. Vorsichtige Hoffnung in den neuen Präsidenten Ein gewisse, bescheidene Hoffnung setzt Indonesiens LGTB-Community in den neuen Präsidenten Joko Widodo. Mehr, beziehungsweise überhaupt irgendwelche Rechte sind zwar auch von diesem politisch moderaten und modernen Politiker nicht zu erwarten. Aber vielleicht wenigstens ein partielles Zurückdrängen radikaler Gruppen. Widodos Religionsminister Lukman Hakim Saifuddin jedenfalls hat einen Dialog mit unterdrückten religiösen Minderheiten – einschließlich islamischer Glaubensrichtungen, die nicht der sunnitischen Mehrheit angehören – angekündigt. Anders als sein Vorgänger ist Lukman Hakim Saifuddin kein religiöser Hardliner, sondern einer der islamischen Politiker, die sich einer pluralistischen Gesellschaft verpflichtet fühlen. Über Homosexuelle sagte er im vergangenen Herbst: „In dieser Ära der Freiheit gibt es immer mehr Kampagnen für LGTB. Deshalb muss diese Regierung mit mehr Weisheit agieren und diese Gruppen einbinden.“ Aber zugleich dämpfte er die Erwartungen mit der Warnung, jede zu starke Aktion könnte mehr negative Reaktionen hervorrufen. Das erinnert an die Worte von Papst Franziskus, der nicht über Homosexuelle richten wollte. Konkrete Taten bleiben trotzdem aus. Ein direktes Treffen zwischen Lukman einerseits, Lesben und Schwulen andererseits ist ausgeschlossen. Agustine ist dennoch zuversichtlich, mit Lukman ins Gespräch zu kommen, wenn auch eher „undercover“. „Wir haben die Unterstützung der Frauen- und Menschenrechtsbewegung. Zusammen mit ihnen haben wir die Chance, Lukman Hakim zu treffen.“ // Michael Lenz Sie haben einen Kinderwunsch? Zentrum für Donogene Insemination Sie suchen kompetente Beratung bei der Verwirklichung Ihres Kinderwunsches? Wir helfen Ihnen! Gern beraten wir Sie über die rechtlichen und medizinischen Voraus setzungen einer Kinderwunschbehandlung, klären Sie über Behandlungsmöglichkeiten auf und begleiten Sie bis zum Behandlungserfolg. Sie können sich auf unserer Homepage www.z-d-i.de informieren oder gleich einen Beratungstermin unter der Tel. Nr. 089 - 56 53 00 vereinbaren. Wir freuen uns auf Sie! Zentrum für Donogene Insemination Heidemannstraße 5b 80939 München Telefon: 089 - 56 53 00 Fax: 089 - 58 39 37 E-Mail: [email protected] www.z-d-i.de *20-21 ABO _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:19 Seite 20 L-MAG – Wo gibt L-MAG nicht am Kiosk? Das L-MAG-Abo Worauf wir stolz sind: L-MAG ist eine Zeitschrift, die es im Zeitschriftenladen gibt, nicht nur im Abo. Das ist uns wichtig, um lesbische Sichtbarkeit am Kiosk zu demonstrieren. Doch immer wieder fragen Leserinnen:„Wo kann ich L-MAG kaufen, bei meinem Zeitschriftenladen gibt es sie nicht?!“ Das hat verschiedene Gründe. In Deutschland gibt es rund 120.000 Stellen, an denen Zeitschriften verkauft werden – Kioske, Tankstellen, Supermärkte, Buchhandlungen. Wir drucken rund 17.000 Hefte, diese können also nur in einer bestimmten Auswahl an Läden im Regal liegen. Außerdem wird es generell immer schwieriger, ein Magazin dauerhaft im Kiosksortiment zu halten. Verkaufsstellen haben das Recht, eine Zeitschrift, die sich aus ihrer Sicht nicht genügend verkauft, völlig aus dem Sortiment zu schmeißen. Und das, obwohl die Pressefreiheit in Deutschland garantiert, dass ein Kiosk grundsätzlich alle Magazine in sein Sortiment nehmen muss. Das benachteiligt kleinere Verlage. Leserinnen, die sicher gehen wollen, ihr Heft regelmäßig und pünktlich zu bekommen, sind am besten mit einem Abo bedient. Wir wollen, dass L-MAG weiterhin im Zeitschriftenhandel erhältlich ist und alle, die bisher das Heft im Laden kaufen, dies auch weiter tun können. Dennoch werden andere Kanäle immer wichtiger, der Kioskverkauf kann die Zukunft des Magazins nicht sichern. Ein schöner Nebeneffekt: die Abonnentin spart Geld und beim Verlag bleibt im Vergleich zum Kioskverkauf mehr Geld hängen. STANDARD-ABO 12 Ausgaben für 49 Euro 6 Ausgaben für 27 Euro FAIR-ABO 12 Ausgaben für 39 Euro 6 Ausgaben für 23 Euro PROBE-ABO 3 Ausgaben für 10 Euro Das Print-Abo bestellen: www.l-mag.de/abo *20-21 ABO _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:19 Seite 21 bt’s denn sowas? L-MAG am Kiosk Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 Das Magazin für Lesben www.l-mag.de | September/ Oktober 2015 MAG IM GESPRÄCH Super-Butch Lea DeLaria ZDF-Gesicht Dunja Hayali WER SPIELT MIT WEM? Saisonstart der Frauen-Bundesliga Überblick zum Verkauf am Kiosk in Deutschland auf www. mykiosk.de Überblick zum Verkauf am Kiosk in Österreich und der Schweiz auf www.l-mag.de/verkaufsstellen L-MAG online kaufen Bequem und portofrei bei www.magazineshoppen.de AR SUPERST RUOBSEY R Das Film-Heft MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND! L-MAG als E-Paper Das E-Paper online bestellen bei www.l-mag.de/l-mage-paper Warten auf’s Happy End: vom New Queer Cinema zum Mainstream E-Paper als Abo mit der kostenlosen L-MAG-App im Apple Store, bei Amazon oder Google Play bestellen. E-Paper als Abo ohne App bestellen bei www.pressekatalog.de *22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 22 PERSONALITY Liva Tresch heute:„Lesben aus meiner Generation haben sich nicht vor ihrer Umgebung versteckt, sondern mehr vor sich selbst. Sie konnten nicht begreifen, dass sie nicht so sind wie die anderen, dass sie immer Gegenschwimmer sein werden.“ „Der Körper einer Frau ist für mich Heimat“ Fotos: Siggi Bucher, zvg Liva Tresch ist mit 82 Jahren eine der wenigen sichtbaren Lesben ihrer Generation in der Schweiz. Mit L-MAG sprach sie über ihr bewegtes Leben 22 L-MAG *22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 23 „An was soll man sich denn festhalten, wenn nicht an der eigenen Haltung?“ Alles an Liva Tresch leuchtet, wenn eine feine Ironie ihre Aussagen durchwebt. Ihre Worte sind Bilder in tausend Farben, die sich vor dem geistigen Auge auftun. Sie wirft diese Sätze einfach so aus ihrem Innersten heraus und denkt trotzdem, dass sie aufgrund ihrer derben Aussprache nicht immer leicht zu verstehen sei. Doch das ist sie, weil es ihre Seele ist, die redet. 1933 wird sie unehelich im Schweizer Kanton Uri in einem Kinderheim geboren. Sie wächst größtenteils bei Pflegeeltern auf, weil ihre Mutter sich nicht um sie kümmern kann. Früh kommt sie mit Sexualität in Berührung, nicht aber mit Liebe und Zuneigung. Der Pflegevater ist ein grober Kerl, der zu viel trinkt. Nie darf sie andere Kinder mit nach Hause bringen, da der Vater seine Hände nicht bei sich lassen kann. Ihre Mutter heiratet erneut, als sie sechs Jahre alt ist – einen Landwirt mit sieben Kindern. „Sie hat mich zu sich geholt und ich habe mich auf meine neuen Geschwister gefreut. Die haben mich aber gehasst wie die Pest. Mein Stiefvater dagegen war ein ganz Lieber“, erzählt die heute 82-Jährige. „Wenn dich das nicht umbringt, tut es nichts mehr“ Die kleine Liva engagiert sich begeistert in der Pfadi (den Schweizer Pfadfindern) und ist auch in der Schule fleißig. Trotzdem wollen die guten Noten nicht gelingen. Ihre Aufsätze sind interessant, aber voller Fehler. Dafür schlägt sie die Mutter so lange, bis sie einen offenen Rücken hat. Sie wird für dumm befunden und erhält keinen regulären Schulabschluss. Erst mit 50 Jahren findet Liva heraus, dass sie Legasthenikerin ist. Als ihre früheren Pflegeeltern erfahren, dass ihre Mutter sie misshandelt, nehmen sie das Mädchen wieder bei sich auf. Sie kann in einem Fotogeschäft arbeiten und entdeckt dabei ihre Liebe zur Fotografie. Vieles bringt L-MAG Liva Tresch in den 60er Jahren. Ihre erste romantische Begegnung mit einer Frau hatte sie mit 22 Jahren sie sich selbst bei. Ursprünglich wollte sie jedoch Hebamme werden. „Ich hatte das Bedürfnis, den armen Frauen oben in den Bergen zu helfen. Ich fand, man ist nur so viel wert, wie man sich für die anderen wertvoll macht.“ Erst in Zürich kommt sie mit dem Begriff Lesbe in Berührung. „Der Körper einer Frau ist bis heute für mich Heimat. Ich wusste nicht, dass das lesbisch oder schwul ist“, gesteht Liva Tresch. Mit 22 Jahren hat sie das erste Erlebnis mit einer Frau. „Ich war sehr nervös, wusste aber nicht warum. Als ich unter der Bettdecke lag, kam sie nackt ins Zimmer und legte sich zu mir ins Bett. Meine Hände wussten, was sie zu tun hatten. Vor wahnsinnigem „Was die anderen sagen ist letztlich egal, wenn du mit dir im Reinen bist“ Glück betete ich danach ein Vaterunser, um mich zu bedanken. Am nächsten Morgen sagte sie zu mir, dass sie doch Recht hatte und ich schwul sei. Ich bin aus dem Bett gesprungen, habe mich angezogen und kletterte zum Fenster hinaus. Ich wollte mich umbringen. Dann saß ich lange am See und dachte mir, wenn dich das nicht umgebracht hat, tut es nichts mehr.“ Liva Tresch akzeptierte ihr Lesbischsein und redete fortan offen darüber. „Viele Lesben haben sich in ihrer Haut nicht wohl gefühlt, bei mir war das anders. Die Menschen müssen mich nehmen wie ich bin. Ich bin ich und das bin ich so sauber und so schön wie es geht. Man sollte einen gewissen Stolz haben. An was soll man sich denn festhalten, wenn nicht an der eigenen Haltung?“ Kein Herz in der Lesbenbar 2005 wird Liva Tresch in Veronika Minders preisgekröntem Dokumentarfilm „Katzenball“ vorgestellt. Der Film erzählt das Leben von fünf lesbischen Schweizerinnen unterschiedlichen Alters. Dabei spielt auch ihre Arbeit als Chronistin der damaligen Clubszene eine wichtige Rolle. Ein Schauplatz für diese Fotografien war die älteste schwullesbische Bar in Zürich, der Barfüsser. „Damals kam es oft vor, dass sich die Frauen vor den Bars prügelten. Es war eine schlimme Zeit. Alles lief nur über das Äussere. Ich war sehr viel in den Bars unterwegs und fand es immer schön, wenn zwei verliebt waren und miteinander getanzt haben. Doch zwei Wochen später schauten sie sich dann nicht mehr an“, beschreibt Liva diese Zeit und fügt hinzu: „ ,Ich hasse dich’ oder ,Ich liebe dich’, so war es immer. Ein ,Ich respektiere dich’ hat man nirgendwo gelesen, gesehen oder 23 *22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 12:27 Seite 24 PERSONALITY erlebt. Daran bin ich ein wenig verzweifelt. Auch heute noch wird das Lesbischsein nur an der Sexualität aufgehängt. Das Herz kommt gar nicht zum Zug.“ Liva weiß, wovon sie spricht. Zwanzig Jahre lang war sie mit einer Partnerin zusammen, die keinen Sex wollte. Fremdgegangen sei sie trotzdem nie. Für sie steht fest: „Entweder stehe ich zu jemandem oder nicht. Und dann lasse ich es auch.“ Die beiden kauften zusammen ein Haus in Zürich, führten dort ein Fotogeschäft und wohnten darüber. Heute lebt sie immer noch dort. Obwohl die Beziehung zerbrach, kommen beide Frauen noch gut miteinander aus. „Wer sich verleugnet, zerbricht daran“ 1997 erblindet sie plötzlich über Nacht auf einem Auge. Drei Jahre lang kann sie nur wenige Fotoaufträge annehmen und steht fast vor dem Konkurs. Als sie dann ihr Augenlicht wieder erlangt, weiß sie nicht mehr, warum sie fotografiert. „Ich habe immer das fotografiert, was mir gefallen hat. Ich war oft in den Staaten und habe Sand am Meer und Anschwämme abgelichtet“, erzählt sie. „Das Leise ist meins. Mich fasziniert die Lebenskraft. Aber die Leute wollen das gar nicht sehen. Die möchten Action.“ Gesundheitlich hat die ehemalige Fotografin gute und schlechte Tage. Sie leidet unter Fibromyalgie (chronische Schmerzen in der Muskulatur) und dem Chronischen Fatigue Syndrom (geistige und körperliche Erschöpfung) und muss viele Tabletten zu sich nehmen. Sie geht nicht mehr viel hinaus, meint, es sei eine Plage, in die Stadt zu fahren. Aufgetankt hätte sie sich immer nur in der Natur. Bis heute liebt die 82-Jährige es, wenn eine Bachstelze auf ihrem Dach singt. Es sei wichtig, sagt sie, dass wir den Respekt vor dem eigenen Sein erkennen und nicht meinen, wir seien besser als der Rest. „Lesben aus meiner Generation haben sich nicht vor Liva (Mitte, schwarzer Pulli) bei einem geselligen Frauenabend in den 1960er-Jahren ihrer Umgebung versteckt, sondern mehr vor sich selbst. Sie konnten nicht begreifen, dass sie nicht so sind wie die anderen, dass sie immer Gegenschwimmer sein werden.“ Liva Tresch macht eine kurze Pause bevor sie weiterspricht: „Was die anderen sagen ist letztlich egal, wenn du mit dir im Reinen bist. Wer sich verleugnet, zerbricht daran. Man muss sich wertschätzen. Ich musste sehr alt werden, bis ich überhaupt gemerkt habe, dass ich existiere.“ // Sarah Stutte Die unsichtbare Generation Porträts von älteren Lesben in der Schweiz Liva Tresch ist nur eine der Protagonistinnen, die in Corinne Ruflis Buch ihre ganz persönliche Geschichte erzählen. Die Schweizer Historikerin porträtiert insgesamt elf Frauen, die in ihren eigenen Worten und in zahlreichen farbigen sowie Schwarz-Weiß-Fotografien von einer anderen Zeit berichten. Über ihre erste Verliebtheit, ihre Beziehungen, ihr Selbstbild, ihre positiven wie negativen Erfahrungen. Auch über ihre Entscheidungen, gleichgeschlechtliche Liebe zu leben oder nicht. Entstanden ist ein spannendes und lebendiges Kaleidoskop an unterschiedlichen Lebensentwürfen, das einen grauen Fleck in der Schweizer Lesbengeschichte zum ersten Mal beleuchtet. Corinne Rufli hatte zu dieser Thematik zuvor schon für ihre Masterarbeit recherchiert und wollte den älteren lesbischen Frauen, die bis heute nicht sichtbar sind, endlich eine Stimme geben. Gegenüber L-MAG erklärt die Autorin: „Das Buch soll jungen wie alten Menschen gleichermaßen Mut machen, einen selbstbestimmten Weg zu gehen und den eigenen Träumen und Wünschen zu folgen.“ // Sarah Stutte Corinne Rufli: „Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert. Frauenliebende Frauen über siebzig erzählen“ Hier und Jetzt Verlag, 256 Seiten, 35,00 Euro 24 L-MAG *22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 25 *26-27 TV Hayali_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:21 Seite 26 FERNSEHEN Dunja Hayali in ihrem Büro im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin Die Frühaufsteherin Sie ist eine der bekanntesten offen lesbisch lebenden TV-Persönlichkeiten im deutschen Fernsehen. Seit 2007 war sie in den ZDFNachrichten „heute“ und „heute journal“ zu sehen. Außerdem moderiert sie das „ZDF-Morgenmagazin“, das von 5.30 bis 9 Uhr läuft. Dunja Hayali ist die Tochter irakischer Eltern und wurde 1974 im westfälischen Datteln geboren. Sie studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und arbeitete unter anderem als SportModeratorin, bevor sie im April 2007 zum ZDF wechselte. Sie lebt in Berlin, ist begeisterte Hundehalterin – worüber sie 2014 das Buch „Is’ was, Dog?“ schrieb – fährt eine 30 Jahre alte Yamaha XT 250 und liebt Surfen. Als Urlaubsvertretung von Maybrit Illner über26 nahm sie bis Mitte August die Sendung „Donnerstalk“ im ZDF. L-MAG-Chefredakteurin Manuela Kay traf sie vor Sendestart im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin L-MAG: Was können wir von der neuen Sendung „Donnerstalk“ erwarten? Dunja Hayali: Wir haben 60 Minuten Zeit für drei verschiedene Themen, die Deutschland in diesem Sommer bewegen. Geschichten, die wir draußen auf der Straße entdecken, wollen wir im Studio in Gesprächen vertiefen, deshalb ist es mehr ein Talk-Magazin mit starken Reportagen als nur ein Talk. Dann gibt es ein ausführliches Gespräch mit 10 bis 15 Minuten, also dreimal länger als im Morgenmagazin, ein zeitlicher Luxus, auf den ich mich total freue. Außer- dem gehe ich selbst als Reporterin raus, um mir ein Thema mit eigenen Augen und Ohren begreiflich zu machen. Es wurde angekündigt, es gehe um neue Ansätze und Themen wie Flüchtlinge, Drogen, Sex. Was ist konkret geplant? Flüchtlinge, Drogen, Sex ... (lacht) In welcher Form wird das sein? Wir wollen Themen aufgreifen, die den Menschen bewegen, der sich im Freundeskreis unterhält. Zum Beispiel „Warum hat Deutschland so wenig Kinder?“, „Wie gehen wir mit Behinderten um?“, „Was ist mit den Flüchtlingen?“, „Haben ältere Menschen noch Sex?“, „Cybermobbing“ ... das sind so Themen, über die man eher mal abends beim Bierchen noch plaudert, und das wollen wir aufgreifen. Vor allem mit Leuten, die man Foto: Jackie Baier ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hatte im Sommer mit„Donnerstalk“ ihre eigene Abendsendung. Im L-MAG-Gespräch erzählte sie über das Fernsehen-Machen und den Tag einer Morgensendung-Moderatorin L-MAG *26-27 TV Hayali_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:21 Seite 27 nicht unbedingt schon im Fernsehen gesehen hat. Da kann auch mal ein Politiker dabei sein, aber auch Herr Müller, Meier, Schmidt, Ihr Bäcker, mein Gemüsehändler. Denen wollen wir Raum geben, denn die haben spannende Geschichten zu erzählen, diese Menschen prägen unsere Gesellschaft ja auch mit. Bei dem geplanten neuen Ansatz und neuen Themen, wird da auch Homosexualität vorkommen? Ist im Moment nicht geplant, aber es kommt darauf an. Wir haben natürlich jederzeit die Möglichkeit, tagesaktuell auf Themen zu reagieren. Sollte also die „Ehe für alle“ noch mal eine neue Wendung bekommen oder es einen aktuellen Anlass geben, klar, warum nicht? Möchten Sie denn irgendwann mal eine eigene Talksendung haben? Ich war vor kurzem im Irak, der Heimat meiner Eltern, und durfte dort drehen, da fragt ja auch niemand: „Willst du jetzt Reporterin für immer werden?“ Nein, die Mischung macht’s. Das gilt für die Sendung und auch insgesamt für mein Leben. Ich finde alles, was homogen ist, langweilig. Wie hat man sich denn Ihren Tagesablauf als Morgenmagazin-Moderatorin vorzustellen? Man lebt in so einer Art Parallelwelt. Der Wecker klingelt um viertel vor vier, ich bin gegen halb fünf oder fünf in der Redaktion, dann Zeitung lesen – Moderationen schreiben – Maske – und ab in die Sendung. Zwei Stunden. Im Anschluss Nachbesprechung der Sendung, dann gleich in die Konferenz für den nächsten Tag. Wenn ich nach Hause komme, schlafe ich meistens erst einmal ein oder zwei Stunden. Am Nachmittag kümmere ich mich um den Hund und lese viel, treffe vielleicht mal Freunde, die dann grade nicht arbeiten. Das ist natürlich ein Problem, nachmittags sind viele nicht greifbar, die man gerne treffen möchte. Um 19.30 Uhr werden wir vier Moderatoren telefonisch mit der Redaktion zusammengeschaltet, dann bekommen wir die Themen und die Gesprächspartner für den nächsten Tag. Mit dem „heute journal“ endet mein Tag, das gucke ich schon im Bett, Claus Kleber sagt mir gute Nacht. Harter Ablauf! Ja, das Anstrengende daran ist es, morgens auf den Punkt fit im Kopf zu sein. Moderieren erfordert Konzentration und Handwerk, da habe ich Routine. Die Gespräche sind die größere Herausforderung, weil man sie nur bis zu einem gewissen Punkt vorbereiten kann, der Rest ist dann die direkte Reaktion auf die jeweilige Situation. Und wir sind live – jeder Fehler wird gesendet. Sie fühlen sich sichtbar wohl beim ZDF. Wie war das damals 2008 bei Ihrem öffentlichen Coming-out, wurden Sie hinterher anders behandelt, gab es andere Erwartungen? L-MAG Die Erwartungen waren und sind immer hoch und haben nichts mit meiner Sexualität zu tun. Ich persönlich finde, dass Sexualität Privatsache ist. Die sich daraus ergebenden Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen sind es allerdings nicht und für deren Abschaffung muss man einstehen. Ich finde aber nicht, dass jeder durch die Stadt laufen und sagen muss: „Ich bin heterosexuell“, „Ich bin homosexuell“ oder „Ich bin blau gepunktet“. Das muss jedem selbst überlassen sein. Bei uns war das damals so: Ich habe mich gar nicht geoutet, ich war immer schon offen, was das anbelangt. Ich wollte damals mit meiner Nichte, sie war 15, ins Kino gehen. „Ich engagiere mich nicht politisch, ich engagiere mich menschlich, das ist ein Unterschied“ Da habe ich zu ihr gesagt: Wir müssen mal reden, ich würde dir gern sagen, dass ich jetzt zur Abwechslung mal mit einer Frau zusammen bin. Da gab es eine kurze Pause und dann sagte sie: „Und können wir dann jetzt ins Kino gehen?“ Da war ich ein bisschen überrascht und wollte wissen, ob sie nicht darüber reden wolle. Aber sie meinte nur: „Worüber? Du bist meine Tante, du bleibst meine Tante, können wir also jetzt ins Kino gehen?“ Das habe ich mir zu eigen gemacht und so gehe ich damit um. Sie sind ja sonst sehr engagiert, was andere politische Themen angeht, wie Flüchtlinge beispielsweise. Ich engagiere mich nicht politisch, ich engagiere mich menschlich, das ist ein Unterschied. Entweder hat man Verständnis für Menschen und respektiert Schicksale und versteht, was sie für eine Geschichte haben, oder nicht. Das hat für mich in erster Linie noch nichts mit Politik zu tun. Ich sage nur: Die Menschen kommen nach Europa, nach Deutschland, weil sie alles verloren haben, weil sie vergewaltigt wurden, weil sie ihre Kinder oder ihre Eltern verloren haben oder weil sie traumatisiert sind und eine bessere Zukunft wollen. Das weiß ich so genau, weil ich gerade im Irak war. Die Leute, die ich dort gesprochen habe, haben alle gesagt, sie würden gerne wieder zurück in ihre Heimat, also in ihr eigenes Zuhause. Erst dann kommen England, Schweden, Deutschland, die USA, weil es für sie dort sicher ist, wer will das nicht? 27 *28-29 Geschichte Ausstellung _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:22 Seite 28 GESCHICHTE Homosexualität im Auge der Betrachterin L-MAG-Autorin Ruth Wolter geht mit Kuratorin Dorothée Brill auf einen Rundgang durch die Ausstellung „Homosexualität_en“, die im Deutschen Historischen Museum und im Schwulen Museum* in Berlin zu sehen ist Im Eingangsbereich des Schwulen Museums* nestelt eine Besucherin am Vorhang, der in den ersten Ausstellungsraum führt. „Nur zu, keine Scheu!