mehrlesbenaufdieleinwand! - L-Mag

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Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90
Das Magazin für Lesben
www.l-mag.de | September/ Oktober 2015
MAG
IM GESPRÄCH
Super-Butch Lea DeLaria
ZDF-Gesicht Dunja Hayali
WER SPIELT MIT WEM?
Saisonstart der
Frauen-Bundesliga
AR
SUPERST
RUOBSEY
R
Das Film-Heft
MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND!
Warten auf’s Happy End: vom New Queer Cinema zum Mainstream
Titel_L-MAG_U2_U3_U4__Layout 1 17.08.15 13:48 Seite 2
Europas größte Partnervermittlung
*03-03 Editorial_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 18.08.15 11:16 Seite 3
INTRO
L-MAG September/Oktober 2015
Das Film-Heft
L-MATES
Coverfoto: Mathieu Young/Netflix, Model: Ruby Rose
Eine der derzeit wohl schönsten Frauen, die sich in der öffentlichen lesbischen Welt
tummeln, ziert unser Cover: Ruby Rose, Schauspielerin, Serien- und Filmstar. Was wäre ein Heft
zum Thema Film auch ohne einen Star? Vor allem einer, der trotz makelloser Schönheit seine
Stachligkeit nicht verliert, sondern frech und immer offen und selbstbewusst ihr Lesbischsein
zelebriert – das zelebrieren wir doch gerne mit!
CHRISTIANE LEIDINGER, 46
ist freischaffende Politikwissenschaftlerin
in Berlin-Kreuzberg. Die Feministin steht
auf Hitze, Meer und Akten. Sie lehrt und
forscht zu Protest und Lesbengeschichte.
Für das aktuelle Heft porträtiert sie die
Vorkämpferin Johanna Elberskirchen.
LAWRENCE FERBER, 46,
ist ein waschechter New Yorker. Dort ist
er Kultur- und Reisejournalist sowie Drehbuchautor. Für diese Ausgabe interviewte
er die Schauspielerin und Sängerin Lea
DeLaria zu ihrem David-Bowie-TributeAlbum und ihren Frauengeschichten.
Das Filmheft
Fotos: David Higgs, Privat(3)
MEHR LESBEN AUF DIE LEINWAND!
Warten auf’s Happy End: Vom New Queer Cinema zum Mainstream
L-MAG
SARAH STUTTE, 37,
ist in Zürich als freischaffende HerzblutFilmjournalistin tätig. Über ihrem Sofa
hängen alte Horrorfilmplakate und sie betreibt mit einem Verein ein kleines, alternatives Kino. Für dieses Heft hat sie die
Film-Päpstin B. Ruby Rich interviewt und
die Legende Liva Tresch porträtiert.
3
*04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:46 Seite 4
32
INHALT
3 INTRO
4 INHALT
6 LESERINNENPOST/
IMPRESSUM
8 MAGAZIN
Angela Merkel mit L-MAG Fußball-Trikot | CindySherman-Ausstellung | Homo-Ehe in Italien | Filmreihe„Aufbruch der Autorinnen | Heldin: Patrisse
Cullors | Neues Geschlechtsbestimmungs-Gesetz
in Irland
11 L-KAMPAGNE
Fussballerin Nilla Fischer
12 MAGAZIN REGIO
Baden-Württemberg: Frida Kahlo Ausstellung |
Bayern: Lesben-Kultur-Tage München |
Basel: 25 Jahre Lesbian & Gay Sport
14 POLITIK
Nach uns die Zukunft: neuer Umgang der Kirchen
mit Homosexualität? | Post-homophobe USA:
Interview mit US-Botschafter John B. Emerson
18 INTERNATIONAL
Rückwärtsgang in Indonesien?
20 ABO
22 PERSONALITY
„Der Körper einer Frau ist für mich Heimat“:
Die Schweizer Legende Liva Tresch
26 FERNSEHEN
Die Frühaufsteherin: ZDF-Moderatorin Dunja
Hayali im Interview
28 GESCHICHTE
„Homosexualität_en“-Ausstellung in Berlin |
Die Geschichte der Johanna Elberskirchen
32 TITELTHEMA FILM
Ruby Rose im Porträt | Corky, Lisbeth, Pussy –
unsere Lieblingsfilmheldinnen| New Queer
Cinema: Interview mit B. Ruby Rich |Ignoranz ist
keine Option – Frauen und das Filmemachen |
Queer Filmfestivals | Die schönsten Trash-Filme
4
50 FOTO
Jessica Yatrofsky:„I Heart Girl“
56 SPORT
TITELTHEMA FILM
MEHR LESBEN AUF
DIE LEINWAND!
Spielerinnenkarussell: Zum Start der Frauenfußball-Bundesliga Saison 2015/16
58 MUSIK
Ist Jazz heterosexuell? |
Interview mit Big-Butch Lea DeLaria
64 MUSIK L-SOUNDS
Peaches | Sophie Auster | K’s Choice | Georgia |
Ane Brun | Wallis Bird | Mo Kenney | Malo
66 DIGITALES LEBEN
Die Heldinnen: L-MAGs Top Five
der starken Frauen in Games
70 BUCH
20 Jahre Querverlag |„Marta Halusa und Margot
Liu“ |„Was in den Schatten ruht“ und„Herzblut:
Du stirbst in meinem Herzen nicht“ |„How to Be
Gay“ |„Kritik des Staatsfeminismus“
74 REISE
Volksentscheid macht sexy:
Irland als angesagtes Reiseziel für LGBT
76 HEIM & HERD
Leidenschaftlich ökologisch: Bäckerei Cibaria in
Münster
78 EROTIK
Schatz, wir müssen reden! – Pornos mit Handlung
80 KLATSCH
82 HOROSKOP
L-MAG im Internet: www.l-mag.de
26
FERNSEHEN
Dunja Hayali
im L-MAG-Gespräch
L-MAG
*04-05 Inhalt_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:46 Seite 5
L-MAG SEPTEMBER/OKTOBER 2015
66
DIGITALES LEBEN
Heldinnen
der Games
60
MUSIK
Lea DeLaria
im
Interview
50
FOTO
„I Heart Girl“
Fotos: Jackie Baier, Tomec Weiss, Sophy Holland, Jessica Yatrofsky
L-MAG
5
*06-07 Leserinnenbriefe_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 18.08.15 12:25 Seite 6
LESERINNENPOST
Deutschland € 4,50 | Österreich
€ 5,20 | Schweiz CHF 5,90
www.l-mag.de | Juli / August
Das Magazin für Lesbe
n
MAG
Die aktuelle L-MAG-Ausgabe bequem und portofrei online bestellen bei:
www.magazineshoppen.de
Hallo,
wir waren diese Woche auf Mallorca als
Wiederholungstäterinnen und haben uns
tierisch gefreut, dass es seit diesem Jahr im
Megapark (Arenal) eine LGBT-Lounge gibt.
Leider scheint es noch recht unbekannt zu sein.
Wir waren fast die Einzigen in dieser Lounge.
Wir haben sonst das Gefühl, dass wir unterwegs auf Mallorca immer recht viele Lesben
sehen, aber die Lounge ist einfach noch zu
unbekannt.
Es wäre schön, wenn wir das nächstes Jahr
hingehen, die Lounge noch bestehen würde
und wir mehr LGBT-Leute dort antreffen
würden.
Viele Grüße aus Lörrach,
Sonja
Kleine Liebesbriefe zwischendurch versüßen
den Redaktionalltag:
Liebe L-MAG-Frauen,
meine Partnerin und ich, frisch verliebt und
zwei Tage nach unserem ersten Date schon
zusammenlebend, freuen uns aufs gemeinsame Schmökern in unserem kuscheligen
Bett.
Lena und
Melli
T
FRAUEN MIT MEINUNG
ÜBER
Keine Lust, zum Laden zu gehen?
Mitten aus dem Leben von L-MAG-Leserinnen
2015
DEUTSCHL AND DISKUTIER
Unsere Leserinnen Diana und Michelle warfen
sich für die Hochzeit von Freundinnen in
Schale:
Post(s) von
L-MAGFreundinnen
auf Facebook
KULTSP ORT
ROLLER
DERBY
16.000
FANS!
POLITIK ODER PARTY?
Mitglieder-Befragung der Berliner CDU
zur Ehe-Öffnung. Ergebnis: 45 Prozent
dagegen, 35 Prozent dafür:
Manuela B.:
Vor allem haben nur ein Drittel der
Mitglieder abgestimmt.
Miriam K:
Die wollten Mutti nur nicht vor den Kopf
stoßen. ;-)
Sina E.:
Warum wird das Volk nicht gefragt?
Diana (li.) und Michelle (re.)
Die Redaktion fand das großartig und
wünscht allen Oktoberfest-Fans ein tolles Fest!
Wohlsein!
Liebe Leserinnen,
schreibt uns, wir freuen uns:
[email protected]
Die nächste L-MAG-Ausgabe
November/Dezember 2015
erscheint am 30.10.2015
Angela Merkel spricht sich im Interview
mit YouTube-Star Le Floid gegen die
Homo-Ehe aus:
Renate M.:
Wann wacht diese Frau mal auf?!
Jennifer Q.:
Gehen wir wählen und schauen, was dann
passiert. Vielleicht haben wir mit nem
neuen Kanzler mehr Glück?
Angie F.:
Die Würde des Menschen ist unantastbar,
heißt es doch, oder nicht?! Also bitte, Frau
Bundeskanzlerin, jede so, wie es ihr gefällt.
L-MAG ist Deutschlands Magazin für Lesben.
Es erscheint zweimonatlich in Deutschland,
Österreich und der Schweiz.
Verlag: Special Media SDL GmbH,
Ritterstraße 3, 10969 Berlin,
Tel.: (030) 23 55 39-0, Fax: -19
Geschäftsleitung: Gudrun Fertig, Manuela Kay
Creative Director online: Gudrun Fertig
Creative Director print und Chefredaktion:
Manuela Kay (V. i. S. d. P.)
Redaktion: Dana Müller
Artdirektion: Sandy Volz
Grafik & Layout: Stef Morgner/Mario Olszinski
6
Redaktion www.l-mag.de: Karin Schupp
Gestaltungskonzept: Ann Katrin Siedenburg
Online-Design und Programmierung:
Büro Dedering
Anzeigenverkauf:
Tel.: (030) 23 55 39-34, [email protected]
Es gilt die Anzeigenpreisliste für 2015
Anzeigenschluss für L-MAG 6/15: 9.10.2015
Vertrieb: Partner Medienservices GmbH,
70597 Stuttgart, Tel.: (0711) 725 24 41
Kleinanzeigen (nur online):
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Druck: Möller Druck, 16356 Ahrensfelde,
www.moellerdruck.de
Einzelverkaufspreis: Deutschland: 4,50 €,
Schweiz: 5,90 CHF, Österreich: 5,20 €,
Im Special Media SDL Verlag erscheint außerdem:
SIEGESSÄULE Queer Berlin, www.siegessaeule.de
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung und Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Vom Verlag gestaltete Anzeigen
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L-MAG Abo-Service: MMV GmbH, Zeppelinstr. 6,
16356 Ahrensfelde, OT Blumberg, Tel.: (030) 41 90 93 36,
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turnusgemäß laut Online-Formular eingezogen.
Die Special Media SDL GmbH Gläubiger-ID:
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L-MAG im Internet: www.l-mag.de
www.facebook.com/MagazinLMAG
Foto: Privat
IMPRESSUM
L-MAG
*06-07 Leserinnenbriefe_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 17.08.15 12:40 Seite 7
*08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 8
L.MAGAZIN
Echte Angela Merkel mit echtem L-MAG-Trikot
Fototermin mit 100 Fußballerinnen und der Kanzlerin im Rahmen von „Discover Football“
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es gewohnt, internationalen
Besuch zu bekommen. Aber mit über 100 Fußballerinnen aus 25
Ländern, die sich zur Eröffnung des Frauenfußball-Festivals „Discover
Football – Beyond Borders“ in Berlin bei ihr am 30. Juni im Kanzleramt einfanden, war dann doch sichtlich eine Menge geboten. Als Auftakt zur „Kleinen WM in Kreuzberg“, wie die künftige Bundestrainerin
Steffi Jones das Turnier nennt, wurden die Teilnehmerinnen zum
Fototermin mit Frau Merkel geladen. Dabei wurde ihr auch ein OriginalTrikot des Berliner Heimteams von Discover Football überreicht. Stolzer
8
Trikotsponsor dieser Mannschaft ist L-MAG – Sichtbarkeit, auch des
großen Anteils von Lesben im Fußball, ist nur eines der vielen
Themen, um die es beim „Discover Football Turnier“ ging. Überthema
waren Grenzen, die es in jeder Hinsicht zu überwinden gilt sowie die
Selbstverwirklichung von Frauen, was sich durchaus auch am Recht
auf Fußballspielen ablesen lässt. Menschenrechte für Frauen fangen
unter Umständen nämlich schon auf dem Fußballplatz an. Das
Turnier wurde übrigens ein voller Erfolg und Angela Merkel hat jetzt
eine schöne Alternative zum Drei-Knopf-Blazer.
// kay
L-MAG
*08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 9
Fotografisches Lebenswerk
Cindy Sherman-Ausstellung in Berlin
Cindy Sherman, Meisterin ihres Fachs und eine der wenigen wirklich
erfolgreichen Frauen in der internationalen Kunstszene, hat sich in
ihren Fotoarbeiten zumeist mit Körper, Identität und Stereotypen von
weiblichen Rollenbildern befasst. Bekannt wurde die mittlerweile 61jährige New Yorkerin vor allem durch ihre fotografischen Selbstinszenierungen. Dabei fungiert sie zugleich als Künstlerin und als
Model – dies oft bewusst provokant-verstörend und hässlich. Die Zeitschrift ARTnews zählt sie zu den besten zehn lebenden Künstlerinnen
und Künstlern der Welt. Grund genug also, die Ausstellung mit 65
Fotografien von Sherman aus fast all ihren Schaffensperioden in der
Berliner Galerie me Collectors Room zu besuchen. Zeit dafür ist noch
bis April nächsten Jahres.
// kay
Cindy Sherman: „Works from the Olbricht Collection“,
16. September 2015 bis 10. April 2016,
me Collectors Room Berlin,
www.me-berlin.com
Fotos: Dana Rösiger, Cindy Sherman and Metro Pictures, Soyham Erim
Italien muss Eingetragene
Lebenspartnerschaft einführen
Italien muss für homosexuelle
Paare eine rechtlich verbindliche Institution zur Anerkennung ihrer Lebenspartnerschaft einführen, entschied am
21. Juli der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der
LSVD begrüßte das Urteil als
richtungsweisend. Wie Sprecherin Gabriela Lünsmann
erklärte, mache das Urteil erstmals deutlich, dass gleichgeschlechtlichen Paaren eine
rechtliche Absicherung zusteht: „Alles andere ist ein Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die festlegt,
dass jede Person das ,Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens‘ besitzt.“ Die Straßburger Entscheidung geht zurück auf die
Klage von drei schwulen italienischen Paaren. Als eines der wenigen
EU-Länder hatte Italien bislang keine legale Möglichkeit der Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften. Die Umsetzung des Urteils auf nationaler Ebene dürfte sich in dem wertkonservativen und
traditionell stark katholisch beeinflussten Land nicht ohne Gegenwind verwirklichen lassen. Bislang waren derartige Vorstöße am Widerstand der Opposition und der katholischen Kirche gescheitert. Als
Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
ist Italien rechtlich an das Urteil des EGMR gebunden. Die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Ministerpräsidenten Matteo
Renzi kündigte denn auch an, die Straßburger Entscheidung in Form
einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft bis Jahresende umzusetzen.
Bislang haben nur gut die Hälfte der 47 Vertragsstaaten, die die
Konvention unterzeichnet haben, die Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare rechtlich anerkannt.
// Melanie Götz
L-MAG
Filmheldinnen der 60er Jahre
Filmreihe „Aufbruch der Autorinnen“
Der Film„The Girls“ von Mai Zetterling
Mit der „Nouvelle Vague“ gab es im europäischen Kino der 1960er
Jahre neuartige Filme über Konflikte sowie die gesellschaftliche
Emanzipation in dieser Zeit. Das Festival „Aufbruch der Autorinnen.
Die Regisseurinnen der 60er Jahre in Europa und die Heldinnen ihrer
Filme“ widmet sich als kommentierte Filmreihe und Tagung „der
weitgehend unbekannten Tatsache, dass in diesem Kino nicht nur die
Rebellion der Söhne gegen die Väter zum Ausdruck kommt, sondern
dass es zugleich einer ersten Generation von jungen Frauen gelang,
als Autorinnen abendfüllende Spielfilme zu drehen“, wie es im
Programm heißt. Angeboten werden 30 Veranstaltungen mit rund 20
teilweise unbekannten, neu restaurierten und untertitelten Spielfilmen mit weiblichen Heldinnen. Darunter Filme von Mai Zetterling,
Vera Chytilová, Márta Mészáros, Paula Delsol und Judit Elek.
Kommentiert und eingeordnet werden diese filmischen, feministischen Meilensteine von zeitgenössischen Filmemacherinnen und
Expertinnen wie Nelly Kaplan, Ula Stöckl, Tatjana Turanskyj, Gaby
Babic, Erika Gregor und anderen. Die Filmreihe und Tagung möchte
deutlich machen, dass es bereits in den 60er Jahren einen weiblichen,
mitunter radikalen Blick auf die Gesellschaft gab und dieser auch in
einer modernen Kinosprache umgesetzt wurde. Eine echte Entdeckungsreise wird hier geboten, die für neue und alte Film-Feministinnen absolut empfehlenswert ist.
// kay
^
Zur Anerkennung verurteilt
Cindy Sherman, Untitled # 96, 1981
Festival vom 15. Oktober bis 15. November,
Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum, Berlin
www.sasch-berlin.de
9
*08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:42 Seite 10
L.MAGAZIN
DIE HELDIN
Patrisse Cullors
Aktivistin, Künstlerin und #BlackLivesMatter-Superheldin
*1984, Los Angeles, USA
Patrisse Cullors wurde 1984 in Los Angeles
geboren und war früh gezwungen, sich mit
dem US-amerikanischen Gefängnissystem
auseinanderzusetzen: Ihr Vater wurde
während ihrer Kindheit immer wieder
wegen Drogenanklagen verknackt. Als
schließlich auch noch ihr älterer Bruder im
Gefängnis landete und ihr von erheblicher
Gewalt durch Justizbeamte berichtete,
begann Cullors, sich dem Aktivismus zu
widmen. Erst sammelte sie Geld für die
Anwaltskosten ihres Bruders, später arbeitete sie als Freiwillige für die Civil Rights
Organisation Bus Riders Union und
engagierte sich für grundlegende Reformen
des Gefängnissystems. Nach ihrem Comingout wurde sie zu Hause rausgeworfen und
lebte fortan mit anderen jungen queer
Women of Color zusammen. Sie arbeitete
weiterhin
aktivistisch und künstlerisch für soziale
Gerechtigkeit, gegen rassistische Polizeigewalt und gegen das Gefängnissystem. Sie begann, Religionswissenschaft und Philosophie
zu studieren und sich mit Theater, Tanz und
Performancekunst zu befassen.
Nachdem im Juli 2013 George Zimmermann, der angeklagt war, den afroamerikanischen Teenager Trayvon Martin ermordet
zu haben, freigesprochen wurde, veröffentlichte eine Freundin Cullors, Alicia Garza,
auf Facebook ein Posting, das mit dem Statement „Our Lives Matter, Black Lives Matter“
endete. Cullors machte daraus den Social
Media Hashtag #BlackLivesMatter, der sich
auf Twitter, Tumblr und Facebook rasant
verbreitete. Seitdem ist #BlackLivesMatter
antirassistisches Programm, Aufruf, Erkennungszeichen der neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung und in mehreren Ländern
tätige Organisation zugleich.
Für ihr Engagement wurde Cullors inzwischen mit einem Sidney Goldfarb Award und
dem von der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation NAACP (National
Association for the Advancement of Colored
People) verliehenen Titel „History Maker“
geehrt.
// kk
„In den USA und der ganzen Welt
hat Rassismus gegen Schwarze
globale Konsequenzen. ,Black Lives
Matter’ ist ein Weckruf‚ ein Mantra,
ein Glaubensbekenntnis“
My gender? My choice!
Die Transgender-Flagge (als Symbol der Trans-Bewegung) mit irischem
Glücksymbol
10
Trans-Menschen und -Aktivistinnen haben in Irland allen Grund zu
feiern: Am 15. Juli hat das irische Parlament die „Gender Recognition
Bill“, ein Gesetz zur selbstbestimmten Geschlechtsanerkennung,
verabschiedet. Zum ersten Mal können damit Trans-Personen ab
dem 18. Lebensjahr ihr Geschlecht im Personenstandsrecht per
eidesstaatlicher Erklärung selbst definieren und rechtsverbindlich
anerkennen lassen. Nach einer Überarbeitung früherer Entwürfe ist
hierfür auch keine medizinische Diagnose mehr nötig. Evelyne
Paradis, Geschäftsführerin der europäischen Sektion der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGAEurope), spricht von einem „großen Sprung nach vorne“ in Irland
und verband damit die Hoffnung, dass diese Gesetzesänderung
„auch die europäischen Nachbarländer inspirieren“ könne.
Neben Irland gibt es ähnlich progressive Gesetzesregelungen zur
Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit ohne Gutachten über
eine vermeintliche „Geschlechtsidentitätsstörung“ weltweit bislang
nur in Dänemark, Malta, der Region Andalusien (Spanien),
Argentinien, Kolumbien und in Teilen Australiens. (Mehr zu Irland auf
Seite 74)
// Melanie Götz
Fotos: Blaine Ohigashi/picture alliance/ZUMA Press
Irland beschließt neues Gesetz für Trans-Personen
L-MAG
*08-11 Magazin L-Kampagne_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:53 Seite 11
Supercool
lesbisch
Nilla Fischer ist eine der besten Fußballspielerinnen der Welt und hatte es noch
nie nötig, sich zu verbiegen oder zu
verstecken. Die in ihrem Heimatland
Schweden sehr beliebte und bekannte
Sportlerin wurde dort im Jahr 2014 zur
LGBT-Person des Jahres gewählt. Selten
sprach eine Prominente so locker und unverkrampft über ihr Lesbischsein wie
Fischer im L-MAG-Interview (Mai/Juni
2015), als wir sie bei ihrem deutschen
Verein VfL Wolfsburg, dem Pokalsieger
und Titelfavorit für die Saison 2015/16
besuchten. (Mehr zur kommenden Bundesliga-Saison auf Seite 56).
// kay
Foto: Tanja Schnitzler
*12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:48 Seite 12
L.MAGAZIN
REGIONAL
Baden-Württemberg
Zu Gast
bei Frida
Foto-Ausstellung „Frida
Kahlo – Größer als das
Leben“
Frida Kahlo1926, fotografiert von ihrem Vater Wilhelm„Guillermo“ Kahlo
Wer Frida Kahlo liebt, sollte sich sofort ein
Ticket nach Baden-Baden besorgen, denn
dort findet gerade etwas noch nie Dagewesenes statt: Das Kunstmuseum GehrkeRemund lädt in das private Reich der Künstlerin ein. Die Fotoschau ist eine Mischung
aus Tempel, Ehrenmal und Aufklärungsfilm,
ambitioniert bis zum Anschlag und wahnsinnig schön. Nie gezeigte Fotos geben Einblicke – von kleinformatig bis riesengroß.
Man sieht mexikanische Kleider und Accessoires, die Frida hätte tragen können. Die
Ausstellung wirkt ganz so, als wäre die
Künstlerin nur kurz auf die Terrasse gegangen, während man selbst ihre Gastfreundschaft genießt. Ein Katalog gibt Zusatzinformationen und so manches Geheimnis preis,
das hinter den über 160 Fotografien und
Raum-Situationen verborgen ist. Übrigens
tourt die Gemäldeausstellung von Frida Kahlo
„Viva La Vida“ der Museumsgründerin Dr.
Mariella Remund und des -gründers HansJürgen Gehrke mit Repliken von Fridas malerischem Werk derzeit in den USA.
//Lena Braun
„Frida Kahlo“ noch bis 10. Januar 2016,
www.kunstmuseum-gehrke-remund.org
www.fridakahlostory.com
Acht neue phantasievolle Storys, in denen es
lustvoll und unverblümt zur Sache geht.