“, ermutigt sie ein Museumsmitarbeiter, die Schwelle zu überwinden. Hinter dem blick- und lichtdichten Vorhang erwartet sie ein buntes Spektrum an Videowerken begleitet, von lustvollem Stöhnen. Auf der einen Seite lutscht der Drag-Performer Mario Montez in Andy Warhols „Mario Banana“ lasziv an einer Banane, auf der anderen sind Auszüge aus Werken der Pornoproduzentin Shine Louise Houston zu sehen. Hochkarätige Namen, aber auch unbekannte Neulinge findet man in der Ausstellung. Wie kam es genau zu dieser Auswahl und welche Schwierigkeiten gab es? Fest steht auf den ersten Blick nur: So gut besucht sieht man das Schwule Museum* an normalen Ausstellungswerktagen selten, und offensichtlich sind alle sehr angetan von der seltenen Artenvielfalt im Museum: Neben Kunstvideos gibt es Interviews auf Ton- und Bildmaterial zu sehen. Klassische Werke, Skulpturen, Zeitungsausschnitte, Fotos, Infotafeln und Installationen sind wild gemischt und strukturiert zugleich. Von „M wie Möse“ zu „T wie Tunte“ Im Deutschen Historischen Museum (DHM), wo der andere Teil der Ausstellung stattfindet, geht es wesentlich gediegener zu: Infotafeln 28 zu politischen Themen, Video-Interviews zum Coming-out-Prozess und homoerotische Werke aus der malerischen Geschichte der Homosexualität seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind hier zu sehen und teilweise alphabetisch geordnet nach „M wie Möse“ und „T wie Tunte“. „Wir haben uns für eine Aufteilung in zehn Kapitel entschieden, bei denen es zahlreiche Querverbindungen gibt“, so Dorothée Brill, eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Eineinhalb Jahre hat das Ausstellungsteam Birgit Bosold, Detlef Weitz und Dorothée Brill an der Ausstellung gearbeitet, das Konzept entwickelt, die Werke aus diversen Museen aus aller Welt nach Berlin geholt und neue Werke produzieren lassen. Es sei eine „sehr kurze Vorbereitungszeit für so eine große Ausstellung“, sagt Dorothée Brill, die zuvor hauptsächlich reine Kunstausstellungen kuratiert hat, was einer anderen Herangehensweise bedarf als die Konzeption einer kulturhistorischen Ausstellung wie dieser. „Es hat mich sehr gereizt, wie man so einem vielseitigen, komplexen Themenfeld eine angemessene Form geben kann. Das ist bei Kunstwerken wesentlich leichter, als bei dieser großen und disparaten Materiallage“, erklärt Brill. Vielseitig und dicht, leicht und unterhaltsam – trotzdem blieben ein paar Wünsche offen: „Gerne hätten wir noch eine Installation von Monica Bonvicini im Außenraum des Historischen Museums gehabt“, verrät Brill. Dabei handelt es sich um eine Toilette, die auch als solche für Museumsbesucher nutzbar ist. „Von außen sieht man Foto: Heather Cassils and Robin Black Das Plakatmotiv der Ausstellung zeigt Heather Cassils Werk„Homage to Benglis“ L-MAG *28-29 Geschichte Ausstellung _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:23 Seite 29 einen Kubus aus Spiegeln, man kann hineingehen und die Toilette benutzen, und auch nur so macht das Werk einen Sinn. Es ist eine Anspielung auf die Klappe (Anm. der R.: öffentliche Toilette, die Männer für anonymen Sex nutzen). Das stellt Fragen zu Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sowie Privatem und Öffentlichem“. Logistisch sei dies allerdings nicht machbar und finanzierbar gewesen, so Brill, die Verständnis hat für alle Schwierigkeiten, die vor allem eine Aus- Von der Freiheit zu lieben, wen und wie du willst „Es hat mich sehr gereizt, wie man so einem vielseitigen, komplexen Themenfeld eine angemessene Form geben kann“ stellung zeitgenössischer Kunstwerke mit sich bringt. Stattdessen sind ein dezenteres Werk der Künstlerin und Arbeiten von anderen Größen der Kunst zu sehen. „Ich freue mich besonders, dass wir auch Elaine Sturtevant als eine der ,Grandes Dames‘ in der Ausstellung haben“, sagt die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin. „Sie ist eine Künstlerin, die in den 60er Jahren damit bekannt wurde, Kunstwerke von Männern zu kopieren, von Jasper Johns, Andy Warhol, Marcel Duchamp. Damit hat sie eine Debatte über Urheberschaft eröffnet und thematisiert gleichzeitig die eigene Unsichtbarkeit und die der Frauen als Produzentinnen in der Kunst“, erklärt Brill. Ihr Werk „Untitled (Go Go Dancing Platform)“ nimmt beinahe einen ganzen Ausstellungsraum des Schwulen Museums* in Anspruch. Hierbei hat sie ein Werk von Félix GonzálezTorres kopiert. Mit etwas Glück kann man auf der Gogo-Plattform einen Tänzer sehen. Es sei ein emblematisches Werk der Ausstellung, da es vor allem um Fragen der Geschlechterrollen, der Geschlechterordnungen gehe, so Brill. Geschlechterordnung in neuem Licht Die Geschlechterordnung bringt bereits das Ausstellungsplakat ins Wanken. Heather Cassils „Advertisement: Homage to Benglis“ (2011) zeigt einen muskulösen, scheinbar männlichen Körper mit Brustansätzen, kurzem Kopfhaar und knallrotem Lippenstift. Das Original hängt im zweiten Stock des Deutschen Historischen Museums. Geschichtliche Aspekte, Fragen nach Reaktionen der Gesellschaft auf das eigene Coming-out und nach der Geschichte der Kriminalisierung werden unter anderem im DHM beantwortet, während im Schwulen Museum die Befreiung anscheinend schon stattgefunden hat: Homosexualität für Fortgeschrittene, könnte man meinen. Es geht um Eigendefinitionen, um Gendertheorien, die in aktuellen Debatten und in der Szene diskutiert werden, zeitgenössische Kunstwerke expliziteren Inhalts. Und auch hier kommen Menschen zu Wort, die gezielt für die Ausstellung interviewt wurden: Zu ihrer Sexualität, zu Begrifflichkeiten, wie die Gesellschaft auf sie reagiert oder nicht reagiert hat. So beleuchtet die Ausstellung das komplexe Thema mit seinem jahrhundertealten geschichtlichen Überbau sowie die vielen verschiedenen und persönlichen Blickwinkel und ist nicht nur für alle Menschen „vom Fach“, sondern auch für Außenstehende verständlich, amüsant, lehrreich und unterhaltsam. „Homosexualität_en“ bis 1. Dezember 2015 im Schwulen Museum* und Deutschen Historischen Museum Berlin www.schwulesmuseum.de www.dhm.de L-MAG Corinna Waffender Ausgerechnet sie Roman 216 Seiten 973-3-89656-233-3 14,90 Euro Eine außergewöhnliche Geschichte – literarisch, tiefsinnig, einfühlsam. QUERVERLAG.DE SPENDEN SIE VIELFALT 3. CHARITY DINNER 28. NOVEMBER 2015 GRAND HYATT HOTEL BERLIN TICKETS NUR IM VVK Eintritt: 300 Euro Tel. 030 / 20 89 87 650 [email protected] www.mh-stiftung.de Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld fördert Bildungs- und Forschungsarbeit für mehr lesbische Sichtbarkeit. Wissen schafft Akzeptanz. 29 *30-31 Geschichte Elberskirchen_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:24 Seite 30 GESCHICHTE Circa 1905 „Die sexuelle Ausbeutung des Weibes ist antisozialistisch“ Vor 40 Jahren wurde die Aktivistin Johanna Elberskirchen heimlich bestattet. Da war sie bereits 30 Jahre tot! Die Politikwissenschaftlerin und Biografin Christiane Leidinger erinnert an eine leidenschaftliche Kämpferin mit Ecken und Kanten 30 War die Urne nur verbummelt? Die mysteriöse Urnenstory und die ungewöhnliche Lebensgeschichte der couragierten Feministin, lesbischen Sozialdemokratin und umtriebigen Sexualwissenschaftlerin Johanna Elberskirchen haben einen zentralen Punkt gemeinsam: Nicht alles lässt sich klären. Es gibt keinen Nachlass und Hildegard Moniac hatte niemandem erzählt, warum die Urne nicht direkt nach ihrem Tod 1943 bestattet worden ist. In einem Interview vermutete eine Zeitzeugin, Moniacs wenig ausgeprägter Sinn für Ordnung könne der Grund gewesen sein, dass die Urne nicht direkt unter die Erde kam. Es sei aber auch gut möglich, dass es am Geld gelegen habe. Die finanzielle Situation des Paares während des Faschismus war nämlich äußerst prekär. Moniac Foto: Creative Commons „Die Urne von Frau Elberskirchen liegt im Grab von Frau Moniac.“ Mit diesem lapidaren Satz überraschte mich eine Zeitzeugin während meiner Recherchen zu Johanna Elberskirchen. Meinen bereits halb geschulterten Rucksack setzte ich wieder ab. Wie war die Elberskirchen’sche Urne in das Grab ihrer letzten Lebensgefährtin Hildegard Moniac hineingekommen? Und warum? Elberskirchen war in den 1940er und Moniac in den 1960er Jahren gestorben. Die Urne war demnach erst Jahrzehnte nach dem Tod von Johanna Elberskirchen bestattet worden. Das Wie ist schnell erzählt: Zwei Frauen hatten die Urne gefunden und Anfang Juni 1975 – also dreißig Jahre später – heimlich vergraben: Tasche packen, Friedhofsspaziergang, Moniacs Grab aufbuddeln, Urne rein, Blümchen drauf, Spaten wegpacken – und sich dabei möglichst nicht erwischen lassen … L-MAG *30-31 Geschichte Elberskirchen_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:24 Seite 31 war zwar Lehrerin in Berlin, wurde jedoch 1933 von den Nazis zwangsentlassen, da sie Mitglied in der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) gewesen ist. Fortan half sie ihrer Partnerin, die als Heilpraktikerin eine mäßig einträgliche Praxis in Rüdersdorf bei Berlin unterhielt. Sozialdemokraten schrieb sie schon 1897 ins Stammbuch: „Die sexuelle Ausbeutung des Weibes ist genauso antisocialistisch, wie die ökonomische des Arbeiters.“ Und die bürgerliche Frauenbewegung fordert sie im Stimmrechtskampf zur Solidarität mit Arbeiterinnen auf: „Feministisch sein heißt „Die Kritik, die im Namen der Wissenschaft am Feminismus verbrochen wird, hat oft mit Wissenschaft wenig zu tun“ Die beiden Frauen lebten notgedrungen zurückgezogen im Privaten: Sie waren ortsbekannt lesbisch und beide bis zum Verbot in sozialdemokratischen Parteien aktiv. Ein Buch von Johanna Elberskirchen zu Homosexualität von 1904 stand zudem 1938 auf dem NaziIndex. Einen Antrag an die Reichsschrifttumskammer (RSK), um während des Nationalsozialismus schreiben zu dürfen, hat sie nie gestellt. Sie wird krank und körperlich immer schwächer. Am 17. Mai 1943 stirbt sie im Alter von 79 Jahren nach einem atemlosen, hürdenreichen und erfüllten Leben. Frühe Feministin und Querdenkerin Johanna Carolina Elberskirchen wird am 11. April 1864 in Bonn geboren. Sie wächst mit vier Geschwistern auf, ein älterer Bruder, drei jüngere Schwestern. Ihre Eltern betreiben eine Obst- und Gemüsehandlung in der Innenstadt. Trotz Bildungsbenachteiligung und Geschlecht schafft sie es, ihre Wünsche durchzusetzen: Bonner Höhere Töchterschule, Lohnarbeit als Kassiererin in Rinteln, sogar ein Studium in der Schweiz: Medizin, später Jura. Sie schließt jedoch nicht ab. Der Wissensdurst bringt ihr in ihrer Familie den Spitznamen „Hannes“ ein. Ihr Pseudonym „Hans Carolan“ legt sie rasch ab und publiziert unter ihrem tatsächlichen Namen. Verstecken, sich zurückhalten oder wegducken war nicht ihre Sache. Egal wer das Gegenüber war: Ob feministische Schwestern, Genossen oder universitäre Autoritäten: „Ich hätte auch schreiben können, Feminismus und Schwachsinn, denn die Kritik, die im Namen der Wissenschaft am Feminismus verbrochen wird, hat oft mit Wissenschaft wenig zu tun.“ So steht es zu Beginn eines Büchleins, in dem sie 1903 mit sexistischer Forschung wie die des Neurologen Paul Julius Möbius abrechnet; sie publiziert eine Replik zu seinem Werk „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“. Den Schweizer L-MAG keineswegs un à tout prix ein Recht für eine kleine Anzahl Frauen auf Kosten der anderen Frauen ergattern zu wollen.“ 1913 gaben sich in der hitzigen Debatte um das Dreiklassenwahlrecht die meisten bürgerlichen Feministinnen schon mit einem Stimmrecht nur für bürgerliche und adelige Damen zufrieden; Befürworterinnen des demokratischen Wahlrechts für alle waren in der Defensive. Eine, die überall aneckte Johanna Elberskirchen engagiert sich grenzüberwindend in der Arbeiterbewegung, der Frauenbewegung, der Homosexuellenbewegung sowie in der Lebens- und der Sexual-Reformbewegung. Dabei sind ihre querdenkerischen Positionen nicht gerade eine Steilvorlage, um auf der Beliebtheitsskala der Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen im frühen 20. Jahrhundert ganz oben zu rangieren. Dass sie mit lässiger Nonchalance offen lesbisch ist, hilft dabei auch nicht wirklich weiter: „Sind wir Frauen der Emanzipation homosexual – nun dann lasse man uns doch! Dann sind wir es doch mit gutem Recht“, schreibt Elberskirchen 1904. Sie eckt an: Als Linke und offen Homosexuelle im radikalen Flügel der Frauenbewegung, als lesbische und radikale Feministin in der Arbeiterbewegung und in der Homosexuellenbewegung, als Nicht-Ärztin unter Sexualwissenschaftlern. Den einen viel zu bürgerlich, den anderen zu wenig. Und zu radikal, zu feministisch, zu angriffslustig.1898 fliegt sie aus dem Allgemeinen Österreichischen Frauenverein, wahrscheinlich wegen ihrer Position zu Vergewaltigern – der „Mannbestie“ – die ihr als männerfeindlich angelastet worden sein dürfte. Aus der Bonner Sozialdemokratie wird sie 1913 ebenfalls ausgeschlossen, wobei sie das nicht abhält, wenige Jahre später in Rüdersdorf bei Berlin wieder einzutreten. Grund für den Rauswurf ist ihr zeitgleiches feministisches Engagement für das demokratische Wahlrecht. Sie finanziert sich mit Schreiben, hält Vorräge. Ihr Stil ist temperamentvoll, frech, ironisch, bissig, polemisch, provokativ, mitunter selbstgerecht und unerträglich pathetisch. Politische Missgriffe Viele der Themen, denen sich Johanna Elberskirchen widmete, sind für eine Frauenrechtlerin ihrer Zeit klassisch: Bildung und Lohnarbeit von Frauen, Sozialisation, Sexualität. Gleichzeitig ist vieles in ihrem Werk zeitlos und modern: ob es um AlibiFrauen geht, um vorgeschobene Qualifikationsargumente, Verharmlosung von Gewalt, Machtfragen, soziale Gerechtigkeit, Freiheit oder Menschenrechte. Herausragend ist ihr Engagement vor allem, wenn sie Tabus bricht, etwa mit ihrer frühen Kritik an Männergewalt oder durch ihre Auseinandersetzung mit weiblicher und männlicher Homosexualität. Dabei zeigen sich an ihren sexualreformerischen Arbeiten am deutlichsten die Bruchstellen und Widersprüche auch ihres emanzipatorischen politischen Lebens – insbesondere da sie seit der Jahrhundertwende beliebte „eugenische“, „rassenhygienische“ Behauptungen und Argumente aufgreift und selbst zu deren Weiterverbreitung beiträgt. Das heißt, sie teilte die Idee, es sei notwendig, sogenannte hochwertige Kinder hervorzubringen. Hier schwimmt sie nicht – wie so oft – gegen den Strom, sondern mit dem Zeitgeist. Auch das war eine Entscheidung. Ausgewiesen rassistische und antisemitische Überlegungen formulierte sie nicht. Dennoch sucht man eine klare Stellungnahme dazu beziehungsweise dagegen in ihrem Werk vergeblich. Das besondere Doppelgrab von Moniac und Elberskirchen steht seit 2002 unter dem Schutz der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin. Auch in Bonn erinnert seit 2005 eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an die unbeugsame wie streitbare Aktivistin und Publizistin Johanna Elberskirchen. //Christiane Leidinger Ausflugstipps und weitere Informationen: www.lesbengeschichte.org Zum Weiterlesen: Christiane Leidinger: „Keine Tochter aus gutem Hause Johanna Elberskirchen (1864-1943)“ UVK, 2008, 480 Seiten, 9,99 Euro 31 *32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 32 TITELTHEMA FILM MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND! Es begann mit der schönsten Frau der Welt: Niemand Geringeres als Louise Brooks, die damals als Schönste ihres Geschlechts galt. In „Die Büchse der Pandora“ hatte sie den ersten Filmflirt mit der allerersten Lesbe der Filmgeschichte. Das war 1929 in Deutschland. Seitdem hat sich viel getan – und doch vieles nicht. Lesbische Figuren und die Realität lesbischer Frauen sind im Kino mehr als unterrepräsentiert. Frauen im Filmbusiness sind auf die Rolle des heterosexuellen Sexsymbols ohne wichtige Dialoge programmiert. Am finanziellen Erfolg von Filmen sind Frauen genauso wenig beteiligt, wie generell an deren Inszenierung. Gerade einmal 15 Prozent der in Deutschland produzierten Filme haben durch die Beteiligung von Frauen auch eine weibliche Perspektive – von einer lesbischen ganz zu schweigen. Dass sich Film-Superstars trotzdem über Stereotypen hinwegsetzen können, zeigt eine der zehn best-bezahlten Hollywood-Schauspielerinnen und „Twilight“-Hauptdarstellerin Kristen Stewart. Dem Teenie-Vampirfilm, und damit auch dem grauenvollen Robert Pattinson entwachsen, zeigt sie sich neuerdings in legerer Pose, mit androgynem Look und: einer Geliebten! Noch radikaler und für manche fast unerträglich offen lesbisch kommt unser Cover-Model, Schauspielerin, Fotomodel und DJ Ruby Rose daher (Foto). Sie zeigt, alles ist möglich: Offenheit, Souveränität, Spaß am Lesbischsein und Erfolg in der Filmwelt. Kein Kunststück, werden viele sagen, so fantastisch wie sie aussieht. Doch mit ihren kurzen Haaren und den 60 Tattoos kam sie nicht immer gut an. Dies hat sich seit ihrem Durchbruch mit der Serie „Orange Is the New Black“ allerdings geändert, wie sie L-MAG verrät. Nun laden wir ein, zu großem Kino mit unseren liebsten Filmen, liebsten Stars, mit entschlossenen Filmemacherinnen, liebevoll gemachten Festivals und ein bisschen schlechtem Trash-Filmgeschmack als Popcorn-Tüte am Schluss. Film ab! 32 L-MAG *32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 33 L-MAG 33 *32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:15 Seite 34 TITELTHEMA FILM TRENDSETTERIN Ruby Rose in ihrer Rolle als Stella in der dritten Staffel der Serie„Orange Is the New Black“ Anfang Juni beim lesbischen „Ola Girls“-Festival im spanischen Calpe: Am Strand taucht überraschend Gaststar Ruby Rose auf und ist schnell von zwei Dutzend neugierigen Lesben umringt. Freundlich posiert sie für Fotos, plaudert hier und da – ein Promi zum Anfassen. Aber noch sorgt die Frauen-Sambagruppe, die mittlerweile angetrommelt gekommen ist, für die größere Aufmerksamkeit beim lesbischen und heterosexuellen StrandPublikum. Das könnte ihr letzter Auftritt in relativer Ruhe sein, vemute ich im Gespräch mit ihr, denn der Start der neuen Staffel von „Orange Is the New Black“ steht kurz bevor, und darin spielt Rose ihre erste größere Rolle. „Dann werden zwar mehr Leute wissen, wer ich bin“, winkt sie ab, „aber ich denke, mein Leben in L.A. wird so ziemlich dasselbe sein.“ Die neue Shane Eine Woche später: Die Netflix-Serie steht online und die Welt steht Kopf für Ruby. Lesben haben ihre neue „Shane“, Heteras ihre neue Angelina Jolie – sprich: die Frau, für die sie schwach werden würden. Mode-Magazine erklären den „Ruby Rose-Haarschnitt“ zum neuen Trend. „Mein Leben hat sich dramatisch geändert“, sagt die 29-Jährige in einem der vielen TV-Interviews, die sie nun gibt. Jeden Tag trifft sie sich mit Filmstudios, sie ist für eine Rolle in der Action-Filmreihe „Fast & Furious“ im Gespräch, und die Produktionsfirma der queeren Erfolgsserie„Lost Girl“ plant ein Projekt mit ihr. 34 Rubys Zurückhaltung im Vorfeld wundert nicht, liegt doch eine zwei Jahre lange Durststrecke hinter ihr. Als sie 2013 von Sydney nach Los Angeles zog, um ihre Karriere als Schauspielerin zu starten (ihr bis dahin einziger KinoAuftritt war eine Sexszene mit Christina Ricci in dem australischen Film „Around the Block“), wartete dort niemand auf sie. „Ich fand keinen Agenten, keinen Manager und bekam keine Rollenangebote, nicht mal für einen Studentenfilm”, sagte sie in der TV-Sendung „Today“ – hart für die erfolgsverwöhnte Australierin, die in ihrer Heimat bereits ein Star ist, seit sie mit 16 als Model entdeckt wurde und sich ein zweites und drittes Standbein als MTV-Moderatorin und DJ zulegte. Androgyner Look, zu kurze Haare, 60 Tattoos – Ruby Rose kannte all die Einwände schon aus ihrer Model-Zeit und verarbeitete das Thema in dem Kurzfilm „Break Free“, in dem sie sich von einer glatten, femininen Langhaar-Tussi in eine maskuline Version ihrer selbst verwandelt. Erst als der Clip im Juli 2014 zum viralen Hit wurde – inzwischen wurde er fast zehn Millionen Mal angeklickt – wurde auch Hollywood auf sie aufmerksam, und die Casting-Agentin von„Orange Is the New Black“ rief an. Deutsch: „Ja, ich bin Deutsche und heiße mit Nachnamen Langenheim“, und fügt mit perfekt bayerisch gerolltem„R“ hinzu, dass sie eine Weile in Bayreuth („Ich war dort sechs Monate auf dem Gymnasium“) und Berlin lebte. Sie hatte keine schöne Kindheit: sexueller Missbrauch, Flucht vor ihrem gewalttätigen Vater, Armut, Mobbing in der Highschool und ein bis heute dauernder Kampf gegen Depressionen. Darüber redet sie heute in Interviews ebenso unbefangen wie über ihre sexuelle Orientierung. Tatsächlich gibt es nur wenige Promis, die so selbstverständlich mit ihrem Lesbischsein umgehen wie sie. „Ich bin nicht bisexuell, ich bin eine Lesbe“, betonte Ruby Rose, die mit zwölf ihr Coming-out hatte, schon im ersten Jahr ihrer MTV-Karriere in einem Fan-Chat, und lebte auch fast alle ihrer Beziehungen, meistens mit Frauen aus der Modebranche, öffentlich. Mit dem australischen Topmodel Catherine McNeil war sie verlobt, mit Modedesignerin Phoebe Dahl, Enkelin des Schriftstellers Roald Dahl, meint sie’s jetzt offenbar wirklich ernst. Das Paar, seit Anfang 2014 zusammen, startete zusammen das gender-neutrale Modelabel Scallywags, Hochzeit und Familiengründung sind bereits in Planung. Das Beste beider Geschlechter „Alle Lesben in L.A. kennen sich“ Die Rolle als sexy Stella in der erfolgreichen Frauenknastserie scheint ihr auf den Leib geschrieben: Auf die Frage von Piper – ihr Flirt in der Serie – ob sie sich etwa nicht als Frau definiere sagt sie: „Doch, aber nur, weil meine Auswahl begrenzt ist.“ Auch Ruby selbst bezeichnet sich als „gender fluid“: „Ich bin kein Mann und fühle mich nicht richtig als Frau“, sagte sie im Elle-Interview. „Ich bin irgendwo in der Mitte, was für mich bedeutet, das Beste beider Geschlechter zu haben.“ Als Kind wollte sie ein Junge sein und sparte sogar auf eine angleichende Operation. Erst mit 15 wurde ihr klar, dass sie nicht trans ist, sondern sich „nur wohler in meiner eigenen Haut fühlen wollte.“ Bis dahin genießt Ruby aber noch das queere Partyleben in L.A. Sie ist mit Sia, Kate Moennig, Leisha Hailey und Camila Grey von Uh Huh Her befreundet, legt auf Greys Lesbenparty „LUC“ auf und lernt mit Ellen Page Texte. „Ja, alle Lesben in L.A. kennen sich“, bestätigt sie lachend meinen Verdacht. „Als ich hierherkam, kannte ich niemanden, und jetzt kenne ich alle. Es ist echt schön, so einen netten Haufen um sich zu haben.“ Ob Ruby Rose auch in der vierten Staffel von „Orange Is the New Black“ dabei sein wird, ist noch nicht bekannt, aber wiedersehen werden wir sie auf jeden Fall. Dafür nimmt sie dann auch in Kauf, als „lesbische Schauspielerin“ gelabelt zu werden: „Wenn das bedeutet, dass die nächste Generation ihre Sexualität nicht mehr als Teil ihrer Jobbeschreibung aufgedrückt bekommt, bin ich damit zufrieden.“ // Karin Schupp Zwischen Bayern und Berlin Die in Melbourne geborene Tochter einer deutschen Auswandererin erzählt mir auf Fotos: Mathieu Young/Netflix(S.33),Netflix, David Higgs, Laia Ventayol Ruby Rose ist Topmodel, DJ und neuer Star der Serie„Orange Is the New Black“. Mit zahlreichen Tätowierungen und androgynem Look erobert sie nun den lesbischen Hollywood-Himmel L-MAG *32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 35 L-MAG trifft Ruby Rose: Redakteurin Karin Schupp im Gespräch mit der Schauspielerin am Strand in Spanien während des„OLA Girls“-Festivals L-MAG 35 *36-37 TT Lieblingscharaktere_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:26 Seite 36 TITELTHEMA FILM § CORKY, LISBETH, PUSSY – WIR LIEBEN EUCH! Ein bisschen Schmacht und Heldinnenverehrung muss erlaubt sein: Die zehn L-MAG-Lieblingsfilmcharaktere Corky (Gina Gershon, Bild 4) in „Bound – Gefesselt“ USA, 1996, Regie: The Wachowskis Tanktop, Doppelaxt-Tattoo, lässige Coolness: Die Wachowski-Geschwister waren die Ersten, die einem Mainstream-Publikum zeigten, wie sexy Butches sein können. Ex-Knacki Corky, anfangs ein wenig schwer von Begriff (Corky: „Was tust du da?“ – Violet: „Ich versuche, dich zu verführen.“ – Corky: „Warum?“), lernt schnell und kriegt am Ende nicht nur die MafiaMillionen, sondern auch die Frau (Jennifer Tilly). Manuela von Meinhardis (Hertha Thiele/Romy Schneider, Bild 5) in „Mädchen in Uniform“ D, 1931 (Regie: Leontine Sagan) und 1958 (Géza von Radványi) Die schmachtende Internatsschülerin Manuela ist die Mutter aller verzweifelt verliebten Junglesben! In der Originalfassung wird sie immerhin von Fräulein von Bernburg zurückgeküsst, während sich Romy Schneider 1958 mit einem Kuss auf die Stirn begnügen muss. Manuela gab’s übrigens wirklich: sie war mit der lesbischen Autorin Christa Winsloe befreundet, die die Bühnenvorlage schrieb. 36 Pussy Galore (Honor Blackman, Bild 1) in „James Bond 007 – Goldfinger” GB, 1964, Regie: Guy Hamilton Eine Pilotin, die nur Frauen in ihrem „Flying Circus“ beschäftigt, immun gegenüber James Bonds billigem Geflirte ist und ihm im Zweikampf Paroli bietet: Angesichts des Jahrzehnts ignorieren wir gnädig, dass sie Bond am Ende doch verfällt und – anders als im Roman – nicht eindeutig lesbisch ist. Extrapunkte für den Namen, den Honor Blackman seinerzeit in Interviews mit viel Spaß und so oft es ging wiederholte. Laure/Mikäel (Zoé Héran) in „Tomboy“ F, 2011, Regie: Céline Sciamma Laure ist mit 10 Jahren noch zu jung, um sich als queer, butch, lesbisch oder trans* zu definieren, weiß aber dennoch genau, was sie will: Badehose statt Bikini tragen, als Mikäel akzeptiert und von Lisa gemocht werden. Und alle, die am Ende nicht Laures/Mikäels verständnislose Eltern anbrüllen wollen, müssten ihr restliches Leben im rosa Rüschenkleid durch die Welt gehen. L-MAG *36-37 TT Lieblingscharaktere_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:26 Seite 37 1 3 2 4 Miriam Blaylock (Catherine Deneuve) in „Begierde“/ „The Hunger“ GB, 1983, Regie: Tony Scott Catherine Deneuve als tausend Jahre alte, sexy Vampirin kriegt Dr. Sarah Roberts (Susan Sarandon) mit einer Piano-Ballade ins Bett: Mehr muss man sich von diesem Vampire-mitSchulterpolstern-Film im Achtziger-Stil nicht ansehen. Er geht sowieso nicht gut aus: Mit einer Frau Schluss zu machen, kann ja schon schwer genug sein – eine Unsterbliche wie Miriam muss man da schon lebendig begraben. Megan (Natasha Lyonne) in „Weil ich ein Mädchen bin“/ „But I’m a Cheerleader“ USA, 1999, Regie: Jamie Babbit Auch eine biedere Unschuld vom Lande kann zur lesbischen Heldin werden, wenn sie – ausgerechnet – im homophoben Umerziehungscamp ihr Coming-out erlebt, sich in eine Leidensgenossin (Clea DuVall) verliebt und sie am Ende aus dieser rosa Prinzessinnenhölle befreit. Und was aus Megan, Lyonnes erster Lesbenrolle, geworden ist, wissen wir alle: sie heißt jetzt „Nicky“ und sitzt im „Orange Is the New Black“-Knast. L-MAG 5 Lisbeth Salander (Noomi Rapace, Bild 2) in „Millennium-Trilogie“ SE, 2009–2010, Regie: Niels Arden Oplev, Daniel Alfredson Bis heute ist Lisbeth Salander die einzige Action-Heldin mit eigener Filmreihe und zugleich eine Hauptfigur, die nicht entworfen wurde, um Männern zu gefallen: Eine hochintelligente, punkige Hackerin, die Sex hat, mit wem sie will, und Männergewalt gnadenlos rächt. Ob die nicht minder kompromisslose US-Version (2011) mit Rooney Mara deswegen nie über den ersten Teil hinaus kam? Idgie (Mary Stuart Masterson) in „Grüne Tomaten”/ „Fried Green Tomatoes (at the Whistle Stop Cafe)“ USA, 1991, Regie: Jon Avnet Sie ist unabhängig und selbstbewusst, holt für Ruth (Mary-Louise Parker) Honig aus dem Bienenstock, gründet mit ihr eine Regenbogenfamilie und, nun ja, statt Sex gibt‘s eine Essensschlacht. Schlichtweg albern war der Versuch, aus den beiden beste Freundinnen zu machen: sie sind eindeutig ein Paar, auch dank der Hauptdarstellerinnen, die erfolglos gegen die Heterosexualisierung der Romanvorlage protestiert hatten. Fariba (Jasmin Tabatabai, Bild 3) in „Fremde Haut“ D, 2005, Regie: Angelina Maccarone Weder Dragking noch Trans* – Fariba, im Iran als Lesbe verfolgt, gibt sich in Deutschland als Mann aus, um ihrer Abschiebung zu entgehen – letztlich ohne Erfolg. Dabei sind wir uns doch wohl einig: Wer es in der schwäbischen Provinz und mit einem Job in der Sauerkrautfabrik aushält, hätte das Bleiberecht und das Happy End mit Anne (Anneke-Kim Sarnau) ohne Wenn und Aber verdient gehabt! Susie der Bär (Nastassja Kinski) in „Hotel New Hampshire“ USA, 1984, Regie: Tony Richardson Jenseits jeglicher Lesbenklischees: die Lesbe im Bärenkostüm in John Irvings skurriler Familien-Saga wird von Nastassja Kinski gespielt, der Angelina Jolie der 1980er-Jahre, und ist – wer könnte das nicht nachvollziehen! – unglücklich in Jodie Foster verliebt. Plus: Mit ihr hat Jodie Foster ihre einzige (wenn auch nur kurze) lesbische Liebesszene ihrer KinoKarriere. // Zusammenstellung: Karin Schupp 37 *38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 38 TITELTHEMA FILM „Natürlich fühle ich mich manchmal wie die eine Person, die schnurstracks ins Scheinwerferlicht rennt, während alle anderen sich im Dunkeln küssen“ Die US-Amerikanerin B. Ruby Rich ist ein Allroundtalent. Filmkritikerin, Filmwissenschaftlerin und Herausgeberin der Zeitschrift Film Quarterly sowie Professorin für Film, Digitale Medien und Soziale Dokumentation an der Universität von Kalifornien, Santa Cruz. 1992 moderierte B. Ruby Rich eine historische Podiumsdiskussion beim „Sundance“ Filmfestival. Sie stellte dort eine Gruppe von schwulen und lesbischen Filmemacherinnen und Filmemachern vor, die LGBT-Inhalte in den Mittelpunkt ihrer Geschichten rückten und damit ein neues Selbstverständnis für queere Lebensumstände fern von normativen Geschlechterrollen schufen. B. Ruby Rich gab der Bewegung den Namen „New Queer Cinema“. 1998 erschien ihr erstes Buch „Chick Flicks: Theories and Memories of the Feminist Film Movement“, 2013„New Queer Cinema: The Director's Cut.“ B. Ruby Rich lebt in San Francisco. 38 L-MAG *38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 12:24 Seite 39 VON NEW QUEER CINEMA IN DEN MAINSTREAM Filmexpertin, Kritikerin und Professorin B. Ruby Rich über die Anfänge des lesbisch-schwulen Kinos und die Zukunft für Lesben auf der Leinwand Foto: Peelen Wer hat’s erfunden? Die Filmtheoretikerin B. Ruby Rich aus San Francisco! Sie prägte den Begriff des „New Queer Cinema“ und diese neue Strömung im Kino im Rahmen eines legendären Events beim US-amerikanischen „Sundance“-Filmfestival im Jahre 1992. Mitte der 90er Jahre griffen viele lesbische und schwule Filmemacherinnen und -macher zur Kamera, um ihre eigene Lebenswelt in Szene zu setzen und lesbische und schwule sowie trans- und bisexuelle Charaktere endlich angemessen und glaubhaft auf der Kinoleinwand repräsentiert zu sehen. Leute wie Rose Troche, Cheryl Dunye, Monika Treut, Gus Van Sant, Pedro Almodóvar und andere ebneten den Weg für diese neue Welle des selbstbewussten, authentischen lesbischen und schwulen Kinogenres. Ohne das „New Queer Cinema“ gäbe es die vielen „Feel-Good-Hollywood-Komödien“ um lebenslustige Lesben und Schwule heute wohl kaum – selbst Serien wie „The L Word“ oder „Orange Is the New Black“ wären letztlich ohne die Pionierinnen der 90er Jahre nicht denkbar, und nicht ohne ihre stärkste und klügste Stimme: B. Ruby Rich. Im Mai war die Filmxpertin zu Gast in Zürich beim „Pink Apple“-Filmfestival. L-MAG-Autorin Sarah Stutte traf sie vor Ort und plauderte mit ihr über alte und neue Filmgeschichten. L-MAG: Gab es einen bestimmten Ausschlag, dich für Filme zu interessieren oder war es ein fließender Prozess? B. Ruby Rich: Bei mir fing die Faszination für Filme im College an. Sie entstand aus einer Ablehnung von Literatur. Ich mochte ursprünglich Gedichte und nordische Sagen. Dann krachte irgendwann die ganze Poesie über mir zusammen und ich sträubte mich dagegen. So begann ich, mich in der studentischen Filmgesellschaft zu engagieren, gründete später einen eigenen Filmverein und noch später half ich in Chicago mit, ein Frauenfilmfestival zu organisieren. Zu Beginn der 70er Jahre gab es Filme, zum Beispiel von Rainer Werner Fassbinder, Derek Jarman und L-MAG Ulrike Ottinger, die einen queer Aspekt beinhalteten, aber das wurde nicht spezifiziert. Ende der 70er hatte ich mein Coming-out, verliebte mich in eine Frau und begann, mich eingehender mit dieser Thematik zu befassen. Der erste Film, über den ich schrieb, war„Mädchen in Uniform“. Ich grub alles aus, was ich darüber und über das lesbische Leben zu dieser Zeit finden konnte. Wir wussten damals nicht viel. Film war ein Mittel, die Jahre der langsamen Forschung zu überbrücken. Es war aufregend, flüchtige Einblicke in eine andere Zeit zu bekommen. Film wurde für mich eine künstlerische Ausdrucksform, aber auch ein sozialer, politischer Zugang. Für mich besteht die Kombination bis heute. Ich analysiere Filme als Schülerin, Kritikerin, Journalistin und jetzt Professorin. Doch gleichzeitig achte ich immer auf die Überschneidungen – wie der Film beim Publikum ankommt, unter welchen Umständen er Erfolg hat oder nicht. Darin liegt für mich die Energie, und das ist der Grund, warum mein Interesse an diesem Medium über eine so lange Zeit bestehen konnte. Kannst du denn Filme noch rein zum Vergnügen schauen oder hast du diese analysierende Sichtweise immer im Kopf, wenn du ins Kino gehst? Ich kann manche Filme als Privatperson schauen, aber nicht alle, und manchmal gerate ich in lange Diskussionen. Ich habe beispielsweise lange über „Blau ist eine warme Farbe“ diskutiert, den ich liebe und gegen die lesbische Community verteidige, die ihn hasst. Manchmal leitet mich meine Fachkenntnis in eine andere Richtung als die, die ich selbst erwarte. Wir alle haben einen unterschiedlichen Geschmack und orientieren uns hinsichtlich der Bedeutung, die Filme für uns haben, an unserem eigenen Leben, Erfahrungen, Vorlieben … seitens der Kunstform aber auch an Informationen, die uns zur Verfügung stehen und an den Vorurteilen in uns. Natürlich fühle ich mich manchmal wie die eine Person, die schnurstracks ins Scheinwerferlicht rennt, während alle anderen sich im Dunkeln küssen. 39 *38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 40 TITELTHEMA FILM Radha Mitchell als Syd in„High Art“(1998) Ich habe meinen eigenen Koffer an Wahrnehmungen, Fachkenntnis, Analysen und Ansichten und den lasse ich mir nicht nehmen. Was war das für ein Gefühl, an etwas Neuem maßgeblich beteiligt zu sein und 1992 den Begriff des „New Queer Cinema“ zu kreieren? Absolut aufregend. Für mich kam es nicht aus dem Nichts heraus, ich beobachtete die Entwicklung. Die ersten Schritte in diese Richtung waren Kurzfilme von Isaac Julien oder Marlon Riggs, vieles war Videomaterial. Als es 1991 anfing, mit „Poison“ und „Paris is Burning“ beim „Sundance“-Filmfestival zu explodieren, wollte ich den Moment festhalten. Im September 1991 sprach ich im Rahmen des Filmfestivals in Toronto auf dem Gehweg mit den Leuten von „Sundance“. Wir wollten den historischen Augenblick nicht verpassen und wollten auch nicht, dass das Publikum ihn verpasst. Also planten wir auf diesem Bürgersteig in Toronto das Forum in „Sundance“. Der Grund, warum daraus eine Bewegung entstand, war, dass die Menschen sie brauchten. Sie brauchten einen Slogan, der half, Vertriebspartner und Publikum zu finden. Was zeichnete diese Filme aus, was machte sie neu und anders? Es gab gewisse Vorboten wie Gus Van Sants ersten Film „Mala Noche“, Lizzie Bordens „Born in Flames“, „She Must Be Seeing Things“ von Sheila McLaughlin und „Abschiedsblicke“ von Bill Sherwood. Alles Spielfilme, die eine neue Idee rund um lesbischschwule Kultur verkörperten. Sie waren sehr ästhetisch und deckten sich nicht mit der normativen Bildsprache. Stattdessen wurde versucht, Außenseiter-Identitäten und -Inhalte zusammenzufügen. Für mich waren diese Filme vor allem 40 eine Reaktion auf Aids und Aids-Organisationen wie Queer Nation. Man wollte ein Signal setzen und brachte die Energie von der Straße auf die Leinwand. Dazu holte man nicht erst die Genehmigung eines imaginären Heteropublikums ein, das die Filme sowieso nicht gesehen hätte. Sie wurden für die Community gemacht. Die Filmemacher wollten die Stimmen nach außen tragen, von denen sie das Gefühl hatten, sie würden unterdrückt. Nicht nur die Folgen und der Umgang mit Aids wurden im „New Queer Cinema“ thematisiert, sondern auch die repressive Politik der 80er Jahre die geprägt von Politikgrößen wie Thatcher und Reagan waren. Die Wut der Jugend darauf schien ein guter Boden für Kreativität zu sein. Absolut. In der schwulen „Bonnie und Clyde“Version „The Living End“ von Gregg Araki sieht man diese Wut beispielsweise sehr gut, auch über eine Nation, von der sie sich im Stich gelassen fühlten. In den späten 80ern und frühen 90ern standen alle unter Schock wegen ihr Halt gibt. Auch die Entwicklung der Camcorder und die billige Herstellungsmöglichkeit der Filme trug dazu bei. Es war ein großartiger Moment. Die Leute kamen von den Kunsthochschulen, kauften sich Camcorder und experimentierten. Die Kombination aus neuer Technologie und Krisen schuf die Basis für eine frischere Herangehensweise. Die Geschichten wurden auch aus der Nische in den Mainstream geholt und ganz selbstverständlich in Porträts einer Generation miteinbezogen. Schuf dieses Selbstverständnis auch ein neues Selbstbild und Selbstbewusstsein? Teilweise. Für manche Lesben und Schwule war es eine tolle Chance zusammenzuarbeiten und aus der dunklen Ecke herauszukommen. Andere fanden es nicht so großartig. Es gab viele Schwule, die keine Frauen in ihrer Nähe haben wollten, und es gab auch viele Lesben, die dachten, dass das Lesbischsein nun verschwindet, weil man in der heterogenen Masse untergeht. Es war ein großes Durcheinander, „Man holte nicht erst die Genehmigung eines imaginären Heteropublikums ein“ der Aids-Epidemie. Die Infizierten starben schneller als in den Anfangsjahren. Dies aufgrund des Medikaments AZT, das anfangs in zu hohen Dosierungen eingesetzt wurde. Man wollte rauskommen aus dieser Phase des Schocks, des täglichen Kampfes ums Überleben und den ständigen Beerdigungen, auf denen man war. Man wollte eine Kultur erschaffen, die die Community unterstützt und alle waren verwirrt. In den 80ern stritt man noch über Bisexualität. Die Trans-Bewegung war gerade erst mit ein paar Einzelkämpfern gestartet und die Gewichtung lag klar auf der Sexualität, nicht auf Gender. Doch vor allem junge Lesben zog es direkt in die Aids-Organisationen, Krankenhäuser und Pflegeheime, um ihre schwulen Freunde zu unterstützen. Das kann man gut in Dokumentationen sehen wie „Paris is Burning“ von 1990 L-MAG *38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 41 „How to Survive a Plague“ oder „United in Anger“ (beide 2012 von der Aids-Aktivisten-Vereinigung Act Up realisiert, Anm. der Red.). Gab es weitere wesentliche Faktoren, die der Entwicklung des „New Queer Cinema“ den Weg ebneten? Sehr viel kam aus Europa und aus verschiedenen Richtungen. Als Rose Troche 1994 „Go Fish“ machte, war sie dabei sehr von frühen amerikanischen Avantgarde-Filmen beeinflusst, mehr als von irgendeinem lesbischen Film. Als Lisa Cholodenko ein paar Jahre später „High Art“ (1998) realisierte, sah man ihre Einflüsse aus der Fotografie: Nan Goldin, David Wojnarowicz und Peter Hujar. Auch die Drogen-Subszene im lesbischen Künstlermillieu der Großstädte fand sie faszinierend. Sie kam von der Columbia Universität in New York und wurde dort von Miloš Forman und James Schamus unterrichtet. Sie hatte also diesen klassischen Drehbuch-Einfluss, der für sie sehr wichtig war. Auf der anderen Seite hatte jemand wie Cheryl Dunye für „The Watermelon Woman“ (1996) nichts, an dem sie sich orientieren konnte. Es gab bis dahin kein schwarzes lesbisches Kino. Also schuf sie sich selbst das Vorbild, das sie sich wünschte und stellte ihre eigene Geschichte ins Zentrum. Auch die Queer-Filmfestivals waren sehr wichtig in den 90ern. Dort wurden nicht nur aktuelle Sachen gezeigt, sondern auch europäische und US-amerikanische Kleinode, die irgendwo in Archiven verstaubten und von Filmstudenten ausgegraben wurden. Damals hatten LGBT-Filme einen ganz anderen Stellenwert als heute. Das Internet war noch nicht so weit und man musste wirklich auf die Festivals gehen, um sie sehen zu können. Wo ist dieses Gemeinschaftsgefühl von früher hin? Wenn ich das nur wüsste. Ich finde es traurig und es ist für mich schwer, nicht in Nostalgie zu verfallen. Früher stand man für die Festivals an, traf Freunde oder seine nächste große Liebe und es gab viele Partys rundherum. Es war nicht nur ein Filmfestival, es war ein ganz spezieller Kosmos, der sehr wichtig wurde. Als die Festivals wuchsen, fingen die Filmemacher an, extra Filme dafür zu produzieren. Weil sie eine Plattform sahen, wo ihre Arbeiten gezeigt werden konnten. Sie trafen sich dort und knüpften Kontakte. Viele Filme wären vermutlich nie realisiert worden, wenn sich Schauspieler und Regisseure nicht an einem solchen Ort über den Weg gelaufen wären. Über die heutige Entwicklung bin ich besorgt. Wenn man nur noch Zuhause sitzt und sich Downloads ansieht, gibt es bald kein öffentliches Publikum mehr. Auch der Gemeinschaftssinn bleibt völlig auf der Strecke. Damals hatten die Filme etwas mit dem Publikum zu tun. Die Geschichten handelten von Gruppen, die etwas taten. Viele Zuschauer waren selbst in Verbänden und Vereinen engagiert und fanden sich in den Storys wieder. Heute gibt es viel mehr individuelle Charaktere, die einen gewissen Prozess durchlaufen. Wenn in den Filmen eine Gemeinschaft vorkommt, ist die Geschichte meist historisch wie in „Pride“. Ist sie aber in der Gegenwart angesiedelt, wird die Gruppe meist negativ dargestellt. Du hast dich unter anderem in zwei Büchern mit dem Thema Film beschäftigt. Wie siehst du die Zukunft für lesbische Filmregisseurinnen? Leider nicht sehr positiv. Es gibt einfach zu wenig Frauen, die ihre Arbeiten veröffentlichen. Nur im TV-Bereich sind die lesbischen Filmschaffenden stark vertreten. Lisa Cholodenko hat im letzten Jahr „Olive Kitteridge“ gemacht, eine vierteilige Miniserie, die auf dem gleichnamigen Buch basiert. „Transparent“ wird produziert von Jill Soloway, deren Vater selbst Transgender ist. „Orange Is the New Black“ ist ein fast ausschließlich weiblicher Showhit, vom Cast über die Buchvorlage bis zur Produzentin und auch Jamie Babitt macht sehr viel nebenher fürs Fernsehen. Wenn es eine Zukunft gibt, ist diese ganz klar dort zu finden. L-MAG 41 *42-43 TT Regisseurinnenin D._00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:29 Seite 42 TITELTHEMA FILM Die Gründungsmitglieder von Pro Quote Regie. Hinten, v. li. n. re.: Barbara Rohm, Annette Ernst, Nina Grosse, Esther Gronenborn, Maria Mohr Vorne, v. li. n. re.: Bettina Schoeller, Tatjana Turanskyj, Nathalie Percillier, Imogen Kimmel, Katinka Feistl, Margrét Rún, Connie Walther IGNORANZ IST KEINE OPTION Nur 15 Prozent aller Kino- und TV-Filme sind von Frauen inszeniert. Wenn es um Geld und Erfolg geht, sind Männer unter sich – gerade im Filmbusiness. L-MAG befragte Regisseurinnen und Expertinnen, wie sich das ändern ließe 42 L-MAG *42-43 TT Regisseurinnenin D._00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:29 Seite 43 „Ich habe nicht vor, die äußere Homophobie in eine innere zu verwandeln, nur weil das Erfolg bringen soll“ Es war einmal in den 1970er Jahren: Da wurden Frauen, die Filme machten, abfällig „Regisseusen“ genannt. Den ersten Kamerafrauen war es laut Arbeitsschutzgesetz offiziell verboten, die schweren Geräte zu tragen. Und wenn dann doch Frauen Kino machten, hieß es: Frauenfilm! Problemfilm! Wer will das sehen? Diese Zeiten sind vorbei. Oder nicht? 2012 drehte die junge Regisseurin Isabell Šuba beim Festival in Cannes ein Werk, dessen schöner Titel es auf den Punkt bringt: „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“. Darin geht es um den Sexismus einer Branche, die Frauen zwar gern auf dem Roten Teppich sieht, aber am liebsten als Trägerinnen üppiger Dekolletés und nicht als Regisseurinnen. Die wichtigsten Regiepreise der Welt gehen an Männer. Nur einmal gewann eine Regisseurin den Oscar (Kathryn Bigelow, 2010). Allein auf weiter Flur steht auch Jane Campion mit ihrer Goldenen Palme. Dabei gibt es keinen Mangel an talentierten Filmemacherinnen. „Heute stellt sich nicht mehr die Frage: Können Frauen das überhaupt? Das haben genug von ihnen bewiesen“, sagt Produzentin Ulrike Zimmermann („Fremde Haut“, „Verfolgt“, „Vulva 3.0“). „Aber wer Filme dreht, hat immer noch das Patriarchat und den Kapitalismus vor sich.