Auch zum Vorlesen bestens geeignet!
uch als
A
eBook
ch!
erhältli
12
---> www.krugschadenberg.de
Fotos: Wilhelm Kahlo, Privat(2)
Venusgeflüster 2
L-MAG
*12-13 Magazin Regio_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:48 Seite 13
Der Verein der Münchner „Powerlesben“ organisiert
zum zweiten Mal die Lesben-Kultur-Tage
Bayern
Geballte Kultur
Lesben-Kultur-Tage
Simona Meiler, Snowboard-Weltcup-Athletin und Olympia-Teilnehmerin
Basel
Maximale Herzfrequenz
25 Jahre lesbisch-schwuler Sport
in der Schweiz
Die Münchner „Powerlesben“ hoben im letzten Jahr ein Event aus der
Taufe, das ihrer Meinung nach schon lange fällig war. Mit den LesbenKultur-Tagen wollte die Gruppe, die im Verein LesKult – Lesben bewegen
München e.V. – beheimatet ist, eine Plattform für lesbische Sichtbarkeit schaffen sowie das vielfältige persönliche, kulturelle und politische
Wirken von Lesben zeigen und reflektieren. Dies vor allem, um Brücken
zu bauen und die verschiedensten Kulturen sowie Generationen zu
verbinden. Deshalb wird bei den einzelnen Veranstaltungen nach
Möglichkeit auf Barrierefreiheit geachtet. So werden unter anderem
Gebärdendolmetscherinnen auf Anfrage gestellt. Nach dem erfolgreichen Start im letzten Jahr gibt es diesmal einen Veranstaltungstag
mehr, so stehen zehn Tage ganz im Zeichen lesbischer Kultur. Das
bunte Programm beinhaltet Livemusik, lesbisch-feministisches Theater,
Speeddating, ein Frauenfest, einen Selbstbehauptungsworkshop,
Lesungen, Vorträge sowie einen „erotischen Spielplatz“. Damit werden
auch in diesem Jahr keine lesbisch-kulturellen Wünsche offengelassen. Die „Powerlesben“ freuen sich gemeinsam mit den mitwirkenden Organisationen Imma (Initiative für Münchener Mädchen –
mit JuLeZ), Munich Kiev Queer, LeTRa, Münchner Aidshilfe, Forum
Homosexualität München, Lillemors Frauenbuchladen und dem Großen
Frauenfest München auf eine rege Teilnahme von Lesben, Bi und Trans.
// Sarah Stutte
Unter dem Motto „25 Jahre maximale Herzfrequenz“ feiert
Lesbian & Gay Sport Regio Basel in diesem Herbst sein 25-jähriges
Jubiläum. Zu diesem Anlass stellt der Verein das vielfältige Veranstaltungs- und Informationsprogramm „Sportpanorama Basel“ auf
die Beine. An drei Veranstaltungstagen werden Vorträge und
Diskussionen rund um das Thema Sport und Homosexualität
geboten. Am 23. September heißt es „Homosexualität im Sport“,
am 28. September „Homophobie und Sexismus rund um den Fußball“ und am 2. Oktober „Wie viele Geschlechter kennt der
Sport?“ Zu den Themenabenden werden unter anderem die
ehemalige deutsche Fußball-Bundesligaspielerin Tanja WaltherAhrens, die Snowboarderin Simona Meiler und die Kulturwissenschaftlerin Dr. Tatjana Eggeling, die unter anderem Bundesligaclubs zum Thema Homophobie berät, anwesend sein.
Der lesbischschwule Sportverein bietet eine Vielzahl von sportlichen Disziplinen von Badminton bis Yoga an. Im Regelfall sind
alle Angebote mixed, also für Frauen und Männer – außer natürlich Fußball, der ist den Frauen vorbehalten!
// Sabine Mahler
29. Oktober bis 7. November
www.leskult.de
23., 28. September und 2. Oktober
www.lgsportbasel.ch
L-MAG
13
*14-15 Politik Kirche und Homos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:49 Seite 14
POLITIK
Nach uns die Zukunft?
Die Kirchen sind in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber. Egal ob katholische oder
evanglische, der Umgang mit Lesben und Schwulen, die für die Kirchen arbeiten, oder ihr
angehören, ist alles andere als zeitgemäß. Ist ein Wandel überhaupt möglich?
Neuer Rekord der Kirchenaustritte
Und während auf katholischer Seite Papst Franziskus von manchen
wie ein Popstar gefeiert wird, meldet die Deutsche Bischofskonferenz
eine neue Rekordzahl an Kirchenaustritten in Deutschland. Mit
217.716 Austritten stimmen die Menschen sozusagen mit den Füßen
ab: die katholische Kirche ist für sie offensichtlich nicht mehr zeitgemäß. Ein herber Schlag für die Amtskirche, die sich zumindest in
den Ländern des Globalen Nordens mit dem Wandel hin zu einer
14
gesellschaftlichen Integration und Gleichstellung von LGBT
konfrontiert sieht. Mit der höchstrichterlichen Entscheidung für die
Homo-Ehe in den USA und dem weltweit einzigartigen Volksentscheid
im mehrheitlich katholischen Irland, ja sogar ihrer Verankerung in der
Verfassung, sind die Zeichen der Zeit deutlich. Dazu bedarf es jedoch
nicht immer ausdrücklich den Zusatz „Homo“. So steht im Gesetzentwurf der Iren beispielsweise „Marriage may be contracted in
accordance with law by two persons without distinction as to their
sex.“ (in Deutsch etwa: Eine Ehe kann zwischen zwei Personen egal
welchen Geschlechts im Einklang mit den Gesetzen geschlossen
werden).
Folgte man dieser Logik, die auch Pfarrer Carsten Bolz in den Mittelpunkt seiner Predigt am Vorabend des CSD stellt, könnten die
Amtskirchen eigentlich ohne Richtungsstreitigkeiten allen Gläubigen
eine tolerante und respektvolle Gemeinschaft bieten. Doch davon
scheinen sie weit entfernt. So sind die Kirchen nach dem öffentlichen
Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Nicht nur Pfarrer
sind bei ihnen angestellt, auch Pflegekräfte, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Lehrerinnen und jede Menge Verwaltungskräfte.
„Grundsätze der katholischen Lehre anerkennen“
In der katholischen Kirche bedeutet dies unter anderem, dass diese
Angestellten einen weitreichenden Arbeitsvertrag unterzeichnen, der
bislang noch tief ins Privatleben eingreift. In der 1993 von der
Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeten Grundordnung für den
kirchlichen Dienst steht unter anderem: „Von den katholischen
Foto: Beyhan Yazar/istock
Es ist der Vorabend des CSD in Berlin. In der Gedächtniskirche am
Kurfürstendamm sind Lisa und Silke mit die ersten Besucherinnen,
die zum Gottesdienst der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle
und Kirche (HuK) kommen. Seit über dreißig Jahren feiert die Gruppe
den CSD-Gottesdienst, die beiden Frauen sind zum dritten Mal dabei.
Im Gespräch mit L-MAG erklärt Silke, warum: „Wir sind ein fester
Kern von 150 bis 200 Leuten, denen es wichtig ist, am Vorabend eines
Festes wie des CSD zu einem Gottesdienst zu gehen.“ Lisa, die in Berlin
evangelische Theologie studiert, fügt hinzu: „Die Kirche wiederum
möchte an dieser Stelle signalisieren, dass alle Menschen eingeladen
sind, Gottesdienst und Abendmahl zu feiern, unabhängig von ihrer
sexuellen Orientierung.“
Carsten Bolz, Superintendent des Berliner Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf, predigt an diesem Abend über die Schöpfungsgeschichte und die darin angelegte Vielfalt, zu der für ihn auch unterschiedliche sexuelle Orientierungen gehören. Die offizielle Lehrmeinung
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist dies freilich nicht.
L-MAG
*14-15 Politik Kirche und Homos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:49 Seite 15
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und
beachten.“ Eine eingetragene Partnerschaft ist nicht erlaubt und
verhindert so beispielsweise auch die Stiefkindadoption für Lesben
und Schwule oder die gegenseitige sozialversicherungsrechtliche
Absicherung.
Doch auch die Richtlinie, die der Rat der Evangelischen Kirche in
Deutschland 2005 veröffentlichte, verlangt von den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, „dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen“. Weiter
heißt es: „Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung
oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung
entspricht.“ Theologiestudentin Lisa, die später eine Gemeinde leiten
möchte, sieht für sich darin keinen Widerspruch zu ihrem Lesbischsein. „Im Gegenteil. Ich möchte künftig als Pfarrerin gerade eine
Gemeinde aufbauen, in der natürlich auch Regenbogenfamilien
willkommen sind.“ Dies ist jedoch nicht überall möglich, das ist ihr
klar. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Landgemeinden häufig
weniger aufgeschlossen sind als Gemeinden in Städten wie Berlin
oder Hamburg“, ergänzt sie. „Aber Lesben und Schwule leben nun
auch mal deutlich mehr in den Großstädten.“ Doch es gibt auch
gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Landeskirchen. So
ist es noch lange nicht in allen Landeskirchen möglich, dass
Pfarrerinnen und Pfarrer mit ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerin
oder ihrem Partner ins Pfarrhaus einziehen. Und auch die offizielle
Segnung einer eingetragenen Partnerschaft wird bislang nur in der
Landeskirche Hessen-Nassau praktiziert. Mit Berlin-Brandenburgschlesische-Oberlausitz folgt nun die erste Landeskirche dem
hessischen Beispiel. Ab 2016 soll es diesbezüglich auch hier die
Gleichstellung homosexueller Paare geben. Dem stehen eher
evangelikal-konservative Landeskirchen wie Württemberg und Sachsen
ablehnend gegenüber. Eine Änderung der Grundhaltung scheint hier
noch weit entfernt.
Ist Modernisierung in Sicht?
Ein CSD-Gottesdienst wie in der Gedächtniskirche ist in einem
katholischen Gotteshaus offenbar noch lange nicht denkbar. Zwar
haben die katholischen Bischöfe eine Expertengruppe beauftragt,
Vorschläge zu erarbeiten, wie sich die Grundordnung verändern und
modernisieren lässt. Ihr Vorsitzender, Reinhard Kardinal Marx, betont
gegenüber der Presse auch gerne, dass es keinen Automatismus gebe,
wenn ein geschiedener Mitarbeiter eine „zivile Ehe“ eingehe, „auch
im Blick auf homosexuelle Partnerschaften nicht“. Gleichzeitig betont
er aber, man müsse auch die „Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns“
im Blick behalten. „So bedarf es sicher noch weiterer Überlegungen,
auch im Hinblick auf die Folgen des Abschlusses einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft für eine im kirchlichen Dienst
tätige Person.“ Diese, wenn auch schwammige Erklärung hat in den
vergangenen Monaten zumindest zu einem Beschluss der Bischofskonferenz geführt, wonach das Arbeitsrecht moderat liberalisiert wurde
(L-MAG berichtete, Ausgabe Juli/August). Die Umsetzung sieht in den
einzelnen Diözesen, ähnlich wie in den Landeskirchen der EKD,
unterschiedlich aus.
Ob die Laien, also nicht ordinierte Christen, ihren Kirchen noch lange
auf dem rückwärtsgewandten Pfad der Tugend folgen, bleibt
abzuwarten. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die
Vertretung ihrer Laien also, sprach sich im Frühjahr vehement für die
Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus – und handelte sich damit
großen Ärger mit den Kirchenoberen ein. Doch egal ob evangelisch
oder katholisch: Herausforderungen werden sich im Zuge der
Globalisierung nicht mehr nur auf Deutschland oder Europa
beschränken lassen. Die nächste Welle der Aufklärung erwartet
Kirchen und Gesellschaften in den Ländern des Globalen Südens, wo
schon heute die große Mehrheit der Gläubigen zu Hause ist.
// Sonya Winterberg
L-MAG
15
*16-17 Politik USA_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:14 Seite 16
POLITIK
Der US-Botschafter John B. Emerson (li.)
mit seiner Frau Kimberly und ihren
Kindern Hayley und Taylor beim
diesjährigen CSD in Berlin
Post-homophobe USA
Zeitenwende in den USA: kurz vor Ende der Amtszeit von Präsident Obama tut
sich viel für Lesben und Schwule in Amerika. Ein Gespräch mit dem US-Botschafter
über CSDs und die neue-alte Offenheit der US-Politik gegenüber LGBT
Als im Juni diesen Jahres das höchste
Gericht der USA die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare für legal erklärte,
konnten viele in Europa ihren Ohren nicht
trauen. Ausgerechnet das als so prüde und
konservativ eingestufte Land mit seinen
vielen ultra-religiösen Hardlinern hatte
Deutschland praktisch auf der Standspur
überholt – und das Weiße Haus erstrahlte
zur Feier des Tages in Regenbogenfarben.
Doch die USA haben schon länger sowohl
in ihrer Außenpolitik als auch innenpolitisch Rechte für LGBT auf dem Radar.
Regelmäßig nimmt die US-Botschaft zum
Beispiel in Berlin am CSD teil. Das USAußenministerium hat seit kurzem einen
Sonderbotschafter für LGBT-Rechte
(L-MAG berichtete, Ausgabe März/April
2015).
Seit August 2013 ist John B. Emerson
Botschafter der USA in Deutschland.
L-MAG besuchte ihn in der US-Botschaft in
Berlin-Mitte, wo er über seine Erfahrungen
beim CSD, die Offenheit der USA gegenüber LGBT und die kommenden
Präsidentschaftswahlen im November
2016 plauderte.
16
L-MAG: Herr Botschafter, seit ein paar Jahren
gehört der Festwagen der amerikanischen
Botschaft zu den farbenfrohesten und
auffälligsten des Berliner CSD. Wer entscheidet
denn eigentlich über die Teilnahme an der
Parade?
John B. Emerson: Es gibt in der Botschaft
eine Gruppe, die jedes Jahr über die
Dekoration entscheidet und einer unserer
Fahrer fährt dann. Ich bin jetzt seit zwei
Jahren hier und meine Frau Kimberly und ich
sind beide Jahre da gewesen. Der CSD gehört
zu den jährlichen Ereignissen in Berlin, die
wir nicht verpassen möchten, darum stelle
ich frühzeitig sicher, dass der Termin freigehalten wird. In beiden Jahren waren unsere
Leute unglaublich kreativ, und wer hätte
gedacht, dass man einen Wagen zur EheGleichheit dekoriert, und nur zwei Tage vor
dem Event würde das Oberste Gericht der
USA die passende Entscheidung dazu fällen.
Das war einfach wunderbar!
Müssen Sie zur Teilnahme am CSD das
Außenministerium oder das Weiße Haus um
Erlaubnis bitten?
Nein, das müssen wir nicht, abgesehen davon
wären beide sowieso dafür. In Fragen der öf-
fentlichen Diplomatie, und darunter fällt die
Beteiligung am CSD, hat ein Botschafter
große Flexibilität, das entscheiden wir selbst.
Wie sieht es mit Gay Prides aus, die in
weniger offenen Ländern stattfinden, wie
zuletzt in Istanbul oder Belgrad? Nehmen die
US-Botschaften dort auch teil?
Wie Sie wissen, ist diese US-Regierung den
LGBT-Rechten zutiefst verpflichtet. Allein die
Tatsache, dass das Weiße Haus in Regenbogenfarben erstrahlte, spricht doch Bände.
Oder nehmen Sie Obamas klare Worte gegen
Homophobie in Kenia. In meinem BotschafterLehrgang waren von acht Teilnehmenden
fünf selbst LGBT-Personen. US-Botschaften
haben zum Beispiel in Israel, aber auch auf
den Philippinen und in Nepal an Aktivitäten
rund um den Gay Pride teilgenommen. Das
Außenministerium hat sogar einen Sonderbotschafter für LGBT-Rechte weltweit
ernannt. In den USA haben wir mit Sicherheit den Wendepunkt im Umgang mit LGBTFragen hinter uns. Und das ist großartig!
Viele Deutsche halten die USA trotzdem für
ein zutiefst sozialkonservatives Land. Woher
kommt ihrer Meinung nach diese Diskrepanz
in der Wahrnehmung?
L-MAG
Fotos: White House Press, US-Botschaft Berlin
*16-17 Politik USA_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 12:52 Seite 17
Unglücklicherweise wird das Bild vieler
Deutscher von besonderen Vorfällen geprägt,
die den Eindruck erwecken, als würden
bestimmte Haltungen zu Fragen bezüglich
Rasse, Religion oder Waffenbesitz einstimmig
von allen Amerikanern geteilt werden und
das ist einfach nicht wahr. Die USA sind zum
einen bei weitem nicht so sozialkonservativ
wie viele glauben. Zum anderen sind wir in
einigen Bereichen, zum Beispiel bei LGBTThemen, bei der Bewusstseinsbildung und
dem Eintreten für diese Rechte sogar der
Geburtsort der sozialen Bewegungen. Wir
sind lange mit den Themen vertraut und das
zahlt sich mittlerweile aus, wir sehen die
Dividende. Ich selbst wurde schon in den
frühen Achtzigern durch meine politische
Arbeit für LGBT-Fragen sensibilisiert. Und ich
weiß, dass einige der republikanischen
Präsidentschaftskandidaten, die gegen die
Ehe für alle waren, insgeheim hofften, dass
das Oberste Gericht so entscheiden würde,
wie es das getan hat, weil sie wussten, dass
sie mit ihrer Meinung weit hinter dem
Bewusstseinsstand des Landes lagen.
Trotzdem gibt es Versuche eines konservativen Rollbacks wie zuletzt in Indiana, wo
ein Gesetz auf den Weg gebracht wurde, mit
dem LGBT-Menschen aufgrund religiöser
Vorstellungen hätten diskriminiert werden
dürfen.
Ich behaupte auch nicht, wir hätten das
Problem gelöst. Homophobie hat noch nicht
den gleichen Stellenwert wie Rassismus, aber
wir sind auf dem Weg. Der Versuch in Indiana
führte vielleicht zu einem kurzfristigen Rückschritt im Kampf um die Ehe-Gleichheit,
aber die Gegenreaktionen waren um vieles
größer.
Auf der Ebene der Bundesstaaten gibt es ja
noch eine Reihe diskriminierender Gesetze …
… und unser System funktioniert so, dass das
Verfassungsgericht einen konkreten Fall
braucht, um darüber am Ende des Tages eine
Entscheidung fällen zu können.
Haben Sie je mit Kanzlerin Merkel über die
Sicht der US-Regierung zu LGBT-Themen gesprochen, insbesondere darüber, dass LGBTRechte Menschenrechte sind?
Mit Frau Merkel habe ich noch nicht
persönlich darüber gesprochen. Nicht dass es
dafür einen Grund gäbe, es ist einfach noch
nicht passiert. Aber ich habe diese Aussage
schon häufig in öffentlichen Reden in
Deutschland formuliert.
Was halten sie persönlich davon, dass unsere
Kanzlerin öffentlich erklärt hat, Lesben und
Schwule sollten nicht das Recht haben, zu
heiraten?
Ich muss mir nur unser eigenes Land
anschauen. In den USA hatten wir Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten, unter
L-MAG
ihnen als Kandidat auch Barack Obama, die
noch nicht so weit waren, um diesen Schritt
zu gehen. Ich glaube, in fortschrittlichen
Gesellschaften wird die Ehe-Gleichheit
kommen, das ist nur eine Frage der Zeit. Das
Thema immer wieder zur Sprache bringen
und darauf hinweisen, was in den USA
passiert ist, all das wird dabei helfen. Das
Ganze ist ein Prozess, was nicht bedeutet, die
LGBT-Community sollte einfach abwarten,
im Gegenteil. Chad Griffin, der Gründer der
American Foundation for Equal Rights und
ein guter Freund von mir, hat sich zum
Beispiel immer sehr stark engagiert. Kluge
„Ich muss mir nur meine
Kinder ansehen, die sind
post-rassistisch, postgender, post-homophob“
Interessenvertretung hat eine enorme Auswirkung. In dieser Frage werden die Politiker
am Ende den Menschen folgen.
Und dabei hat zumindest in den USA vor
allem die jüngere Generation einen großen
Einfluss. Ich muss mir nur meine Kinder
ansehen, die rund um die Jahrtausendwende
geboren wurden und jetzt aufs College
kommen, die sind post-rassistisch, postgender, post-homophob, für die ist all das gar
keine Frage mehr.
In den USA hat der Wahlkampf begonnen. Glau
ben sie, die USA sind reif für eine Präsidentin?
Bei den letzten vier Wahlen haben 40 der 50
Bundesstaaten durchgehend entweder für
Demokraten oder Republikaner gestimmt.
Nur zehn Staaten sind so genannte „Swing
States“ und dort geht es oft um wenige
Prozentpunkte. Da reicht es manchmal, dass
ein Kandidat in einer Debatte einen Fehler
macht oder ein weltpolitisches Ereignis
dazwischenkommt. Von daher wird das
Ergebnis knapp ausfallen. Aber auf alle Fälle
sind die USA reif für eine Präsidentin. Und
wer Hillary nicht wählen will, weil sie eine
Frau ist, der oder die würde wahrscheinlich
auch für keinen anderen demokratischen
Kandidaten stimmen. Von daher ist ihr
Geschlecht, wenn überhaupt, eher ein Vorteil
für sie.
Falls der nächste amerikanische Präsident ein
Republikaner wird, sind dann die LGBTRechte, die in den letzten acht Jahren
erkämpft wurden, noch sicher für die
Zukunft?
Wenn einer Gruppe von Menschen einmal
Rechte gegeben wurden, wird es sehr schwer,
sie ihnen wieder wegzunehmen. Wenn man
sich die Fortschritte in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung ansieht, stellt man das auch
fest. Wenn Schulen einmal alle Kinder integrieren, wenn man Menschen nicht mehr
entlassen kann, nur weil sie sind, wer sie
sind, dann lässt sich das kaum zurückschrauben. Und ich glaube nicht, dass irgendeiner
der Kandidaten, die gerade antreten, sein
politisches Kapital lieber dafür einsetzen
will, als für seine eigentlichen Themen. Das
kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.
//Interview: Dirk Ludigs
Anlässlich der Entscheidung des Supreme Court zur Homo-Ehe
erstrahlte das Weiße Hause am 26. Juni in Regenbogenfarben
17
*18-19 International Indonesien_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:08 Seite 18
INTERNATIONAL
In Indonesiens Hauptstadt Jakarta gingen am internationalen Tag gegen
Homo- und Transphobie LGBT-Aktivistinnen und -Aktivisten auf die Straße
Rückwärtsgang in Indonesien?
In unseren Breiten ist der Sommer traditionell die Saison für den
CSD. In den Metropolen Nordamerikas und Europas ziehen große
Paraden und Demos durch die Straßen der Städte. In vielen Ländern
dieser Welt sind solche CSD-Umzüge noch immer undenkbar. Hier
soll jedoch nicht von den „üblichen Verdächtigen“ wie Saudi-Arabien
oder Russland die Rede sein, sondern von Indonesien, der Nation in
Südostasien mit dem weltweit größten muslimischen Bevölkerungsanteil.
Indonesien ist ein eindrucksvolles, kulturell, religiös und ethnische
vielfältiges Land. Gesellschaftspolitisch ist die Republik aus mehr als
17.000 Inseln mit über 250 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nach Jahrzehnten der Diktatur auf der Suche nach sich selbst.
Mit Mühe und Not konnte Gründungspräsident Sukarno 1945 seine
Idee eines säkularen Staates gegen jene durchsetzen, die von einem
islamischen Gottesstaat träumten. Unter seinem Nachfolger, Diktator
Suharto, wurden die Islamisten – wie alle, die andere Vorstellungen
von der Gesellschaft hatten als dieser – unterdrückt und verfolgt.
18
Nach dem Sturz Suhartos vor 16 Jahren wagte Indonesien einen
neuen demokratischen Aufbruch. Dazu gehörte auch Meinungsfreiheit. Liberale Kräfte, relativ unabhängige, mutige Medien,
Bürgerrechtsorganisationen von ethnischen Minderheiten, Frauen,
Lesben, Schwulen und Transsexuellen sind entstanden. Auch die
2007 in der Stadt Jogjakarta beschlossenen „Jogjakarta Prinzipien“
sind Ausdruck der neuen Freiheit und inzwischen sogar international
als LGTB-Grundrechtecharta anerkannt.