“ Männerbündelei und das Schielen auf größtmögliche Absatzmärkte, das sind zumindest zwei der mächtigen Gegenspieler, mit denen sich jede arrangieren muss. Foto: Brigit Gudjonsdottir Verschwinden nach dem ersten Film Tatsächlich sind aber inzwischen fast die Hälfte aller Absolventen deutscher Filmhochschulen weiblich. Während des Studiums gewinnen die Regisseurinnen sogar mehr Preise als ihre männlichen Kollegen. Doch nach dem Erstlingsfilm verschwinden sie meist auf magische Weise aus dem Rampenlicht. In den Sparten Dokumentar-, Kurz- und Kinderfilm sind Frauen zwar häufig vertreten: Dort fließt nicht so viel Geld oder weniger Prestige. Doch je teurer L-MAG eine Produktion, desto mehr wird auf Testosteron gesetzt. „Frauen wird weniger zugetraut, mit großen Budgets zu arbeiten. Also bekommen sie selbst für aufwendige Produktionen generell weniger Geld beziehungsweise werden dafür sehr selten in Betracht gezogen.“ Das berichtet Drehbuchautorin und Regisseurin Angelina Maccarone („Fremde Haut“, „The Look – Charlotte Rampling“), die 1995 mit dem Coming-out-Klassiker „Kommt Mausi raus?!“ debütierte, gegenüber L-MAG. Der Film bescherte nicht nur der Autorin dieser Zeilen ein lesbisches Erwachen im deutschen Fernsehen. Initiative Pro Quote Regie fordert erstmal nur 30 Prozent Ein Erwachen anderer Art stieß Ellen Wietstock an. Sie gibt seit 31 Jahren in Eigenregie das Branchenblatt black box heraus und schaut der Filmszene kritisch auf die Finger. 2012 nahm sie sich zwei große Filmförderungen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit vor. Das Ergebnis: Die meisten Millionen gehen an Projekte mit männlicher Regie. Nur 15 Prozent aller Kinound Fernsehfilme werden von Frauen inszeniert. Das ist etwas mehr als der Frauenanteil bei der Bundeswehr. „Eigentlich wussten wir das ja längst. Aber jetzt hatten wir die Zahlen schwarz auf weiß“, erzählt Nathalie Percillier auf Nachfrage von L-MAG. „Und da war klar: Wir müssen aktiv werden!“ Percillier gehört zum Vorstand des Vereins Pro Quote Regie, der sich im Herbst 2014 gründete. Und genau das fordern die Frauen: eine Quote bei der Vergabe öffentlicher Gelder an Filmprojekte. 327 Regisseurinnen haben den Aufruf bisher unterschrieben. Erst einmal geht es ihnen um 30 Prozent Frauenanteil. In zehn Jahren sollen es 50 Prozent sein. Utopisch? „Im Augenblick gibt es keine Rede, keine Diskussion, bei der dieses Thema nicht angesprochen wird“, so Ellen Wietstock. „Die Frage ist, ob sich tatsächlich die Strukturen ändern.“ Denn die radikale Forderung nach einer Quote gab es schon einmal. Sie wurde vom 1979 gegründeten Verband der Filmarbeiterinnen gestellt. Damals schrieben sich die Frauen gleich 50/50 auf ihre Fahnen. Heute gibt es den Verband nicht mehr. Die ewigen Boy-meets-GirlGeschichten sind Standard Noch eine weitere Debatte muss die aktuelle Quoteninitiative begleiten: die um Qualität. Ist es ein Fortschritt, wenn Frauen in zehn Jahren die gleichen stereotypen Fernsehfilme für ARD und ZDF drehen, wie das Männer tun? Oder mit den Worten von Ulrike Zimmermann: „Solange die ewigen Boy-meets-Girl-Geschichten der Standard der deutschen Kino- und Fernsehkultur sind, werden wir keine bessere Situation erreichen, indem wir möglichst viele Frauen in dieses Haifischbecken schicken. Der Kern des Problems sind für mich die menschenverachtenden Vorstellungen der TVSender davon, was ihr Publikum wirklich interessant findet und gezeigt bekommen darf.“ Nötig wäre also eine Reform des ganzen Systems. Nicht nur ist es in Deutschland so, dass kaum ein Kinofilm ohne Unterstützung des Fernsehens entstehen kann. Auch ähneln die TV-Sender und Filmförderungsanstalten teils undurchschaubaren Behörden, wo viel Papier produziert wird, aber nicht gerade aufregende Ideen, umwerfende Bilder und offene Horizonte oder Filme von Frauen und Lesben. „Solange der universale Mensch weiß und männlich ist, müssen Quoten her“, sagt Nathalie Percillier. Die Filmemacherin mit einem Faible für skurrile Geschichten und lesbische Heldinnen bekam oft genug zu hören: Muss deine Protagonistin frauenliebend sein? Geht nicht auch ein Mann? Percilliers Antwort:„Ich habe nicht vor, die äußere Homophobie in eine innere zu verwandeln, nur weil das Erfolg bringen soll.“ Und Angelina Maccarone wünscht sich: „Film muss künstlerisch sein dürfen.“ Das ist letztlich auch ein Plädoyer für mehr mutige, mehr politische Filme: „Film bedeutet, Stellung zu beziehen und eine Haltung zur Welt zu haben. Ignoranz ist keine Option.“ // Kittyhawk 43 *44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:30 Seite 44 TITELTHEMA FILM Das Organisationsteam der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg von 2014 MEHR GELD! MEHR MUT! MEHR LESBISCHE FILME! Während der lesbische Film im täglichen Kinobetrieb kaum existiert, stellt sich die Frage, wie es auf den queer Filmfestivals aussieht, deren Hauptsaison traditionell der Herbst ist. Wie können sich diese eigentlich finanzieren? Wie steht es um das lesbische Kino und vor allem: um das lesbische Publikum? „Das Publikum besteht zu mehr als der Hälfte aus Frauen“, berichtet Martin Wolkner, Veranstalter des Filmfests „homochrom“, das im Oktober in Köln und Dortmund stattfindet. Generell sei das schwule Publikum allein durch Partyangebote übersättigter und auch weniger offen in ihrer 44 Filmauswahl. Lesben gingen auch mal in schwule Filme, andersrum sei das kaum der Fall. Eine These, die unter anderem Jens Holzhäuser von den „Queer-Streifen“ Regensburg, die zum vierten Mal im November stattfinden, unterstreichen kann: „Lesben sind interessierter“, zudem seien sie als Kinogängerinnen treuer und zuverlässiger. Während sich bei lesbischen Filmen in Regensburg oft vor dem Film Gruppen bilden, um geschlossen ins Kino zu gehen, würden die Schwulen oft vereinzelter und verstohlener in den Saal gehen, „fast wie im Pornokino“, stellt Holzhäuser lachend fest. Seine Kollegin Isabella Sontheim teilt die Einschätzung, dass das lesbische Publikum geselliger und organisierter an den Fotos: Andrea Preising, Eckhard Buehler Viel Publikum, zu wenig Material. Queerfestivals sind ein wichtiger Treffpunkt für die Community, doch ihr Überleben ist hart L-MAG *44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:30 Seite 45 Filmbesuch herangehe, genau wie Katja Briesemeister von den„Lesbisch Schwulen Filmtagen Hamburg“, die im Oktober bereits ihren 26. Geburtstag feiern. Sie berichtet, dass lesbische Filme schon oft im Voraus ausgebucht oder sogar ausverkauft sind, wohingegen sich das schwule Publikum erst wesentlich kurzfristiger entscheiden würde. Alle Festivalmacherinnen und -macher sind sich in einer geschätzten Lesbenquote von 50 bis 60 Prozent einig. Hört, hört! Lesbisches Publikum mit wenig Lust auf Experimente Die Lesbe geht also mehr ins Kino, die Kinolesbe wird aber auch älter. „Das lesbische Publikum geht bei 30 los“, sagt Briesemeister und zeigt sich leicht besorgt um den lesbischen Kinonachwuchs. Während sich auch bei der von der Edition Salzgeber veranstalteten „L-Filmnacht“ abzeichnet, dass sich das Kernpublikum aus eher älteren Lesben zusammensetzt, wie Jan Künemund berichtet, stellt sich generell die Frage, ob ein Denken in alten Kategorien überhaupt noch sinnvoll ist. Als Ende der 1980er die ersten lesbisch-schwulen Filmfestivals ins Leben gerufen wurden, hatte das Kino als Ort einer kulturellen Kollektivität und als identitätsstiftender Raum noch eine radikal andere Bedeutung als heute. Die Blütezeit des homosexuellen Repräsentationskinos scheint vorbei und ein Umdenken in puncto Identität und Film schwierig. Mit Ausnahme des Berliner „Xposed“-Filmfestivals, das im Mai zehnjähriges Jubiläum feierte, und dessen Publikum sich als „queer“, „genderqueer“ oder gar nicht definiert, jedoch nur zu 18 Prozent als dezidiert „lesbisch“, wie Michael Stütz berichtet, scheint es mittlerweile schwer, ein HomoPublikum für experimentellere Filmformen zu begeistern – eine Tendenz, die fast alle Programmverantwortlichen bestätigen. Was zieht, sind klassisch narrative Filme, die sich einer konventionellen Form bedienen, vielleicht ein bisschen nach Hollywood aussehen und gradlinig ihre Geschichte präsentieren. Mainstream-Kino fürs Nischenpublikum also? „Wir programmieren mittlerweile konservativer und richten uns damit nach dem Publikumsgeschmack“, sagt Jan Künemund von der „L-Filmnacht“ und resümiert damit Erfahrungen, die soweit gehen, dass gegen untertitelte Filme protestiert wurde. Der Kinobesuch wird, wie es Isabella Sontheim von den „Queer-Streifen“ ausdrückt, eher als ein allgemeines Event zur gemeinsamen Freizeitgestaltung begriffen und weniger als kulturelle Entdeckungsreise oder Diskussionsgrundlage für Filmkunst. Keine Kohle, keine Filme Soweit die Einschätzungen, denen wiederum ganz andere Realitäten gegenüberstehen: Es gibt zu wenige (gute) lesbische Filme. Was bereits bei der letztjährigen Berlinale zum Aufschrei führte, zeigt sich auch bei der Filmreihe „homochrom“ von Martin Wolkner sehr deutlich: statt monatlich in sechs Städten (wie die schwule Filmreihe), findet das lesbische Pendant nur alle zwei Monate und auch nur in vier Städten statt. Grund: zu wenig Auswahl. Und um die geht es eben, wenn man seinem Publikum ein eigenes Programm präsentieren will. Die Gründe hierfür liegen, da sind sich alle Befragten einig, wohl vor allem in Förderund Produktionsstrukturen, die nach wie vor Männer, wenn auch schwule, bevorzugen. Viele Kurzfilmemacherinnen, so Katja Briesemeister, würden darüber hinaus später in der Versenkung verschwinden, weil sie Assistenzen bei anderen Projekten übernähmen, statt selbst weiter Filme zu machen. Mehr Mut? Mehr Geld wäre wohl richtiger. Und apropos: Wie finanzieren sich die Festivals eigentlich? Kann man davon leben? Diese Frage beantwortet Martin Wolkner mit einem schallenden Lachen. Traurig, aber wahr: trotz Filmpatenschaften (Regensburg), städtischer Förderung (Hamburg, Dortmund) und Besuchereinnahmen bleibt nach Abzug von Kinomieten, Leih- und Werbekosten bei keinem der Festivals mehr als ein Taschengeld übrig – freiwillige Arbeit für die gute Sache und den Film. Ein weiterer Grund, im Herbst in die Kinos des Landes zu flüchten, seine Freundinnen mitzunehmen und sich vielleicht auch mal mehr auf Experimente einzulassen. Etwas anderes sind queer Filmfestivals ja auch nicht. //Toby Ashraf L-MAG Andrang bei der Eröffnung der Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg FILMFESTIVALS UND -EVENTS IN DER ÜBERSICHT Pride Pictures – lesbisch-schwule Filmtage Karlsruhe 29. September bis 4. Oktober 2015 www.pridepictures.de queerfilm Festival Bremen 13. bis 18. Oktober www.queerfilm.de Filmfest homochrom Köln, 13. bis 18. Oktober und Dortmund, 21. bis 25. Oktober 2015 www.homochrom.de/filmfest-2015 Perlen – Queer Film Festival Hannover 18. bis 24. Oktober 2015 www.filmfest-perlen.de Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg 20. bis 25.Oktober 2015 www.lsf-hamburg.de PornFilmFestival Berlin 21. bis 25. Oktober 2015 www.pornfilmfestivalberlin.de Queer Filmfest Weiterstadt 21. Oktober bis 3. November 2015 www.weiterstadt.de/koki/Kinoprogramm/QUEERFILM2015.html QueerFilmfest Rostock 22. bis 24. Oktober 2015 www.queerfilmfest.de Queer-Streifen Regensburg 5. bis 11. November 2015 www.queer-streifen.blogspot.de Queerfilm Esslingen Termin noch unbekannt www.koki-es.de Xposed International Film Festival Berlin wieder im Mai 2016 www.xposedfilmfestival.com L-Filmnacht in 22 verschiedenen Städten, ab September www.l-film-nacht.de 45 *44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 46 TITELTHEMA FILM IM RICHTIGEN FILM L-MAG präsentiert: die 26. Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg Eines der L-MAG-Lieblingsfestivals geht in seine 26. Runde: die Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg, das älteste und größte Festival seiner Art in Deutschland. An sechs Tagen wird handverlesenes Programm, inklusive sehr viel lesbischem Publikum und lesbischen Filmen sowie die mehr als legendäre Nachtbar geboten. L-MAG als langjähriger Medienpartner freut sich, den Film „Sangailé“, eine wunderbar gefühlvoll inszenierte Teenager Lovestory aus Litauen zu präsentieren. Ebenfalls um die erste Liebe und das Erwachen einer jungen Frau geht es im niederländischen „Zomer“, wo in einem trostlosen Dorf im Schatten eines Kraftwerks in Form der Motoradfahrerin Lena endlich das (lesbische) Leben Einzug hält. Unter dem Titel „The Art of Fighting“ wird eines der Schwerpunktthemen der Einfluss des Feminismus auf US-amerikanische Künstlerinnen sein. Auch wenn bei Redaktionsschluss noch nicht das ganze Programm feststand, soviel ist sicher: Hier kann man nie in den falschen Film gehen, falsch wäre nur, das Festival nicht zu besuchen! // kay www.lsf-hamburg.de 20. bis 25. Oktober 2015 L-MAG präsentiert bei den Lesbisch Schwulen Filmtagen in Hamburg den Film„Sangailé“ ERREGUNG VON KÖRPER UND GEIST L-MAG präsentiert: Zehn Jahre Pornfilmfestival in Berlin 46 Jubiläums stellt sich das Organisationsteam dem Publikum und beantwortet alle Fragen. Besonders einfallsreich ist die Präsentation von Pornostummfilmen aus den 1910er und 1920er Jahren, die mit Live-Musik unterlegt werden. L-MAG präsentiert den Film „The Duke of Burgundy“, ein einfühlsamer Film zum Thema Dominieren und Unterwerfen. Mitte Oktober beginnt der Ticket-Vorverkauf – L-MAG rät, unbedingt im Vorfeld zuzugreifen, sonst wird es nix mit Sex im Kino. Doch dann bleibt immer noch die Party. Drei Tage lang läuft die Festival-Lounge im Ficken3000 und am Samstag steigt die wohl abgefahrenste Party, diesmal im Prince Charles. Den Abschluss bildet die Preisverleihung am Sonntag während des Abschlussabends im Südblock für den besten Spielfilm, besten Dokumentarfilm und besten Kurzfilm. Egal ob Film, Party oder Diskussion, das Pornfilmfestival ist eine Institution in Berlin, letztes Jahr wurden über 7.000 Tickets verkauft, und für alle, die neue Perspektiven zum Thema Sex entdecken wollen, ein absolutes Muss. // dm www.pornfilmfestivalberlin.de Moviemento, Berlin (Kreuzberg): www.moviemento.de 21. bis 25. Oktober Foto: Verleih Da sitzen heterosexuelle Paare neben Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans* im Kino und schauen sich gemeinsam nackte Ärsche, verschlungene Körper, verzerrte Gesichter an, um anschließend zu diskutieren, Perspektiven auszutauschen oder einfach zu feiern. Seit nunmehr zehn Jahren beweist das Pornfilmfestival in Berlin eindrucksvoll: Sex im Kino muss nicht banal oder platt sein. Es geht um Sex in seinen vielfältigen Spielformen, und dennoch wird nicht nur die Libido erregt. Es werden gesellschaftliche Grenzen überwunden, Vorurteile abgebaut und Horizonte erweitert. Gezeigt werden klassische Spielfilme sowie Dokumentar-, Kurz-, Experimental- und Animationsfilme. Allein Publikum und Ambiente sind eine Reise nach Berlin wert. Die Themen der über 100 Filme drehen sich dieses Jahr neben Sex um Monogamie, Transgender und Behinderung. Pro Tag rückt eine Filmemacherin oder ein Filmmacher in den Fokus der Diskussion. Mit dabei ist dieses Jahr Catherine Corringer aus Paris, die 2009 für ihren Film „Smooth“ den Preis für den besten Kurzfilm erhielt. Ein Highlight wird die Wiederaufführung der „Rocky Horror Picture Show“. Außerdem wird eine Diskussion zum Niedergang der deutschen Pornoindustrie mit Beteiligten aus der Branche geboten. Anlässlich des zehnjährigen L-MAG *44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 47 MARKTPLATZ Die Brust ist zu schwer Anwältinnen Barbara Wessel Christina Clemm Möglichkeiten der Brustverkleinerung bei der Frau auch Fachanwältin für Strafrecht Yorckstrasse 80 | 10965 Berlin U-BHF Mehringdamm Tel 030. 62 20 17 48 [email protected] www.anwaeltinnen-kreuzberg.de Dr. Roberto Spierer Leitender Arzt der Hand-, Plastischenund Ästhetischen Chirurgie 08.10.2015, 18.30 Uhr Lebenspartnerschaften und Familienrecht Aufenthalts- und Asylrecht Strafrecht Gewaltschutz/Stalking Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum Haus 35, 1. Etage, großer Konferenzraum Rubensstraße 125, 12157 Berlin www.vivantes.de/avk Alexandra Goy Rechtsanwältin Kanzlei für: - Lebenspartnerschaftsrecht - Familienrecht - Gewaltschutzrecht - Erbrecht - allgem. Zivilrecht Bayerischer Platz 7 10779 Berlin-Schöneberg Tel: 030/8549224 Fax: 030/8549424 e-mail: [email protected] HIER KÖNNTE IHRE ANZEIGE STEHEN Gerne unterbreiten wir Ihnen ein ganz persönliches Angebot. Sprechen Sie uns an! 030/23 55 39-34 [email protected] www.l-mag.de L-MAG 47 *48-49 TT 10 beste Trash-Filme_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 48 TITELTHEMA FILM EIN HOCH AUF DEN SCHLECHTEN GESCHMACK Fiese Knastlesben, lesbische Vampirinnen und blutrünstige Monsterweiber – die schlimmsten Klischees über Lesben stammen aus Trash-Filmen, die heute wieder Kult sind. L-MAG hat für die Freundinnen des schlechten Geschmacks die zehn trashigsten Filme mit lesbischer Story zusammengestellt – nichts für schwache Nerven! 48 L-MAG *48-49 TT 10 beste Trash-Filme_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 49 Superoberstübchenlesbe Susan Sontag definierte 1964 in ihrem epochalen Camp-Essay zum ersten Mal eine ganz eigene queere Wahrnehmung, Ästhetik und Sensibilität. Deren Charakteristika? Eine kreative Schwäche für das Extreme, Abwegige, leicht Schizophrene, für das stilistisch Überpointierte, Außerordentliche, Dekorative, Ironische, Groteske und Schmuckvolle. Camp (durchaus politisch) ist ein von sanftem Spott erfüllter Widerstand gegen die männlich definierte (Hoch-)Kultur, eine Art kultureller Ungehorsam. Hier nun einige diesen speziellen Camp-Geschmack bedienenden Besonderheiten, die manchmal (auch unfreiwillig) so … na ja … so schlecht sind, dass sie schon wieder gut sind. Der heiße Tod/99 Women Spanien-Deutschland-Italien, 1969, Jess Franco Wahrscheinlich die Urmutter aller Frauen-im-Gefängnis-Filme! Lesbploitation à gogo! Ein namenloser Knast auf einer namenlosen tropischen Insel im Nirgendwo, und hier ist die Hölle los! Vergewaltigung, Sadismus, Orgien, Lesbenbordell, eine Tiersnuffszene, Verstümmelung, Folter! Ausgerechnet die tränensusige, überkandidelt agierende Maria Schell erhält den Auftrag, hier Ordnung zu schaffen. Finaler Höhepunkt: Flucht durch den Urwald, Verfolgung durch sexgeile Sträflinge und ein Anti-Happy-End. Pink Flamingos USA, 1972, John Waters Der absolute Tabubruch-Film mit dem singenden Anus! Pummelmutti und Wohnwagenbesitzerin Divine verzehrt live einen frisch dampfenden Haufen Hundescheiße! Aber das ist nicht alles – es gibt Hühner-, Fußund Eierfetischismus, Spermaspritzen, gegrillte Polizisten und den Wettkampf um die widerlichste Familie Baltimores! Und das Ehepaar Marble verkauft Heroin an Schulkinder und schwängert gekidnappte Anhalterinnen, um die Babys an spießige Lesbenpaare zu verkaufen. Vegas in Space USA, 1991, Philip R. Ford „Würdest du dein Geschlecht ändern, um das Universum zu retten?“ Drei Soldaten tun dies per Pille und begeben sich als Showgirl-Truppe nach Clitorix, dem exklusiven Lust- und Partyplaneten der Frauen. Das Problem: Der Kaiserin Nueva Gabor wurden mehrere Teile von „Girlinium“ gestohlen, kostbare Steine, die für die Existenz des Universums lebensnotwendig sind. Fast alle Rollen werden von völlig gruseligen Transen gespielt, die dauernd„Oh, my Goddess!“ kreischen. Blut an den Lippen/Les Lèvres rouges Belgien, 1971, Harry Kümel Inzest, Ödipus, S/M, Lesbensoftporno, Blutsaugerei! Die unvergleichliche Delphine Seyrig als Gräfin Bathory driftet auf der Suche nach frischem Blut mit ihrem Girltoy in ein leeres Grand Hotel in Ostende. Dort ist zum Glück ein junges Paar in den Flitterwochen, das ein Geheimnis hat: Er wird von einem Sugar Daddy ausgehalten und von misshandelten, sogar ermordeten Frauen sexuell erregt; der Braut gefällt die Komplizenschaft, und sie wird dann zur Vampirgespielin. Absolut stylish! Blumen ohne Duft/Beyond the Valley of the Dolls USA, 1970 , Russ Meyer Ein Sexploitation-Horror-Musical mit herrlich zeittypischem Ambiente, das mit einem Vierfach-Ritualmord und einer Dreifach-Hochzeit endet. Tittenfetischist Russ Meyer (behauptet selbst: „mein bester Film“) verfolgt Auf- und Abstieg einer Girlpopband, die im Sumpf Hollywood und auf den Partys des durchgeknallten, bisexuellen Z-Man in den L-MAG kunterbunten Strudel von Sex, Drogen und Gewalt gerät. Jetzt Kult, damals als völliger Dreck verrissen. Das Branchenblatt der Filmindustrie Variety schrieb:„So lustig wie ein brennendes Waisenhaus.“ Desperate Living USA, 1977, John Waters Der letzte wahre Geniestreich vom King of Trash. „Leck mich, Peggy, leck mich!