Meinungsfreiheit gilt aber auch für die ultrakonservativen islamischen
Kräfte, die im Laufe der Jahre in so manchen Bezirken, Städten und
Provinzen durch Erlasse ihre Vorstellungen von Moral und Ordnung
durchsetzten. Dass viele davon zu Lasten von Frauen gingen, ist nicht
überraschend. Zudem werden militante islamistische Gruppen wie die
Islamische Verteidigungsfront (FPI) immer einflussreicher. Sie haben
bereits die beiden großen muslimischen Massenorganisationen mit
zusammen über 60 Millionen Mitgliedern sowie den Rat der Islamgelehrten in Indonesien (MUI) unterwandert.
Foto: Agoes Rudianto/picture alliance
Im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt
wird es schwieriger für Lesben und Schwule, frei zu leben.
Neue islamische Gesetzentwürfe wollen Homosexualität verbieten
L-MAG
*18-19 International Indonesien_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:08 Seite 19
Der MUI, das höchste theologische Gremium
Indonesiens, wurde paradoxerweise erst vor
wenigen Jahrzehten durch Suharto gegründet
und mit dem Auftrag betraut, eben diese
Islamisten in Schach zu halten.
Moral und Ordnung zu
Lasten von Frauen
Jüngst hat der MUI den Entwurf eines Fatwa
(rechtliche Empfehlung oder Gesetzentwurf
im Islam) gegen Homosexualität veröffentlicht. Darin wird die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert. Noch ist das Fatwa nicht
in Kraft und selbst wenn es erlassen wird, hat
es für den weltlichen Rechtsalltag keine
Konsequenzen. Aber schon der Entwurf dieses
religiösen Gesetzes ermutigt radikale Gruppen
wie die FPI, noch stärker gegen LGTB
vorzugehen.
„Das Fatwa hat bereits Auswirkungen auf das
tägliche Leben von lesbischen Frauen“, weiß
Agustine, die wie viele Indonesierinnen und
Indonesier nur einen Namen hat. Die Lesbenund Frauenaktivistin sowie Leiterin des von
ihr gegründeten Lesben- und Frauenforschungsinstituts Ardhanary berichtet per
E-Mail gegenüber L-MAG weiter: „Besonders
in Familien nimmt die Gewalt gegen Lesben
zu, wie auch in Schulen und am Arbeitsplatz.
Das Fatwa dient als Rechtfertigung.“ Junge
Lesben müssten sich zunehmend verleugnen,
sagt Agustin und erzählt von einer jungen
Frau, welcher der Rausschmiss aus der Schule
drohte. „Vor lauter Panik hat sie ihrem Lehrer
„Wir haben die
Unterstützung der
Frauen- und
Menschenrechtsbewegung“
gesagt, sie sei nicht lesbisch. Das sei nur ein
böses Gerücht.“
Zumindest in der Hauptstadt Jakarta und
einigen anderen Großstädten auf der Insel
Java können Organisationen wie das
Ardhanary Institut existieren und arbeiten,
auch wenn immer die potenzielle Gewalt
radikaler Islamisten wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt.
In Jakarta kann das jährliche lesbisch-schwule
Filmfestival QFest zwar stattfinden, aber nur
mit der Unterstützung westlicher Botschaften
und (meist) in den Räumen von Kulturinstitutionen wie dem Goethe Institut. Selbst
ansonsten progressive Veranstaltungsorte
beugen sich in einem vorauseilenden
Gehorsam dem Druck der FPI und lehnen
schwul-lesbische Filmabende ab.
L-MAG
Für viele Islamisten ist Indonesiens islamischste Provinz Aceh auf der Insel
Sumatra das Ideal. Dort gilt die Scharia, die
religiöse Gesetzesordnung des Islam. Auf
Alkoholkonsum und gleichgeschlechtlichen
Sex steht die Prügelstafe, die Scharia gilt dort
neuerdings auch für Nichtmuslime.
Mit immer neuen Verordnungen wird Frauen
ein auch nur halbwegs eigenständiges Leben
immer schwerer gemacht. Frauen dürfen
keine Hosen mehr tragen, nicht mehr alleine
Moped fahren.
„Wir haben Kontakt mit einigen lesbischen
Frauen und Gruppen in Aceh. Sie sagen uns,
dass es unmöglich ist, offen als Lesbe zu
leben. Sie treffen sich im Geheimen und
kommunizieren verdeckt über Facebook.
Besonders die Butch-Lesben finden es
schrecklich, ein Kopftuch tragen zu müssen.
Aber sie haben keine Wahl“, weiß Agustine.
Vorsichtige Hoffnung
in den neuen Präsidenten
Ein gewisse, bescheidene Hoffnung setzt
Indonesiens LGTB-Community in den neuen
Präsidenten Joko Widodo. Mehr, beziehungsweise überhaupt irgendwelche Rechte sind
zwar auch von diesem politisch moderaten
und modernen Politiker nicht zu erwarten.
Aber vielleicht wenigstens ein partielles
Zurückdrängen radikaler Gruppen.
Widodos Religionsminister Lukman Hakim
Saifuddin jedenfalls hat einen Dialog mit
unterdrückten religiösen Minderheiten – einschließlich islamischer Glaubensrichtungen,
die nicht der sunnitischen Mehrheit angehören – angekündigt. Anders als sein Vorgänger
ist Lukman Hakim Saifuddin kein religiöser
Hardliner, sondern einer der islamischen
Politiker, die sich einer pluralistischen
Gesellschaft verpflichtet fühlen. Über Homosexuelle sagte er im vergangenen Herbst: „In
dieser Ära der Freiheit gibt es immer mehr
Kampagnen für LGTB. Deshalb muss diese
Regierung mit mehr Weisheit agieren und
diese Gruppen einbinden.“ Aber zugleich
dämpfte er die Erwartungen mit der
Warnung, jede zu starke Aktion könnte mehr
negative Reaktionen hervorrufen.
Das erinnert an die Worte von Papst
Franziskus, der nicht über Homosexuelle
richten wollte. Konkrete Taten bleiben
trotzdem aus. Ein direktes Treffen zwischen
Lukman einerseits, Lesben und Schwulen andererseits ist ausgeschlossen. Agustine ist
dennoch zuversichtlich, mit Lukman ins
Gespräch zu kommen, wenn auch eher
„undercover“. „Wir haben die Unterstützung
der Frauen- und Menschenrechtsbewegung.
Zusammen mit ihnen haben wir die Chance,
Lukman Hakim zu treffen.“
// Michael Lenz
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*20-21 ABO _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:19 Seite 20
L-MAG – Wo gibt
L-MAG nicht am Kiosk?
Das L-MAG-Abo
Worauf wir stolz sind: L-MAG ist eine Zeitschrift, die
es im Zeitschriftenladen gibt, nicht nur im Abo.
Das ist uns wichtig, um lesbische Sichtbarkeit am
Kiosk zu demonstrieren. Doch immer wieder
fragen Leserinnen:„Wo kann ich L-MAG kaufen, bei
meinem Zeitschriftenladen gibt es sie nicht?!“ Das
hat verschiedene Gründe.
In Deutschland gibt es rund 120.000 Stellen, an
denen Zeitschriften verkauft werden – Kioske,
Tankstellen, Supermärkte, Buchhandlungen.
Wir drucken rund 17.000 Hefte, diese können also
nur in einer bestimmten Auswahl an Läden im
Regal liegen.
Außerdem wird es generell immer schwieriger, ein
Magazin dauerhaft im Kiosksortiment zu halten.
Verkaufsstellen haben das Recht, eine Zeitschrift,
die sich aus ihrer Sicht nicht genügend verkauft,
völlig aus dem Sortiment zu schmeißen. Und das,
obwohl die Pressefreiheit in Deutschland garantiert,
dass ein Kiosk grundsätzlich alle Magazine in sein
Sortiment nehmen muss. Das benachteiligt
kleinere Verlage.
Leserinnen, die sicher gehen
wollen, ihr Heft regelmäßig und
pünktlich zu bekommen, sind
am besten mit einem Abo bedient.
Wir wollen, dass L-MAG weiterhin im Zeitschriftenhandel erhältlich ist und alle, die
bisher das Heft im Laden kaufen, dies auch
weiter tun können. Dennoch werden andere
Kanäle immer wichtiger, der Kioskverkauf kann
die Zukunft des Magazins nicht sichern.
Ein schöner Nebeneffekt: die
Abonnentin spart Geld und beim
Verlag bleibt im Vergleich zum
Kioskverkauf mehr Geld hängen.
STANDARD-ABO
12 Ausgaben für 49 Euro
6 Ausgaben für 27 Euro
FAIR-ABO
12 Ausgaben für 39 Euro
6 Ausgaben für 23 Euro
PROBE-ABO
3 Ausgaben für 10 Euro
Das Print-Abo bestellen:
www.l-mag.de/abo
*20-21 ABO _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:19 Seite 21
bt’s denn sowas?
L-MAG am Kiosk
Deutschland € 4,50 | Österreich € 5,20 | Schweiz CHF 5,90
Das Magazin für Lesben
www.l-mag.de | September/ Oktober 2015
MAG
IM GESPRÄCH
Super-Butch Lea DeLaria
ZDF-Gesicht Dunja Hayali
WER SPIELT MIT WEM?
Saisonstart der
Frauen-Bundesliga
Überblick zum Verkauf
am Kiosk in Deutschland auf
www. mykiosk.de
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in Österreich und der Schweiz auf
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*22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 22
PERSONALITY
Liva Tresch heute:„Lesben aus meiner Generation haben sich nicht
vor ihrer Umgebung versteckt, sondern mehr vor sich selbst.
Sie konnten nicht begreifen, dass sie nicht so sind wie die anderen,
dass sie immer Gegenschwimmer sein werden.“
„Der Körper einer Frau ist
für mich Heimat“
Fotos: Siggi Bucher, zvg
Liva Tresch ist mit 82 Jahren eine der wenigen sichtbaren Lesben ihrer Generation
in der Schweiz. Mit L-MAG sprach sie über ihr bewegtes Leben
22
L-MAG
*22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 23
„An was soll man sich denn
festhalten, wenn nicht an
der eigenen Haltung?“
Alles an Liva Tresch leuchtet, wenn eine feine
Ironie ihre Aussagen durchwebt. Ihre Worte
sind Bilder in tausend Farben, die sich vor
dem geistigen Auge auftun. Sie wirft diese
Sätze einfach so aus ihrem Innersten heraus
und denkt trotzdem, dass sie aufgrund ihrer
derben Aussprache nicht immer leicht zu verstehen sei. Doch das ist sie, weil es ihre Seele
ist, die redet.
1933 wird sie unehelich im Schweizer
Kanton Uri in einem Kinderheim geboren.
Sie wächst größtenteils bei Pflegeeltern auf,
weil ihre Mutter sich nicht um sie kümmern
kann. Früh kommt sie mit Sexualität in
Berührung, nicht aber mit Liebe und Zuneigung. Der Pflegevater ist ein grober Kerl,
der zu viel trinkt. Nie darf sie andere Kinder
mit nach Hause bringen, da der Vater seine
Hände nicht bei sich lassen kann. Ihre Mutter
heiratet erneut, als sie sechs Jahre alt ist –
einen Landwirt mit sieben Kindern. „Sie hat
mich zu sich geholt und ich habe mich auf
meine neuen Geschwister gefreut. Die haben
mich aber gehasst wie die Pest. Mein Stiefvater dagegen war ein ganz Lieber“, erzählt
die heute 82-Jährige.
„Wenn dich das nicht umbringt,
tut es nichts mehr“
Die kleine Liva engagiert sich begeistert in
der Pfadi (den Schweizer Pfadfindern) und
ist auch in der Schule fleißig. Trotzdem wollen
die guten Noten nicht gelingen. Ihre Aufsätze
sind interessant, aber voller Fehler. Dafür
schlägt sie die Mutter so lange, bis sie einen
offenen Rücken hat. Sie wird für dumm
befunden und erhält keinen regulären Schulabschluss. Erst mit 50 Jahren findet Liva
heraus, dass sie Legasthenikerin ist.
Als ihre früheren Pflegeeltern erfahren, dass
ihre Mutter sie misshandelt, nehmen sie das
Mädchen wieder bei sich auf. Sie kann in
einem Fotogeschäft arbeiten und entdeckt
dabei ihre Liebe zur Fotografie. Vieles bringt
L-MAG
Liva Tresch in den 60er Jahren.
Ihre erste romantische Begegnung mit einer Frau
hatte sie mit 22 Jahren
sie sich selbst bei. Ursprünglich wollte sie
jedoch Hebamme werden. „Ich hatte das
Bedürfnis, den armen Frauen oben in den
Bergen zu helfen. Ich fand, man ist nur so
viel wert, wie man sich für die anderen wertvoll macht.“
Erst in Zürich kommt sie mit dem Begriff Lesbe
in Berührung. „Der Körper einer Frau ist bis
heute für mich Heimat. Ich wusste nicht, dass
das lesbisch oder schwul ist“, gesteht Liva
Tresch. Mit 22 Jahren hat sie das erste Erlebnis
mit einer Frau. „Ich war sehr nervös, wusste
aber nicht warum. Als ich unter der Bettdecke lag, kam sie nackt ins Zimmer und legte
sich zu mir ins Bett. Meine Hände wussten,
was sie zu tun hatten. Vor wahnsinnigem
„Was die anderen sagen ist
letztlich egal, wenn du mit
dir im Reinen bist“
Glück betete ich danach ein Vaterunser, um
mich zu bedanken. Am nächsten Morgen sagte
sie zu mir, dass sie doch Recht hatte und ich
schwul sei. Ich bin aus dem Bett gesprungen,
habe mich angezogen und kletterte zum
Fenster hinaus. Ich wollte mich umbringen.
Dann saß ich lange am See und dachte mir,
wenn dich das nicht umgebracht hat, tut es
nichts mehr.“
Liva Tresch akzeptierte ihr Lesbischsein und
redete fortan offen darüber. „Viele Lesben
haben sich in ihrer Haut nicht wohl gefühlt,
bei mir war das anders. Die Menschen müssen
mich nehmen wie ich bin. Ich bin ich und das
bin ich so sauber und so schön wie es geht.
Man sollte einen gewissen Stolz haben. An
was soll man sich denn festhalten, wenn
nicht an der eigenen Haltung?“
Kein Herz in der Lesbenbar
2005 wird Liva Tresch in Veronika Minders
preisgekröntem Dokumentarfilm „Katzenball“ vorgestellt. Der Film erzählt das Leben
von fünf lesbischen Schweizerinnen unterschiedlichen Alters. Dabei spielt auch ihre
Arbeit als Chronistin der damaligen Clubszene eine wichtige Rolle. Ein Schauplatz für
diese Fotografien war die älteste schwullesbische Bar in Zürich, der Barfüsser.
„Damals kam es oft vor, dass sich die Frauen
vor den Bars prügelten. Es war eine schlimme
Zeit. Alles lief nur über das Äussere. Ich war
sehr viel in den Bars unterwegs und fand es
immer schön, wenn zwei verliebt waren und
miteinander getanzt haben. Doch zwei
Wochen später schauten sie sich dann nicht
mehr an“, beschreibt Liva diese Zeit und fügt
hinzu: „ ,Ich hasse dich’ oder ,Ich liebe dich’,
so war es immer. Ein ,Ich respektiere dich’
hat man nirgendwo gelesen, gesehen oder
23
*22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 12:27 Seite 24
PERSONALITY
erlebt. Daran bin ich ein wenig verzweifelt.
Auch heute noch wird das Lesbischsein nur
an der Sexualität aufgehängt. Das Herz
kommt gar nicht zum Zug.“
Liva weiß, wovon sie spricht. Zwanzig Jahre
lang war sie mit einer Partnerin zusammen,
die keinen Sex wollte. Fremdgegangen sei sie
trotzdem nie. Für sie steht fest: „Entweder
stehe ich zu jemandem oder nicht. Und dann
lasse ich es auch.“ Die beiden kauften zusammen ein Haus in Zürich, führten dort ein
Fotogeschäft und wohnten darüber. Heute
lebt sie immer noch dort. Obwohl die Beziehung zerbrach, kommen beide Frauen
noch gut miteinander aus.
„Wer sich verleugnet,
zerbricht daran“
1997 erblindet sie plötzlich über Nacht auf
einem Auge. Drei Jahre lang kann sie nur
wenige Fotoaufträge annehmen und steht
fast vor dem Konkurs. Als sie dann ihr
Augenlicht wieder erlangt, weiß sie nicht
mehr, warum sie fotografiert. „Ich habe immer das fotografiert, was mir gefallen hat.
Ich war oft in den Staaten und habe Sand am
Meer und Anschwämme abgelichtet“, erzählt
sie. „Das Leise ist meins. Mich fasziniert die
Lebenskraft. Aber die Leute wollen das gar
nicht sehen. Die möchten Action.“
Gesundheitlich hat die ehemalige Fotografin
gute und schlechte Tage. Sie leidet unter
Fibromyalgie (chronische Schmerzen in der
Muskulatur) und dem Chronischen Fatigue
Syndrom (geistige und körperliche Erschöpfung) und muss viele Tabletten zu sich
nehmen. Sie geht nicht mehr viel hinaus,
meint, es sei eine Plage, in die Stadt zu fahren.
Aufgetankt hätte sie sich immer nur in der
Natur. Bis heute liebt die 82-Jährige es, wenn
eine Bachstelze auf ihrem Dach singt. Es sei
wichtig, sagt sie, dass wir den Respekt vor
dem eigenen Sein erkennen und nicht
meinen, wir seien besser als der Rest. „Lesben
aus meiner Generation haben sich nicht vor
Liva (Mitte, schwarzer Pulli) bei einem
geselligen Frauenabend in den
1960er-Jahren
ihrer Umgebung versteckt, sondern mehr vor
sich selbst. Sie konnten nicht begreifen, dass
sie nicht so sind wie die anderen, dass sie
immer Gegenschwimmer sein werden.“ Liva
Tresch macht eine kurze Pause bevor sie
weiterspricht: „Was die anderen sagen ist
letztlich egal, wenn du mit dir im Reinen
bist. Wer sich verleugnet, zerbricht daran.
Man muss sich wertschätzen. Ich musste sehr
alt werden, bis ich überhaupt gemerkt habe,
dass ich existiere.“
// Sarah Stutte
Die unsichtbare Generation
Porträts von älteren Lesben in der Schweiz
Liva Tresch ist nur eine der Protagonistinnen,
die in Corinne Ruflis Buch ihre ganz persönliche Geschichte erzählen. Die Schweizer
Historikerin porträtiert insgesamt elf Frauen,
die in ihren eigenen Worten und in zahlreichen farbigen sowie Schwarz-Weiß-Fotografien von einer anderen Zeit berichten.
Über ihre erste Verliebtheit, ihre Beziehungen,
ihr Selbstbild, ihre positiven wie negativen
Erfahrungen. Auch über ihre Entscheidungen,
gleichgeschlechtliche Liebe zu leben oder
nicht. Entstanden ist ein spannendes und
lebendiges Kaleidoskop an unterschiedlichen
Lebensentwürfen, das einen grauen Fleck in
der Schweizer Lesbengeschichte zum ersten
Mal beleuchtet. Corinne Rufli hatte zu dieser
Thematik zuvor schon für ihre Masterarbeit
recherchiert und wollte den älteren lesbischen Frauen, die bis heute nicht sichtbar
sind, endlich eine Stimme geben. Gegenüber
L-MAG erklärt die Autorin: „Das Buch soll
jungen wie alten Menschen gleichermaßen
Mut machen, einen selbstbestimmten Weg zu
gehen und den eigenen Träumen und
Wünschen zu folgen.“
// Sarah Stutte
Corinne Rufli: „Seit dieser Nacht war
ich wie verzaubert. Frauenliebende
Frauen über siebzig erzählen“
Hier und Jetzt Verlag,
256 Seiten,
35,00 Euro
24
L-MAG
*22-25 PERSONALITY Livia Tresch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:20 Seite 25
*26-27 TV Hayali_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:21 Seite 26
FERNSEHEN
Dunja Hayali in ihrem Büro im
ZDF-Hauptstadtstudio Berlin
Die Frühaufsteherin
Sie ist eine der bekanntesten offen lesbisch
lebenden TV-Persönlichkeiten im deutschen
Fernsehen. Seit 2007 war sie in den ZDFNachrichten „heute“ und „heute journal“
zu sehen. Außerdem moderiert sie das
„ZDF-Morgenmagazin“, das von 5.30 bis 9
Uhr läuft. Dunja Hayali ist die Tochter
irakischer Eltern und wurde 1974 im westfälischen Datteln geboren. Sie studierte
Medien- und Kommunikationswissenschaften und arbeitete unter anderem als SportModeratorin, bevor sie im April 2007 zum
ZDF wechselte.
Sie lebt in Berlin, ist begeisterte Hundehalterin – worüber sie 2014 das Buch „Is’
was, Dog?“ schrieb – fährt eine 30 Jahre
alte Yamaha XT 250 und liebt Surfen. Als
Urlaubsvertretung von Maybrit Illner über26
nahm sie bis Mitte August die Sendung
„Donnerstalk“ im ZDF. L-MAG-Chefredakteurin Manuela Kay traf sie vor Sendestart im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin
L-MAG: Was können wir von der neuen
Sendung „Donnerstalk“ erwarten?
Dunja Hayali: Wir haben 60 Minuten Zeit
für drei verschiedene Themen, die Deutschland in diesem Sommer bewegen.
Geschichten, die wir draußen auf der Straße
entdecken, wollen wir im Studio in Gesprächen vertiefen, deshalb ist es mehr ein
Talk-Magazin mit starken Reportagen als nur
ein Talk. Dann gibt es ein ausführliches
Gespräch mit 10 bis 15 Minuten, also dreimal
länger als im Morgenmagazin, ein zeitlicher
Luxus, auf den ich mich total freue. Außer-
dem gehe ich selbst als Reporterin raus, um
mir ein Thema mit eigenen Augen und Ohren
begreiflich zu machen.
Es wurde angekündigt, es gehe um neue
Ansätze und Themen wie Flüchtlinge,
Drogen, Sex. Was ist konkret geplant?
Flüchtlinge, Drogen, Sex ... (lacht)
In welcher Form wird das sein?
Wir wollen Themen aufgreifen, die den
Menschen bewegen, der sich im Freundeskreis unterhält. Zum Beispiel „Warum hat
Deutschland so wenig Kinder?“, „Wie gehen
wir mit Behinderten um?“, „Was ist mit den
Flüchtlingen?“, „Haben ältere Menschen
noch Sex?“, „Cybermobbing“ ... das sind so
Themen, über die man eher mal abends beim
Bierchen noch plaudert, und das wollen wir
aufgreifen. Vor allem mit Leuten, die man
Foto: Jackie Baier
ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hatte im Sommer mit„Donnerstalk“ ihre eigene
Abendsendung. Im L-MAG-Gespräch erzählte sie über das Fernsehen-Machen
und den Tag einer Morgensendung-Moderatorin
L-MAG
*26-27 TV Hayali_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:21 Seite 27
nicht unbedingt schon im Fernsehen gesehen
hat. Da kann auch mal ein Politiker dabei sein,
aber auch Herr Müller, Meier, Schmidt, Ihr
Bäcker, mein Gemüsehändler. Denen wollen
wir Raum geben, denn die haben spannende
Geschichten zu erzählen, diese Menschen
prägen unsere Gesellschaft ja auch mit.
Bei dem geplanten neuen Ansatz und neuen
Themen, wird da auch Homosexualität
vorkommen?
Ist im Moment nicht geplant, aber es kommt
darauf an. Wir haben natürlich jederzeit die
Möglichkeit, tagesaktuell auf Themen zu
reagieren. Sollte also die „Ehe für alle“ noch
mal eine neue Wendung bekommen oder es
einen aktuellen Anlass geben, klar, warum
nicht?
Möchten Sie denn irgendwann mal eine
eigene Talksendung haben?
Ich war vor kurzem im Irak, der Heimat
meiner Eltern, und durfte dort drehen, da
fragt ja auch niemand: „Willst du jetzt
Reporterin für immer werden?“ Nein, die
Mischung macht’s. Das gilt für die Sendung
und auch insgesamt für mein Leben. Ich finde
alles, was homogen ist, langweilig.
Wie hat man sich denn Ihren Tagesablauf als
Morgenmagazin-Moderatorin vorzustellen?
Man lebt in so einer Art Parallelwelt. Der
Wecker klingelt um viertel vor vier, ich bin
gegen halb fünf oder fünf in der Redaktion,
dann Zeitung lesen – Moderationen
schreiben – Maske – und ab in die Sendung.
Zwei Stunden. Im Anschluss Nachbesprechung der Sendung, dann gleich in die Konferenz für den nächsten Tag. Wenn ich nach
Hause komme, schlafe ich meistens erst einmal ein oder zwei Stunden. Am Nachmittag
kümmere ich mich um den Hund und lese
viel, treffe vielleicht mal Freunde, die dann
grade nicht arbeiten. Das ist natürlich ein
Problem, nachmittags sind viele nicht greifbar, die man gerne treffen möchte. Um 19.30
Uhr werden wir vier Moderatoren telefonisch
mit der Redaktion zusammengeschaltet,
dann bekommen wir die Themen und die
Gesprächspartner für den nächsten Tag. Mit
dem „heute journal“ endet mein Tag, das
gucke ich schon im Bett, Claus Kleber sagt
mir gute Nacht.
Harter Ablauf!
Ja, das Anstrengende daran ist es, morgens
auf den Punkt fit im Kopf zu sein. Moderieren
erfordert Konzentration und Handwerk, da
habe ich Routine. Die Gespräche sind die
größere Herausforderung, weil man sie nur
bis zu einem gewissen Punkt vorbereiten
kann, der Rest ist dann die direkte Reaktion
auf die jeweilige Situation. Und wir sind
live – jeder Fehler wird gesendet.
Sie fühlen sich sichtbar wohl beim ZDF. Wie
war das damals 2008 bei Ihrem öffentlichen
Coming-out, wurden Sie hinterher anders
behandelt, gab es andere Erwartungen?
L-MAG
Die Erwartungen waren und sind immer
hoch und haben nichts mit meiner Sexualität
zu tun. Ich persönlich finde, dass Sexualität
Privatsache ist. Die sich daraus ergebenden
Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen sind es allerdings nicht und für deren
Abschaffung muss man einstehen. Ich finde
aber nicht, dass jeder durch die Stadt laufen
und sagen muss: „Ich bin heterosexuell“, „Ich
bin homosexuell“ oder „Ich bin blau gepunktet“. Das muss jedem selbst überlassen sein.
Bei uns war das damals so: Ich habe mich gar
nicht geoutet, ich war immer schon offen,
was das anbelangt. Ich wollte damals mit
meiner Nichte, sie war 15, ins Kino gehen.
„Ich engagiere mich
nicht politisch,
ich engagiere mich
menschlich,
das ist ein Unterschied“
Da habe ich zu ihr gesagt: Wir müssen mal
reden, ich würde dir gern sagen, dass ich
jetzt zur Abwechslung mal mit einer Frau
zusammen bin. Da gab es eine kurze Pause
und dann sagte sie: „Und können wir dann
jetzt ins Kino gehen?“ Da war ich ein bisschen
überrascht und wollte wissen, ob sie nicht
darüber reden wolle. Aber sie meinte nur:
„Worüber? Du bist meine Tante, du bleibst
meine Tante, können wir also jetzt ins Kino
gehen?“ Das habe ich mir zu eigen gemacht
und so gehe ich damit um.
Sie sind ja sonst sehr engagiert, was andere
politische Themen angeht, wie Flüchtlinge
beispielsweise.
Ich engagiere mich nicht politisch, ich
engagiere mich menschlich, das ist ein Unterschied. Entweder hat man Verständnis für
Menschen und respektiert Schicksale und
versteht, was sie für eine Geschichte haben,
oder nicht. Das hat für mich in erster Linie
noch nichts mit Politik zu tun. Ich sage nur:
Die Menschen kommen nach Europa, nach
Deutschland, weil sie alles verloren haben,
weil sie vergewaltigt wurden, weil sie ihre
Kinder oder ihre Eltern verloren haben oder
weil sie traumatisiert sind und eine bessere
Zukunft wollen. Das weiß ich so genau, weil
ich gerade im Irak war. Die Leute, die ich dort
gesprochen habe, haben alle gesagt, sie
würden gerne wieder zurück in ihre Heimat,
also in ihr eigenes Zuhause. Erst dann kommen England, Schweden, Deutschland, die
USA, weil es für sie dort sicher ist, wer will
das nicht?
27
*28-29 Geschichte Ausstellung _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:22 Seite 28
GESCHICHTE
Homosexualität
im Auge der
Betrachterin
L-MAG-Autorin Ruth Wolter geht mit
Kuratorin Dorothée Brill auf einen
Rundgang durch die Ausstellung
„Homosexualität_en“, die im Deutschen
Historischen Museum und im Schwulen
Museum* in Berlin zu sehen ist
Im Eingangsbereich des Schwulen Museums* nestelt eine Besucherin
am Vorhang, der in den ersten Ausstellungsraum führt. „Nur zu, keine
Scheu!“, ermutigt sie ein Museumsmitarbeiter, die Schwelle zu überwinden. Hinter dem blick- und lichtdichten Vorhang erwartet sie ein
buntes Spektrum an Videowerken begleitet, von lustvollem Stöhnen.
Auf der einen Seite lutscht der Drag-Performer Mario Montez in Andy
Warhols „Mario Banana“ lasziv an einer Banane, auf der anderen sind
Auszüge aus Werken der Pornoproduzentin Shine Louise Houston zu
sehen. Hochkarätige Namen, aber auch unbekannte Neulinge findet
man in der Ausstellung. Wie kam es genau zu dieser Auswahl und
welche Schwierigkeiten gab es?
Fest steht auf den ersten Blick nur: So gut besucht sieht man das
Schwule Museum* an normalen Ausstellungswerktagen selten, und
offensichtlich sind alle sehr angetan von der seltenen Artenvielfalt im
Museum: Neben Kunstvideos gibt es Interviews auf Ton- und Bildmaterial zu sehen. Klassische Werke, Skulpturen, Zeitungsausschnitte, Fotos, Infotafeln und Installationen sind wild gemischt und
strukturiert zugleich.
Von „M wie Möse“ zu „T wie Tunte“
Im Deutschen Historischen Museum (DHM), wo der andere Teil der
Ausstellung stattfindet, geht es wesentlich gediegener zu: Infotafeln
28
zu politischen Themen, Video-Interviews zum Coming-out-Prozess
und homoerotische Werke aus der malerischen Geschichte der Homosexualität seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind hier zu sehen und
teilweise alphabetisch geordnet nach „M wie Möse“ und „T wie Tunte“.
„Wir haben uns für eine Aufteilung in zehn Kapitel entschieden, bei
denen es zahlreiche Querverbindungen gibt“, so Dorothée Brill, eine
der Kuratorinnen der Ausstellung. Eineinhalb Jahre hat das Ausstellungsteam Birgit Bosold, Detlef Weitz und Dorothée Brill an der
Ausstellung gearbeitet, das Konzept entwickelt, die Werke aus diversen
Museen aus aller Welt nach Berlin geholt und neue Werke produzieren
lassen. Es sei eine „sehr kurze Vorbereitungszeit für so eine große
Ausstellung“, sagt Dorothée Brill, die zuvor hauptsächlich reine
Kunstausstellungen kuratiert hat, was einer anderen Herangehensweise bedarf als die Konzeption einer kulturhistorischen Ausstellung
wie dieser. „Es hat mich sehr gereizt, wie man so einem vielseitigen,
komplexen Themenfeld eine angemessene Form geben kann. Das ist
bei Kunstwerken wesentlich leichter, als bei dieser großen und
disparaten Materiallage“, erklärt Brill.
Vielseitig und dicht, leicht und unterhaltsam – trotzdem blieben ein
paar Wünsche offen: „Gerne hätten wir noch eine Installation von
Monica Bonvicini im Außenraum des Historischen Museums gehabt“,
verrät Brill. Dabei handelt es sich um eine Toilette, die auch als solche
für Museumsbesucher nutzbar ist. „Von außen sieht man
Foto: Heather Cassils and Robin Black
Das Plakatmotiv der Ausstellung zeigt Heather Cassils Werk„Homage to Benglis“
L-MAG
*28-29 Geschichte Ausstellung _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:23 Seite 29
einen Kubus aus Spiegeln, man kann hineingehen und die Toilette benutzen, und auch nur so macht das Werk einen Sinn. Es ist eine
Anspielung auf die Klappe (Anm. der R.: öffentliche Toilette, die
Männer für anonymen Sex nutzen). Das stellt Fragen zu Sichtbarkeit
und Unsichtbarkeit sowie Privatem und Öffentlichem“. Logistisch sei
dies allerdings nicht machbar und finanzierbar gewesen, so Brill, die
Verständnis hat für alle Schwierigkeiten, die vor allem eine Aus-
Von der Freiheit zu lieben,
wen und wie du willst
„Es hat mich sehr gereizt,
wie man so einem vielseitigen,
komplexen Themenfeld eine
angemessene Form geben kann“
stellung zeitgenössischer Kunstwerke mit sich bringt. Stattdessen sind
ein dezenteres Werk der Künstlerin und Arbeiten von anderen Größen
der Kunst zu sehen.
„Ich freue mich besonders, dass wir auch Elaine Sturtevant als eine
der ,Grandes Dames‘ in der Ausstellung haben“, sagt die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin. „Sie ist eine Künstlerin, die in den 60er
Jahren damit bekannt wurde, Kunstwerke von Männern zu kopieren,
von Jasper Johns, Andy Warhol, Marcel Duchamp. Damit hat sie eine
Debatte über Urheberschaft eröffnet und thematisiert gleichzeitig die
eigene Unsichtbarkeit und die der Frauen als Produzentinnen in der
Kunst“, erklärt Brill. Ihr Werk „Untitled (Go Go Dancing Platform)“
nimmt beinahe einen ganzen Ausstellungsraum des Schwulen
Museums* in Anspruch. Hierbei hat sie ein Werk von Félix GonzálezTorres kopiert. Mit etwas Glück kann man auf der Gogo-Plattform
einen Tänzer sehen. Es sei ein emblematisches Werk der Ausstellung,
da es vor allem um Fragen der Geschlechterrollen, der Geschlechterordnungen gehe, so Brill.
Geschlechterordnung in neuem Licht
Die Geschlechterordnung bringt bereits das Ausstellungsplakat ins
Wanken. Heather Cassils „Advertisement: Homage to Benglis“ (2011)
zeigt einen muskulösen, scheinbar männlichen Körper mit Brustansätzen, kurzem Kopfhaar und knallrotem Lippenstift. Das Original
hängt im zweiten Stock des Deutschen Historischen Museums.
Geschichtliche Aspekte, Fragen nach Reaktionen der Gesellschaft auf
das eigene Coming-out und nach der Geschichte der Kriminalisierung
werden unter anderem im DHM beantwortet, während im Schwulen
Museum die Befreiung anscheinend schon stattgefunden hat: Homosexualität für Fortgeschrittene, könnte man meinen. Es geht um
Eigendefinitionen, um Gendertheorien, die in aktuellen Debatten und
in der Szene diskutiert werden, zeitgenössische Kunstwerke
expliziteren Inhalts. Und auch hier kommen Menschen zu Wort, die
gezielt für die Ausstellung interviewt wurden: Zu ihrer Sexualität, zu
Begrifflichkeiten, wie die Gesellschaft auf sie reagiert oder nicht
reagiert hat. So beleuchtet die Ausstellung das komplexe Thema mit
seinem jahrhundertealten geschichtlichen Überbau sowie die vielen
verschiedenen und persönlichen Blickwinkel und ist nicht nur für alle
Menschen „vom Fach“, sondern auch für Außenstehende verständlich,
amüsant, lehrreich und unterhaltsam.
„Homosexualität_en“ bis 1. Dezember 2015 im Schwulen Museum*
und Deutschen Historischen Museum Berlin
www.schwulesmuseum.de
www.dhm.de
L-MAG
Corinna Waffender
Ausgerechnet sie
Roman
216 Seiten
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Eine außergewöhnliche Geschichte –
literarisch, tiefsinnig, einfühlsam.
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Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld fördert
Bildungs- und Forschungsarbeit für mehr lesbische
Sichtbarkeit. Wissen schafft Akzeptanz.
29
*30-31 Geschichte Elberskirchen_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:24 Seite 30
GESCHICHTE
Circa 1905
„Die sexuelle Ausbeutung des Weibes
ist antisozialistisch“
Vor 40 Jahren wurde die Aktivistin Johanna Elberskirchen heimlich bestattet. Da war sie
bereits 30 Jahre tot! Die Politikwissenschaftlerin und Biografin Christiane Leidinger
erinnert an eine leidenschaftliche Kämpferin mit Ecken und Kanten
30
War die Urne nur verbummelt?
Die mysteriöse Urnenstory und die ungewöhnliche Lebensgeschichte
der couragierten Feministin, lesbischen Sozialdemokratin und
umtriebigen Sexualwissenschaftlerin Johanna Elberskirchen haben
einen zentralen Punkt gemeinsam: Nicht alles lässt sich klären. Es
gibt keinen Nachlass und Hildegard Moniac hatte niemandem erzählt,
warum die Urne nicht direkt nach ihrem Tod 1943 bestattet worden
ist. In einem Interview vermutete eine Zeitzeugin, Moniacs wenig
ausgeprägter Sinn für Ordnung könne der Grund gewesen sein, dass
die Urne nicht direkt unter die Erde kam. Es sei aber auch gut
möglich, dass es am Geld gelegen habe. Die finanzielle Situation des
Paares während des Faschismus war nämlich äußerst prekär. Moniac
Foto: Creative Commons
„Die Urne von Frau Elberskirchen liegt im Grab von Frau Moniac.“ Mit
diesem lapidaren Satz überraschte mich eine Zeitzeugin während
meiner Recherchen zu Johanna Elberskirchen. Meinen bereits halb
geschulterten Rucksack setzte ich wieder ab. Wie war die Elberskirchen’sche Urne in das Grab ihrer letzten Lebensgefährtin Hildegard
Moniac hineingekommen? Und warum? Elberskirchen war in den
1940er und Moniac in den 1960er Jahren gestorben. Die Urne war
demnach erst Jahrzehnte nach dem Tod von Johanna Elberskirchen
bestattet worden. Das Wie ist schnell erzählt: Zwei Frauen hatten die
Urne gefunden und Anfang Juni 1975 – also dreißig Jahre später –
heimlich vergraben: Tasche packen, Friedhofsspaziergang, Moniacs
Grab aufbuddeln, Urne rein, Blümchen drauf, Spaten wegpacken –
und sich dabei möglichst nicht erwischen lassen …
L-MAG
*30-31 Geschichte Elberskirchen_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:24 Seite 31
war zwar Lehrerin in Berlin, wurde jedoch
1933 von den Nazis zwangsentlassen, da sie
Mitglied in der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD)
gewesen ist. Fortan half sie ihrer Partnerin,
die als Heilpraktikerin eine mäßig einträgliche
Praxis in Rüdersdorf bei Berlin unterhielt.
Sozialdemokraten schrieb sie schon 1897 ins
Stammbuch: „Die sexuelle Ausbeutung des
Weibes ist genauso antisocialistisch, wie die
ökonomische des Arbeiters.“
Und die bürgerliche Frauenbewegung fordert
sie im Stimmrechtskampf zur Solidarität mit
Arbeiterinnen auf: „Feministisch sein heißt
„Die Kritik, die im Namen der Wissenschaft am
Feminismus verbrochen wird, hat oft mit
Wissenschaft wenig zu tun“
Die beiden Frauen lebten notgedrungen
zurückgezogen im Privaten: Sie waren ortsbekannt lesbisch und beide bis zum Verbot in
sozialdemokratischen Parteien aktiv. Ein Buch
von Johanna Elberskirchen zu Homosexualität
von 1904 stand zudem 1938 auf dem NaziIndex. Einen Antrag an die Reichsschrifttumskammer (RSK), um während des Nationalsozialismus schreiben zu dürfen, hat sie
nie gestellt. Sie wird krank und körperlich
immer schwächer. Am 17. Mai 1943 stirbt sie
im Alter von 79 Jahren nach einem atemlosen,
hürdenreichen und erfüllten Leben.
Frühe Feministin und Querdenkerin
Johanna Carolina Elberskirchen wird am 11.
April 1864 in Bonn geboren. Sie wächst mit
vier Geschwistern auf, ein älterer Bruder,
drei jüngere Schwestern. Ihre Eltern betreiben
eine Obst- und Gemüsehandlung in der
Innenstadt. Trotz Bildungsbenachteiligung
und Geschlecht schafft sie es, ihre Wünsche
durchzusetzen: Bonner Höhere Töchterschule, Lohnarbeit als Kassiererin in Rinteln,
sogar ein Studium in der Schweiz: Medizin,
später Jura. Sie schließt jedoch nicht ab.
Der Wissensdurst bringt ihr in ihrer Familie
den Spitznamen „Hannes“ ein. Ihr Pseudonym „Hans Carolan“ legt sie rasch ab und
publiziert unter ihrem tatsächlichen Namen.
Verstecken, sich zurückhalten oder wegducken war nicht ihre Sache. Egal wer das
Gegenüber war: Ob feministische Schwestern,
Genossen oder universitäre Autoritäten: „Ich
hätte auch schreiben können, Feminismus
und Schwachsinn, denn die Kritik, die im
Namen der Wissenschaft am Feminismus
verbrochen wird, hat oft mit Wissenschaft
wenig zu tun.“ So steht es zu Beginn eines
Büchleins, in dem sie 1903 mit sexistischer
Forschung wie die des Neurologen Paul Julius
Möbius abrechnet; sie publiziert eine Replik
zu seinem Werk „Über den physiologischen
Schwachsinn des Weibes“. Den Schweizer
L-MAG
keineswegs un à tout prix ein Recht für eine
kleine Anzahl Frauen auf Kosten der anderen
Frauen ergattern zu wollen.“ 1913 gaben sich
in der hitzigen Debatte um das Dreiklassenwahlrecht die meisten bürgerlichen Feministinnen schon mit einem Stimmrecht nur für
bürgerliche und adelige Damen zufrieden;
Befürworterinnen des demokratischen Wahlrechts für alle waren in der Defensive.
Eine, die überall aneckte
Johanna Elberskirchen engagiert sich grenzüberwindend in der Arbeiterbewegung, der
Frauenbewegung, der Homosexuellenbewegung sowie in der Lebens- und der
Sexual-Reformbewegung. Dabei sind ihre
querdenkerischen Positionen nicht gerade
eine Steilvorlage, um auf der Beliebtheitsskala der Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen im frühen 20. Jahrhundert
ganz oben zu rangieren. Dass sie mit lässiger
Nonchalance offen lesbisch ist, hilft dabei
auch nicht wirklich weiter: „Sind wir Frauen
der Emanzipation homosexual – nun dann
lasse man uns doch! Dann sind wir es doch
mit gutem Recht“, schreibt Elberskirchen
1904. Sie eckt an: Als Linke und offen Homosexuelle im radikalen Flügel der Frauenbewegung, als lesbische und radikale Feministin in der Arbeiterbewegung und in der
Homosexuellenbewegung, als Nicht-Ärztin
unter Sexualwissenschaftlern. Den einen
viel zu bürgerlich, den anderen zu wenig.
Und zu radikal, zu feministisch, zu angriffslustig.1898 fliegt sie aus dem Allgemeinen
Österreichischen Frauenverein, wahrscheinlich wegen ihrer Position zu Vergewaltigern –
der „Mannbestie“ – die ihr als männerfeindlich angelastet worden sein dürfte. Aus der
Bonner Sozialdemokratie wird sie 1913 ebenfalls ausgeschlossen, wobei sie das nicht abhält, wenige Jahre später in Rüdersdorf bei
Berlin wieder einzutreten. Grund für den
Rauswurf ist ihr zeitgleiches feministisches
Engagement für das demokratische Wahlrecht.
Sie finanziert sich mit Schreiben, hält Vorräge.
Ihr Stil ist temperamentvoll, frech, ironisch,
bissig, polemisch, provokativ, mitunter
selbstgerecht und unerträglich pathetisch.
Politische Missgriffe
Viele der Themen, denen sich Johanna
Elberskirchen widmete, sind für eine Frauenrechtlerin ihrer Zeit klassisch: Bildung und
Lohnarbeit von Frauen, Sozialisation,
Sexualität. Gleichzeitig ist vieles in ihrem
Werk zeitlos und modern: ob es um AlibiFrauen geht, um vorgeschobene Qualifikationsargumente, Verharmlosung von
Gewalt, Machtfragen, soziale Gerechtigkeit,
Freiheit oder Menschenrechte. Herausragend
ist ihr Engagement vor allem, wenn sie Tabus
bricht, etwa mit ihrer frühen Kritik an
Männergewalt oder durch ihre Auseinandersetzung mit weiblicher und männlicher
Homosexualität.
Dabei zeigen sich an ihren sexualreformerischen Arbeiten am deutlichsten die
Bruchstellen und Widersprüche auch ihres
emanzipatorischen politischen Lebens –
insbesondere da sie seit der Jahrhundertwende beliebte „eugenische“, „rassenhygienische“ Behauptungen und Argumente
aufgreift und selbst zu deren Weiterverbreitung beiträgt. Das heißt, sie teilte die
Idee, es sei notwendig, sogenannte hochwertige Kinder hervorzubringen. Hier
schwimmt sie nicht – wie so oft – gegen den
Strom, sondern mit dem Zeitgeist. Auch das
war eine Entscheidung. Ausgewiesen
rassistische und antisemitische Überlegungen
formulierte sie nicht. Dennoch sucht man eine
klare Stellungnahme dazu beziehungsweise
dagegen in ihrem Werk vergeblich.
Das besondere Doppelgrab von Moniac und
Elberskirchen steht seit 2002 unter dem
Schutz der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin.
Auch in Bonn erinnert seit 2005 eine
Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an die
unbeugsame wie streitbare Aktivistin und
Publizistin Johanna Elberskirchen.
//Christiane Leidinger
Ausflugstipps und weitere Informationen:
www.lesbengeschichte.org
Zum Weiterlesen:
Christiane Leidinger:
„Keine Tochter aus
gutem Hause
Johanna Elberskirchen
(1864-1943)“
UVK, 2008,
480 Seiten,
9,99 Euro
31
*32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 32
TITELTHEMA FILM
MEHR LESBEN AUF DIE
LEINWAND!
Es begann mit der schönsten Frau der Welt: Niemand Geringeres als
Louise Brooks, die damals als Schönste ihres Geschlechts galt. In „Die
Büchse der Pandora“ hatte sie den ersten Filmflirt mit der allerersten
Lesbe der Filmgeschichte. Das war 1929 in Deutschland. Seitdem hat
sich viel getan – und doch vieles nicht. Lesbische Figuren und die Realität
lesbischer Frauen sind im Kino mehr als unterrepräsentiert. Frauen im
Filmbusiness sind auf die Rolle des heterosexuellen Sexsymbols ohne
wichtige Dialoge programmiert. Am finanziellen Erfolg von Filmen sind
Frauen genauso wenig beteiligt, wie generell an deren Inszenierung.
Gerade einmal 15 Prozent der in Deutschland produzierten Filme haben
durch die Beteiligung von Frauen auch eine weibliche Perspektive – von
einer lesbischen ganz zu schweigen.
Dass sich Film-Superstars trotzdem über Stereotypen hinwegsetzen
können, zeigt eine der zehn best-bezahlten Hollywood-Schauspielerinnen
und „Twilight“-Hauptdarstellerin Kristen Stewart. Dem Teenie-Vampirfilm, und damit auch dem grauenvollen Robert Pattinson entwachsen,
zeigt sie sich neuerdings in legerer Pose, mit androgynem Look und:
einer Geliebten!
Noch radikaler und für manche fast unerträglich offen lesbisch kommt
unser Cover-Model, Schauspielerin, Fotomodel und DJ Ruby Rose daher
(Foto). Sie zeigt, alles ist möglich: Offenheit, Souveränität, Spaß am
Lesbischsein und Erfolg in der Filmwelt. Kein Kunststück, werden viele
sagen, so fantastisch wie sie aussieht. Doch mit ihren kurzen Haaren und
den 60 Tattoos kam sie nicht immer gut an. Dies hat sich seit ihrem
Durchbruch mit der Serie „Orange Is the New Black“ allerdings geändert,
wie sie L-MAG verrät.
Nun laden wir ein, zu großem Kino mit unseren liebsten Filmen, liebsten
Stars, mit entschlossenen Filmemacherinnen, liebevoll gemachten
Festivals und ein bisschen schlechtem Trash-Filmgeschmack als
Popcorn-Tüte am Schluss. Film ab!