“, befiehlt die 300 Kilo schwere Grizelda, während sie mit ihrer soziopathischen Arbeitgeberin im Bett liegt. Grizelda hat gerade Peggys Ehemann erstickt, indem sie sich auf sein Gesicht setzte. Sie flüchten und landen in der Freak-Perversen-Lesben-Nudisten-PsychopathenSiedlung Mortville, die von der bösen Queen Carlotta terrorisiert wird. Aber alles wird gut – es kommt zu Revolution und Kannibalismus! Cleopatra Jones gegen die Drachenlady/Cleopatra Jones and the Casino of Gold USA, 1985, Charles Bail Modesty Blaise meets Bond meets Blaxploitation! Die wunderbare Tamara Dobson als knallharte Dynamit-Geheimagentin, ein Kätzchen, das man nicht ohne Handschuhe anfassen sollte. Der Vorgänger „Cleopatra Jones“ hatte zwar schon eine hübsch schräge Lesbenstory, aber Nummer zwei ist mehr Spaß und Krawall. Cleopatra erledigt mit Verve und Gusto in Hongkong und Macao ein Drogenimperium und dessen Chefin, die„Dragon Lady“, eine irre Lipstick-Lesbe. Weggehen um anzukommen D, 1982, Alexandra von Grote Noch ein Beweis, dass der Weg zum Gefühlskitsch oft mit den besten Vorsätzen gepflastert ist. Die böse Regina hat ihre Anna betrogen! Die bricht die langjährig vor sich hin dümpelnde Beziehung erst mal ab und brettert mit dem VW-Bus gen Südfrankreich, um bei Käse, Wein, Sonnenschein und „einfachen“ Menschen zu „sich selbst“ zu finden. Damals mit Recht eine Sensation wegen des Themas und einer 20-minütigen Softporno-Weichzeichner-Sexszene, ist heute aber muffige 70er-JahreSeelenmargarine. Glen or Glenda USA, 1953, Edward D. Wood Jr. Der Pflichtfilm zur Gender-Diskussion! Glen zieht gern Frauenklamotten an, weil sich seine Mutter eine Tochter wünschte, und an seiner Verlobten liebt er am meisten ihre Angorapullover! Der semi-autobiografische Film, ein Plädoyer für Toleranz in Sachen Transsexualität und Transvestismus, war mutig, ist aber mit seinem bizarr-exzentrischen Stil zu viel des Guten. Es wirken mit: der Teufel, ein diabolischer Wissenschaftler, ein „Menschheitslenker“ und ein Pseudohermaphrodit. Bonus: Bela Lugosi auf Droge. Das Doppelleben der Sister George/The Killing of Sister George USA, 1968, Robert Aldrich Die Lesbenversion von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, voller sado-masochistischer Rituale. Ein bizarres Liebestrio: Die Butch, ein Soap-Star auf der Karriereleiter nach unten, verliert die Femme (und deren Mega-Puppenkollektion) an eine ausgebuffte TV-Redakteurin. Bedrückend, überdreht und allzu wahr – und eine listige Feier des (butchen) Lesbisch-Seins: Girls just wanna have fun! Eben! Bonus: Eine 119-Sekunden-Sexszene, und sensationell erstmalig im Kino: Echte Lesben! In einer echten Lesbenbar! // Zusammenstellung: Egbert Hörmann 49 *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:32 Seite 50 FOTO *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:32 Seite 51 Andere Geschlechterbilder Die New Yorker Fotografin Jessica Yatrofsky zeigt in ihrem neuem Fotoband „I Heart Girl“ Porträts von Frauen jenseits der Norm Rollenbilder, Geschlechternormen und die gesellschaftliche Darstellung von Mann und Frau beschäftigen die US-amerikanische Fotografin Jessica Yatrofsky. Sie begann ihre künstlerische Arbeit als Malerin, studierte Freie Kunst an der „Parsons the New School for Design“ in New York City. Die Leidenschaft zur Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel entdeckte sie erst nach dem Studium. „Ich war immer fasziniert von der Idee des Subjekts in der Kunst, egal ob beim Zeichnen von Stillleben oder von lebendigen Models. Alles was ich als praktizierende Künstlerin lernte, spiegelt sich nun in meiner fotografischen Arbeit wieder“, reflektiert die Fotografin und Filmemacherin ihre Arbeit. Yatrofskys erster Fotoband „I Heart Boy“ erschien 2010. Mittlerweile wurden ihre Arbeiten bereits in Belgien, Spanien, China und Dänemark ausgestellt. Ihre Filme liefen im USFernsehen und bei internationalen Filmfestivals. Im Oktober dieses Jahres werden ihre Arbeiten nun erstmalig auch in Deutschland präsentiert. Die Berliner Galerie Koll and Friends zeigt ihre Porträts aus dem aktuellen Fotoband vom 16. Oktober bis 18. November. Yatrofskys Fotografien drehen sich um die Fragen: Wie werden Männer und Frauen in unserer Gesellschaft dargestellt? Wie betrachten wir Geschlechter? Ihre Fotos wirken still und doch sind sie nah an den einzelnen Menschen. Sie fotografiert mitten aus dem Leben heraus. Um die passenden Fotomodelle für ihre Porträtreihe zu finden, fragte sie zunächst Freunde und Freundinnen nach interssanten Personen, die auf irgendeine Weise nicht der üblichen Geschlechternorm entsprechen. Das wurde ein Selbstläufer, die Leute empfahlen sich gegenseitig. „Nachdem ich nur einige Freunde gefragt hatte, wurde ich regelrecht überflutet mit Anfragen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich durch die Masse an E-Mails zu arbeiten von all den Leuten, die gern für mein Projekt fotografiert werden wollten und von Freunden empfohlen wurden.“ Am Ende entstanden die zwei Fotabände „I Heart Boy“ und „I Heart Girl“. L-MAG zeigt Auszüge aus dem aktuellen Fotoband mit insgeamt 98 Bildern. Die Fotografin selbst führt mit Erklärungen und Kommentaren durch die Fotostrecke. // dm www.jessicayatrofsky.com www.koll.gallery *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 52 „Seitdem ich 2007 in New York angekommen bin, habe ich angefangen, viele Modelle für die Serie zu fotografieren. Ich habe ,I Heart Girl‘ in New York City, Brooklyn aufgenommen, meistens an den verschiedenen Orten, an denen ich über die Jahre gelebt habe, und in Studios. Manchmal war ich auch bei den Modellen zu Hause.“ *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 53 „Ich betrachte ,I Heart Girls‘ als eine Erweiterung meiner bisherigen Porträtarbeiten. Schon als ich mit ,I Heart Boy‘ begann, wusste ich, dass ich ,I Heart Girl’ als die ,schwesterliche’ Variante veröffentlichen würde. Dennoch denke ich, beide Serien können auch für sich allein stehen. Beide Serien entdecken den Körper, männliche oder weibliche Androgynität und Geschlechtsidentitäten. Am Anfang habe ich Freunde fotografiert, Männer und Frauen, die in Brooklyn leben und einen Lebensstil führen, den manche als ,alternativ‘ bezeichnen würden. Mit klassischen Porträts, wollte ich zeigen, wie ich das aktuelle Bild wahrnehme, um damit die übliche Darstellung von Paaren aufzubrechen.“ *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 54 „Meine Leidenschaft gilt dem Aufzeigen des Körpers und dem Entwerfen von Bildern, die nicht immer mit den typischen gesellschaftlichen Vorstellungen von Schönheit einhergehen.“ *50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 55 „Ich zeige in der Serie Personen, die ich über Jahre fotografierte habe, um zu hinterfragen, wie Frauen noch immer in Mainstream-Medien dargestellt werden. Auch wenn es mittlerweile einen Fortschritt gibt, wie wir Frauen betrachten, interessiert mich eine Zukunft, in der wir uns eine Gesellschaft vorstellen, die viel mehr Übergänge zwischen den Geschlechtern zulässt, als die Welt, in der wir jetzt leben.“ *56-57 Sport Bundesliga_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:57 Seite 56 SPORT Spielerinnen-Karussell Ende August startete die 26. Frauen-Bundesliga. Im Vorfeld wurden die zwölf Teams vielfach neu zusammengewürfelt – Spielerinnen kamen und gingen. L-MAG gibt einen ersten Einblick und stimmt ein auf eine spannende Saison Vero Boquete, Kapitänin des spanischen Nationalteams wechselt zu den Bayern Am letzten Augustwochenende startete die Frauenfußball-Bundesliga in die 26. Spielzeit. Zwölf Teams kämpfen an 22 Spieltagen um die Meisterschale. Das Eröffnungsspiel bestritt die amtierenden deutschen Meisterinnen FC Bayern München gegen die Vierten der Vorsaison, 1. FFC Turbine Potsdam, am Freitag, den 28. August. Die Titelverteidigerinnen aus München konnten ihren Kader zusammenhalten, verzeichneten die wenigsten Abgänge aller Bundesligisten und verstärkten ihr Team auf fünf Positionen. Darunter die WM-Teilnehmerinnen Sara Däbritz vom SC Freiburg und die spanische Kapitänin Vero Boquete, die vorher beim 1. FFC Frankfurt unter Vertrag stand. Bei den Turbinen drehte sich das Wechselkarussell erheblich heftiger. Zwölf Abgänge: darunter Genoveva Añonma, die es zu Portland Thorns zieht, und Pauline Bremer, die sich Olympique Lyon anschließt. Zu den neun Neuzugängen zählen Svenja Huth, Marina Makanza vom HSC Montpellier, Bianca Schmidt vom FFC Frankfurt sowie die australische WM-Teilnehmerin Elise KellondKnight. Bernd Schröder, der seit gut 40 Jahren die Potsdamerinnen trainiert, kann in seiner letzten Saison ein komplett neues Team formen und wird um die Meisterschaft mitspielen wollen. 56 Sophie Schmidt vom Team Kanada spielt neu beim FFC Frankfurt Wolfsburg: Das Who’s Who des Frauenfußballs Das ist auch das erklärte Ziel des Vizemeisters aus Wolfsburg. Mit Élise Bussaglia und Lara Dickenmann von Olympique Lyon, der belgischen Nationalspielerin Tessa Wullaert und der polnischen Ewa Pajor sind den Wölfinnen vier Toptransfers gelungen. Der Kader um Almuth Schult, Nilla Fischer, Lena Goeßling, Caroline Hansen, Alex Popp und der noch verletzten Nadine Kessler liest sich wie das Who’s Who im Frauenfußball. Bei Meisterschaft, Pokal und Champions League wird der VfL Wolfsburg wohl ein Wörtchen mitreden. Die aktuellen Champions League Siegerinnen vom 1. FFC Frankfurt müssen sich wie Potsdam um einen Neuaufbau kümmern, denn elf Spielerinnen haben den Verein verlassen, darunter auch Kim Kulig und Kozue Ando. Ob die Zugänge aus der eigenen Jugend sowie die Verpflichtung der Australierin Emily van Egmond, der Belgierin Jackie Groenen, Sophie Schmidt vom Team Kanada, der US-Amerikanerin Jenista Clark sowie des Top-Transfers Yuki Ogimi das auffangen können? Trainer Collin Bell wird auf die „alten“ Frankfurterinnen um Kerstin Garefrekes, Saskia Bartusiak, Ana-Maria Crnogorcevic, Simone Annike Krahn, 123-malige Nationalspielerin kommt von Paris zu Bayer Leverkusen Laudehr und Dzenifer Marozsán (die allerdings noch länger mit ihrer Sprungelenks-OP zu tun haben wird) bauen. Auf die Torschützenkönigin der Weltmeisterschaft in Kanada und Fußballerin des Jahres 2015, Célia Šašić, müssen Frauenfußballfans künftig verzichten. Bereits vor dem Champions League Finale, das Šašić mit ihrem Team FFC Franfurt gewann, kündigte sie ihren Vertrag. Mitte Juli informierte sie auf ihrer Facebook-Seite, dass sie die Fußballschuhe an den Nagel hängt. Sie sei nun 27 Jahre alt und wolle ihr Studium beenden, sich beruflich orientieren und eine Familie gründen. Nachwuchstalente in vielen kleineren Clubs Das Verfolgerfeld versucht den Abstand auf die vier Top-Clubs nicht zu groß werden zu lassen. Allen voran die SGS Essen, die seit Jahren durch sehr gute Nachwuchsarbeit auf sich aufmerksam macht. Der SC Freiburg holte Lina Magull und Selina Wagner vom VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim verstärkt den Kader auch hauptsächlich mit Nachwuchskräften. Bayer 04 Leverkusen meldet einen prominenten Zugang: Annike Krahn, die 30-jährige 123-malige Nationalspielerin, kommt von Paris Saint Germain und soll die Defensive stabilisieren. Aus Fotos: Uta Zorn Bianca Schmidt geht vom FFC Frankfurt zu Turbine Potsdam L-MAG *56-57 Sport Bundesliga_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:58 Seite 57 Willstätt im Ortenaukreis in Baden-Württemberg kommt mit dem SC Sand der „kleinste“ Bundesligist, zumindest was die Stadiongröße mit 2.000 Plätzen angeht. Neben Bayern München 1970 und dem SC Freiburg 1975 gründete der SC Sand bereits 1980 eine Frauenfußballabteilung und gehört damit zu den Dinos der Liga. Nach Potsdam ist Jena die zweite Adresse im ostdeutschen Frauenfußball. Auch hier wird die Nachwuchsarbeit in Zusammenarbeit mit der Universität Jena großgeschrieben. Ob das in den nächsten Jahren so bleibt? Sowohl in Leipzig als auch in Berlin wird kräftig geplant. Den Aufstieg in die erste Liga schafften die Frauen von Werder Bremen und dem 1. FC Köln. Sechs Jahre benötigten die Kölnerinnen für den langersehnten Aufstieg in die erste Liga. Hoffentlich wird das auch mal mit einem eigenen Webauftritt belohnt! Denn Informationen über den Frauenfußball sind auf der FC Köln-Website nur schwer zu finden. Die Frauen von Werder Bremen komplettieren schließlich das Feld der 12 Bundesligistinnen. Der 1. FC Lübars aus Berlin gewann zwar die Staffel Nord, verzichtete aber sehr zur Freude der Bremerinnen frühzeitig auf die Lizenz zur Bundesliga. Übertragung der Spiele noch immer am Katzentisch Sicherlich hat der Gewinn des Weltmeisterschaftstitels dem Frauenfußball in den USA und seiner medialen Präsenz einen weiteren Schub gegeben. Doch auch schon vor der WM waren Spiele der USamerikanischen NWSL (National Womens Soccer League) kostenfrei auf YouTube zu verfolgen. Bei uns ändert sich leider wenig. ARD und ZDF haben die Erstzugriffsrechte, was wohl zu der einen oder anderen Übertragung in den dritten Programmen führt. Eurosport zeigt vermutlich wieder ein Spiel pro Spieltag, was eine Verschiebung der Anstoßzeiten bedeuten kann. Im aktuell veröffentlichten Spielplan werden die Spiele samstags und sonntags um 11 oder um 14 Uhr angestoßen. Im April und Mai kann es dann wieder zu Terminänderungen kommen, weil Frankfurt, Wolfsburg und Bayern an der Champions League teilnehmen. Die Meisterschaft endet Pfingstmontag, den 16. Mai. // Uta Zorn Mehr zum aktuellen Frauen-Fußball regelmäßig auf www.l-mag.de REISEMARKT FRAUEN UNTERWEGS FRAUEN REISEN Bambú – lesbischer Urlaubsort in Spanien www.frauenunterwegs.de Bambú ist einer der wenigen und ausschließlich lesbischen Urlaubsorte in Europa. 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Die Realität in der Jazz-Szene sieht anders aus „Es gibt Homophobie, es gibt Rassismus, es gibt Sexismus in der Welt. Die Jazzwelt ist ein Mikrokosmos der realen Welt. Nur weil du gay bist, bedeutet das nicht, dass du sensibler bist. Ich kenne schwule Musiker, die nicht out sind und die fast schon Karikaturen eines Macho-Jazzmusikers geworden sind – stilistisch verklemmt, emotional verstopft in ihrer Musik. Jeder weiß, dass sie schwul sind, aber sie würden es nie sagen. Wenn man sich Johnny Hodges, Chet Baker oder Bill Evans anschaut – das waren Leute, die sich emotional weit geöffnet haben. Und die waren alle hetero.“ Soweit Pianist Fred Hersch in einem Interview mit James Gavin für das JazzTimes Magazin im Jahr 2001. Hat sich bis heute viel geändert? Nur ein Jahr später besuchte ich im altehrwürdigen Village Vanguard-Club in Manhattan eine Diskussion zum Thema. Auf dem Podium saßen offen schwule Jazzmusiker wie Andy Bey, Charlie Kohlhase, 58 Gary Burton und Grover Sales. Und tatsächlich wurde die Jazzwelt als eine ziemlich unheimliche Umgebung für schwule Musiker und lesbische Musikerinnen beschrieben. Die New York Times titelte damals in ihrer Zusammenfassung des Panels: „In der Machowelt des Jazz gilt ,don’t ask, don’t tell’“ („Frage nichts, sage nichts“). „Schwarz, schwul, und HIV-positiv, das ist ne Nummer“ Seitdem sind nun fast 15 Jahre vergangen und spätestens seit der Entscheidung des Supreme Courts in den USA, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zuzulassen, sollte Homosexualität dort eigentlich kein Thema mehr sein. Sängerin und Pianistin Dena DeRose, die seit einem Artikel im Jahr 2010 (JazzTimes, Dezember) geoutet ist, hatte demnach auch nie Probleme mit ihrer Sexualität und wie die Umgebung damit umgeht. „In den 90ern war es eher wahrscheinlich dass man komisch angeguckt wurde von seinen Fans, die nach einem Gig zu mir kamen und mich mit meiner Partnerin sahen. Darunter waren halt sehr viele ältere, weiße Konservative. Aber unter Kollegen gab es da nie Probleme“. Anders verhält es sich mit afroamerikanischen schwulen oder lesbischen Musikern und Musikerinnen. „Schwarz, schwul, und HIVpositiv, das ist ne ganz schöne Nummer“, schreibt Sänger und Pianist Andy Bey im gleichen Artikel. „Ich hatte meine Erfahrungen mit allen möglichen Phobien.“ Dieschwarze Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington (Foto) hat eine besondere Erklärung dafür, wie sie John Murph in einem Interview der JazzTimes vor fünf Jahren anvertraute: „Die meisten Jazzmusiker haben einfach nicht die ökonomische Freiheit, offen zu sein. Sehr viele Teile der Jazzkultur wurden von Afroamerikanern definiert. Ich glaube nicht, dass Afroamerikaner homophober sind, aber ich glaube, es geht darum, dass sie sich nicht so frei fühlen (im Vergleich zu weißen Amerikanern), was immer noch auf unsere Geschichte zurückgeht.“ L-MAG *58-59 Musik Queer Jazz_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:34 Seite 59 Immer mehr offen lesbische Musikerinnen Mittlerweile gibt es eine Menge offen schwule und lesbische Jazzmusiker und -musikerinnen. Ann Hampton Callaway, Patricia Barber (die auch in ihren Songs auf das Thema eingeht, wie etwa in „Narcissus“), Cecil Taylor, Andrew d’Angelo, Lea DeLaria (siehe Seite 60), Theo Bleckmann, Ian Shaw, Dave Koz oder Allison Miller sind die wohl bekanntesten neben den bereits erwähnten. In seiner Autobiografie schreibt Gary Burton, einer der einflussreichsten und wichtigsten Vibraphonisten seit den 60er Jahren, dass er zwar erst spät sein Coming-out hatte, die Reaktionen der Kollegen und Kolleginnen aber wohl eher aufmunternd und durchweg positiv waren. Und auch einer der wohl wichtigsten Songschreiber im Jazz, Billy Strayhorn, war schwul. Er arbeitete mit Duke Ellington zusammen, einem der einflussreichsten Komponisten und Pianisten des 20. Jahrhunderts, der Hunderte von unsterblichen Songs geschrieben hat. In den 20er und 30er Jahren war es nichts Außergewöhnliches und Homosexualität galt schlicht als Fakt des Lebens. Schon Bessie Smith, die 1937 gestorbene Blues- und Jazzsängerin, die als bisexuell galt, ging ganz entspannt in ihren Texten und den Auftritten mit diesem Thema um. Im letzten Jahr organisierte das LGBT Community Center in Philadelphia das erste Queer Jazz Festival in den USA (und wohl auch weltweit). „OutBeat“ lieferte vier Tage Konzerte und Podiumsdiskussionen, und der Direktor von Philadelphias LGBT-Zentrum betonte, dass der Jazz schwul-lesbische Identifikationsfiguren brauche. Keine Homosexuellen im deutschen Jazz? Wie ist die Lage aber in Deutschland? Aus der Berliner Jazzszene wird eher die Haltung vermittelt, dass es eh immer besser sei, sich nicht zu verstellen, und gerade in der Musik und der doch sehr intimen Art und Weise, wie der Jazz auf den Bühnen in den Improvisationen und mit intensivem Austausch und gegenseitigem Zuhören mit fast blindem Vertrauen gespielt wird, es nur von Vorteil ist, sich eben so zu geben wie man ist. Die häufigste Antwort der Musiker, denen ein schwul oder lesbisches Bandmitglied sich offenbart, lautet sowieso „Oh, das wusste ich doch schon …“ In Deutschland wird sich eben ganz pragmatisch auf die Musik und auf das Bühnenprogramm konzentriert – da ist es nebensächlich, ob jemand schwul, lesbisch, transgender oder ähnliches ist. Bezeichnend dafür ist vielleicht auch, dass es außer Michael Schiefel hierzulande keine offen schwulen oder lesbischen Jazzmusiker und -musikerinnen gibt. Mehr Identifikationsfiguren wären also durchaus nötig. Oder vielleicht auch nicht? Patricia Barber veröffentlichte 1998 ihre Version des Paul Anka-Songs „She’s a Lady“ und Dena DeRose sagt, sie könne sich nicht vorstellen, in einem Lovesong das Wort „She“ durch ein „He“ zu ersetzen. Alles weit entfernt von dem einen Satz, der von Trompeten-Legende Dizzy Gillespie überliefert ist: „Ich kenne überhaupt keinen Jazzmusiker, der homosexuell ist – keinen richtigen Jazzmusiker“. // Matthias Kirsch Foto: Michael Goldman L-MAGs Top 5 der lesbischen Jazzplatten L-MAG Patricia Barber –„Smash“ Terri Lyne Carrington –„The Mosaic Project: Love and Soul“ Ann Hampton Callaway – „From Sassy to Divine: The Sarah Vaughan Project“ Dena DeRose – „We Won’t Forget You … An Homage to Shirley Horn“ Lea DeLaria – „House of David“ 19. Queer Filmfest 21. Okt bis 3.Nov. 201 5 Weiterstadt www.kino-weiterstadt.de Die FT KRdAes DA GUCKST DU HIN! Wie Du richtig viel Aufmerksamkeit für Dein Projekt bekommst, erfährst Du im Workshop „Hingucker – Basics zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der LSBT-Selbsthilfe“ am 7. und 8. November 2015. Weitere Schulungen, Infos und Anmeldung unter www.lesben.nrw In Kooperation mit dem Schwulen Netzwerk NRW und der Arcus-Stiftung 59 *60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 60 MUSIK Big Butch Lea DeLaria spielt die Super-Butch mit weichem Herz in der neuen lesbischen Lieblingsserie„Orange Is the New Black“. Im Juli brachte sie ihr neues Jazz-Album„House of David“ heraus. L-MAG sprach mit der Power-Lesbe, die kein Blatt vor den Mund nimmt L-MAG: Das Wichtigste zuerst – die Gesundheit. Kürzlich hast du Schlagzeilen in den USA gemacht, weil bei dir Typ-2-Diabetes festgestellt wurde und du in kurzer Zeit 22 Kilo verloren hast. Wie geht es dir damit? Lea DeLaria: Großartig. Ich bin geradezu eine Vorzeigepatientin. Bei meinem Blutzuckertest letzte Woche hatte ich einen normalen Wert von 5,8. Die Medikamente, die ich nehmen muss, wirken also wirklich gut. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich abnehmen muss. Das war 60 einfach ein Nebeneffekt. Ich darf keine Stärke und keinen Zucker mehr essen und in der Kombination mit den Medikamenten kam das dabei raus. Bei Diabetes ist nicht das Gewicht das Hauptproblem, auch wenn das viele denken. Es hat mehr mit den Erbanlagen, als mit irgendetwas anderem zu tun. Ich möchte das wirklich ausdrücklich immer wieder betonen, weil wir leider in einer Gesellschaft leben, in der man glaubt, Frauen müssten bestimmte Maße haben. Aber ich sag dir mal was: Ich habe genauso viele fette Mädchen gevögelt wie dünne, und ich habe mit 22 Kilo mehr genauso viele abbekommen wie heute! „Wann hören wir endlich auf, Männer Lesbenfilme machen zu lassen?“ Zur Zeit bist du beim Dreh von der vierten Staffel „OITNB“. Kannst du uns irgendetwas verraten, was wir zu erwarten haben? Das Einzige was ich dir sagen kann ist, dass ich mitspiele und dass sie irgendwann nächstes Jahr rauskommt. Scheiße, Mann, ich darf dir echt nichts weiter sagen. Ich habe gehört, dass du erst für eine andere Rolle in der Serie vorgesprochen hast und sie haben dich dann nie zurückgerufen. Ich habe mich für die Rolle der Anita DeMarco beworben, die jetzt von Lin Tucci gespielt wird. Der Casting-Chef sagte mir: „Oh mein Gott, wir lieben dich Lea, du bist genau das, was wir suchen!