32
L-MAG
*32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 33
L-MAG
33
*32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:15 Seite 34
TITELTHEMA FILM
TRENDSETTERIN
Ruby Rose in ihrer Rolle als Stella in der dritten Staffel
der Serie„Orange Is the New Black“
Anfang Juni beim lesbischen „Ola Girls“-Festival im spanischen Calpe: Am Strand taucht
überraschend Gaststar Ruby Rose auf und ist
schnell von zwei Dutzend neugierigen Lesben
umringt. Freundlich posiert sie für Fotos,
plaudert hier und da – ein Promi zum Anfassen. Aber noch sorgt die Frauen-Sambagruppe, die mittlerweile angetrommelt gekommen ist, für die größere Aufmerksamkeit
beim lesbischen und heterosexuellen StrandPublikum. Das könnte ihr letzter Auftritt in relativer Ruhe sein, vemute ich im Gespräch mit
ihr, denn der Start der neuen Staffel von „Orange Is the New Black“ steht kurz bevor, und darin spielt Rose ihre erste größere Rolle. „Dann
werden zwar mehr Leute wissen, wer ich bin“,
winkt sie ab, „aber ich denke, mein Leben in
L.A. wird so ziemlich dasselbe sein.“
Die neue Shane
Eine Woche später: Die Netflix-Serie steht online und die Welt steht Kopf für Ruby. Lesben
haben ihre neue „Shane“, Heteras ihre neue
Angelina Jolie – sprich: die Frau, für die sie
schwach werden würden. Mode-Magazine erklären den „Ruby Rose-Haarschnitt“ zum neuen Trend. „Mein Leben hat sich dramatisch geändert“, sagt die 29-Jährige in einem der vielen
TV-Interviews, die sie nun gibt. Jeden Tag trifft
sie sich mit Filmstudios, sie ist für eine Rolle in
der Action-Filmreihe „Fast & Furious“ im Gespräch, und die Produktionsfirma der queeren
Erfolgsserie„Lost Girl“ plant ein Projekt mit ihr.
34
Rubys Zurückhaltung im Vorfeld wundert
nicht, liegt doch eine zwei Jahre lange Durststrecke hinter ihr. Als sie 2013 von Sydney nach
Los Angeles zog, um ihre Karriere als Schauspielerin zu starten (ihr bis dahin einziger KinoAuftritt war eine Sexszene mit Christina Ricci in
dem australischen Film „Around the Block“),
wartete dort niemand auf sie. „Ich fand keinen
Agenten, keinen Manager und bekam keine
Rollenangebote, nicht mal für einen Studentenfilm”, sagte sie in der TV-Sendung „Today“ –
hart für die erfolgsverwöhnte Australierin, die
in ihrer Heimat bereits ein Star ist, seit sie mit
16 als Model entdeckt wurde und sich ein
zweites und drittes Standbein als MTV-Moderatorin und DJ zulegte.
Androgyner Look, zu kurze Haare, 60 Tattoos –
Ruby Rose kannte all die Einwände schon aus
ihrer Model-Zeit und verarbeitete das Thema
in dem Kurzfilm „Break Free“, in dem sie sich
von einer glatten, femininen Langhaar-Tussi in
eine maskuline Version ihrer selbst verwandelt.
Erst als der Clip im Juli 2014 zum viralen Hit
wurde – inzwischen wurde er fast zehn Millionen Mal angeklickt – wurde auch Hollywood
auf sie aufmerksam, und die Casting-Agentin
von„Orange Is the New Black“ rief an.
Deutsch: „Ja, ich bin Deutsche und heiße mit
Nachnamen Langenheim“, und fügt mit perfekt bayerisch gerolltem„R“ hinzu, dass sie eine
Weile in Bayreuth („Ich war dort sechs Monate
auf dem Gymnasium“) und Berlin lebte. Sie
hatte keine schöne Kindheit: sexueller Missbrauch, Flucht vor ihrem gewalttätigen Vater,
Armut, Mobbing in der Highschool und ein bis
heute dauernder Kampf gegen Depressionen.
Darüber redet sie heute in Interviews ebenso
unbefangen wie über ihre sexuelle Orientierung. Tatsächlich gibt es nur wenige Promis,
die so selbstverständlich mit ihrem Lesbischsein umgehen wie sie. „Ich bin nicht bisexuell,
ich bin eine Lesbe“, betonte Ruby Rose, die mit
zwölf ihr Coming-out hatte, schon im ersten
Jahr ihrer MTV-Karriere in einem Fan-Chat, und
lebte auch fast alle ihrer Beziehungen, meistens mit Frauen aus der Modebranche, öffentlich. Mit dem australischen Topmodel Catherine McNeil war sie verlobt, mit Modedesignerin
Phoebe Dahl, Enkelin des Schriftstellers Roald
Dahl, meint sie’s jetzt offenbar wirklich ernst.
Das Paar, seit Anfang 2014 zusammen, startete
zusammen das gender-neutrale Modelabel
Scallywags, Hochzeit und Familiengründung
sind bereits in Planung.
Das Beste beider Geschlechter
„Alle Lesben in L.A. kennen sich“
Die Rolle als sexy Stella in der erfolgreichen
Frauenknastserie scheint ihr auf den Leib geschrieben: Auf die Frage von Piper – ihr Flirt in
der Serie – ob sie sich etwa nicht als Frau definiere sagt sie: „Doch, aber nur, weil meine Auswahl begrenzt ist.“ Auch Ruby selbst bezeichnet sich als „gender fluid“: „Ich bin kein Mann
und fühle mich nicht richtig als Frau“, sagte sie
im Elle-Interview. „Ich bin irgendwo in der Mitte, was für mich bedeutet, das Beste beider Geschlechter zu haben.“ Als Kind wollte sie ein
Junge sein und sparte sogar auf eine angleichende Operation. Erst mit 15 wurde ihr klar,
dass sie nicht trans ist, sondern sich „nur wohler in meiner eigenen Haut fühlen wollte.“
Bis dahin genießt Ruby aber noch das queere
Partyleben in L.A. Sie ist mit Sia, Kate Moennig,
Leisha Hailey und Camila Grey von Uh Huh Her
befreundet, legt auf Greys Lesbenparty „LUC“
auf und lernt mit Ellen Page Texte. „Ja, alle Lesben in L.A. kennen sich“, bestätigt sie lachend
meinen Verdacht. „Als ich hierherkam, kannte
ich niemanden, und jetzt kenne ich alle. Es ist
echt schön, so einen netten Haufen um sich zu
haben.“
Ob Ruby Rose auch in der vierten Staffel von
„Orange Is the New Black“ dabei sein wird, ist
noch nicht bekannt, aber wiedersehen werden
wir sie auf jeden Fall. Dafür nimmt sie dann
auch in Kauf, als „lesbische Schauspielerin“ gelabelt zu werden: „Wenn das bedeutet, dass die
nächste Generation ihre Sexualität nicht mehr
als Teil ihrer Jobbeschreibung aufgedrückt
bekommt, bin ich damit zufrieden.“
// Karin Schupp
Zwischen Bayern und Berlin
Die in Melbourne geborene Tochter einer
deutschen Auswandererin erzählt mir auf
Fotos: Mathieu Young/Netflix(S.33),Netflix, David Higgs, Laia Ventayol
Ruby Rose ist Topmodel, DJ und neuer Star der Serie„Orange Is the New Black“.
Mit zahlreichen Tätowierungen und androgynem Look erobert sie nun
den lesbischen Hollywood-Himmel
L-MAG
*32-35 TT Aufmacher Ruby Rose_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:25 Seite 35
L-MAG trifft Ruby Rose: Redakteurin Karin Schupp im Gespräch mit der Schauspielerin
am Strand in Spanien während des„OLA Girls“-Festivals
L-MAG
35
*36-37 TT Lieblingscharaktere_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:26 Seite 36
TITELTHEMA FILM
§
CORKY, LISBETH, PUSSY –
WIR LIEBEN EUCH!
Ein bisschen Schmacht und Heldinnenverehrung muss erlaubt sein:
Die zehn L-MAG-Lieblingsfilmcharaktere
Corky (Gina Gershon, Bild 4)
in „Bound – Gefesselt“
USA, 1996, Regie: The Wachowskis
Tanktop, Doppelaxt-Tattoo, lässige Coolness:
Die Wachowski-Geschwister waren die Ersten,
die einem Mainstream-Publikum zeigten, wie
sexy Butches sein können. Ex-Knacki Corky,
anfangs ein wenig schwer von Begriff (Corky:
„Was tust du da?“ – Violet: „Ich versuche, dich
zu verführen.“ – Corky: „Warum?“), lernt schnell
und kriegt am Ende nicht nur die MafiaMillionen, sondern auch die Frau (Jennifer Tilly).
Manuela von Meinhardis
(Hertha Thiele/Romy Schneider, Bild 5)
in „Mädchen in Uniform“
D, 1931 (Regie: Leontine Sagan) und 1958
(Géza von Radványi)
Die schmachtende Internatsschülerin Manuela
ist die Mutter aller verzweifelt verliebten Junglesben! In der Originalfassung wird sie immerhin von Fräulein von Bernburg zurückgeküsst,
während sich Romy Schneider 1958 mit einem
Kuss auf die Stirn begnügen muss. Manuela
gab’s übrigens wirklich: sie war mit der
lesbischen Autorin Christa Winsloe befreundet,
die die Bühnenvorlage schrieb.
36
Pussy Galore (Honor Blackman, Bild 1)
in „James Bond 007 – Goldfinger”
GB, 1964, Regie: Guy Hamilton
Eine Pilotin, die nur Frauen in ihrem „Flying
Circus“ beschäftigt, immun gegenüber James
Bonds billigem Geflirte ist und ihm im Zweikampf Paroli bietet: Angesichts des Jahrzehnts
ignorieren wir gnädig, dass sie Bond am Ende
doch verfällt und – anders als im Roman –
nicht eindeutig lesbisch ist. Extrapunkte für
den Namen, den Honor Blackman seinerzeit in
Interviews mit viel Spaß und so oft es ging
wiederholte.
Laure/Mikäel (Zoé Héran)
in „Tomboy“
F, 2011, Regie: Céline Sciamma
Laure ist mit 10 Jahren noch zu jung, um sich
als queer, butch, lesbisch oder trans* zu
definieren, weiß aber dennoch genau, was sie
will: Badehose statt Bikini tragen, als Mikäel
akzeptiert und von Lisa gemocht werden. Und
alle, die am Ende nicht Laures/Mikäels
verständnislose Eltern anbrüllen wollen, müssten ihr restliches Leben im rosa Rüschenkleid
durch die Welt gehen.
L-MAG
*36-37 TT Lieblingscharaktere_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:26 Seite 37
1
3
2
4
Miriam Blaylock (Catherine Deneuve)
in „Begierde“/ „The Hunger“
GB, 1983, Regie: Tony Scott
Catherine Deneuve als tausend Jahre alte, sexy
Vampirin kriegt Dr. Sarah Roberts (Susan
Sarandon) mit einer Piano-Ballade ins Bett:
Mehr muss man sich von diesem Vampire-mitSchulterpolstern-Film im Achtziger-Stil nicht
ansehen. Er geht sowieso nicht gut aus: Mit
einer Frau Schluss zu machen, kann ja schon
schwer genug sein – eine Unsterbliche wie
Miriam muss man da schon lebendig begraben.
Megan (Natasha Lyonne)
in „Weil ich ein Mädchen bin“/
„But I’m a Cheerleader“
USA, 1999, Regie: Jamie Babbit
Auch eine biedere Unschuld vom Lande kann
zur lesbischen Heldin werden, wenn sie – ausgerechnet – im homophoben Umerziehungscamp ihr Coming-out erlebt, sich in eine
Leidensgenossin (Clea DuVall) verliebt und sie
am Ende aus dieser rosa Prinzessinnenhölle
befreit. Und was aus Megan, Lyonnes erster
Lesbenrolle, geworden ist, wissen wir alle: sie
heißt jetzt „Nicky“ und sitzt im „Orange Is the
New Black“-Knast.
L-MAG
5
Lisbeth Salander (Noomi Rapace, Bild 2)
in „Millennium-Trilogie“
SE, 2009–2010, Regie: Niels Arden Oplev,
Daniel Alfredson
Bis heute ist Lisbeth Salander die einzige
Action-Heldin mit eigener Filmreihe und
zugleich eine Hauptfigur, die nicht entworfen
wurde, um Männern zu gefallen: Eine hochintelligente, punkige Hackerin, die Sex hat, mit
wem sie will, und Männergewalt gnadenlos
rächt. Ob die nicht minder kompromisslose
US-Version (2011) mit Rooney Mara deswegen
nie über den ersten Teil hinaus kam?
Idgie (Mary Stuart Masterson)
in „Grüne Tomaten”/ „Fried Green Tomatoes (at the Whistle Stop Cafe)“
USA, 1991, Regie: Jon Avnet
Sie ist unabhängig und selbstbewusst, holt für
Ruth (Mary-Louise Parker) Honig aus dem
Bienenstock, gründet mit ihr eine Regenbogenfamilie und, nun ja, statt Sex gibt‘s eine Essensschlacht. Schlichtweg albern war der Versuch, aus
den beiden beste Freundinnen zu machen: sie
sind eindeutig ein Paar, auch dank der Hauptdarstellerinnen, die erfolglos gegen die Heterosexualisierung der Romanvorlage protestiert hatten.
Fariba (Jasmin Tabatabai, Bild 3)
in „Fremde Haut“
D, 2005, Regie: Angelina Maccarone
Weder Dragking noch Trans* – Fariba, im Iran
als Lesbe verfolgt, gibt sich in Deutschland als
Mann aus, um ihrer Abschiebung zu entgehen – letztlich ohne Erfolg. Dabei sind wir
uns doch wohl einig: Wer es in der schwäbischen
Provinz und mit einem Job in der Sauerkrautfabrik aushält, hätte das Bleiberecht und das
Happy End mit Anne (Anneke-Kim Sarnau)
ohne Wenn und Aber verdient gehabt!
Susie der Bär (Nastassja Kinski)
in „Hotel New Hampshire“
USA, 1984, Regie: Tony Richardson
Jenseits jeglicher Lesbenklischees: die Lesbe
im Bärenkostüm in John Irvings skurriler
Familien-Saga wird von Nastassja Kinski gespielt, der Angelina Jolie der 1980er-Jahre, und
ist – wer könnte das nicht nachvollziehen! –
unglücklich in Jodie Foster verliebt. Plus: Mit
ihr hat Jodie Foster ihre einzige (wenn auch
nur kurze) lesbische Liebesszene ihrer KinoKarriere.
// Zusammenstellung: Karin Schupp
37
*38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 38
TITELTHEMA FILM
„Natürlich fühle ich mich manchmal wie die eine Person,
die schnurstracks ins Scheinwerferlicht rennt,
während alle anderen sich im Dunkeln küssen“
Die US-Amerikanerin B. Ruby Rich ist ein Allroundtalent. Filmkritikerin, Filmwissenschaftlerin
und Herausgeberin der Zeitschrift Film Quarterly sowie Professorin für Film, Digitale
Medien und Soziale Dokumentation an der Universität von Kalifornien, Santa Cruz. 1992
moderierte B. Ruby Rich eine historische Podiumsdiskussion beim „Sundance“ Filmfestival.
Sie stellte dort eine Gruppe von schwulen und lesbischen Filmemacherinnen und Filmemachern vor, die LGBT-Inhalte in den Mittelpunkt ihrer Geschichten rückten und damit ein
neues Selbstverständnis für queere Lebensumstände fern von normativen Geschlechterrollen schufen. B. Ruby Rich gab der Bewegung den Namen „New Queer Cinema“. 1998
erschien ihr erstes Buch „Chick Flicks: Theories and Memories of the Feminist Film
Movement“, 2013„New Queer Cinema: The Director's Cut.“ B. Ruby Rich lebt in San Francisco.
38
L-MAG
*38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 12:24 Seite 39
VON NEW QUEER CINEMA
IN DEN MAINSTREAM
Filmexpertin, Kritikerin und Professorin B. Ruby Rich über die Anfänge des
lesbisch-schwulen Kinos und die Zukunft für Lesben auf der Leinwand
Foto: Peelen
Wer hat’s erfunden? Die Filmtheoretikerin B. Ruby Rich aus San
Francisco! Sie prägte den Begriff des „New Queer Cinema“ und diese
neue Strömung im Kino im Rahmen eines legendären Events beim
US-amerikanischen „Sundance“-Filmfestival im Jahre 1992. Mitte der
90er Jahre griffen viele lesbische und schwule Filmemacherinnen und
-macher zur Kamera, um ihre eigene Lebenswelt in Szene zu setzen
und lesbische und schwule sowie trans- und bisexuelle Charaktere
endlich angemessen und glaubhaft auf der Kinoleinwand repräsentiert zu sehen. Leute wie Rose Troche, Cheryl Dunye, Monika Treut,
Gus Van Sant, Pedro Almodóvar und andere ebneten den Weg für diese neue Welle des selbstbewussten, authentischen lesbischen und
schwulen Kinogenres. Ohne das „New Queer Cinema“ gäbe es die
vielen „Feel-Good-Hollywood-Komödien“ um lebenslustige Lesben
und Schwule heute wohl kaum – selbst Serien wie „The L Word“ oder
„Orange Is the New Black“ wären letztlich ohne die Pionierinnen der
90er Jahre nicht denkbar, und nicht ohne ihre stärkste und klügste
Stimme: B. Ruby Rich.
Im Mai war die Filmxpertin zu Gast in Zürich beim „Pink Apple“-Filmfestival. L-MAG-Autorin Sarah Stutte traf sie vor Ort und plauderte mit
ihr über alte und neue Filmgeschichten.
L-MAG: Gab es einen bestimmten Ausschlag, dich für Filme zu interessieren oder war es ein fließender Prozess?
B. Ruby Rich: Bei mir fing die Faszination für Filme im College an. Sie entstand aus einer Ablehnung von Literatur. Ich mochte ursprünglich Gedichte und nordische Sagen. Dann krachte irgendwann die ganze Poesie
über mir zusammen und ich sträubte mich dagegen. So begann ich,
mich in der studentischen Filmgesellschaft zu engagieren, gründete später einen eigenen Filmverein und noch später half ich in Chicago mit, ein
Frauenfilmfestival zu organisieren. Zu Beginn der 70er Jahre gab es Filme, zum Beispiel von Rainer Werner Fassbinder, Derek Jarman und
L-MAG
Ulrike Ottinger, die einen queer Aspekt beinhalteten, aber das wurde
nicht spezifiziert. Ende der 70er hatte ich mein Coming-out, verliebte
mich in eine Frau und begann, mich eingehender mit dieser Thematik zu
befassen. Der erste Film, über den ich schrieb, war„Mädchen in Uniform“.
Ich grub alles aus, was ich darüber und über das lesbische Leben zu dieser Zeit finden konnte. Wir wussten damals nicht viel. Film war ein Mittel,
die Jahre der langsamen Forschung zu überbrücken. Es war aufregend,
flüchtige Einblicke in eine andere Zeit zu bekommen. Film wurde für
mich eine künstlerische Ausdrucksform, aber auch ein sozialer,
politischer Zugang. Für mich besteht die Kombination bis heute. Ich
analysiere Filme als Schülerin, Kritikerin, Journalistin und jetzt
Professorin. Doch gleichzeitig achte ich immer auf die Überschneidungen –
wie der Film beim Publikum ankommt, unter welchen Umständen er
Erfolg hat oder nicht. Darin liegt für mich die Energie, und das ist der
Grund, warum mein Interesse an diesem Medium über eine so lange
Zeit bestehen konnte.
Kannst du denn Filme noch rein zum Vergnügen schauen oder hast
du diese analysierende Sichtweise immer im Kopf, wenn du ins Kino
gehst?
Ich kann manche Filme als Privatperson schauen, aber nicht alle, und
manchmal gerate ich in lange Diskussionen. Ich habe beispielsweise lange
über „Blau ist eine warme Farbe“ diskutiert, den ich liebe und gegen die
lesbische Community verteidige, die ihn hasst. Manchmal leitet mich
meine Fachkenntnis in eine andere Richtung als die, die ich selbst erwarte.
Wir alle haben einen unterschiedlichen Geschmack und orientieren uns
hinsichtlich der Bedeutung, die Filme für uns haben, an unserem
eigenen Leben, Erfahrungen, Vorlieben … seitens der Kunstform aber
auch an Informationen, die uns zur Verfügung stehen und an den Vorurteilen in uns. Natürlich fühle ich mich manchmal wie die eine Person,
die schnurstracks ins Scheinwerferlicht rennt, während alle anderen sich
im Dunkeln küssen.
39
*38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 40
TITELTHEMA FILM
Radha Mitchell als Syd in„High Art“(1998)
Ich habe meinen eigenen Koffer an Wahrnehmungen, Fachkenntnis, Analysen und Ansichten und den lasse ich mir nicht nehmen.
Was war das für ein Gefühl, an etwas Neuem
maßgeblich beteiligt zu sein und 1992 den
Begriff des „New Queer Cinema“ zu kreieren?
Absolut aufregend. Für mich kam es nicht aus
dem Nichts heraus, ich beobachtete die Entwicklung. Die ersten Schritte in diese Richtung
waren Kurzfilme von Isaac Julien oder Marlon
Riggs, vieles war Videomaterial. Als es 1991
anfing, mit „Poison“ und „Paris is Burning“ beim
„Sundance“-Filmfestival zu explodieren, wollte
ich den Moment festhalten. Im September
1991 sprach ich im Rahmen des Filmfestivals in
Toronto auf dem Gehweg mit den Leuten von
„Sundance“. Wir wollten den historischen
Augenblick nicht verpassen und wollten auch
nicht, dass das Publikum ihn verpasst. Also
planten wir auf diesem Bürgersteig in Toronto
das Forum in „Sundance“. Der Grund, warum
daraus eine Bewegung entstand, war, dass die
Menschen sie brauchten. Sie brauchten einen
Slogan, der half, Vertriebspartner und Publikum zu finden.
Was zeichnete diese Filme aus, was machte
sie neu und anders?
Es gab gewisse Vorboten wie Gus Van Sants
ersten Film „Mala Noche“, Lizzie Bordens „Born
in Flames“, „She Must Be Seeing Things“ von
Sheila McLaughlin und „Abschiedsblicke“ von
Bill Sherwood. Alles Spielfilme, die eine neue
Idee rund um lesbischschwule Kultur verkörperten. Sie waren sehr ästhetisch und
deckten sich nicht mit der normativen Bildsprache. Stattdessen wurde versucht, Außenseiter-Identitäten und -Inhalte zusammenzufügen. Für mich waren diese Filme vor allem
40
eine Reaktion auf Aids und Aids-Organisationen
wie Queer Nation. Man wollte ein Signal setzen
und brachte die Energie von der Straße auf die
Leinwand. Dazu holte man nicht erst die
Genehmigung eines imaginären Heteropublikums ein, das die Filme sowieso nicht gesehen
hätte. Sie wurden für die Community gemacht.
Die Filmemacher wollten die Stimmen nach
außen tragen, von denen sie das Gefühl
hatten, sie würden unterdrückt.
Nicht nur die Folgen und der Umgang mit
Aids wurden im „New Queer Cinema“
thematisiert, sondern auch die repressive
Politik der 80er Jahre die geprägt von
Politikgrößen wie Thatcher und Reagan
waren. Die Wut der Jugend darauf schien ein
guter Boden für Kreativität zu sein.
Absolut. In der schwulen „Bonnie und Clyde“Version „The Living End“ von Gregg Araki sieht
man diese Wut beispielsweise sehr gut, auch
über eine Nation, von der sie sich im Stich
gelassen fühlten. In den späten 80ern und
frühen 90ern standen alle unter Schock wegen
ihr Halt gibt. Auch die Entwicklung der Camcorder und die billige Herstellungsmöglichkeit
der Filme trug dazu bei. Es war ein großartiger
Moment. Die Leute kamen von den Kunsthochschulen, kauften sich Camcorder und experimentierten. Die Kombination aus neuer
Technologie und Krisen schuf die Basis für eine
frischere Herangehensweise.
Die Geschichten wurden auch aus der Nische
in den Mainstream geholt und ganz selbstverständlich in Porträts einer Generation miteinbezogen. Schuf dieses Selbstverständnis
auch ein neues Selbstbild und Selbstbewusstsein?
Teilweise. Für manche Lesben und Schwule
war es eine tolle Chance zusammenzuarbeiten
und aus der dunklen Ecke herauszukommen.
Andere fanden es nicht so großartig. Es gab
viele Schwule, die keine Frauen in ihrer Nähe
haben wollten, und es gab auch viele Lesben,
die dachten, dass das Lesbischsein nun verschwindet, weil man in der heterogenen Masse
untergeht. Es war ein großes Durcheinander,
„Man holte nicht erst die Genehmigung eines
imaginären Heteropublikums ein“
der Aids-Epidemie. Die Infizierten starben
schneller als in den Anfangsjahren. Dies aufgrund des Medikaments AZT, das anfangs in zu
hohen Dosierungen eingesetzt wurde. Man
wollte rauskommen aus dieser Phase des
Schocks, des täglichen Kampfes ums Überleben und den ständigen Beerdigungen, auf
denen man war. Man wollte eine Kultur
erschaffen, die die Community unterstützt und
alle waren verwirrt. In den 80ern stritt man
noch über Bisexualität. Die Trans-Bewegung
war gerade erst mit ein paar Einzelkämpfern
gestartet und die Gewichtung lag klar auf der
Sexualität, nicht auf Gender. Doch vor allem
junge Lesben zog es direkt in die Aids-Organisationen, Krankenhäuser und Pflegeheime, um
ihre schwulen Freunde zu unterstützen. Das
kann man gut in Dokumentationen sehen wie
„Paris is Burning“ von 1990
L-MAG
*38-41 TT Film Ruby Rich_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:28 Seite 41
„How to Survive a Plague“ oder „United in Anger“ (beide 2012 von der
Aids-Aktivisten-Vereinigung Act Up realisiert, Anm. der Red.).
Gab es weitere wesentliche Faktoren, die der Entwicklung des „New
Queer Cinema“ den Weg ebneten?
Sehr viel kam aus Europa und aus verschiedenen Richtungen. Als
Rose Troche 1994 „Go Fish“ machte, war sie dabei sehr von frühen
amerikanischen Avantgarde-Filmen beeinflusst, mehr als von irgendeinem lesbischen Film. Als Lisa Cholodenko ein paar Jahre später „High
Art“ (1998) realisierte, sah man ihre Einflüsse aus der Fotografie: Nan
Goldin, David Wojnarowicz und Peter Hujar. Auch die Drogen-Subszene
im lesbischen Künstlermillieu der Großstädte fand sie faszinierend. Sie
kam von der Columbia Universität in New York und wurde dort von
Miloš Forman und James Schamus unterrichtet. Sie hatte also diesen
klassischen Drehbuch-Einfluss, der für sie sehr wichtig war. Auf der
anderen Seite hatte jemand wie Cheryl Dunye für „The Watermelon
Woman“ (1996) nichts, an dem sie sich orientieren konnte. Es gab bis
dahin kein schwarzes lesbisches Kino. Also schuf sie sich selbst das Vorbild, das sie sich wünschte und stellte ihre eigene Geschichte ins
Zentrum. Auch die Queer-Filmfestivals waren sehr wichtig in den
90ern. Dort wurden nicht nur aktuelle Sachen gezeigt, sondern auch
europäische und US-amerikanische Kleinode, die irgendwo in Archiven
verstaubten und von Filmstudenten ausgegraben wurden.
Damals hatten LGBT-Filme einen ganz anderen Stellenwert als heute.
Das Internet war noch nicht so weit und man musste wirklich auf die
Festivals gehen, um sie sehen zu können. Wo ist dieses Gemeinschaftsgefühl von früher hin?
Wenn ich das nur wüsste. Ich finde es traurig und es ist für mich schwer,
nicht in Nostalgie zu verfallen. Früher stand man für die Festivals an,
traf Freunde oder seine nächste große Liebe und es gab viele Partys
rundherum. Es war nicht nur ein Filmfestival, es war ein ganz spezieller
Kosmos, der sehr wichtig wurde. Als die Festivals wuchsen, fingen die
Filmemacher an, extra Filme dafür zu produzieren. Weil sie eine Plattform sahen, wo ihre Arbeiten gezeigt werden konnten. Sie trafen sich
dort und knüpften Kontakte. Viele Filme wären vermutlich nie realisiert
worden, wenn sich Schauspieler und Regisseure nicht an einem
solchen Ort über den Weg gelaufen wären. Über die heutige Entwicklung bin ich besorgt. Wenn man nur noch Zuhause sitzt und sich
Downloads ansieht, gibt es bald kein öffentliches Publikum mehr. Auch
der Gemeinschaftssinn bleibt völlig auf der Strecke. Damals hatten die
Filme etwas mit dem Publikum zu tun. Die Geschichten handelten von
Gruppen, die etwas taten. Viele Zuschauer waren selbst in Verbänden
und Vereinen engagiert und fanden sich in den Storys wieder. Heute
gibt es viel mehr individuelle Charaktere, die einen gewissen Prozess
durchlaufen. Wenn in den Filmen eine Gemeinschaft vorkommt, ist die
Geschichte meist historisch wie in „Pride“. Ist sie aber in der Gegenwart
angesiedelt, wird die Gruppe meist negativ dargestellt.
Du hast dich unter anderem in zwei Büchern mit dem Thema Film
beschäftigt. Wie siehst du die Zukunft für lesbische Filmregisseurinnen?
Leider nicht sehr positiv. Es gibt einfach zu wenig Frauen, die ihre
Arbeiten veröffentlichen. Nur im TV-Bereich sind die lesbischen Filmschaffenden stark vertreten. Lisa Cholodenko hat im letzten Jahr „Olive
Kitteridge“ gemacht, eine vierteilige Miniserie, die auf dem gleichnamigen Buch basiert. „Transparent“ wird produziert von Jill Soloway, deren
Vater selbst Transgender ist. „Orange Is the New Black“ ist ein fast ausschließlich weiblicher Showhit, vom Cast über die Buchvorlage bis zur
Produzentin und auch Jamie Babitt macht sehr viel nebenher fürs Fernsehen. Wenn es eine Zukunft gibt, ist diese ganz klar dort zu finden.
L-MAG
41
*42-43 TT Regisseurinnenin D._00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:29 Seite 42
TITELTHEMA FILM
Die Gründungsmitglieder von Pro Quote Regie.
Hinten, v. li. n. re.: Barbara Rohm, Annette Ernst, Nina Grosse, Esther Gronenborn, Maria Mohr
Vorne, v. li. n. re.: Bettina Schoeller, Tatjana Turanskyj, Nathalie Percillier, Imogen Kimmel, Katinka Feistl, Margrét Rún, Connie Walther
IGNORANZ IST KEINE OPTION
Nur 15 Prozent aller Kino- und TV-Filme sind von Frauen inszeniert.
Wenn es um Geld und Erfolg geht, sind Männer unter sich – gerade im Filmbusiness.
L-MAG befragte Regisseurinnen und Expertinnen, wie sich das ändern ließe
42
L-MAG
*42-43 TT Regisseurinnenin D._00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:29 Seite 43
„Ich habe nicht vor,
die äußere Homophobie in eine innere zu verwandeln,
nur weil das Erfolg bringen soll“
Es war einmal in den 1970er Jahren: Da
wurden Frauen, die Filme machten, abfällig
„Regisseusen“ genannt. Den ersten Kamerafrauen war es laut Arbeitsschutzgesetz
offiziell verboten, die schweren Geräte zu
tragen. Und wenn dann doch Frauen Kino
machten, hieß es: Frauenfilm! Problemfilm!
Wer will das sehen?
Diese Zeiten sind vorbei. Oder nicht?
2012 drehte die junge Regisseurin Isabell Šuba
beim Festival in Cannes ein Werk, dessen
schöner Titel es auf den Punkt bringt: „Männer
zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“. Darin
geht es um den Sexismus einer Branche, die
Frauen zwar gern auf dem Roten Teppich sieht,
aber am liebsten als Trägerinnen üppiger
Dekolletés und nicht als Regisseurinnen. Die
wichtigsten Regiepreise der Welt gehen an
Männer. Nur einmal gewann eine Regisseurin
den Oscar (Kathryn Bigelow, 2010). Allein auf
weiter Flur steht auch Jane Campion mit ihrer
Goldenen Palme. Dabei gibt es keinen Mangel
an talentierten Filmemacherinnen. „Heute
stellt sich nicht mehr die Frage: Können Frauen
das überhaupt? Das haben genug von ihnen
bewiesen“, sagt Produzentin Ulrike Zimmermann („Fremde Haut“, „Verfolgt“, „Vulva 3.0“).
„Aber wer Filme dreht, hat immer noch das
Patriarchat und den Kapitalismus vor sich.“
Männerbündelei und das Schielen auf größtmögliche Absatzmärkte, das sind zumindest
zwei der mächtigen Gegenspieler, mit denen
sich jede arrangieren muss.
Foto: Brigit Gudjonsdottir
Verschwinden nach dem ersten Film
Tatsächlich sind aber inzwischen fast die Hälfte
aller Absolventen deutscher Filmhochschulen
weiblich. Während des Studiums gewinnen die
Regisseurinnen sogar mehr Preise als ihre
männlichen Kollegen. Doch nach dem Erstlingsfilm verschwinden sie meist auf magische
Weise aus dem Rampenlicht. In den Sparten
Dokumentar-, Kurz- und Kinderfilm sind Frauen
zwar häufig vertreten: Dort fließt nicht so viel
Geld oder weniger Prestige. Doch je teurer
L-MAG
eine Produktion, desto mehr wird auf Testosteron gesetzt. „Frauen wird weniger zugetraut,
mit großen Budgets zu arbeiten. Also bekommen sie selbst für aufwendige Produktionen generell weniger Geld beziehungsweise
werden dafür sehr selten in Betracht gezogen.“
Das berichtet Drehbuchautorin und Regisseurin
Angelina Maccarone („Fremde Haut“, „The Look
– Charlotte Rampling“), die 1995 mit dem
Coming-out-Klassiker „Kommt Mausi raus?!“
debütierte, gegenüber L-MAG. Der Film bescherte nicht nur der Autorin dieser Zeilen ein
lesbisches Erwachen im deutschen Fernsehen.
Initiative Pro Quote Regie fordert
erstmal nur 30 Prozent
Ein Erwachen anderer Art stieß Ellen Wietstock
an. Sie gibt seit 31 Jahren in Eigenregie das
Branchenblatt black box heraus und schaut der
Filmszene kritisch auf die Finger. 2012 nahm
sie sich zwei große Filmförderungen in Sachen
Geschlechtergerechtigkeit vor. Das Ergebnis:
Die meisten Millionen gehen an Projekte mit
männlicher Regie. Nur 15 Prozent aller Kinound Fernsehfilme werden von Frauen inszeniert. Das ist etwas mehr als der Frauenanteil
bei der Bundeswehr. „Eigentlich wussten wir
das ja längst. Aber jetzt hatten wir die
Zahlen schwarz auf weiß“, erzählt Nathalie
Percillier auf Nachfrage von L-MAG. „Und da
war klar: Wir müssen aktiv werden!“ Percillier
gehört zum Vorstand des Vereins Pro Quote
Regie, der sich im Herbst 2014 gründete. Und
genau das fordern die Frauen: eine Quote bei
der Vergabe öffentlicher Gelder an Filmprojekte.
327 Regisseurinnen haben den Aufruf bisher
unterschrieben. Erst einmal geht es ihnen um
30 Prozent Frauenanteil. In zehn Jahren sollen
es 50 Prozent sein. Utopisch?
„Im Augenblick gibt es keine Rede, keine
Diskussion, bei der dieses Thema nicht angesprochen wird“, so Ellen Wietstock. „Die Frage
ist, ob sich tatsächlich die Strukturen ändern.“
Denn die radikale Forderung nach einer Quote
gab es schon einmal. Sie wurde vom 1979
gegründeten Verband der Filmarbeiterinnen
gestellt. Damals schrieben sich die Frauen
gleich 50/50 auf ihre Fahnen. Heute gibt es
den Verband nicht mehr.
Die ewigen Boy-meets-GirlGeschichten sind Standard
Noch eine weitere Debatte muss die aktuelle
Quoteninitiative begleiten: die um Qualität. Ist
es ein Fortschritt, wenn Frauen in zehn Jahren
die gleichen stereotypen Fernsehfilme für ARD
und ZDF drehen, wie das Männer tun? Oder
mit den Worten von Ulrike Zimmermann: „Solange die ewigen Boy-meets-Girl-Geschichten
der Standard der deutschen Kino- und
Fernsehkultur sind, werden wir keine bessere
Situation erreichen, indem wir möglichst viele
Frauen in dieses Haifischbecken schicken. Der
Kern des Problems sind für mich die
menschenverachtenden Vorstellungen der
TVSender davon, was ihr Publikum wirklich interessant findet und gezeigt bekommen darf.“
Nötig wäre also eine Reform des ganzen
Systems. Nicht nur ist es in Deutschland so,
dass kaum ein Kinofilm ohne Unterstützung
des Fernsehens entstehen kann. Auch ähneln
die TV-Sender und Filmförderungsanstalten
teils undurchschaubaren Behörden, wo viel
Papier produziert wird, aber nicht gerade aufregende Ideen, umwerfende Bilder und offene
Horizonte oder Filme von Frauen und Lesben.
„Solange der universale Mensch weiß und
männlich ist, müssen Quoten her“, sagt
Nathalie Percillier. Die Filmemacherin mit
einem Faible für skurrile Geschichten und
lesbische Heldinnen bekam oft genug zu
hören: Muss deine Protagonistin frauenliebend
sein? Geht nicht auch ein Mann? Percilliers
Antwort:„Ich habe nicht vor, die äußere Homophobie in eine innere zu verwandeln, nur weil
das Erfolg bringen soll.“
Und Angelina Maccarone wünscht sich: „Film
muss künstlerisch sein dürfen.“ Das ist letztlich
auch ein Plädoyer für mehr mutige, mehr
politische Filme: „Film bedeutet, Stellung zu
beziehen und eine Haltung zur Welt zu haben.
Ignoranz ist keine Option.“
// Kittyhawk
43
*44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:30 Seite 44
TITELTHEMA FILM
Das Organisationsteam der
Lesbisch Schwulen Filmtage
Hamburg von 2014
MEHR GELD!
MEHR MUT!
MEHR LESBISCHE FILME!
Während der lesbische Film im täglichen Kinobetrieb kaum existiert,
stellt sich die Frage, wie es auf den queer Filmfestivals aussieht, deren
Hauptsaison traditionell der Herbst ist. Wie können sich diese eigentlich finanzieren? Wie steht es um das lesbische Kino und vor allem: um
das lesbische Publikum?
„Das Publikum besteht zu mehr als der Hälfte aus Frauen“, berichtet
Martin Wolkner, Veranstalter des Filmfests „homochrom“, das im Oktober
in Köln und Dortmund stattfindet. Generell sei das schwule Publikum
allein durch Partyangebote übersättigter und auch weniger offen in ihrer
44
Filmauswahl. Lesben gingen auch mal in schwule Filme, andersrum sei
das kaum der Fall. Eine These, die unter anderem Jens Holzhäuser von
den „Queer-Streifen“ Regensburg, die zum vierten Mal im November
stattfinden, unterstreichen kann: „Lesben sind interessierter“, zudem
seien sie als Kinogängerinnen treuer und zuverlässiger. Während sich bei
lesbischen Filmen in Regensburg oft vor dem Film Gruppen bilden, um
geschlossen ins Kino zu gehen, würden die Schwulen oft vereinzelter
und verstohlener in den Saal gehen, „fast wie im Pornokino“, stellt Holzhäuser lachend fest. Seine Kollegin Isabella Sontheim teilt die Einschätzung, dass das lesbische Publikum geselliger und organisierter an den
Fotos: Andrea Preising, Eckhard Buehler
Viel Publikum, zu wenig Material. Queerfestivals sind ein wichtiger Treffpunkt
für die Community, doch ihr Überleben ist hart
L-MAG
*44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:30 Seite 45
Filmbesuch herangehe, genau wie Katja Briesemeister von den„Lesbisch
Schwulen Filmtagen Hamburg“, die im Oktober bereits ihren 26.
Geburtstag feiern. Sie berichtet, dass lesbische Filme schon oft im
Voraus ausgebucht oder sogar ausverkauft sind, wohingegen sich das
schwule Publikum erst wesentlich kurzfristiger entscheiden würde. Alle
Festivalmacherinnen und -macher sind sich in einer geschätzten
Lesbenquote von 50 bis 60 Prozent einig. Hört, hört!
Lesbisches Publikum mit wenig Lust auf Experimente
Die Lesbe geht also mehr ins Kino, die Kinolesbe wird aber auch älter.
„Das lesbische Publikum geht bei 30 los“, sagt Briesemeister und zeigt
sich leicht besorgt um den lesbischen Kinonachwuchs. Während sich
auch bei der von der Edition Salzgeber veranstalteten „L-Filmnacht“
abzeichnet, dass sich das Kernpublikum aus eher älteren Lesben zusammensetzt, wie Jan Künemund berichtet, stellt sich generell die Frage, ob
ein Denken in alten Kategorien überhaupt noch sinnvoll ist.
Als Ende der 1980er die ersten lesbisch-schwulen Filmfestivals ins Leben
gerufen wurden, hatte das Kino als Ort einer kulturellen Kollektivität und
als identitätsstiftender Raum noch eine radikal andere Bedeutung als
heute. Die Blütezeit des homosexuellen Repräsentationskinos scheint
vorbei und ein Umdenken in puncto Identität und Film schwierig. Mit
Ausnahme des Berliner „Xposed“-Filmfestivals, das im Mai zehnjähriges
Jubiläum feierte, und dessen Publikum sich als „queer“, „genderqueer“
oder gar nicht definiert, jedoch nur zu 18 Prozent als dezidiert „lesbisch“,
wie Michael Stütz berichtet, scheint es mittlerweile schwer, ein HomoPublikum für experimentellere Filmformen zu begeistern – eine
Tendenz, die fast alle Programmverantwortlichen bestätigen. Was zieht,
sind klassisch narrative Filme, die sich einer konventionellen Form
bedienen, vielleicht ein bisschen nach Hollywood aussehen und gradlinig
ihre Geschichte präsentieren. Mainstream-Kino fürs Nischenpublikum
also? „Wir programmieren mittlerweile konservativer und richten uns
damit nach dem Publikumsgeschmack“, sagt Jan Künemund von der
„L-Filmnacht“ und resümiert damit Erfahrungen, die soweit gehen, dass
gegen untertitelte Filme protestiert wurde. Der Kinobesuch wird, wie es
Isabella Sontheim von den „Queer-Streifen“ ausdrückt, eher als ein
allgemeines Event zur gemeinsamen Freizeitgestaltung begriffen und
weniger als kulturelle Entdeckungsreise oder Diskussionsgrundlage für
Filmkunst.
Keine Kohle, keine Filme
Soweit die Einschätzungen, denen wiederum ganz andere Realitäten
gegenüberstehen: Es gibt zu wenige (gute) lesbische Filme. Was bereits
bei der letztjährigen Berlinale zum Aufschrei führte, zeigt sich auch bei
der Filmreihe „homochrom“ von Martin Wolkner sehr deutlich: statt
monatlich in sechs Städten (wie die schwule Filmreihe), findet das
lesbische Pendant nur alle zwei Monate und auch nur in vier Städten
statt. Grund: zu wenig Auswahl. Und um die geht es eben, wenn man
seinem Publikum ein eigenes Programm präsentieren will. Die Gründe
hierfür liegen, da sind sich alle Befragten einig, wohl vor allem in Förderund Produktionsstrukturen, die nach wie vor Männer, wenn auch schwule,
bevorzugen. Viele Kurzfilmemacherinnen, so Katja Briesemeister,
würden darüber hinaus später in der Versenkung verschwinden, weil sie
Assistenzen bei anderen Projekten übernähmen, statt selbst weiter
Filme zu machen. Mehr Mut? Mehr Geld wäre wohl richtiger.
Und apropos: Wie finanzieren sich die Festivals eigentlich? Kann man
davon leben? Diese Frage beantwortet Martin Wolkner mit einem
schallenden Lachen. Traurig, aber wahr: trotz Filmpatenschaften
(Regensburg), städtischer Förderung (Hamburg, Dortmund) und
Besuchereinnahmen bleibt nach Abzug von Kinomieten, Leih- und Werbekosten bei keinem der Festivals mehr als ein Taschengeld übrig – freiwillige Arbeit für die gute Sache und den Film. Ein weiterer Grund, im
Herbst in die Kinos des Landes zu flüchten, seine Freundinnen mitzunehmen und sich vielleicht auch mal mehr auf Experimente einzulassen.
Etwas anderes sind queer Filmfestivals ja auch nicht.
//Toby Ashraf
L-MAG
Andrang bei der Eröffnung der Lesbisch Schwulen Filmtage in Hamburg
FILMFESTIVALS UND -EVENTS
IN DER ÜBERSICHT
Pride Pictures – lesbisch-schwule Filmtage Karlsruhe
29. September bis 4. Oktober 2015
www.pridepictures.de
queerfilm Festival Bremen
13. bis 18. Oktober
www.queerfilm.de
Filmfest homochrom
Köln, 13. bis 18. Oktober und Dortmund, 21. bis 25. Oktober 2015
www.homochrom.de/filmfest-2015
Perlen – Queer Film Festival Hannover
18. bis 24. Oktober 2015
www.filmfest-perlen.de
Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg
20. bis 25.Oktober 2015
www.lsf-hamburg.de
PornFilmFestival Berlin
21. bis 25. Oktober 2015
www.pornfilmfestivalberlin.de
Queer Filmfest Weiterstadt
21. Oktober bis 3. November 2015
www.weiterstadt.de/koki/Kinoprogramm/QUEERFILM2015.html
QueerFilmfest Rostock
22. bis 24. Oktober 2015
www.queerfilmfest.de
Queer-Streifen Regensburg
5. bis 11. November 2015
www.queer-streifen.blogspot.de
Queerfilm Esslingen
Termin noch unbekannt
www.koki-es.de
Xposed International Film Festival Berlin
wieder im Mai 2016
www.xposedfilmfestival.com
L-Filmnacht
in 22 verschiedenen Städten, ab September
www.l-film-nacht.de
45
*44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 46
TITELTHEMA FILM
IM RICHTIGEN FILM
L-MAG präsentiert: die 26. Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg
Eines der L-MAG-Lieblingsfestivals geht in seine
26. Runde: die Lesbisch Schwulen Filmtage
Hamburg, das älteste und größte Festival
seiner Art in Deutschland. An sechs Tagen wird
handverlesenes Programm, inklusive sehr viel
lesbischem Publikum und lesbischen Filmen
sowie die mehr als legendäre Nachtbar geboten.
L-MAG als langjähriger Medienpartner freut
sich, den Film „Sangailé“, eine wunderbar
gefühlvoll inszenierte Teenager Lovestory aus
Litauen zu präsentieren. Ebenfalls um die erste
Liebe und das Erwachen einer jungen Frau
geht es im niederländischen „Zomer“, wo in
einem trostlosen Dorf im Schatten eines Kraftwerks in Form der Motoradfahrerin Lena
endlich das (lesbische) Leben Einzug hält.
Unter dem Titel „The Art of Fighting“ wird eines
der Schwerpunktthemen der Einfluss des
Feminismus auf US-amerikanische Künstlerinnen sein. Auch wenn bei Redaktionsschluss
noch nicht das ganze Programm feststand,
soviel ist sicher: Hier kann man nie in den
falschen Film gehen, falsch wäre nur, das
Festival nicht zu besuchen!
// kay
www.lsf-hamburg.de
20. bis 25. Oktober 2015
L-MAG präsentiert bei den Lesbisch Schwulen Filmtagen in Hamburg den Film„Sangailé“
ERREGUNG VON KÖRPER UND GEIST
L-MAG präsentiert: Zehn Jahre Pornfilmfestival in Berlin
46
Jubiläums stellt sich das Organisationsteam dem Publikum und
beantwortet alle Fragen. Besonders einfallsreich ist die Präsentation von
Pornostummfilmen aus den 1910er und 1920er Jahren, die mit Live-Musik unterlegt werden. L-MAG präsentiert den Film „The Duke of Burgundy“, ein einfühlsamer Film zum Thema Dominieren und Unterwerfen.