“ Aber als ich dann zu meinem Manager ging, sprach der gerade am Telefon mit ihm, und er sagte im Großen und Ganzen, dass keine der vorgesehen Rollen für mich geeignet wäre, sie würden aber was für mich finden. Ich habe das schon so verdammt oft in meiner Karriere gehört! Ich warte immer noch auf meine mir auf den Leib geschriebene Rolle in Foto: Sophy Holland Singen ist für Lea DeLaria nur eines von vielen Standbeinen. Bereits seit den 90er Jahren hat sich die im US-Bundestaat Illinois geborene selbstbewusste Butch als Stand-up Comedian, Schauspielerin und Jazz-Sängerin etabliert. Im Juni diesen Jahres konnten ihre Fans sie als ihren Lieblingscharakter Big Boo in der dritten Staffel der Comedy-Drama-Serie „Orange Is the New Black“ bewundern. Im Juli brachte sie als Sängerin ihr fünftes Jazz-Album „House of David“ (Ghostlight Records) mit zwölf gecoverten David Bowie Songs heraus. Mit dabei sind Hits wie „Space Oddity“, „Starman“, „Fame“ und „Modern Love“. Im Januar erhielten DeLaria und die gesamte „OITNB“-Crew den Screen Actors Guild Award für ihre herausragende Leistung als bestes Schauspielensemble im Bereich Comedy. Zu ihrer schauspielerischen Leistung gehören aber auch Spielfilme, animierte Serien („The Oblongs“) und Broadway-Inszenierungen („On The Town“). Zur Zeit jedoch ist DeLarias gewissermaßen größtes Projekt ihre Hochzeit mit der Modejournalistin Chelsea Fairless. Schauspielerin und Sängerin Sandra Bernhard übernimmt die Planung für die Hochzeit in New York. Alles Weitere, einschließlich des genauen Datums, ist noch geheim. Während einer Pause beim Dreh zur vierten Staffel von „OITNB“ sprach DeLaria am Telefon mit L-MAG-Autor Lawrence Ferber über ihr Album, lesbischen Sex und ihre Hochzeit. L-MAG *60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 61 „Law & Order“, dabei wurde die Serie schon 2009 beendet! Ich war rasend vor Wut. Die machen eine Serie, die im Frauenknast spielt, und da gibt es keinen Platz für mich? Scheiß Show-Business, scheiß Broadway, scheiß auf die alle! Also flog ich nach London, wo ich meine Comedy- und Gesangskarriere verfolgen wollte. Aber als ich aus dem Flugzeug stieg, hatte ich von meinem Manager tausend Anrufe in Abwesenheit, ich müsse sofort zurückkommen, denn dieses Mal hätten sie es wahr gemacht und eine Rolle extra für mich geschaffen. Jenjo Kohan (Produzent von „OITNB“, Anm. d. Red.) hat eine ursprünglich kleine Nebenrolle, die nur in wenigen Folgen zu sehen sein sollte, genommen, sie erweitert und mir gegeben. Das war er, dieser magische Show-Business-Moment, den es nur einmal gibt. L-MAG Du hattest deine erste Sexszene in der dritten Staffel. Ist „Orange“ jetzt die wärmste Farbe? Statt Blau? Blau ist auf keinen Fall die wärmste Farbe. Du willst nicht mit mir über diesen Film sprechen! Was für eine Riesenscheiße. Bei allem Respekt, aber es gibt so viele lesbische Drehbuchautorinnen, Schauspielerinnen und Regieseurinnen, also wann hören wir endlich auf, Männer Lesbenfilme machen zu lassen? Ob „Orange“ nun die wärmste Farbe ist? Scheiße, ja! Weil in „Orange“ tatsächlich Lesben in lesbische Storys eingebunden werden. Was war das Interessanteste, das du während des Drehs über das Leben von Frauen im Gefängnis gelernt hast? Ich habe gelernt, dass es richtig schwer für Trans-Frauen im Gefängnis 61 *60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 62 MUSIK Der lesbische David Bowie: Lea DeLarias neues Album„House of David“ (Ghostlight Records) ist. Das habe ich wohl schon immer vermutet, aber jetzt weiß ich es wirklich. Und ich habe gelernt, dass Butches besonders schlecht in amerikanischen Gefängnissen behandelt werden. Es gibt hier doch tatsächlich ein Gefängnis, in dem Butch-Lesben von dem Rest der Insassinnen getrennt werden! Ich plane, etwas dagegen zu unternehmen. Aber erst einmal brauche ich mehr Details und Fakten, bevor ich genauer über dieses Gefängnis reden kann. Lass uns jetzt noch über dein neues Album sprechen. War es für „House of David“ schwierig, eine Auswahl aus den Songs von David Bowie zu treffen? Oh, ja. Es war scheiße schwer. Es gibt so viele großartige Bowie-Songs. Sein Werk erstreckt sich über vier Jahrzehnte. Wir dachten, wir hätten alle Songs gefunden und dann kam der Produzent noch mal mit ein paar neuen an. Verdammt! Nur zwölf Lieder auszuwählen, das war der schwierigste Teil der Arbeit. Ich muss vielleicht irgendwann „Changes Two“ machen. Du wirst bald heiraten. Stell dir vor, du könntest alle möglichen Leute zu deiner Hochzeit einladen, also nicht nur die Menschen die du wirklich kennst. Wen würdest du einladen? Du meinst, wen ich in einer Traumwelt zu meiner Hochzeit einladen würde? Meryl Streep, Eleanor Roosevelt und ich will Ella Fitzgerald, die für uns singt. Außerdem Anita Bryant, damit ich sie mit Orangen zu Tode steinigen kann. (Anita Bryant, Sängerin und Schönheitskönigin in den 1970er-Jahren, bekannt durch Orangensaft-Werbespots und ihre Anti-Homosexuellen-Kampagnen, Anm. d. Red.) Du wurdest schon von vielen Seiten bedrängt, mehr Details über deine echte Hochzeit zu erzählen, doch du verrätst noch nicht einmal das genaue Datum. (inzwischen wurde Januar 2017 genannt, Anm. d. Red.) Die Wahrheit ist, dass ich jede Menge Freunde habe, die bekannte Größen aus der Filmindustrie sind. Deshalb bin ich so geheimnisvoll 62 wegen der Hochzeit und wie wir damit umgehen. Und lass mir dir eines verraten: Es ist auch schwierig für mich, darüber zu reden, weil ich so lange Single war und es gewohnt bin, überall wo ich hingehe, Mädels zu bekommen. Weißt du, ich mag Dan Savage sehr (schwuler Journalist mit einer bekannten Sex-Ratgeberkolumne, Anm. d. Red.). Der Mann ist ein Genie. Und er hat mir gesagt, er war schon zu vielen polyamorösen Hochzeiten eingeladen, aber noch nie zu einer Hochzeit, die ein dreijährigs Poly-Jubiläum markiert (lacht). Wir sind queer und haben eine andere Art zu leben. Deshalb denke ich, es ist nichts falsch an einer offenen Hochzeit oder daran, was mit zwei Individuen passiert und wie sie ihre Ehe sehen. Was ich letztlich sagen will ist: sei bitte nicht überrascht, wenn ich eine offene Ehe habe. In welchen Ländern hast du eine große Fan-Gemeinde? Brasilien, Frankreich und eine irrwitzige Fangemeinde in Italien. Die tweeten mir alle die ganze Zeit. Schau dir einfach mal meine TwitterSeite an. „Sag Hallo zu Brasilien!“ Das ist verrückt. Ich war letztes Jahr in Brasilien zum Gay Pride in São Paulo und ich wurde dort wie eine Göttin behandelt. Es ist der weltgrößte CSD und ich war mittendrin, Schätzchen! Was ist mit Deutschland? Was denkst du über deutsche Frauen? Was ich immer schon an deutschen Lesben mochte, ist ihr Aktivismus. Sie sind wirklich politisch aktiv und nichts kann sie davon abhalten. Und im Gegensatz zu dem, was wir gerne von Deutschen denken, haben sie wirklich Humor und können über sich selbst lachen. Ich kann deutsche Lesben viel leichter zum Lachen bringen als amerikanische. Und sie sind zuckersüß! Ich hatte bisher schon ein, zwei Affären mit deutschen Lesben. www.delariadammit.com L-MAG *60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 63 MARKTPLATZ LESBEN Informationsund Beratungsstelle in Frankfurt/M Beratung I Gruppen I Informationen 069 - 28 28 83 www.libs.w4w.net Beratung für lesbische, bisexuelle und transidente Frauen und deren Angehörige HIER KÖNNTE IHRE ANZEIGE STEHEN Gerne unterbreiten wir Ihnen ein ganz persönliches Angebot. Sprechen Sie uns an! Lesbenberatungsstelle Dortmund Goethestr. 66 • 44147 Dortmund Telefon: 0231 – 98 22 14 40 [email protected] • www.lebedo.de L-MAG 030/23 55 39-34 [email protected] www.l-mag.de 63 *64-65 L-Sounds _00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:02 Seite 64 MUSIK L-SOUNDS Naturgewalt Peaches Das erste Mal sah ich Peaches vor über zehn Jahren bei einer Untergrund-Vernissage. Sie sang, schrie, flüsterte im Stehen, sich über oder unter dem Flügel wälzend. Ich war begeistert. Das zweite Mal stand ich bei einem Festival in der dritten Reihe, während sie über die Bühne tobte, einen Strip hinlegte, einen gepolsterten, hautfarbenen Ganzkörperanzug enthüllte und damit sämtlichen Körperkult verhöhnte. Spätestens da war klar: Peaches ist mehr als eine Musikerin. Sie ist eine Naturgewalt, die ihr Publikum überrollt, provoziert und keine Sekunde lang zur Ruhe kommen lässt. Das gilt auch für „Rub“, ihr erstes Album seit sechs Jahren. Dazu muss man sich nur die Trackliste ansehen: „Dick in the Air“, „Vaginoplasty“, „Dumb Fuck“. Unterlegt mit treibendem Technobeat, hyperaktiven Rhythmussprüngen, VocalExperimenten sowie mit einem Gastauftritt von Musikerkollegin und ehemaliger Mitbewohnerin Leslie Feist, lotet Peaches nach eigenen Angaben hier aus, „wofür der Name Peaches überhaupt steht“. Und das lässt sich mit Worten nicht so einfach zusammenfassen. Also: Hören! // sv „Rub“ | U She/Indigo www.peachesrocks.com Auf der Suche Sophie Auster Die Amerikanerin Sophie Auster hat auf ihrem neuen Album „Dogs and Men“ nichts falsch gemacht. Ihre Musik verbindet Pop-, Chansonund Countryelemente, gute Stimme, guter Sound. Was dabei rauskommt ist nicht schlecht, vielleicht sogar gut. Dennoch ist es insgesamt sehr glatt. Sie berührt nur mit wenigen Stücken. Vielleicht hat sie ihren eigenen Stil noch nicht gefunden? Das ist sicherlich auch nicht so einfach als Tochter des berühmten Literatenpaars Paul Auster und Siri Hustvedt. // Christine Müller „Dogs and Men“ | Outloud Music Inc. / Sony Redl www.sophieaustermusic.com AUF TOUR Vertäumtes Alte Bekannte Malo K’s Choice Eine Latin-Jazz-Rock-Band aus San Francisco nannte sich bereits in den 70ern Malo. Nun kommt ein neues, vielmehr melancholisches und zudem deutschsprachiges Duo mit diesem Namen daher. Sie klingen nach Zweiraumwohnung und regen zum Träumen an. Alines klare Stimme begleitet sie selbst mit ihrer Gitarre. Untermalt werden die einprägsamen Melodien von Jutta am Cello. Nach drei Jahren gemeinsamen musikalischen Schaffens erscheint nun das erste Album „Wir warten woanders“ – genau die richtige Musik für romatische Abende am Lagerfeuer oder Sonnenuntergänge am Meer. //dm „Wir warten woanders “ | Bandcamp www.malo-music.bandcamp.com Wer K’s Choice noch aus den 90ern kennt, wird beim neusten Album „The Phantom Cowboy“ das Gefühl haben, als sei eine alte Freundin zu Besuch. Es spielt keine Rolle, wie lange man sich nicht gesehen hat, denn es gibt noch immer diese alte Vertrautheit. Trotzdem hat sich etwas geändert. Bei K’s Choice ist das der Gitarrensound. Es muss ja auch nicht alles wie früher sein. Und doch sind es die Stücke, in denen die Stimme von Sarah Bettens mehr Raum hat, die zu den stärksten gehören. Sei es im bluesigen Titel-Song oder bei „Bag Full of Concrete“ und „I was Wrong about Everything“, in denen mehr Zwischentöne zu hören sind. // Christine Müller „The Phantom Cowboy“ | Wallaby Records www.kschoice.com 64 L-MAG *64-65 L-Sounds _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:37 Seite 65 Melting Pot Georgia Die ehemalige Fußball-Spielerin Georgia Barnes bezeichnete ihre musikalische Identität in einem Interview mit The Guardian als einen „Melting-Pot“. Wahre Worte. Denn „Georgia“ ist eher eine Kompilation ungeheurer Fähigkeiten (auch die zur Abstraktion) als ein wirklich zusammenhängendes Album. Das ist allerdings nicht negativ gemeint. Selten versucht man, derart oft dahinterzukommen, an wen oder was ein Song erinnert, wie hier. Der Vergleich mit The Knive drängt sich schnell auf. Doch auch Ragga, Dub oder eher unbekanntere musikalische Inspirationen wie aus Pakistan oder Bali werden zu einem fliegenden Synthie-Elektroteppich verwoben. Und all das in echter Handarbeit, denn Georgia Barnes hat ganze zwei Jahre damit verbracht, sämtliche Songs selbst zu schreiben, zu instrumentalisieren und in ihrem Homestudio einzuspielen. Ein wahnwitziges und interessantes Projekt, mit dem die Drummerin der All-Women-Band JUCE oder der Spoken-Word-Künstlerin und Rapperin Kate Tempest beweist, was sie sonst noch so alles drauf hat. // sv „Georgia“ | Domino www.georgiauk.com Moderne Joni Mitchell AUF TOUR Rückblick Ane Brun Wallis Bird Ane Brun, in Schweden lebende, norwegische Singer- und Songwriterin, beschreibt ihren Sound als „moderne Joni Mitchell“. Wie die legendäre Musikerin und Malerin begann auch Brun ihre musikalische Karriere verhältnismäßig spät. Dann dauerte es noch fünf Jahre bis zum Debütalbum („Spending Time With Morgan“, 2003). Seitdem hat sie sechs weitere herausgebracht, die sich – ebenso wie „When I’m Free“ durch melodiöse Arrangements und ihre gefühlvolle Stimme auszeichnen, die nicht selten an Kate Bush erinnert. Die manchmal schon hypnotischen Interpretationen ihrer Texte stehen dabei stets im Vordergrund, manchmal mit einem Hauch von Jazz, ihrer eigenen Version von Slow-Rap und ab und an fast hymnisch. Ein Album zum Eintauchen und Lauschen. // sv „When I’m Free“ | V2 www.anebrun.com Nach sieben Jahren, vier Alben und über 600 Auftritten kommt nun ein Live-Album der umtriebigen Musikerin Wallis Bird auf den Markt. Die ausgewogene Zusammenstellung aus Konzertaufnahmen schlägt eine Kurve von Themen wie Abschied und Verlust über das Loslassen bis hin zu persönlicher und emotionaler Weiterentwicklung. Auch musikalisch ist das Album wunderbar aufgebaut: langsamere, eher privatere Songs wie „You are mine“ wechseln sich ab mit temporeicheren wie „Traveling Bird“ oder Crowdpleaser wie „Take me Home“ und „Hardley Hardley“. Die Interaktion mit Fans und ihre charmant vorgetragenen Anekdoten dazwischen erzeugen eine derartige Nähe, dass man nur die Augen schließen muss und schon hat man das Gefühl, live dabei zu sein. // sv YEAH – Wallis Bird 2007 – 2014“ | Kaiserlichkoeniglich / Bird Records www.wallisbird.com Fotos: Daria Marchik, Adrian Mesko, Laura Coulson, Paul-Wright AUF TOUR L-MAG Starke Gefühle Mo Kenny Sie erwischt einen sofort. Das macht Mo Kenney mit ihrer Stimme, die unglaublich offen und ehrlich wirkt. Die Texte handeln von Natur, Feldern, Regen und Sternen. Das wirkt keineswegs idyllisch-romantisierend, bilden die Naturbezüge doch die Grundlage für die Auslotung von Gefühlen. Es geht dabei viel um Beziehungen und deren schmerzliches Ende. Trotzdem versinken ihre Songs nie in bodenloser Traurigkeit. Musikalisch experimentiert die kanadische SingerSongwriterin bei jedem ihrer Stücke aufs Neue, sei es mit HammondOrgel oder mit der Begleitung durch eine komplette Band. So entstand ein extrem kurzweiliges und vor allem starkes Album, bei dem der Sound durch unterschiedliche Gefühlslandschaften trägt. // Christine Müller „In my Dreams“ | New Scotland Records www.mokenney.com 65 *66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 66 DIGITALES LEBEN Die Heldinnen Digitale Spiele leben von einer zentralen Heldenfigur. Doch nur selten sind diese weiblich und stark. L-MAG stellt die Top-Five der starken Frauen in Games vor Egal in welchem Medium, die porträtierten und uns vorgesetzten Hauptfiguren sagen etwas darüber aus, was für eine Zielgruppe als „normal“ betrachtet wird. Und ja, in der Game-Industrie gab es durchaus Spiele, in denen der „normale“ weiße, durchtrainierte, alleskönnende, heterosexuelle Heldentyp variierte. Weibliche Hauptfiguren allerdings scheinen noch immer die Ausnahme der Regel zu sein – oder eine sehr spezifische und beabsichtigte Wahl. Nicht selten steht diesen Frauen ein männlicher Partner oder Mentor zur Seite oder sie müssen wegen ihrer nicht gleichwertigen Fähigkeiten (vor allem Kampf-Skills) letztendlich von einem Mann gerettet werden. Doch beileibe nicht alle! Texte: Simone Veenstra, Illustrationen: Tomec Weiss 66 L-MAG *66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 67 Buffys beste Freundin Willow Rosenberg Aus dem Horror-Action-Game „Buffy the Vampire Slayer: Chaos Bleeds“ (2003) entwickelt von Eurocom Entertainment für Xbox, PS, Game Cube – eines der rund sechs Spiele der Reihe „Buffy the Vampire Slayer“ (2000 – 2009). Story: Die Scooby-Gang rund um Buffy muss den großen Gegenspieler der Serie „The First – Inkarnation allen Bösen“ und seine meist untote Gefolgschaft actionreich wie eh und je überwinden. Dabei hat jede der spielbaren Figuren ihre eigenen Fähigkeiten und Schwächen. Warum ist sie uns wichtig: Das vierte Spiel der Reihe ist das erste, in dem nicht nur Buffy als spielbare Figur zur Auswahl steht, sondern unter anderem auch ihre Freundin Willow, die Hexe, und etwas später im Verlauf Tara McClay, Willows Freundin. Schön daran: Die Story ist zu einer Zeit angesiedelt, zu der Willow und Tara ein glückliches Paar sind, sprich: Hier gibt es nicht nur eine lesbische spielbare Figur sondern gleich zwei, die miteinander agieren können! Was andere von ihr halten: „Buffy ist mehr als nur eine Vampir-Serie. Vielfältig geht es um feministische Bemächtigung“ (Rebecca Roth auf www.supernaturaltelevision.blogspot.de) Link: www.mobygames.com/game/buffythe-vampire-slayer-chaos-bleeds Die Urmutter Lara Croft Aus der inzwischen über 20 Games beinhaltenden Reihe „Tomb Raider“. Das erste Spiel wurde 1996 von Core Design entwickelt, die aktuellsten 2015 von Crystal Dynamics: „Rise of the Tomb Raider“ für PC, Xbox, PS und „Tomb Raider: Relic Run“ als mobiles Game für iOS und Android. Story: Die Archäologin Lara Croft kommt während eines mysteriösen Auftrages einer Verschwörung epischen Ausmaßes auf die Spur (Mythologisches trifft auf Genmanipulation) und kämpft sich durch eine Armada aus Verfolgern und Gegenspielern. In Folge macht sie sich auf die Suche nach weiteren archäologisch und mythologisch bedeutsamen Artefakten und Geheimnissen. Warum ist sie uns wichtig? Trotz der Vielzahl berechtigter Kritiken über ihre Körperproportionen (die sich über die Jahre mehrfach L-MAG wandelten) ist und bleibt Lara Croft die weibliche (und coolere) Version eines Indianer Jones. DIE Ikone im Bereich weibliche GameFiguren erblickte das Licht der Gameswelt zu einer Zeit, als Frauenfiguren noch mit der Lupe gesucht werden mussten, und sie ist nach 20 Jahren noch immer eine der bekanntesten weiblichen Game-Figuren überhaupt (natürlich auch dank Angelina Jolie). Was andere von ihr halten: „Ich persönlich erfreue mich sehr an dieser neu gestalteten und – ja, immer noch – sexy Kämpferin, die für mich eine im Spielbereich bisher nicht gekannte Identifikationsfigur ist. Sie ist cool, weiblich, sexy, unabhängig und stark. Und rettet dazu noch eine andere Frau.“ (Ariane, L-MAG-Leserin) Link: www.tombraider.de 67 *66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 68 DIGITALES LEBEN Plötzlich weiblich Samus Aran Aus dem Action-Abenteuer „Metroid“. Die Reihe mit über zehn Games wurde von Nintendo entwickelt. Erstmals erschien das Spiel 1986. Das aktuelle „Other M“ (2010) ist für die Wii. Diverse Spiele der Reihe sind für Game Boy, DS und Wii zu erhalten. Story: Samus wurde (als einzige Überlebende eines Angriffs von Weltraumpiraten auf ihre Erdenkolonie) von Außerirdischen aufgezogen, die ihr einen Ganzköper-Schutzanzug schenkten. Zunächst Mitglied der Galaktischen Förderung, arbeitet sie jedoch schon schnell als Einzelkämpferin beziehungsweise Kopfgeldjägerin in den Weltraumabenteuern rund um die Themen Macht, Gesellschaft und Ökosysteme. Warum ist sie uns wichtig: Dass unter Samus Anzug eine Frau steckte, wurde erst ganz am Ende des ersten Spiels verraten und schlug in der Gamer-Community von 1986 ein wie eine Bombe – wenn auch nicht nur positiv. Der Clou: All jene männlichen Gamer, die sich nun „betrogen“ fühlten, hatten bereits das gesamte Abenteuer mit Spaß und Gewinn durchgespielt. Die wahre Frage also war: Was zum Donner spielt das Geschlecht eurer Spielfigur eigentlich für eine Rolle? Ein gelungener Kniff, egal ob Nintendo diesen von Anfang an plante oder aber erst später in der Entwicklung als Jux einbaute. Was andere von ihr halten: „Sie war das Berauschendste in meinem jungen Gamerleben […] Ein bad-ass im Power-Suit.“ (Sara Clemens auf www.unrealitymag.com) Link: www.metroid.com 68 L-MAG *66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 69 Heimlich lesbisch Oerba Yun Fang Aus dem Fantasy-Rollenspiel „Final Fantasy XIII“ (2010) der vielteiligen Reihe „Final Fantasy“. Entwickelt von Square Enix für PS, Xbox, PC, Android und iOS. Story: Final Fantasy gelang es bereits mit dem ersten Spiel 1987 eine düstere Märchenatmosphäre mit typischen Fantasy-Attributen und -Aufgaben zu vereinen: In einer aus dem Ruder geratenen Welt sind eine Handvoll Licht-Kämpfer die einzige Chance, die dunkle Macht zu vertreiben. Zu diesen Auserwählten gehört im 13. Teil der Saga auch Fang, die neben ihrem großen Ziel ebenso die Rettung ihrer Freundin Vanille umtreibt. Warum ist sie uns wichtig: Fang ist schlagfertig, tätowiert, weiß mit Waffen umzugehen und will ihre Freundin Vanille retten. Glaubt man den im Netz kursierenden Gerüchten, war sie ursprünglich als Mann angelegt. Ihrer Beziehung mit Vanille verleiht dies ein zusätzlich interessantes Motiv. Was andere von ihr halten: „Alle wissen es, sie (Fang und Vanille, Anm. der Red.) sind ein Paar. Nichts wird mich vom Gegenteil überzeugen. Egal wie verzwickt Square-Enix um dieses Thema herumtanzt!“ (Jaydra Dawn auf www.resonancefrequency.net) Link: www.finalfantasy13game.com Wie es uns gefällt Commander Jane Shepart Aus dem Sci-Fi-Action-Rollenspiel „Mass Effect“. Die Trilogie, entwickelt von BioWare 2007 – 2012 für Xbox, PS, PC, Wii und SpinOffs als mobile Games für iOS und Android (ein Teil 4 ist offenbar in Arbeit). Story: Shepart, Commander des Raumschiffs „Normandy“ soll den Frieden und das Gleichgewicht innerhalb der fünf Sektoren der Galaxie erhalten und gerät dabei an so manche (gerne außerirdische) Bedrohungen. Neben dem jeweiligen Hauptgegner innerhalb der Spiele wartet „Mass Effect“ auch mit sozialen Events auf: Partys, Besuche in der Bar und romantische Abenteuer. Warum ist sie uns wichtig: Das Spannende an Rollenspielen ist die breite Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeit innerhalb gewisser Regeln. Für Computerspiele oft zu aufwendig – da sämtliche Alternativen teuer entwickelt werden müssen – gilt es, sich bei „Mass Effekt“ eingangs zu entscheiden, ob die spielbare Hauptfigur männlich (John) oder weiblich (Jane) sein soll. Beide haben dieselbe Aufgabe, allerdings unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten im privaten Bereich – zum Beispiel die nicht heterosexuelle romantische Option, Jane eine Beziehung mit unter anderem Liara T’Soni eingehen zu lassen, einer strenggenommen „monogeschlechtlichen“ Figur, die jedoch vom Äußeren her weibliche Züge trägt. Was andere von ihr halten: „Eine Frau als Anführerin, vor allem innerhalb eines traditionellen männlichen Felds wie dem Militär, das ist subversiv.“ (Myrna Waldron auf: www.btchflcks.com) Link: http://masseffect.bioware.com/me1/ Besonderheiten: Geht es nach den „Lesbian Gamers“, dann darf Schauspielerin Clea DuVall (bekannt als die süßeste Lesbe in Pink aus „But I’m a Cheerleader“) die Hauptrolle in der womöglich anstehenden Verfilmung des Games spielen. L-MAG *70-71 Buch Querverlag_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:39 Seite 70 BUCH Ilona Bubeck und Jim Baker machen seit 20 Jahren den Querverlag Erfolg mit Einzigartigkeit Der Querverlag wird 20. Er ist der einzige deutsche Verlag, der Literatur für Lesben und Schwule veröffentlicht 70 L-MAG *70-71 Buch Querverlag_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:39 Seite 71 L-MAG ARCHIV L-MAG hat Sammlerwert 1995 haben Ilona Bubeck und Jim Baker den Querverlag in Berlin gegründet. Im Sommer feierten sie nun ihr 20-jähriges Jubiläum. Ilona Bubeck und Jim Baker schauen auf bewegte Jahre zurück, von der Anfangseuphorie bis zum heutigen Kampf ums Überleben, den sie wie viele andere Verlage auf dem Buchmarkt führen müssen. Die Verlagsbranche kränkelt, schwule Buchläden und Frauenbuchläden schließen häufig, doch Ilona und Jim sind trotz aller Widrigkeiten guter Dinge. Nach 20 Jahren blicken sie stolz auf ihr Lebensprojekt zurück. 250 Bücher sind bislang im Querverlag erschienen. Und im Herbst gibt es wieder neuen Stoff: sechs Neuerscheinungen, darunter „RotZSchwul“ über die Schwulenbewegung der 70er Jahre sowie der Liebesroman „Ausgerechnet sie“ von Corinna Waffender, die weit über die schwullesbische Szene hinaus bekannt ist. Foto: Sergio Vitale Klassiker der Lesbenliteratur Die bekannteste Autorin aus dem Verlag ist Karen-Susan Fessel, deren Roman „Bilder von ihr“ zum Klassiker der Lesbenliteratur wurde. „Frauen, die zu mir an den Büchertisch kommen und dieses Buch wiederfinden, haben manchmal Tränen in den Augen“, verrät Ilona. Die erste Auflage erschien 1996, und Ilona empfiehlt diesen Klassiker noch heute uneingeschränkt, insbesondere während oder nach dem Coming-out. Themen wie Coming-out, Liebe und Beziehung, aber auch schwullesbische Geschichte sind Schwerpunkte und gleichzeitig das Alleinstellungsmerkmal des Querverlages, denn in Deutschland ist er der einzige Verlag, der Literatur für Schwule und Lesben gemeinsam herausbringt. „Wir gelten auf dem Markt als Nischenverlag und das hat durchaus seine Vorteile“, weiß Verleger Jim Baker. „Viele Verlage kämpfen, weil sie eben keine Nische haben, mit der sie sich gegenüber der Konkurrenz profilieren können.“ Während Ilona für den Verkauf der Publikationen zuständig ist, verantwortet Jim das komplette Lektorat. Mittlerweile ist er auch Experte in Sachen lesbische Literatur. „Für mich hat das immer selbstverständlich dazugehört. Neugierig und offen bin ich eh.“ So fällt es ihm nicht schwerer, lesbische Liebesszenen zu lesen und genauso kritisch zu betrachten wie Szenen aus Science-FictionRomanen. Hauptsache authentisch und „bloß L-MAG keine Lesben- oder Schwulenfantasien von Heterosexuellen“, betont er. Weder Autorinnen oder Autoren noch die Themen müssen zwangsläufig schwul, lesbisch oder queer Vervollständige deine Kollektion mit früheren Ausgaben von Deutschlands Magazin für Lesben. Jetzt nur 2,50 Euro pro Stück. Gleich bestellen, bevor sie endgültig vergriffen sind. Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90 n Das Magazin für Lesbe MAG „Lesbische Literatur ist nicht schwieriger als Science-Fiction“ KU LT SP www.l-mag.de | Juli / August 2015 DEUTSCHLAND DISKUTIERT FRAUEN MIT MEINUNG OR T R ROLLEBY DER sein. Worauf die beiden jedoch Wert legen ist, dass Klischees von Homosexuellen sprachlich zu Hause bleiben, von Homophobie oder Fremdenfeindlichkeit ganz zu schweigen. So kam es in der Vergangenheit auch schon zum Bruch mit Autoren. Bei Mainstreamverlagen geschieht es immer wieder, dass Autoren und Autorinnen, nicht so sein können, wie sie eben sind. Das trifft aber nicht auf den Querverlag zu. „Bei uns soll und muss sich niemand verbiegen“, stellt Jim klar. POLITIK ODER PART Y? Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 7,60 | Italien € 6,10 | Luxemburg € 5,30 Das Magazin für Lesben MAG 4/15 www.l-mag.de | Mai / Juni 2015 AUFBRUCHSTIMMUNG Bereit für Dyke March und CSD? SENSATION IN BERLIN Mega-Ausstellung zur Homo-Geschichte Lieblingsspielerinnen im L-MAG-Interview: Nadine Angerer Nilla Fischer COMING-OUT DER CHAMPIONS Alles zur WM in Kanada: Fußball, Frauen, Fans 3/15 2/15 1/15 6/14 5/14 4/14 3/14 2/14 1/14 Neue Themen für die Community In den 20 Jahren ihres Bestehens habe sich auch inhaltlich einiges verändert. Heute sind Bücher über das Coming-out oder klassische Beziehungsthemen weniger relevant und nachgefragt. Dafür sind nun LGBT -Themen im weitesten Sinne im Kommen. Das beinhaltet auch schwierige Inhalte wie Alzheimer, Alter oder Flüchtlinge. Das Standardwerk zum Thema Regenbogenfamilien von Stephanie Gerlach ist natürlich auch im Querverlag erschienen und verkauft sich besonders gut. Und auch Autorinnen und Autoren aus dem Special Media Verlag (in dem L-MAG erscheint), wie Karin Schupp, Egbert Hörmann, Axel Schock, Stephanie Kuhnen und Manuela Kay haben in den vergangen Jahren Bücher im Querverlag veröffentlicht. Neben den besagten Neuerscheinungen im Herbst hat der Querverlag für sein Jubiläum einen Blog angelegt, auf dem Autoren und Autorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auch ehemalige, über ihre Arbeit mit dem Querverlag berichten. // Ruth Wolter www.querverlag.de www.quer20.wordpress.com B E S T E L LC O U P O N Coupon und 5,- Euro in bar (nur Inland) für zwei Hefte senden an: Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin Ich bestelle L-MAG Nr.: Name/Vorname Straße/Nr. PLZ/Ort 5,- Euro für jeweils zwei Hefte habe ich beigelegt Auslandsbestellung: 5,- Euro Portokosten habe ich beigelegt 71 71 *72-73 Buch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:40 Seite 72 BUCH Unerschütterliche Liebe in Zeiten des Terrors Die Geschichte der Tänzerinnen Martha Halusa und Margo Liu Die Geschichte der Lesben im „Dritten Reich“ ist ein relativ unerforschtes Thema, der Forschungsbedarf ist groß und die entsprechenden Quellen haben viele Lücken und Tücken. Obwohl weibliche Homosexualität nicht unter den berüchtigten Paragrafen 175 fiel, waren Lesben als „Asoziale“ doch zahlreichen Repressionen ausgesetzt. Ingeborg Boxhammer dokumentiert in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ den Lebens- und Leidensweg (einschließlich der beiden Familiengeschichten) der Varietétänzerinnen Marta Halusa und Margot Liu (geborene Holzmann), deren lebenslange Liebe 1932 in Hamburg begann. Das Problem: Margot ist „Volljüdin“. Aus komplexen Gründen kommt es nicht zur Flucht aus dem Deutschen Reich, ab 1941 ist eine Ausreise dann unmöglich. Die beiden Frauen geraten immer mehr in die Mühlen des NS-Regimes. Besonders zwischen 1938 und 1945 werden sie nonstop denunziert, von Kriminalpolizei und Gestapo inhaftiert, drangsaliert, verhört, gefoltert und als Prostituierte geächtet. Ab 1943 betätigen sie sich im Widerstand und halten sich bis Kriegsende versteckt. 1949 emigrieren sie nach England, kämpfen unermüdlich weiter, auch um die Anerkennung als Faschismusopfer und um „Entschädigungsleistungen“. Ihre letzte gemeinsame Ruhestätte haben „Mocky“ und „Peter“ auf dem Londoner EdgwareburyFriedhof gefunden. Ein bewegendes, erhebendes, Mut machendes, luzides Hohelied auf unerschütterliche Liebe und Solidarität in Zeiten des Terrors. Ingeborg Boxhammer: „Marta Halusa und Margot Liu – die lebenslange Liebe zweier Tänzerinnen“ Hentrich & Hentrich, 91 Seiten, 9,90 Euro // Egbert Hörmann Erfrischende Sicht auf junge Mädchen „Was in den Schatten ruht“ und„Du stirbst in meinem Herzen nicht“ Zwei erfolgreiche lesbische Autorinnen schreiben je ein Jugendbuch mit HeteroInhalt – geht das zusammen? Auf jeden Fall! Erstens, weil es sich bei den Autorinnen Karen-Susan Fessel und Simone Veenstra um zwei der Besten ihres Fachs handelt: Fessel hat sich mit Romanen wie „Bilder von ihr“ und „Bis ich sie finde“ ins lesbische Gedächtnis gebrannt, und Veenstra ist Verlegerin, Drehbuchautorin und ehemalige L-MAGRedakteurin. Zweitens sind die Geschichten fantastisch geschrieben und sehr gut zu lesen. Und drittens ist es so herzerfrischend, auf zwei junge, starke Mädchen zu treffen, die sich abseits jedweder Genderstereotype bewegen. Zudem setzten sich beide Bücher mit einem Thema auseinander, für das man nie zu alt ist: der Tod. In Fessels Roman wird Marla zum gefühlt tausendsten Mal von ihren Eltern an einen See zum Wakeboarden geschleppt. Ihr geht das alles auf die Nerven – typisch Teenager. Doch das ist nur der vermeintliche Grund: Der Verlust ihrer Schwester hat nicht nur 72 Marla schwer zugesetzt, er belastet die Familie so stark, dass ihre Eltern kurz vor der Scheidung stehen. Darüber hinaus passieren seltsame Dinge im Ferienort, die das Jugendbuch zu einem echten Krimi werden lassen. In die Auflösung verwebt Fessel ein weiteres tiefschürfendes Thema, das an dieser Stelle aber natürlich nicht verraten werden soll. Auch Simone Veenstras 18-jährige Protagonistin Mara scheint oberflächlich einfach postpubertär genervt. Dabei ist ihr Vater vor einem Jahr bei einem Busunglück ums Leben gekommen. Er saß am Steuer und ihm wird die Schuld für den Unfall in die Schuhe geschoben. Doch Mara weiß, dass daran etwas faul ist. Gemeinsam mit Jonah stellt sie Nachforschungen an und beginnt damit, an der so scheinbar glücklichen Oberfläche der Dorfgemeinschaft zu kratzen. Herrlich, wie Veenstra hier das klischeehafte Dorfleben seziert. Fazit: Zwei fantastische Autorinnen, zwei fantastische Bücher, für die man nie zu alt ist. // Sabine Mahler , Karen-Susan Fessel: „Was in den Schatten ruht“ Kosmos, 240 Seiten, 12,99 Euro Simone Veenstra: „Herzblut: Du stirbst in meinem Herzen nicht“ Kosmos, 256 Seiten, 12,99 Euro L-MAG *72-73 Buch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:40 Seite 73 Unterhaltsamer LGBT-Ratgeber Hilfe beim Coming-out ohne Bienchen-Blümchen-Rhetorik Aufklärungsbücher sind allzu oft leider trocken und langweilig oder lächerlich und belehrend. James Dawsons Buch für junge LGBT will nichts von alledem sein. Aus seiner eigenen Erfahrung als schwuler Mann und Lehrer spricht er die Themen an, die junge Lesben, Schwule, Bi und Transgender beschäftigen. Neben Coming-out und Klischees oder ernsten Themen wie HIV und Homophobie geht es auch um Sex. Doch aseptisch anmutendes medizinisches Vokabular oder verschämte Bienchen-Blümchen-Rhetorik sucht man hier vergebens. Erfrischend unverkrampft und ohne erhobenen Zeigefinger nennt Dawson die Dinge beim Namen. Dabei nimmt der Autor weder sich selbst noch seine Themen zu ernst. Egal, ob bei Szene, Dating, Liebe oder Beziehung – (Selbst-)Ironie und Humor sind immer mit dabei. Neben Fakten und Infos finden sich im Buch auch zahlreiche Erfahrungsberichte, die der Autor in einer Umfrage mit 300 LGBT in verschiedenen Ländern der Welt gesammelt hat. Er presst junge Lesben, Schwule und Transgender nicht in irgendeine lesbisch- schwule Schablone, sondern zeigt ihnen Möglichkeiten auf, ihre Identität zu definieren und Sexualität zu leben. „How to Be Gay“ richtet sich übrigens auch an Hetero-Jugendliche und ist sogar für Eltern geeignet. Ein unterhaltsamer und wirklich gelungener Ratgeber! // Claudia Lindner STIEG LARSSONS SALANDER & BLOMKVIST SIND ZURÜCK James Dawson: „How to Be Gay. Alles über Comingout, Sex, Gender und Liebe “ Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch, 304 Seiten, 9,99 Euro € 22,99 [D] · ISBN 978-3-453-26962-0 Erhältlich auch als E-Book und als Hörbuch, gelesen von Dietmar Bär Über Kinder, Küche und Kapitalismus Wer in den letzten Jahren die Diskussionen um Frauenquoten, bessere Kitaversorgung oder Elterngeld und die teilweise daraus resultierenden staatlichen Frauenförderungsmaßnahmen verfolgt hat, könnte fast vermuten, die deutsche Regierung habe sich aus reiner Menschenfreundlichkeit die Gleichstellung der Geschlechter auf die Fahnen geschrieben. Lilly Lent und Andrea Trumann zeigen in dem kleinen Bändchen „Kritik des Staatsfeminismus“ die Kehrseite dieser Form des neoliberalen „Staatsfeminismus“ auf und entlarven frauen- und familienpolitische Maßnahmen als Teil von Disziplinierungsinstitutionen, die primär darauf abzielen, Frauen und Mütter möglichst schnell (wieder) dem Arbeitsmarkt zuzuführen. In sechs kurzen Kapiteln analysieren sie Mutterideologien, die Geschichte der „isolierten Kleinfamilie“, die Zwickmühle, Beruf und Familie vereinbaren zu müssen oder die kapitalistische Instrumentalisierung älterer differenzfeministischer Ideen. Insgesamt ein guter und sehr zugänglicher L-MAG Einstieg in kritische Perspektiven auf aktuellen „Staatsfeminismus“, wenngleich das Kapitel mit den Lösungsansätzen etwas vage ausgefallen ist. Auch wenn durch die stellenweise recht enge marxistische Rahmung, intersektionalere Perspektiven oder lesbische Familienkonstellationen zu kurz kommen, ein durchaus lesenswertes Bändchen. //Katrin Kämpf Lilly Lent, Andrea Trumann: „Kritik des Staatsfeminismus – Oder: Kinder, Küche, Kapitalismus“ Bertz und Fischer, 120 Seiten, 7,90 Euro DAVID LAGERCRANTZ schreibt die große Millennium-Saga fort LESUNGEN VON DAVID LAGERCRANTZ: 20.9. – Hamburg, Harbour Front Literaturfestival 21.9. – Berlin, Thalia Buchhandlung im Kriminaltheater 22.9. – Köln, Crime Cologne heyne.de/millennium © Magnus Liam Karlsson Arbeitsmarkt-Feminismus *74-75 Reise Irland_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:41 Seite 74 REISE Volksentscheid macht sexy Beeindruckende Landschaften, gemütliche Pubs und eine lebendige Queerszene. Seit dem Volksentscheid zur Einführung der Homo-Ehe ist Irland total angesagt Romantische Seen, Wasserfälle und Moorgebiete kann man im Nationalpark Wicklow Mountains genießen Ausgelassene Menschen, laute Partymusik, unzählige Regenbogenflaggen: Mehr als 70.000 Menschen nahmen Ende Juni mit euphorischer Stimmung am CSD in Dublin teil, so viele wie nie zuvor. Das Zentrum der irischen Hauptstadt verwandelte sich zu einer großen Partymeile. Irlands Lesben und Schwule feierten den gewonnenen Volksentscheid zur Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Irland ist das erste Land, das seine Bevölkerung über diese Frage per Referendum 74 abstimmen ließ. Und damit nicht genug: Mitte Juli ging das irische Parlament noch einen Schritt weiter und verabschiedete ein Gesetz, das es transsexuellen Menschen ab 18 Jahren ermöglicht, ihr Geschlecht selbst festzulegen. Dafür ist nun kein ärztliches Attest oder psychologisches Gutachten mehr erforderlich, wie es in den meisten anderen europäischen Ländern verlangt wird. Irland ist nach Dänemark und Malta nun das dritte Land Europas, das ein solches Gesetz einführt. Pauline O’Callaghan ist froh über die positiven Entwicklungen im Land. Sie stammt aus dem Südwesten Irlands und hatte mit ihrem Coming-out viele Jahre Schwierigkeiten. „In meiner kleinen Heimatstadt war es undenkbar, offen lesbisch zu sein“, sagt die 28-Jährige, die heute in Dublin lebt. „Ich habe mir erst vor fünf Jahren eingestanden, dass ich auf Frauen stehe. Künftige Generationen von Lesben und Schwulen werden es von nun an leichter haben.“ Pauline glaubt, am Tag des Referendums sei es schon Stunden vor der Bekanntgabe des L-MAG *74-75 Reise Irland_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:41 Seite 75 Hier steht der Name Pauline O’Callaghan Nationalpark Wicklow Mountains in der Nähe von Dublin Abstimmungsergebnisses klar gewesen, dass die Befürworter gewinnen werden. „Im ganzen Land herrschte eine solche Aufbruchstimmung – es war einfach klar, dass sich von diesem Tag an einiges verändern wird.“ Partystimmung in allen Gay-Bars Das offizielle Ergebnis der Stimmauszählung feierte Pauline mit Freundinnen und Freunden in der Szenebar The Front Lounge im Stadtzentrum Dublins. Der Laden war wie alle anderen Gay-Bars gerammelt voll. Ob in der Panti Bar, im George oder im Dragon – überall zelebrierten Lesben und Schwule gemeinsam dieses historische Abstimmungsergebnis. „Nie zuvor hatte ich eine derart ausgelassene Atmosphäre erlebt“, erzählt Pauline rückblickend. „Es war ein Freudentaumel, den ich so schnell nicht vergessen werde. Auch an gewöhnlichen Tagen feiern Dublins Lesben und Schwule gemeinsam. Eine getrennte Szene gibt es kaum. Der größte und älteste Club ist das George, das sich wie alle Läden direkt in der Innenstadt befindet. Hier ist immer etwas los und das an allen Abenden der Woche, wobei unterschiedliche Partyreihen angeboten werden. Das Publikum ist meist jung, mehrheitlich unter 30. Ebenfalls in der City beheimatet, aber auf der anderen Seite des Liffey-Flusses, befindet sich Dublins „zweiter“ Gayclub, das Mother. Auch hier ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen recht ausgewogen. Gespielt wird Synthiepop aus den 80ern und aktuelle Electromusik. Geöffnet ist nur samstags. In Irland einzigartig ist die Partyreihe „Crush Girlclub“, die einmal monatlich im Lafayette Club stattfindet. Hier sind Lesben ganz unter sich, entsprechend ausgelassen ist die L-MAG Stimmung. Die Musik ist abwechslungsreich, das Alter der feierfreudigen Besucherinnen durchmischt. Pauline O’Callaghan lebt seit zehn Jahren in Dublin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität. In der Hauptstadt fühlt sie sich sichtlich wohl. Besucherinnen und Besuchern zeigt sie gerne das berühmte Dubliner Viertel Temple Bar mit dem noch bekannteren gleichnamigen Kult-Pub sowie den vielen kleinen Kunstgeschäften, Galerien und Restaurants. Auch die Universität Trinity College darf bei einer Sightseeingtour nicht fehlen. Hier befindet sich die langgezogene holzgewölbte Halle der Alten Bibliothek, die aus dem 18. Jahrhundert stammt und zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Dublins zählt. Wesentlich moderner kommt das neueste Wahrzeichen der irischen Hauptstadt daher: die 2003 errichtete Skulptur „The Spire“, offiziell „Monument of Light“ genannt („Denkmal des Lichts“). Diese mehr als 100 Meter hohe Edelstahlnadel steht in der Mitte der O’Connell Street, Dublins Hauptverkehrsstraße. U2 und Enya wohnen in der Nähe Pauline zeigt Gästen auch gerne das idyllische Umland Dublins. Mit der Lokalbahn DART schnell erreichbar ist die beschauliche Stadt Dalkey. Mit ihren engen, geschwungenen Straßen, der malerischen Lage direkt am Meer und den vielen anmutigen Villen wirkt der Küstenort fast mediterran. Promis wie Bono von U2 und New-AgeMusikerin Enya wohnen hier. Der Pub The Club im Zentrum Dalkeys zählt mit seinem stilvoll holzvertäfelten Interieur zu den schönsten in ganz Irland. Die beschauliche Stadt Dalkey, Heimat von Popgrößen wie Enya und U2-Sänger Bono Natur umrahmt die Großstadt Unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt liegt auch der Nationalpark Wicklow Mountains. Üppige Wälder, tiefe Schluchten und für irische Verhältnisse hohe Berge machen den Reiz der eindrucksvollen Naturlandschaft aus. „Wenn mich Freunde besuchen, zeige ich ihnen immer die Military Road“, erzählt Pauline. Die Briten bauten diese Straße durch die Wicklow Mountains, um nach dem Aufstand von 1798 die Zufluchtsstätten der irischen Rebellen zu finden. Die Straße führt durch eine bergige und zerklüftete Gegend – vorbei an Moorgebieten, Wasserfällen und romantische Seen. Paulines Lieblingsstadt ist das mittelalterliche Kilkenny – berühmt für seine vielen Brauereien. Entsprechend viele Pubs gibt es in der 20.000-Einwohner-Stadt. Im Ortskern gibt es gut 100 Kneipen, in den meisten davon finden jeden Abend Live-Gigs statt. „Das mittelalterliche Zentrum Kilkennys mit den vielen alten Gebäuden und den engen Gassen sollte jeder Irland-Tourist gesehen haben“, behauptet Pauline. „Kilkenny ist zwar eine traditionelle Stadt und dementsprechend konservativ. Doch ich habe gehört, dass sie auch hier einen kleinen CSD planen.“ // Text und Foto Stephan Lücke www.crushgirlclub.com www.thefrontlounge.ie www.thegeorge.ie www.motherclub.ie www.theclubdalkey.com *76-77 Heim & Herd_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:42 Seite 76 HEIM & HERD In der Backstube von Cibaria: Backen ohne Gärstabilisatoren oder enzymhaltiges Mehl bedeutet mehr Arbeitsaufwand aber auch gutes Bio-Brot Leidenschaftlich ökologisch In Münster wird in der Vollkornbäckerei Cibaria bereits seit 25 Jahren bio gebacken. L-MAG schnupperte in die gute Backstube „Natürlich wurden wir am Anfang nicht ernst genommen.“ Am Anfang – das war im April 1990, als die heute 59-Jährige Rike Kappler mit einer Freundin die Cibaria GmbH gründete und ihre damals noch recht kleine Bäckerei in der Bremer Straße in Münster eröffnete. „In anderen Läden haben sie täglich darauf gewartet, dass wir wieder dichtmachen“, erzählt Rike von damals. Aber genau das haben sie nicht. Stattdessen wuchs das lesbische Unternehmen, in dem am Anfang nur vier Frauen gearbeitet haben. Die Geschichte hatte allerdings einige Jahre Vorlauf: Das Backen hatten sich die Gründerinnen selbst in ihrer WG beigebracht und 76 die Idee in der Szene und im Frauenzentrum bekannt gemacht – und das kam an. Dabei entstand schließlich das Vorhaben einer richtigen Bäckerei. „Wir wollten unseren Lebensunterhalt damit verdienen und Arbeitsplätze für Frauen schaffen“, so Rike. Mit Erfolg, denn heute arbeiten bei Cibaria in Produktion und Verkauf insgesamt 34 Frauen – und sieben Männer. Rike und ihre Mitgründerin verzichteten allerdings darauf, den Betrieb als „Frauenvollkornbäckerei“ ins Handelsregister einzutragen. „Das klang so, als könnten bei uns keine Männer einkaufen“. Doch Cibaria war im konservativen Münster von Anfang an als Unternehmen von Lesben sichtbar, so dass Kundeninnen bei der Hochzeit einer ihrer Bäckerinnen mit einem Mann erstaunt reagierten. Rike erinnert sich schmunzelnd: „Die dachten, bei uns müssten alle lesbisch sein.