Mitte Oktober beginnt der Ticket-Vorverkauf – L-MAG rät, unbedingt im
Vorfeld zuzugreifen, sonst wird es nix mit Sex im Kino. Doch dann bleibt
immer noch die Party. Drei Tage lang läuft die Festival-Lounge im
Ficken3000 und am Samstag steigt die wohl abgefahrenste Party, diesmal im Prince Charles. Den Abschluss bildet die Preisverleihung am
Sonntag während des Abschlussabends im Südblock für den besten
Spielfilm, besten Dokumentarfilm und besten Kurzfilm. Egal ob Film, Party oder Diskussion, das Pornfilmfestival ist eine Institution in Berlin, letztes Jahr wurden über 7.000 Tickets verkauft, und für alle, die neue Perspektiven zum Thema Sex entdecken wollen, ein absolutes Muss. // dm
www.pornfilmfestivalberlin.de
Moviemento, Berlin (Kreuzberg): www.moviemento.de
21. bis 25. Oktober
Foto: Verleih
Da sitzen heterosexuelle Paare neben Schwulen, Lesben, Bisexuellen,
Trans* im Kino und schauen sich gemeinsam nackte Ärsche, verschlungene Körper, verzerrte Gesichter an, um anschließend zu
diskutieren, Perspektiven auszutauschen oder einfach zu feiern. Seit
nunmehr zehn Jahren beweist das Pornfilmfestival in Berlin eindrucksvoll: Sex im Kino muss nicht banal oder platt sein. Es geht um Sex in
seinen vielfältigen Spielformen, und dennoch wird nicht nur die Libido
erregt. Es werden gesellschaftliche Grenzen überwunden, Vorurteile
abgebaut und Horizonte erweitert. Gezeigt werden klassische Spielfilme
sowie Dokumentar-, Kurz-, Experimental- und Animationsfilme.
Allein Publikum und Ambiente sind eine Reise nach Berlin wert.
Die Themen der über 100 Filme drehen sich dieses Jahr neben Sex um
Monogamie, Transgender und Behinderung. Pro Tag rückt eine Filmemacherin oder ein Filmmacher in den Fokus der Diskussion. Mit dabei ist
dieses Jahr Catherine Corringer aus Paris, die 2009 für ihren Film
„Smooth“ den Preis für den besten Kurzfilm erhielt. Ein Highlight wird
die Wiederaufführung der „Rocky Horror Picture Show“. Außerdem wird
eine Diskussion zum Niedergang der deutschen Pornoindustrie mit
Beteiligten aus der Branche geboten. Anlässlich des zehnjährigen
L-MAG
*44-47 TT Festivals_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 47
MARKTPLATZ
Die Brust ist zu schwer
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L-MAG
47
*48-49 TT 10 beste Trash-Filme_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 48
TITELTHEMA FILM
EIN HOCH
AUF DEN
SCHLECHTEN
GESCHMACK
Fiese Knastlesben, lesbische Vampirinnen und blutrünstige Monsterweiber –
die schlimmsten Klischees über Lesben stammen aus Trash-Filmen, die heute wieder Kult sind.
L-MAG hat für die Freundinnen des schlechten Geschmacks
die zehn trashigsten Filme mit lesbischer Story zusammengestellt –
nichts für schwache Nerven!
48
L-MAG
*48-49 TT 10 beste Trash-Filme_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:31 Seite 49
Superoberstübchenlesbe Susan Sontag definierte 1964 in ihrem epochalen
Camp-Essay zum ersten Mal eine ganz eigene queere Wahrnehmung,
Ästhetik und Sensibilität. Deren Charakteristika? Eine kreative Schwäche
für das Extreme, Abwegige, leicht Schizophrene, für das stilistisch Überpointierte, Außerordentliche, Dekorative, Ironische, Groteske und
Schmuckvolle. Camp (durchaus politisch) ist ein von sanftem Spott erfüllter
Widerstand gegen die männlich definierte (Hoch-)Kultur, eine Art kultureller Ungehorsam. Hier nun einige diesen speziellen Camp-Geschmack
bedienenden Besonderheiten, die manchmal (auch unfreiwillig) so …
na ja … so schlecht sind, dass sie schon wieder gut sind.
Der heiße Tod/99 Women
Spanien-Deutschland-Italien, 1969, Jess Franco
Wahrscheinlich die Urmutter aller Frauen-im-Gefängnis-Filme! Lesbploitation à gogo! Ein namenloser Knast auf einer namenlosen
tropischen Insel im Nirgendwo, und hier ist die Hölle los! Vergewaltigung, Sadismus, Orgien, Lesbenbordell, eine Tiersnuffszene, Verstümmelung, Folter! Ausgerechnet die tränensusige, überkandidelt
agierende Maria Schell erhält den Auftrag, hier Ordnung zu schaffen.
Finaler Höhepunkt: Flucht durch den Urwald, Verfolgung durch sexgeile
Sträflinge und ein Anti-Happy-End.
Pink Flamingos
USA, 1972, John Waters
Der absolute Tabubruch-Film mit dem singenden Anus! Pummelmutti
und Wohnwagenbesitzerin Divine verzehrt live einen frisch dampfenden
Haufen Hundescheiße! Aber das ist nicht alles – es gibt Hühner-, Fußund Eierfetischismus, Spermaspritzen, gegrillte Polizisten und den Wettkampf um die widerlichste Familie Baltimores! Und das Ehepaar Marble
verkauft Heroin an Schulkinder und schwängert gekidnappte Anhalterinnen, um die Babys an spießige Lesbenpaare zu verkaufen.
Vegas in Space
USA, 1991, Philip R. Ford
„Würdest du dein Geschlecht ändern, um das Universum zu retten?“ Drei
Soldaten tun dies per Pille und begeben sich als Showgirl-Truppe nach
Clitorix, dem exklusiven Lust- und Partyplaneten der Frauen. Das
Problem: Der Kaiserin Nueva Gabor wurden mehrere Teile von „Girlinium“
gestohlen, kostbare Steine, die für die Existenz des Universums lebensnotwendig sind. Fast alle Rollen werden von völlig gruseligen Transen
gespielt, die dauernd„Oh, my Goddess!“ kreischen.
Blut an den Lippen/Les Lèvres rouges
Belgien, 1971, Harry Kümel
Inzest, Ödipus, S/M, Lesbensoftporno, Blutsaugerei! Die unvergleichliche
Delphine Seyrig als Gräfin Bathory driftet auf der Suche nach frischem
Blut mit ihrem Girltoy in ein leeres Grand Hotel in Ostende. Dort ist zum
Glück ein junges Paar in den Flitterwochen, das ein Geheimnis hat: Er
wird von einem Sugar Daddy ausgehalten und von misshandelten,
sogar ermordeten Frauen sexuell erregt; der Braut gefällt die Komplizenschaft, und sie wird dann zur Vampirgespielin. Absolut stylish!
Blumen ohne Duft/Beyond the Valley of the Dolls
USA, 1970 , Russ Meyer
Ein Sexploitation-Horror-Musical mit herrlich zeittypischem Ambiente,
das mit einem Vierfach-Ritualmord und einer Dreifach-Hochzeit endet.
Tittenfetischist Russ Meyer (behauptet selbst: „mein bester Film“)
verfolgt Auf- und Abstieg einer Girlpopband, die im Sumpf Hollywood
und auf den Partys des durchgeknallten, bisexuellen Z-Man in den
L-MAG
kunterbunten Strudel von Sex, Drogen und Gewalt gerät. Jetzt Kult,
damals als völliger Dreck verrissen. Das Branchenblatt der Filmindustrie
Variety schrieb:„So lustig wie ein brennendes Waisenhaus.“
Desperate Living
USA, 1977, John Waters
Der letzte wahre Geniestreich vom King of Trash. „Leck mich, Peggy, leck
mich!“, befiehlt die 300 Kilo schwere Grizelda, während sie mit ihrer
soziopathischen Arbeitgeberin im Bett liegt. Grizelda hat gerade Peggys
Ehemann erstickt, indem sie sich auf sein Gesicht setzte. Sie flüchten
und landen in der Freak-Perversen-Lesben-Nudisten-PsychopathenSiedlung Mortville, die von der bösen Queen Carlotta terrorisiert wird.
Aber alles wird gut – es kommt zu Revolution und Kannibalismus!
Cleopatra Jones gegen die Drachenlady/Cleopatra Jones
and the Casino of Gold
USA, 1985, Charles Bail
Modesty Blaise meets Bond meets Blaxploitation! Die wunderbare
Tamara Dobson als knallharte Dynamit-Geheimagentin, ein Kätzchen,
das man nicht ohne Handschuhe anfassen sollte. Der Vorgänger
„Cleopatra Jones“ hatte zwar schon eine hübsch schräge Lesbenstory,
aber Nummer zwei ist mehr Spaß und Krawall. Cleopatra erledigt mit
Verve und Gusto in Hongkong und Macao ein Drogenimperium und
dessen Chefin, die„Dragon Lady“, eine irre Lipstick-Lesbe.
Weggehen um anzukommen
D, 1982, Alexandra von Grote
Noch ein Beweis, dass der Weg zum Gefühlskitsch oft mit den besten
Vorsätzen gepflastert ist. Die böse Regina hat ihre Anna betrogen! Die
bricht die langjährig vor sich hin dümpelnde Beziehung erst mal ab und
brettert mit dem VW-Bus gen Südfrankreich, um bei Käse, Wein, Sonnenschein und „einfachen“ Menschen zu „sich selbst“ zu finden. Damals mit
Recht eine Sensation wegen des Themas und einer 20-minütigen Softporno-Weichzeichner-Sexszene, ist heute aber muffige 70er-JahreSeelenmargarine.
Glen or Glenda
USA, 1953, Edward D. Wood Jr.
Der Pflichtfilm zur Gender-Diskussion! Glen zieht gern Frauenklamotten
an, weil sich seine Mutter eine Tochter wünschte, und an seiner
Verlobten liebt er am meisten ihre Angorapullover! Der semi-autobiografische Film, ein Plädoyer für Toleranz in Sachen Transsexualität
und Transvestismus, war mutig, ist aber mit seinem bizarr-exzentrischen
Stil zu viel des Guten. Es wirken mit: der Teufel, ein diabolischer Wissenschaftler, ein „Menschheitslenker“ und ein Pseudohermaphrodit. Bonus:
Bela Lugosi auf Droge.
Das Doppelleben der Sister George/The Killing of Sister
George
USA, 1968, Robert Aldrich
Die Lesbenversion von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, voller
sado-masochistischer Rituale. Ein bizarres Liebestrio: Die Butch, ein
Soap-Star auf der Karriereleiter nach unten, verliert die Femme (und
deren Mega-Puppenkollektion) an eine ausgebuffte TV-Redakteurin.
Bedrückend, überdreht und allzu wahr – und eine listige Feier des
(butchen) Lesbisch-Seins: Girls just wanna have fun! Eben! Bonus: Eine
119-Sekunden-Sexszene, und sensationell erstmalig im Kino: Echte
Lesben! In einer echten Lesbenbar!
// Zusammenstellung: Egbert Hörmann
49
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:32 Seite 50
FOTO
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:32 Seite 51
Andere
Geschlechterbilder
Die New Yorker Fotografin Jessica Yatrofsky
zeigt in ihrem neuem Fotoband
„I Heart Girl“ Porträts von Frauen
jenseits der Norm
Rollenbilder, Geschlechternormen und die gesellschaftliche Darstellung von Mann und Frau beschäftigen die US-amerikanische Fotografin Jessica Yatrofsky. Sie begann ihre künstlerische Arbeit als
Malerin, studierte Freie Kunst an der „Parsons the New School for
Design“ in New York City. Die Leidenschaft zur Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel entdeckte sie erst nach dem Studium. „Ich
war immer fasziniert von der Idee des Subjekts in der Kunst, egal ob
beim Zeichnen von Stillleben oder von lebendigen Models. Alles was
ich als praktizierende Künstlerin lernte, spiegelt sich nun in meiner
fotografischen Arbeit wieder“, reflektiert die Fotografin und Filmemacherin ihre Arbeit. Yatrofskys erster Fotoband „I Heart Boy“
erschien 2010. Mittlerweile wurden ihre Arbeiten bereits in Belgien,
Spanien, China und Dänemark ausgestellt. Ihre Filme liefen im USFernsehen und bei internationalen Filmfestivals. Im Oktober dieses
Jahres werden ihre Arbeiten nun erstmalig auch in Deutschland
präsentiert. Die Berliner Galerie Koll and Friends zeigt ihre Porträts
aus dem aktuellen Fotoband vom 16. Oktober bis 18. November.
Yatrofskys Fotografien drehen sich um die Fragen: Wie werden Männer
und Frauen in unserer Gesellschaft dargestellt? Wie betrachten wir
Geschlechter? Ihre Fotos wirken still und doch sind sie nah an den
einzelnen Menschen. Sie fotografiert mitten aus dem Leben heraus.
Um die passenden Fotomodelle für ihre Porträtreihe zu finden, fragte
sie zunächst Freunde und Freundinnen nach interssanten Personen,
die auf irgendeine Weise nicht der üblichen Geschlechternorm entsprechen. Das wurde ein Selbstläufer, die Leute empfahlen sich
gegenseitig. „Nachdem ich nur einige Freunde gefragt hatte, wurde
ich regelrecht überflutet mit Anfragen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich durch die Masse an E-Mails zu arbeiten von all den Leuten,
die gern für mein Projekt fotografiert werden wollten und von Freunden
empfohlen wurden.“ Am Ende entstanden die zwei Fotabände
„I Heart Boy“ und „I Heart Girl“. L-MAG zeigt Auszüge aus dem
aktuellen Fotoband mit insgeamt 98 Bildern.
Die Fotografin selbst führt mit Erklärungen und Kommentaren durch
die Fotostrecke.
// dm
www.jessicayatrofsky.com
www.koll.gallery
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 52
„Seitdem ich 2007 in New York angekommen bin, habe ich angefangen, viele Modelle für die Serie zu fotografieren. Ich habe ,I Heart
Girl‘ in New York City, Brooklyn aufgenommen, meistens an den
verschiedenen Orten, an denen ich über die Jahre gelebt habe, und in
Studios. Manchmal war ich auch bei den Modellen zu Hause.“
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 53
„Ich betrachte ,I Heart Girls‘ als eine Erweiterung meiner bisherigen
Porträtarbeiten. Schon als ich mit ,I Heart Boy‘ begann, wusste ich,
dass ich ,I Heart Girl’ als die ,schwesterliche’ Variante veröffentlichen
würde. Dennoch denke ich, beide Serien können auch für sich allein
stehen. Beide Serien entdecken den Körper, männliche oder weibliche
Androgynität und Geschlechtsidentitäten. Am Anfang habe ich Freunde
fotografiert, Männer und Frauen, die in Brooklyn leben und einen
Lebensstil führen, den manche als ,alternativ‘ bezeichnen würden.
Mit klassischen Porträts, wollte ich zeigen, wie ich das aktuelle Bild
wahrnehme, um damit die übliche Darstellung von Paaren aufzubrechen.“
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 54
„Meine Leidenschaft gilt dem Aufzeigen des Körpers und dem Entwerfen von Bildern, die nicht immer mit den typischen gesellschaftlichen Vorstellungen von Schönheit einhergehen.“
*50-55 Foto_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:33 Seite 55
„Ich zeige in der Serie Personen, die ich über Jahre fotografierte habe,
um zu hinterfragen, wie Frauen noch immer in Mainstream-Medien
dargestellt werden. Auch wenn es mittlerweile einen Fortschritt gibt,
wie wir Frauen betrachten, interessiert mich eine Zukunft, in der wir
uns eine Gesellschaft vorstellen, die viel mehr Übergänge zwischen
den Geschlechtern zulässt, als die Welt, in der wir jetzt leben.“
*56-57 Sport Bundesliga_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:57 Seite 56
SPORT
Spielerinnen-Karussell
Ende August startete die 26. Frauen-Bundesliga. Im Vorfeld wurden die zwölf Teams
vielfach neu zusammengewürfelt – Spielerinnen kamen und gingen. L-MAG gibt einen
ersten Einblick und stimmt ein auf eine spannende Saison
Vero Boquete, Kapitänin des spanischen
Nationalteams wechselt zu den Bayern
Am letzten Augustwochenende startete die
Frauenfußball-Bundesliga in die 26. Spielzeit. Zwölf Teams kämpfen an 22 Spieltagen
um die Meisterschale. Das Eröffnungsspiel
bestritt die amtierenden deutschen Meisterinnen FC Bayern München gegen die
Vierten der Vorsaison, 1. FFC Turbine
Potsdam, am Freitag, den 28. August.
Die Titelverteidigerinnen aus München
konnten ihren Kader zusammenhalten, verzeichneten die wenigsten Abgänge aller
Bundesligisten und verstärkten ihr Team auf
fünf Positionen. Darunter die WM-Teilnehmerinnen Sara Däbritz vom SC Freiburg
und die spanische Kapitänin Vero Boquete,
die vorher beim 1. FFC Frankfurt unter
Vertrag stand.
Bei den Turbinen drehte sich das Wechselkarussell erheblich heftiger. Zwölf Abgänge:
darunter Genoveva Añonma, die es zu Portland Thorns zieht, und Pauline Bremer, die
sich Olympique Lyon anschließt. Zu den
neun Neuzugängen zählen Svenja Huth,
Marina Makanza vom HSC Montpellier,
Bianca Schmidt vom FFC Frankfurt sowie die
australische WM-Teilnehmerin Elise KellondKnight. Bernd Schröder, der seit gut 40 Jahren
die Potsdamerinnen trainiert, kann in seiner
letzten Saison ein komplett neues Team
formen und wird um die Meisterschaft mitspielen wollen.
56
Sophie Schmidt vom Team Kanada
spielt neu beim FFC Frankfurt
Wolfsburg: Das Who’s Who
des Frauenfußballs
Das ist auch das erklärte Ziel des Vizemeisters aus Wolfsburg. Mit Élise Bussaglia und
Lara Dickenmann von Olympique Lyon, der
belgischen Nationalspielerin Tessa Wullaert
und der polnischen Ewa Pajor sind den
Wölfinnen vier Toptransfers gelungen. Der
Kader um Almuth Schult, Nilla Fischer, Lena
Goeßling, Caroline Hansen, Alex Popp und
der noch verletzten Nadine Kessler liest sich
wie das Who’s Who im Frauenfußball. Bei
Meisterschaft, Pokal und Champions League
wird der VfL Wolfsburg wohl ein Wörtchen
mitreden.
Die aktuellen Champions League Siegerinnen vom 1. FFC Frankfurt müssen sich wie
Potsdam um einen Neuaufbau kümmern,
denn elf Spielerinnen haben den Verein
verlassen, darunter auch Kim Kulig und
Kozue Ando. Ob die Zugänge aus der eigenen
Jugend sowie die Verpflichtung der Australierin Emily van Egmond, der Belgierin
Jackie Groenen, Sophie Schmidt vom Team
Kanada, der US-Amerikanerin Jenista Clark
sowie des Top-Transfers Yuki Ogimi das auffangen können?
Trainer Collin Bell wird auf die „alten“ Frankfurterinnen um Kerstin Garefrekes, Saskia
Bartusiak, Ana-Maria Crnogorcevic, Simone
Annike Krahn, 123-malige
Nationalspielerin kommt von
Paris zu Bayer Leverkusen
Laudehr und Dzenifer Marozsán (die allerdings noch länger mit ihrer Sprungelenks-OP
zu tun haben wird) bauen.
Auf die Torschützenkönigin der Weltmeisterschaft in Kanada und Fußballerin des Jahres
2015, Célia Šašić, müssen Frauenfußballfans
künftig verzichten. Bereits vor dem Champions
League Finale, das Šašić mit ihrem Team
FFC Franfurt gewann, kündigte sie ihren
Vertrag. Mitte Juli informierte sie auf ihrer
Facebook-Seite, dass sie die Fußballschuhe
an den Nagel hängt. Sie sei nun 27 Jahre alt
und wolle ihr Studium beenden, sich beruflich orientieren und eine Familie gründen.
Nachwuchstalente in vielen
kleineren Clubs
Das Verfolgerfeld versucht den Abstand auf
die vier Top-Clubs nicht zu groß werden zu
lassen. Allen voran die SGS Essen, die seit
Jahren durch sehr gute Nachwuchsarbeit auf
sich aufmerksam macht. Der SC Freiburg
holte Lina Magull und Selina Wagner vom
VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim
verstärkt den Kader auch hauptsächlich mit
Nachwuchskräften. Bayer 04 Leverkusen
meldet einen prominenten Zugang: Annike
Krahn, die 30-jährige 123-malige Nationalspielerin, kommt von Paris Saint Germain
und soll die Defensive stabilisieren. Aus
Fotos: Uta Zorn
Bianca Schmidt geht vom
FFC Frankfurt zu Turbine Potsdam
L-MAG
*56-57 Sport Bundesliga_00 Inhalt Relaunch 18.08.15 10:58 Seite 57
Willstätt im Ortenaukreis in Baden-Württemberg kommt mit dem SC
Sand der „kleinste“ Bundesligist, zumindest was die Stadiongröße mit
2.000 Plätzen angeht. Neben Bayern München 1970 und dem SC Freiburg 1975 gründete der SC Sand bereits 1980 eine Frauenfußballabteilung und gehört damit zu den Dinos der Liga. Nach Potsdam ist
Jena die zweite Adresse im ostdeutschen Frauenfußball. Auch hier
wird die Nachwuchsarbeit in Zusammenarbeit mit der Universität
Jena großgeschrieben. Ob das in den nächsten Jahren so bleibt? Sowohl in Leipzig als auch in Berlin wird kräftig geplant.
Den Aufstieg in die erste Liga schafften die Frauen von Werder
Bremen und dem 1. FC Köln. Sechs Jahre benötigten die Kölnerinnen
für den langersehnten Aufstieg in die erste Liga. Hoffentlich wird das
auch mal mit einem eigenen Webauftritt belohnt! Denn Informationen über den Frauenfußball sind auf der FC Köln-Website nur schwer
zu finden. Die Frauen von Werder Bremen komplettieren schließlich
das Feld der 12 Bundesligistinnen. Der 1. FC Lübars aus Berlin
gewann zwar die Staffel Nord, verzichtete aber sehr zur Freude der
Bremerinnen frühzeitig auf die Lizenz zur Bundesliga.
Übertragung der Spiele noch immer am Katzentisch
Sicherlich hat der Gewinn des Weltmeisterschaftstitels dem Frauenfußball in den USA und seiner medialen Präsenz einen weiteren
Schub gegeben. Doch auch schon vor der WM waren Spiele der USamerikanischen NWSL (National Womens Soccer League) kostenfrei
auf YouTube zu verfolgen. Bei uns ändert sich leider wenig. ARD und
ZDF haben die Erstzugriffsrechte, was wohl zu der einen oder anderen
Übertragung in den dritten Programmen führt. Eurosport zeigt
vermutlich wieder ein Spiel pro Spieltag, was eine Verschiebung der
Anstoßzeiten bedeuten kann. Im aktuell veröffentlichten Spielplan
werden die Spiele samstags und sonntags um 11 oder um 14 Uhr
angestoßen. Im April und Mai kann es dann wieder zu Terminänderungen kommen, weil Frankfurt, Wolfsburg und Bayern an der
Champions League teilnehmen. Die Meisterschaft endet Pfingstmontag, den 16. Mai.
// Uta Zorn
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*58-59 Musik Queer Jazz_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:34 Seite 58
MUSIK
Jazz-Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington
Ist Jazz an sich heterosexuell?
Lesbische Jazzmusikerinnen sind doch nichts Besonderes … könnte man denken.