“ Zunächst haben immer wieder Quereinsteigerinnen bei Cibaria gebacken, die hauptsächlich aus der Community und über Mundpropaganda in die Bäckerei kamen. „Die konnten nach etwas Einarbeitung in der Backstube dann selbstständig den Teig machen oder am Ofen arbeiten“, erinnert sich Rike. Doch mittlerweile backt das Cibaria-Team nicht nur für den eigenen Laden, sondern L-MAG *76-77 Heim & Herd_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:42 Seite 77 FRÜCHTEBROT Zutaten: 100 g Mandeln, braun, ganz, 100 g Aprikosen, 150 g Sultaninen, 100 g Pflaumen, 100 g Datteln, 100 g Feigen (alles getrocknet), 200 g Dinkelvollkornmehl, 125 ml Wasser (ca. 20 °C), 20 g Hefe, 1 Prise Salz, 1 Prise Zimt, Messerspitze Nelke, Mandelstifte (für die Deko) Rike Kappler, Mitbegründerin und heute Geschäftsführerin von Cibaria in Münster Fotos: Ralf Emmerich(2), Birgit Depenbrock Das Früchtebrot von Cibaria. Rezept zum Nachbacken im Kasten rechts auch für unzähligen Stände auf Wochenmärkten und beliefert Bioläden, Cafés und Kantinen. So mussten die Arbeitsabläufe rationeller werden, was nur mit gelernten Fachkräften geht. Und schließlich backt Cibaria eben ausschließlich Bio-Brot. „Wir verwenden keine Gärstabilisatoren oder enzymhaltiges Mehl wie in der konventionellen Bäckerei“, betont Rike. „Das bedeutet mehr Arbeitsaufwand, weil man eben viel präziser sein muss.“ Das Wichtigste ist für sie jedoch die Leidenschaft für das Backen und die Arbeit am Ofen. „Da zieht man am Ende Schlag auf Schlag Brote heraus, die gut aussehen und toll duften. Das ist eine total befriedigende Arbeit,“ schwärmt die Geschäftsführerin. Dennoch hat sich Rike, die in einer festen Beziehung lebt, nach 15 Jahren als Bäckerin und Geschäftsführerin entschlossen, sich ganz auf die Geschäftsführung zu konzentrieren, was mehr denn je ein Vollzeitjob ist: „Du kommst frühmorgens, gehst abends, und L-MAG Zubereitung : Ganze Mandeln bei milder Hitze rösten, bis sie duften. Dann Trockenfrüchte (Stückgröße ca. 1,5 cm – ggf. klein schneiden) einmal kurz in heißes Wasser legen, sofort wieder abgießen. Zuerst den Vorteig herstellen: Mehl, Wasser und Hefe leicht zu einem Teig kneten. Zirka 15 bis 20 Minuten gehen lassen. Danach Salz und Gewürze zugeben und Teig herstellen. Den Teig wieder etwas gehen lassen. Trockenfrüchte gut untermischen und zu einem Laib formen. Diesen in Mandelstiften wälzen oder mit ganzen blanchierten Mandeln verzieren. In eine gefettete Form geben und nochmals etwas gehen lassen. Bei 180 °C zirka 50 Minuten backen. Gegebenenfalls nach der Hälfte der Zeit mit Papier abdecken, damit die Oberfläche nicht zu dunkel wird. Am besten einfach mit Butter genießen! trotzdem ist der Schreibtisch immer voll mit Arbeit.“ Der Erfolg von Cibaria ist zwar eng verknüpft mit dem Trend zu Bio-Lebensmitteln, aber tatsächlich war Cibaria immer schon „bio“, auch als es das Label noch gar nicht gab. „Damals hat niemand damit Werbung gemacht“, erinnert sich Rike. Doch „Bio“ wurde zum Food-Trend, wovon auch Cibaria profitierte. „Gerade nach der BSE-Krise von 2001 ist die Nachfrage geradezu explodiert“. Auch die Produkte von Cibaria haben sich dementsprechend immer weiter entwickelt. Mit Dinkel wurde hier seit jeher viel gebacken. Ebenfalls waren einige Produkte schon immer vegan. Nur wird es mittlerweile als solches auch deklariert. Andere Dinge werden bewusst umgestellt. Rike selbst bevorzugt die einfachen Dinge: „Ich mag unser französisches Baguette oder auch das Roggenbrot mit Kümmel. Genial. Einfach mit Butter oder Schinken – ich bin ja keine Vegetarierin“, lacht sie. Die Sichtbarkeit als Lesbe ist für Rike heute viel selbstverständlicher als noch 1990. Ein Coming-out am Arbeitsplatz sei damals noch ein Riesenthema gewesen. Für sie allerdings eher weniger, hatte sie doch schon vorher fünf Jahre offen lesbisch im Kollektiv des Frauenbuchladens mitgearbeitet. „Da bin ich mit 21 Jahren hingekommen und hatte auch durch das Frauenzentrum schon immer ein Umfeld, in dem Lesbischsein total normal war.“ Ebenso wie im Betrieb, den heute drei Bäckermeisterinnen und zwei Bäckermeister leiten. Der Name „Cibaria“ kommt übrigens aus dem Lateinischen und bedeutet Mundvorrat oder Proviant. „Ich wollte keine Namen wie ,Brotgarten‘, ,Pusteblume‘ oder ,Brotladen‘“, erläutert Rike, „und ,Cibaria‘ klingt weiblich, das gefiel mir!“ // Claudia Lindner www.cibaria.de 77 *78-79 Erotik Sextest Pornos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:43 Seite 78 EROTIK Schatz, wir müssen reden! Sexfilme mit Story liegen im Trend, ein bisschen Handlung oder witzige Dialoge erhöhen die Vorfreude. L-MAG testet das Masturbationspotenzial von Pornos mit Langzeit-Vorspiel Groupie-Sex Noch mehr Pussys Jessi Eaton (Syd Blakovich) arbeitet an ihrer Kampfsport-Karriere und genießt das Leben und insbesondere die Frauen in vollen Zügen. Sie hat One-Night-Stands mit Groupies und öfter mal Sex mit ihrer hinreißenden Ex Cathy (Jiz Lee). Ihre Karrierebestrebungen haben allerdings ihren Preis: Ihre Managerin wünscht sich eine heterokompatible, möglichst feminine Kämpferin. Jessi darf also auf keinen Fall out sein und bestenfalls im braven Kleidchen zu Fotoshootings antanzen. Als vor dem Entscheidungskampf mit der schönen Boxerin Violet ihr Erzfeind Bobby versucht, sie zu erpressen, muss Jessi sich entscheiden. Fazit: Schöner Jock-Porno von Shine Louise Houston, der mit einem Feminist Porn Award ausgezeichnet wurde. Masturbationspotenzial: Die ausgedehnten, mal eher roughen, mal eher soften Sexszenen werden insbesondere Freundinnen der langsamen Masturbation in Ekstase versetzen. Wendy Delorme, Mad Kate, Sadie Lune, Metzgerei, Madison Young und Judy Minx ziehen mit ihrer queer-feministischen Pornoshow durchs europäische Großstadtnachtleben und erweisen sich als großartige Enkelinnen von Annie Sprinkle und Co. „Much More Pussy“ ist die Hardcore-Fassung des Films „Too Much Pussy“ und bietet in der Tat genau das: Mehr Sex, mehr Hardcore und noch mehr Glitzer. Der Film von Émilie Jouvet ist ein Dokuporno, der Ausschnitte aus der Bühnenshow „Queer X“ zeigt und nebenbei sowohl Backstage-Sex wie auch intimere Momente zwischen den Darstellerinnen dokumentiert. Fazit: Eine Mischung aus Porno und queerfeministischem, sexpositiven Feel-Good-Movie. Nichts für solche, die nur auf soften mainstreamingen Zwei-Personen-Sex stehen. Masturbationspotenzial: Hoch! Orgien, Pinkelszenen, Drag, Dildoblowjobs, Fisting und Abseitiges sowie wunderbare Protagonistinnen dürften wenig Wünsche offen lassen. HIGHLIGHTS: Die ausnahmslos äußerst attraktiven Darstellerinnen, die amüsanterweise alle denselben Friseur zu besuchen scheinen, und die sexy Kampfszenen. Champion: Love Hurts (2009) Regie: Shine Louise Houston Produktion: Pink and White Production / Blowfish Bezugsquelle: www.sexclusivitaeten.net 78 HIGHLIGHTS: Glitzersex mit feministischen, sexpositiven Konversationen. Much More Pussy (2010) Regie: Émilie Jouvet Produktion: Émilie Jouvet, Jürgen Brüning, Jean-Pierre Zirn Bezugsquelle: www.emiliejouvet.com L-MAG *78-79 Erotik Sextest Pornos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:43 Seite 79 Therapie-Gefahr Während der Sex zwischen Dylan (Lil Harlow) und Claudia (Papi Coxx) ebenso abenteuerlich wie überwältigend ist, läuft in der Beziehung nicht alles ganz rund: Claudia sehnt sich nach Liebe und Zweisamkeit, Dylan genießt ihre Freiheit und ihre Dreier mit bester Freundin und anderen Gespielinnen. So lässt schließlich Regisseurin Cheryl Dunye Claudia frustriert in die Wunderwelt eines queeren Berliner Sexclubs eintauchen, wo sie sich auf der Suche nach Ablenkung in den attraktiven Claude verwandelt. Als sich zu allem Überfluss auch noch Dylans Mutter (Maggie Tapert) zu einem Besuch anmeldet, ist das Chaos perfekt, denn auch sie ist auf der Suche nach Abenteuern und fängt ausgerechnet eine Affäre mit Claude an … Fazit: Schöner Genderbender-Slapstick-Porno, an dessen Drehbuch neben Dunye auch die legendäre Sarah Schulman (Interview in L-MAG Juli/August) mitschrieb. Masturbationspotential: Groß! In der letzten Szene empfiehlt es sich allerdings, die Nummer einer Psychoanalytikerin des Vertrauens parat zu haben. HIGHLIGHT: Die ganz wunderbaren „Airport“-Zitate in den Sexclubszenen. Mommy is Coming (2012) Regie: Cheryl Dunye Produktion: Cheryl Dunye, Jürgen Brüning Bezugsquelle: www.tlareleasing.com konkursbuch Verlag Claudia Gehrke Zombies im Rausch Was passiert mit einem echten Zombie in einer spätkapitalistischen Gesellschaft, in der die Figur des Zombies als ultimative Metapher für so ziemlich alles gilt, was in der Welt schief läuft? Frisch von den Toten auferstanden landet der schwule Zombie Otto in Berlin und trifft dort auf die lesbische Underground-Filmemacherin Medea Yarn. Medea, ihre Freundin Hella Bent und ihre Filmcrew arbeiten gerade an einem Polit-Horrorfilm über eine antikapitalistische schwule Zombierevolution und da kommt Otto natürlich gerade recht. Fazit: Wenn der Urvater des queeren Polit-Pornos, Bruce LaBruce, sich ans Horror-Genre wagt, kann das nur ein herrlich widerlicher Spaß werden: Pornosatire mit Zombieorgien, Splattersex, blutigen Eingeweiden und einem süßen Protagonisten, der – zu Lebzeiten Vegetarier – noch mit seiner neuen Rolle als fleischfressender Zombie hadert. Masturbationspotenzial: Wer auf softe schwule Sexszenen mit Splattereinlagen steht, wird sich vergnügen, ansonsten primär für die nekrophilen Gorefetischistinnen unter euch von masturbatorischem Interesse. HIGHLIGHTS: Zombiesex und der Soundtrack (unter anderem mit CocoRosie, Antony and the Johnsons und Throbbing Gristle) Otto – or up with Dead People (2008) Regie: Bruce LaBruce Produktion: Jürgen Brüning, Michael Huber, Jennifer Jonas, Bruce LaBruce, Jörn Hartmann Bezugsquelle: www.gmfilms.de // Texte: kk L-MAG www.konkursbuch.com konkursbuch.verlag blog.konkursbuch.com/ Lesefutter zum Herbst Anne Bax LOVE ME TINDER Neue Geschichten der bekannten lesbischen „Kurzgeschichten-Queen“! Sie erzählt vom Liebesleben im Zeitalter von apps, Tinder, facebook & Co. Es bieten sich reichlich neue Möglichkeiten an Romantik und Komik. Auch die „klassischen“ Dramen und LiebesHöhepunkte kommen nicht aus der Mode: Was ältere Tanten von Sex halten, wie sich die Welt nach einer Trennung anfühlt, wie der erste Liebesfunke zündet und vieles mehr. 192 S., 9,90, ISBN 978-3-88769-656-6 Regina Nössler ENDLICH DAHEIM Kim, fast 14, verträumte Außenseiterin, kommt von der Schule. Endlich daheim! Berlin-Kreuzberg. Doch ihr Schlüssel passt nicht mehr. Auch ihr Name ist vom Klingelschild verschwunden. Dass Kim nicht verrückt ist, sondern dem Ganzen ein Verbrechen zugrundeliegt, stellt sich erst nach und nach heraus. Ingredienzien (u.a.): eine überforderte Mutter, ein abwesender Vater, eine lesbische Tante, eine böse Schulfreundin, ein sehr böser Nachbar, die Stadt im November, eine Nebelkrähe. „Trittsicher bewegt sie sich auf Highsmith-Territorium! Ihr Können ist meisterlich“ (Strandgut) 384 S., 12,90, ISBN 978-3-88769-797-6 Gerne schicken wir Ihnen auch unser gedrucktes Gesamtverzeichnis! Sie finden unsere Bücher in Ihrer [email protected] Buchhandlung! Wenn nicht: Tel. 07071 / 66551 + 78779 79 *80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:44 Seite 80 KLATSCH VON KARIN SCHUPP 6 1 Am Strand von Hawaii heiratete K AT E P I E R S O N [ 1, li.] , Sängerin der The B-52s, ihre Lebensgefährtin M O N I C A CO L E M A N [1], mit der sie seit zwölf Jahren zusammen ist. Zu Gast war neben den Bandkollegen auch Sia Furler, die Piersons erstes Soloalbum produzierte. Hessen statt Hawaii: In Ober-Mockstadt verpartnerte sich die zweifache Fußballweltmeisterin S A N D R A M I N N E R T [ 2 ] (2003, 2007) Ende Juli mit ihrer Lebensgefährtin Larissa Kuncz. Die 147-fache Nationalspielerin und frühere Zimmernachbarin von Nadine Angerer eröffnet letzes Jahr eine Fußballschule in Oberursel. Und wir bleiben beim Fußball: auch US-Fußballweltmeisterin Megan Rapinoe und die Musikerin Sera Cahoone, seit zwei Jahren ein Paar, haben sich verlobt. Eher unromantisch geht Lea DeLaria an ihre für Januar 2017 geplante Hochzeit mit der Moderedakteurin Chelsea Fairless ran. „Ich finde Heiraten doof, eigentlich sollte niemand heiraten“, sagte der „Orange Is the 80 New Black“-Star (Big Boo) der Zeitschrift Curve. „Aber so lange die Gesellschaft festlegt, dass du Steuern sparst, wenn du verheiratet bist, weiß ich nicht, warum ich es nicht tun sollte.“ (Siehe auch unser Interview mit ihr auf Seite 60) Achtziger-Jahre-Popstar Samantha Fox hat ihre Lebensgefährtin verloren: Myra Stratton (60) starb am 2. August an Krebs. Über die Sängerin („Touch Me“) gab es jahrelang Gerüchte, bis sie 2003 für Klarheit sorgte: „Ich habe auch mit anderen Frauen geschlafen, aber vor Myra war ich nie verliebt. Die Leute halten mich für lesbisch … Ich weiß nicht, was ich bin. Ich weiß nur, dass ich Myra liebe und mit ihr mein restliches Leben verbringen will.“ An Krebs starb am 24. Juli auch eine der renommiertesten Journalistinnen der Welt: INGRID SISCHY [3, re.] (63) leitete lange Andy Warhols Interview Magazine, schrieb für die deutsche Vogue und bis zuletzt für Vanity Fair. Sie und ihre Lebensgefährtin S A N D R A B R A N T [3], ebenfalls Journalistin, waren die Patentanten von Elton Johns Sohn Zachary. Noch wenigeWochen vor Ingrids Tod hatten Sischy und Brant in New York geheiratet. Mit 50 wurde Sophie B. Hawkins („Right Beside You“) im Juli noch einmal Mutter einer Tochter – dank eingefrorener Eizellen. Die Musikerin („L-Beach“ 2013), die bereits einen sechsjährigen Sohn hat, ist offenbar alleinerziehend, seit sie sich im letzten Jahr von ihrer Lebensgefährtin Gigi Gaston trennte. Das Gerücht, dass sie jetzt mit Rosie O’Donnell zusammen sei, dementierte sie jedenfalls – das hätten die beiden schon hinter sich: sie waren in den 90ern mal ein Paar. Da freut sich die Paparazzi-Zunft: Zum ersten Mal seit ihrem Coming-out im Februar 2014 zeigt sich E L L E N PAG E [ 4 ] („Juno“, „Inception“) öffentlich mit einer Frau an ihrer Seite. Mit der Künstlerin Samantha Thomas soll sie seit Anfang des Jahres zusammen sein. Schon vor seiner Weltremiere beim Toronto Film Festival im September löste Roland Fotos: Christiane Pausch, Kate Pierson, imago/Future Image, imdb, imago stock&people(2), imago sportfotodienst 5 L-MAG *80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:44 Seite 81 AKTUELLE PROMI-NEWS: K-WORD DIE KLATSCH-KOLUMNE VON KARIN SCHUPP Jeden Freitag auf www.l-mag.de K WORD 4 2 3 Emmerichs „Stonewall“ Proteste aus. In den Mittelpunkt seines Films über die Straßenschlachten 1969 in New York, die als Beginn der modernen LGBT-Bewegung gelten, stellte er offenbar weiße Schwule, wo historisch doch vor allem Dragqueens, Trans* und Butch-Lesben, viele davon schwarz oder hispanisch, auf die Straße gingen. Erstere spielten durchaus wichtige Rollen, betonte der schwule Regisseur („Independence Day“) fix, ließ die Lesben aber unerwähnt. „Außer mir gibt’s nicht viele Lesben im Film“, bestätigte denn auch die lesbische Schauspielerin JOANNE VANNICOL A [5], die eine fiktive Figur spielt. Tatsächlich tauchen StonewallIkonen wie die schwarze Butch Stormé DeLarverie und die bisexuelle Feministin Brenda Howard, die anschließend den weltweit ersten Gay Pride organisierte, anscheinend nicht auf. Lesbische Kritik muss sich auch „Suffragette“ (Kinostart: Februar 2016) gefallen lassen. Der Film über den Kampf fürs Frauenwahlrecht vor 100 Jahren in England scheint ausL-MAG zusparen, dass die Führerin der SuffragettenBewegung, Emmeline Pankhurst (Meryl Streep), wohl eine Beziehung mit der lesbischen Komponistin Ethel Smyth hatte – diese Rolle steht jedenfalls ebensowenig auf der Besetzungsliste wie Christabel Pankhurst, Emmelines Tochter und rechte Hand, die ebenfalls mit Frauen zusammen war. Immer mehr YouTube-Stars – ein TeeniePhänomen, das an Erwachsenen völlig vorbeigeht – haben ihr Coming-out und damit vermutlich mehr Einfluss als alle pädagogischen Broschüren zusammen. Nachdem der Coming-out-Clip der US-Vloggerin Ingrid Nilsen seit Juni schon fast 12 Millionen Mal angeschaut wurde, zog die deutsche YouTuberin MELINA SOPHIE [6] (19) nach. „Ich wollte es immer wieder wegpushen und verstecken“, sagt sie in dem Clip, der auch schon über 2,5 Millionen Klicks hat, und freut sich, dass sie jetzt „viel, viel, viel glücklicher“ sei als zuvor, „weil ich jetzt die Person sein kann, die ich wirklich bin.“ 81 *82 Horoskop_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 17.08.15 13:45 Seite 82 HOROSKOP VON THOMAS SCHNEIDER Romy Schneider (Jungfrau), geboren am 23. September 1938 in Wien, gestorben am 29. Mai 1982, Schauspielerin („Mädchen in Uniform“) WIDDER 21.3.–20.4. SCHÜTZE 23.11.–21.12. Die nächsten zwei Monate sind nicht unbedingt Widder-Monate, was aber nichts Negatives zu bedeuten hat. Doch als Widder-Frau tut man sich nun mal schwer, Glück aus Alltäglichkeiten und Kleinigkeiten zu ziehen. Das ist einfach nicht so dein Stil. Es geht zwar vorwärts, aber eben in „kleinen Schritten“. Versuche also, die Augenblicke zu genießen, das Kleine, scheinbar Nebensächliche wahrzunehmen und zu schätzen – umso erfüllter wird die kommende Zeit. STIER 21.4.–20.5. Jupiter im Trigon bedeutet Fülle und viele Gelegenheiten. Tolle Angebote, unverhoffte Möglichkeiten und ganz einfach Glück zu haben. „Auf einmal geht’s wieder“ – das könnte die Überschrift der nächsten zwei Monate sein. Es kommt bei Jupiter darauf an, groß zu denken. Sich viel zu trauen, aufs Ganze zu gehen, zu expandieren und etwas einzusetzen für das eigene Glück! ZWILLINGE 21.5.–21.6. Im September und Oktober ist es an der Zeit, wieder sinnlicher zu werden. Ein Aspekt öffnet dein Herz und mit einem offenen Herzen öffnet man auch andere. Genieß also die schöne Zeit. Wenn du Single bist, dann treib dich viel herum! Es sind bestimmt schöne Begegnungen dabei, ob daraus was wird, steht aber zumindest in den Sternen noch nicht geschrieben. Wenn du in einer Beziehung bist, widme ihr wieder mehr Zeit und Aufmerksamkeit – daraus kann viel Tiefes entstehen. KREBS 22.6.–22.7. Nichts Aufregendes, aber dafür Verlässliches kommt in den nächsten zwei Monaten in dein Leben: Stabilität! Die Aspekte sind sehr günstig, aber unspektakulär. Eine Liebe kann sich jetzt ganz normal anfühlen, im Alltag entstehen und wie selbstverständlich daherkommen. Das ist zwar nicht romantisch, aber möglicherweise dafür mit längerem Haltbarkeitsdatum. Auch beruflich geht es jetzt eher um nüchterne Entscheidungen, als um dramatische Wendungen. LÖWE 23.7.–23.8. jemanden verlieben, in den man schon verliebt ist oder verliebt war. Eine Venus-Mars-Konstellation macht es möglich und heizt das Ganze auch noch sexuell auf. Die Betten brennen also im September! JUNGFRAU 24.8.–23.9. Mit Jupiter in Jungfrau stehen die Zeichen auf Sturm. „Think big“ heißt die Devise für das nächste Jahr, das ist dir als Jungfrau zwar nicht ganz geheuer, aber du wirst sehen, wie viele Türen Optimismus, Selbstbewusstsein und Präsenz öffnen können. Trau dich an Größeres heran, wo du nur kannst. Es ist im nächsten Jahr sehr vieles möglich! WAAGE 24.9.–23.10. Die enervierenden Machtkämpfe der letzten eineinhalb Jahre kommen nun in die letzte Runde. Der Oktober wird ein Monat voll starker, vorwärts drängender Energien, dennoch kommen viele dieser Energien aus dem Zeichen Jungfrau, das heißt Detailarbeit hat Priorität. Gutes zu tun zahlt sich mit der Jupiter-PlutoVerbindung doppelt aus und ohnehin bist du als Waage eine Art Gandhi und du setzt Gerechtigkeit mit Verstand und Diplomatie durch, aber ohne Liebe geht bei dir gar nix! SKORPION 24.10.–22.11. Es geht wieder vorwärts. Die letzten zwei Monate brachten einige Themen zurück, die du schon für abgeschlossen gehalten hast. Nun sind sie abgeschlossen und es kann weiter Richtung Zukunft gehen. Du hast in den letzten zwei Jahren Strukturen erschlossen und gelegt, auf denen du dich sicher fortbewegen kannst. Das Hauptsächliche, das die kommenden Monate bringen, ist ein Richtungswechsel von rückwärts nach vorwärts, vom Zurück wieder ins Geradeaus. STEINBOCK 22.12.–20.1. Mit etwas Geduld müsste eigentlich alles klappen, was du dir beruflich vornimmst. Ab September kommt Jupiter günstig auf dich zu und mit etwas Optimismus und guter Laune kann sich deine Lebensqualität ziemlich steigern. Venus lacht dir auch noch zu und macht das Leben leichter. Der Alltag steckt voller angenehmer Überraschungen. Sympathien fliegen dir zu und wenn du willst, muss es nicht unbedingt bei Sympathien bleiben. Liebesbeziehungen und Liebesgefühle liegen in der Luft. Ab Oktober kann es dann auch wieder ernst werden. WASSERMANN 21.1.–19.2. Befreiungen bahnen sich an und bis Ende Oktober hast du dich aus unliebsamen Verstrickungen gelöst. Höchste Zeit! Die Welt braucht neue Ideen. Und das ist ja deine karmische Aufgabe als Wassermann-Frau: Ideen zu haben, überraschende Lösungen finden. Du solltest also neue Wege zum Glück suchen und finden, auch für andere – gib zu: das macht dir eigentlich Spaß! FISCHE 20.2.–20.3. Eine Jupiter-Neptun-Aspekt führt dich zur Quelle. Deine Spiritualität wartet auf dich! Spiritualität muss nichts Verbrämtes sein, kein Überbau und vor allem nichts Religiöses. Um mal in Klischees zu sprechen: Eine Arbeit bei Amnesty International kann in diesem übertragenen Sinne spiritueller sein als ein Leben als Nonne. Gehe in Eigenschaften, an denen deine Seele sich entwickeln kann. Das kann bedeuten, anderen zu helfen, für andere da zu sein. Vielleicht einfach zu lieben oder die Stille zu finden. Foto: imago stock&people Schon ab Anfang September besteht die Möglichkeit, sich neu zu verlieben. Das kann jemand Neues sein, aber man kann sich natürlich auch aufs Neue in Saturn fordert dich heraus, alles so gewissenhaft wie möglich zu machen. Auch wenn es hier und da Gelegenheiten gibt, sich durchzumogeln, ungenau zu sein, etwas nicht so wichtig zu nehmen – mach es lieber nicht! Unter Saturn fliegt so was meistens auf und bedeutet dann: Nachsitzen, nochmal machen und „Gehen Sie zurück auf Los!“ In Beziehungen geht es jetzt darum, mit Gelassenheit zu den eigenen Versäumnissen zu stehen. 82 L-MAG Titel_L-MAG_U2_U3_U4__Layout 1 17.08.15 13:48 Seite 83 Titel_L-MAG_U2_U3_U4__Layout 1 17.08.15 13:48 Seite 84 DOPPELTER SPASS FÜR LUST IHRE MiSS Bi DER VIBRATOR FUN FACTORY STORES: BERLIN Mitte | BREMEN Viertel | MÜNCHEN Viktualienmarkt | ONLINE www.FUNFACTORY.com
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