Die Realität in der Jazz-Szene sieht anders aus
„Es gibt Homophobie, es gibt Rassismus,
es gibt Sexismus in der Welt. Die Jazzwelt
ist ein Mikrokosmos der realen Welt. Nur
weil du gay bist, bedeutet das nicht, dass
du sensibler bist. Ich kenne schwule Musiker, die nicht out sind und die fast schon
Karikaturen eines Macho-Jazzmusikers
geworden sind – stilistisch verklemmt,
emotional verstopft in ihrer Musik. Jeder
weiß, dass sie schwul sind, aber sie würden es nie sagen. Wenn man sich Johnny
Hodges, Chet Baker oder Bill Evans anschaut – das waren Leute, die sich emotional weit geöffnet haben. Und die waren alle
hetero.“
Soweit Pianist Fred Hersch in einem Interview mit James Gavin für das JazzTimes
Magazin im Jahr 2001. Hat sich bis heute viel
geändert? Nur ein Jahr später besuchte ich
im altehrwürdigen Village Vanguard-Club in
Manhattan eine Diskussion zum Thema. Auf
dem Podium saßen offen schwule Jazzmusiker wie Andy Bey, Charlie Kohlhase,
58
Gary Burton und Grover Sales. Und tatsächlich wurde die Jazzwelt als eine ziemlich
unheimliche Umgebung für schwule Musiker
und lesbische Musikerinnen beschrieben. Die
New York Times titelte damals in ihrer
Zusammenfassung des Panels: „In der
Machowelt des Jazz gilt ,don’t ask, don’t tell’“
(„Frage nichts, sage nichts“).
„Schwarz, schwul, und HIV-positiv,
das ist ne Nummer“
Seitdem sind nun fast 15 Jahre vergangen
und spätestens seit der Entscheidung des
Supreme Courts in den USA, die Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare zuzulassen, sollte Homosexualität dort eigentlich kein
Thema mehr sein. Sängerin und Pianistin
Dena DeRose, die seit einem Artikel im Jahr
2010 (JazzTimes, Dezember) geoutet ist, hatte
demnach auch nie Probleme mit ihrer Sexualität und wie die Umgebung damit umgeht.
„In den 90ern war es eher wahrscheinlich
dass man komisch angeguckt wurde von
seinen Fans, die nach einem Gig zu mir
kamen und mich mit meiner Partnerin sahen.
Darunter waren halt sehr viele ältere, weiße
Konservative. Aber unter Kollegen gab es da
nie Probleme“.
Anders verhält es sich mit afroamerikanischen
schwulen oder lesbischen Musikern und
Musikerinnen. „Schwarz, schwul, und HIVpositiv, das ist ne ganz schöne Nummer“,
schreibt Sänger und Pianist Andy Bey im
gleichen Artikel. „Ich hatte meine Erfahrungen
mit allen möglichen Phobien.“ Dieschwarze
Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington (Foto)
hat eine besondere Erklärung dafür, wie sie
John Murph in einem Interview der JazzTimes
vor fünf Jahren anvertraute: „Die meisten Jazzmusiker haben einfach nicht die ökonomische
Freiheit, offen zu sein. Sehr viele Teile der Jazzkultur wurden von Afroamerikanern definiert.
Ich glaube nicht, dass Afroamerikaner homophober sind, aber ich glaube, es geht darum,
dass sie sich nicht so frei fühlen (im Vergleich
zu weißen Amerikanern), was immer noch auf
unsere Geschichte zurückgeht.“
L-MAG
*58-59 Musik Queer Jazz_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:34 Seite 59
Immer mehr offen lesbische Musikerinnen
Mittlerweile gibt es eine Menge offen schwule und lesbische Jazzmusiker und -musikerinnen. Ann Hampton Callaway, Patricia Barber
(die auch in ihren Songs auf das Thema eingeht, wie etwa in
„Narcissus“), Cecil Taylor, Andrew d’Angelo, Lea DeLaria (siehe Seite
60), Theo Bleckmann, Ian Shaw, Dave Koz oder Allison Miller sind die
wohl bekanntesten neben den bereits erwähnten. In seiner Autobiografie schreibt Gary Burton, einer der einflussreichsten und wichtigsten
Vibraphonisten seit den 60er Jahren, dass er zwar erst spät sein
Coming-out hatte, die Reaktionen der Kollegen und Kolleginnen aber
wohl eher aufmunternd und durchweg positiv waren.
Und auch einer der wohl wichtigsten Songschreiber im Jazz, Billy
Strayhorn, war schwul. Er arbeitete mit Duke Ellington zusammen,
einem der einflussreichsten Komponisten und Pianisten des 20. Jahrhunderts, der Hunderte von unsterblichen Songs geschrieben hat. In
den 20er und 30er Jahren war es nichts Außergewöhnliches und
Homosexualität galt schlicht als Fakt des Lebens. Schon Bessie Smith,
die 1937 gestorbene Blues- und Jazzsängerin, die als bisexuell galt,
ging ganz entspannt in ihren Texten und den Auftritten mit diesem
Thema um.
Im letzten Jahr organisierte das LGBT Community Center in Philadelphia das erste Queer Jazz Festival in den USA (und wohl auch weltweit). „OutBeat“ lieferte vier Tage Konzerte und Podiumsdiskussionen,
und der Direktor von Philadelphias LGBT-Zentrum betonte, dass der
Jazz schwul-lesbische Identifikationsfiguren brauche.
Keine Homosexuellen im deutschen Jazz?
Wie ist die Lage aber in Deutschland? Aus der Berliner Jazzszene wird
eher die Haltung vermittelt, dass es eh immer besser sei, sich nicht zu
verstellen, und gerade in der Musik und der doch sehr intimen Art
und Weise, wie der Jazz auf den Bühnen in den Improvisationen und
mit intensivem Austausch und gegenseitigem Zuhören mit fast blindem Vertrauen gespielt wird, es nur von Vorteil ist, sich eben so zu geben wie man ist. Die häufigste Antwort der Musiker, denen ein schwul
oder lesbisches Bandmitglied sich offenbart, lautet sowieso „Oh, das
wusste ich doch schon …“
In Deutschland wird sich eben ganz pragmatisch auf die Musik und
auf das Bühnenprogramm konzentriert – da ist es nebensächlich, ob
jemand schwul, lesbisch, transgender oder ähnliches ist. Bezeichnend
dafür ist vielleicht auch, dass es außer Michael Schiefel hierzulande
keine offen schwulen oder lesbischen Jazzmusiker und -musikerinnen
gibt. Mehr Identifikationsfiguren wären also durchaus nötig. Oder
vielleicht auch nicht?
Patricia Barber veröffentlichte 1998 ihre Version des Paul Anka-Songs
„She’s a Lady“ und Dena DeRose sagt, sie könne sich nicht vorstellen,
in einem Lovesong das Wort „She“ durch ein „He“ zu ersetzen. Alles
weit entfernt von dem einen Satz, der von Trompeten-Legende Dizzy
Gillespie überliefert ist: „Ich kenne überhaupt keinen Jazzmusiker, der
homosexuell ist – keinen richtigen Jazzmusiker“. // Matthias Kirsch
Foto: Michael Goldman
L-MAGs Top 5 der lesbischen Jazzplatten
L-MAG
Patricia Barber –„Smash“
Terri Lyne Carrington –„The Mosaic Project: Love and Soul“
Ann Hampton Callaway – „From Sassy to Divine:
The Sarah Vaughan Project“
Dena DeRose – „We Won’t Forget You …
An Homage to Shirley Horn“
Lea DeLaria – „House of David“
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59
*60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 60
MUSIK
Big Butch
Lea DeLaria spielt die Super-Butch mit weichem Herz in der neuen lesbischen
Lieblingsserie„Orange Is the New Black“. Im Juli brachte sie ihr
neues Jazz-Album„House of David“ heraus.
L-MAG sprach mit der Power-Lesbe, die kein Blatt vor den Mund nimmt
L-MAG: Das Wichtigste zuerst – die Gesundheit. Kürzlich hast du
Schlagzeilen in den USA gemacht, weil bei dir Typ-2-Diabetes festgestellt wurde und du in kurzer Zeit 22 Kilo verloren hast. Wie geht es dir
damit?
Lea DeLaria: Großartig. Ich bin geradezu eine Vorzeigepatientin. Bei
meinem Blutzuckertest letzte Woche hatte ich einen normalen Wert
von 5,8. Die Medikamente, die ich nehmen muss, wirken also wirklich
gut. Aber niemand hat mir gesagt, dass ich abnehmen muss. Das war
60
einfach ein Nebeneffekt. Ich darf keine Stärke und keinen Zucker
mehr essen und in der Kombination mit den Medikamenten kam das
dabei raus. Bei Diabetes ist nicht das Gewicht das Hauptproblem,
auch wenn das viele denken. Es hat mehr mit den Erbanlagen, als mit
irgendetwas anderem zu tun. Ich möchte das wirklich ausdrücklich
immer wieder betonen, weil wir leider in einer Gesellschaft leben, in
der man glaubt, Frauen müssten bestimmte Maße haben. Aber ich sag
dir mal was: Ich habe genauso viele fette Mädchen gevögelt wie dünne,
und ich habe mit 22 Kilo mehr genauso viele abbekommen wie heute!
„Wann hören wir endlich auf, Männer
Lesbenfilme machen zu lassen?“
Zur Zeit bist du beim Dreh von der vierten Staffel „OITNB“. Kannst du
uns irgendetwas verraten, was wir zu erwarten haben?
Das Einzige was ich dir sagen kann ist, dass ich mitspiele und dass sie
irgendwann nächstes Jahr rauskommt. Scheiße, Mann, ich darf dir
echt nichts weiter sagen.
Ich habe gehört, dass du erst für eine andere Rolle in der Serie vorgesprochen hast und sie haben dich dann nie zurückgerufen.
Ich habe mich für die Rolle der Anita DeMarco beworben, die jetzt
von Lin Tucci gespielt wird. Der Casting-Chef sagte mir: „Oh mein
Gott, wir lieben dich Lea, du bist genau das, was wir suchen!“ Aber als
ich dann zu meinem Manager ging, sprach der gerade am Telefon mit
ihm, und er sagte im Großen und Ganzen, dass keine der vorgesehen
Rollen für mich geeignet wäre, sie würden aber was für mich finden.
Ich habe das schon so verdammt oft in meiner Karriere gehört! Ich
warte immer noch auf meine mir auf den Leib geschriebene Rolle in
Foto: Sophy Holland
Singen ist für Lea DeLaria nur eines von vielen Standbeinen.
Bereits seit den 90er Jahren hat sich die im US-Bundestaat Illinois
geborene selbstbewusste Butch als Stand-up Comedian, Schauspielerin und Jazz-Sängerin etabliert. Im Juni diesen Jahres
konnten ihre Fans sie als ihren Lieblingscharakter Big Boo in der
dritten Staffel der Comedy-Drama-Serie „Orange Is the New
Black“ bewundern. Im Juli brachte sie als Sängerin ihr fünftes
Jazz-Album „House of David“ (Ghostlight Records) mit zwölf
gecoverten David Bowie Songs heraus. Mit dabei sind Hits wie
„Space Oddity“, „Starman“, „Fame“ und „Modern Love“.
Im Januar erhielten DeLaria und die gesamte „OITNB“-Crew den
Screen Actors Guild Award für ihre herausragende Leistung als
bestes Schauspielensemble im Bereich Comedy. Zu ihrer schauspielerischen Leistung gehören aber auch Spielfilme, animierte
Serien („The Oblongs“) und Broadway-Inszenierungen („On The
Town“). Zur Zeit jedoch ist DeLarias gewissermaßen größtes
Projekt ihre Hochzeit mit der Modejournalistin Chelsea Fairless.
Schauspielerin und Sängerin Sandra Bernhard übernimmt die
Planung für die Hochzeit in New York. Alles Weitere, einschließlich des genauen Datums, ist noch geheim.
Während einer Pause beim Dreh zur vierten Staffel von „OITNB“
sprach DeLaria am Telefon mit L-MAG-Autor Lawrence Ferber
über ihr Album, lesbischen Sex und ihre Hochzeit.
L-MAG
*60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 61
„Law & Order“, dabei wurde die Serie schon 2009 beendet! Ich war
rasend vor Wut. Die machen eine Serie, die im Frauenknast spielt,
und da gibt es keinen Platz für mich? Scheiß Show-Business, scheiß
Broadway, scheiß auf die alle! Also flog ich nach London, wo ich meine Comedy- und Gesangskarriere verfolgen wollte. Aber als ich aus
dem Flugzeug stieg, hatte ich von meinem Manager tausend Anrufe in
Abwesenheit, ich müsse sofort zurückkommen, denn dieses Mal hätten sie es wahr gemacht und eine Rolle extra für mich geschaffen.
Jenjo Kohan (Produzent von „OITNB“, Anm. d. Red.) hat eine ursprünglich kleine Nebenrolle, die nur in wenigen Folgen zu sehen sein
sollte, genommen, sie erweitert und mir gegeben. Das war er, dieser
magische Show-Business-Moment, den es nur einmal gibt.
L-MAG
Du hattest deine erste Sexszene in der dritten Staffel. Ist „Orange“
jetzt die wärmste Farbe?
Statt Blau? Blau ist auf keinen Fall die wärmste Farbe. Du willst nicht
mit mir über diesen Film sprechen! Was für eine Riesenscheiße. Bei
allem Respekt, aber es gibt so viele lesbische Drehbuchautorinnen,
Schauspielerinnen und Regieseurinnen, also wann hören wir endlich
auf, Männer Lesbenfilme machen zu lassen? Ob „Orange“ nun die
wärmste Farbe ist? Scheiße, ja! Weil in „Orange“ tatsächlich Lesben in
lesbische Storys eingebunden werden.
Was war das Interessanteste, das du während des Drehs über das
Leben von Frauen im Gefängnis gelernt hast?
Ich habe gelernt, dass es richtig schwer für Trans-Frauen im Gefängnis
61
*60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 62
MUSIK
Der lesbische David Bowie: Lea DeLarias neues Album„House of David“ (Ghostlight Records)
ist. Das habe ich wohl schon immer vermutet, aber jetzt weiß ich es
wirklich. Und ich habe gelernt, dass Butches besonders schlecht in
amerikanischen Gefängnissen behandelt werden. Es gibt hier doch
tatsächlich ein Gefängnis, in dem Butch-Lesben von dem Rest der
Insassinnen getrennt werden! Ich plane, etwas dagegen zu unternehmen. Aber erst einmal brauche ich mehr Details und Fakten, bevor
ich genauer über dieses Gefängnis reden kann.
Lass uns jetzt noch über dein neues Album sprechen. War es für
„House of David“ schwierig, eine Auswahl aus den Songs von David
Bowie zu treffen?
Oh, ja. Es war scheiße schwer. Es gibt so viele großartige Bowie-Songs.
Sein Werk erstreckt sich über vier Jahrzehnte. Wir dachten, wir hätten
alle Songs gefunden und dann kam der Produzent noch mal mit ein
paar neuen an. Verdammt! Nur zwölf Lieder auszuwählen, das war der
schwierigste Teil der Arbeit. Ich muss vielleicht irgendwann „Changes
Two“ machen.
Du wirst bald heiraten. Stell dir vor, du könntest alle möglichen Leute
zu deiner Hochzeit einladen, also nicht nur die Menschen die du wirklich kennst. Wen würdest du einladen?
Du meinst, wen ich in einer Traumwelt zu meiner Hochzeit einladen
würde? Meryl Streep, Eleanor Roosevelt und ich will Ella Fitzgerald,
die für uns singt. Außerdem Anita Bryant, damit ich sie mit Orangen
zu Tode steinigen kann. (Anita Bryant, Sängerin und Schönheitskönigin in den 1970er-Jahren, bekannt durch Orangensaft-Werbespots und
ihre Anti-Homosexuellen-Kampagnen, Anm. d. Red.)
Du wurdest schon von vielen Seiten bedrängt, mehr Details über
deine echte Hochzeit zu erzählen, doch du verrätst noch nicht einmal
das genaue Datum. (inzwischen wurde Januar 2017 genannt, Anm. d. Red.)
Die Wahrheit ist, dass ich jede Menge Freunde habe, die bekannte
Größen aus der Filmindustrie sind. Deshalb bin ich so geheimnisvoll
62
wegen der Hochzeit und wie wir damit umgehen. Und lass mir dir
eines verraten: Es ist auch schwierig für mich, darüber zu reden, weil
ich so lange Single war und es gewohnt bin, überall wo ich hingehe,
Mädels zu bekommen. Weißt du, ich mag Dan Savage sehr (schwuler
Journalist mit einer bekannten Sex-Ratgeberkolumne, Anm. d. Red.).
Der Mann ist ein Genie. Und er hat mir gesagt, er war schon zu vielen
polyamorösen Hochzeiten eingeladen, aber noch nie zu einer Hochzeit, die ein dreijährigs Poly-Jubiläum markiert (lacht). Wir sind queer
und haben eine andere Art zu leben. Deshalb denke ich, es ist nichts
falsch an einer offenen Hochzeit oder daran, was mit zwei Individuen
passiert und wie sie ihre Ehe sehen. Was ich letztlich sagen will ist: sei
bitte nicht überrascht, wenn ich eine offene Ehe habe.
In welchen Ländern hast du eine große Fan-Gemeinde?
Brasilien, Frankreich und eine irrwitzige Fangemeinde in Italien. Die
tweeten mir alle die ganze Zeit. Schau dir einfach mal meine TwitterSeite an. „Sag Hallo zu Brasilien!“ Das ist verrückt. Ich war letztes
Jahr in Brasilien zum Gay Pride in São Paulo und ich wurde dort wie
eine Göttin behandelt. Es ist der weltgrößte CSD und ich war mittendrin, Schätzchen!
Was ist mit Deutschland? Was denkst du über deutsche Frauen?
Was ich immer schon an deutschen Lesben mochte, ist ihr Aktivismus.
Sie sind wirklich politisch aktiv und nichts kann sie davon abhalten.
Und im Gegensatz zu dem, was wir gerne von Deutschen denken,
haben sie wirklich Humor und können über sich selbst lachen. Ich
kann deutsche Lesben viel leichter zum Lachen bringen als amerikanische. Und sie sind zuckersüß! Ich hatte bisher schon ein, zwei
Affären mit deutschen Lesben.
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*60-63 Musik DeLaria_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:36 Seite 63
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*64-65 L-Sounds _00 Inhalt Relaunch 18.08.15 11:02 Seite 64
MUSIK
L-SOUNDS
Naturgewalt
Peaches
Das erste Mal sah ich Peaches vor über zehn Jahren bei einer Untergrund-Vernissage. Sie sang, schrie, flüsterte im Stehen, sich über oder
unter dem Flügel wälzend. Ich war begeistert. Das zweite Mal stand
ich bei einem Festival in der dritten Reihe, während sie über die Bühne
tobte, einen Strip hinlegte, einen gepolsterten, hautfarbenen Ganzkörperanzug enthüllte und damit sämtlichen Körperkult verhöhnte.
Spätestens da war klar: Peaches ist mehr als eine Musikerin. Sie ist
eine Naturgewalt, die ihr Publikum überrollt, provoziert und keine
Sekunde lang zur Ruhe kommen lässt. Das gilt auch für „Rub“, ihr
erstes Album seit sechs Jahren. Dazu muss man sich nur die Trackliste
ansehen: „Dick in the Air“, „Vaginoplasty“, „Dumb Fuck“. Unterlegt
mit treibendem Technobeat, hyperaktiven Rhythmussprüngen, VocalExperimenten sowie mit einem Gastauftritt von Musikerkollegin und
ehemaliger Mitbewohnerin Leslie Feist, lotet Peaches nach
eigenen Angaben hier aus, „wofür der Name Peaches überhaupt
steht“. Und das lässt sich mit Worten nicht so einfach zusammenfassen. Also: Hören!
// sv
„Rub“ | U She/Indigo
www.peachesrocks.com
Auf der Suche
Sophie Auster
Die Amerikanerin Sophie Auster hat auf ihrem neuen Album „Dogs
and Men“ nichts falsch gemacht. Ihre Musik verbindet Pop-, Chansonund Countryelemente, gute Stimme, guter Sound. Was dabei rauskommt ist nicht schlecht, vielleicht sogar gut. Dennoch ist es insgesamt sehr glatt. Sie berührt nur mit wenigen Stücken. Vielleicht hat
sie ihren eigenen Stil noch nicht gefunden? Das ist sicherlich auch
nicht so einfach als Tochter des berühmten Literatenpaars Paul Auster
und Siri Hustvedt.
// Christine Müller
„Dogs and Men“ | Outloud Music Inc. / Sony Redl
www.sophieaustermusic.com
AUF
TOUR
Vertäumtes
Alte Bekannte
Malo
K’s Choice
Eine Latin-Jazz-Rock-Band aus San Francisco
nannte sich bereits in den 70ern Malo. Nun
kommt ein neues, vielmehr melancholisches
und zudem deutschsprachiges Duo mit
diesem Namen daher. Sie klingen nach Zweiraumwohnung und regen
zum Träumen an. Alines klare Stimme begleitet sie selbst mit ihrer
Gitarre. Untermalt werden die einprägsamen Melodien von Jutta am
Cello. Nach drei Jahren gemeinsamen musikalischen Schaffens
erscheint nun das erste Album „Wir warten woanders“ – genau die
richtige Musik für romatische Abende am Lagerfeuer oder Sonnenuntergänge am Meer.
//dm
„Wir warten woanders “ | Bandcamp
www.malo-music.bandcamp.com
Wer K’s Choice noch aus den 90ern kennt,
wird beim neusten Album „The Phantom
Cowboy“ das Gefühl haben, als sei eine alte
Freundin zu Besuch. Es spielt keine Rolle, wie
lange man sich nicht gesehen hat, denn es gibt noch immer diese alte
Vertrautheit. Trotzdem hat sich etwas geändert. Bei K’s Choice ist das
der Gitarrensound. Es muss ja auch nicht alles wie früher sein. Und
doch sind es die Stücke, in denen die Stimme von Sarah Bettens mehr
Raum hat, die zu den stärksten gehören. Sei es im bluesigen Titel-Song
oder bei „Bag Full of Concrete“ und „I was Wrong about Everything“,
in denen mehr Zwischentöne zu hören sind.
// Christine Müller
„The Phantom Cowboy“ | Wallaby Records
www.kschoice.com
64
L-MAG
*64-65 L-Sounds _00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:37 Seite 65
Melting Pot
Georgia
Die ehemalige Fußball-Spielerin Georgia Barnes bezeichnete ihre
musikalische Identität in einem Interview mit The Guardian als einen
„Melting-Pot“. Wahre Worte. Denn „Georgia“ ist eher eine Kompilation ungeheurer Fähigkeiten (auch die zur Abstraktion) als ein wirklich
zusammenhängendes Album. Das ist allerdings nicht negativ gemeint.
Selten versucht man, derart oft dahinterzukommen, an wen oder was
ein Song erinnert, wie hier. Der Vergleich mit The Knive drängt sich
schnell auf. Doch auch Ragga, Dub oder eher unbekanntere musikalische Inspirationen wie aus Pakistan oder Bali werden zu einem
fliegenden Synthie-Elektroteppich verwoben. Und all das in echter
Handarbeit, denn Georgia Barnes hat ganze zwei Jahre damit verbracht, sämtliche Songs selbst zu schreiben, zu instrumentalisieren
und in ihrem Homestudio einzuspielen. Ein wahnwitziges und
interessantes Projekt, mit dem die Drummerin der All-Women-Band
JUCE oder der Spoken-Word-Künstlerin und Rapperin Kate Tempest
beweist, was sie sonst noch so alles drauf hat.
// sv
„Georgia“ | Domino
www.georgiauk.com
Moderne Joni Mitchell
AUF
TOUR
Rückblick
Ane Brun
Wallis Bird
Ane Brun, in Schweden lebende, norwegische Singer- und Songwriterin, beschreibt
ihren Sound als „moderne Joni Mitchell“.
Wie die legendäre Musikerin und Malerin
begann auch Brun ihre musikalische Karriere verhältnismäßig spät.
Dann dauerte es noch fünf Jahre bis zum Debütalbum („Spending Time With Morgan“, 2003). Seitdem hat sie sechs weitere herausgebracht, die sich – ebenso wie „When I’m Free“ durch melodiöse Arrangements und ihre gefühlvolle Stimme auszeichnen, die nicht selten an
Kate Bush erinnert. Die manchmal schon hypnotischen Interpretationen ihrer Texte stehen dabei stets im Vordergrund, manchmal mit einem Hauch von Jazz, ihrer eigenen Version von Slow-Rap und ab und
an fast hymnisch. Ein Album zum Eintauchen und Lauschen.
// sv
„When I’m Free“ | V2
www.anebrun.com
Nach sieben Jahren, vier Alben und über 600
Auftritten kommt nun ein Live-Album der
umtriebigen Musikerin Wallis Bird auf den
Markt. Die ausgewogene Zusammenstellung
aus Konzertaufnahmen schlägt eine Kurve von Themen wie Abschied
und Verlust über das Loslassen bis hin zu persönlicher und emotionaler
Weiterentwicklung. Auch musikalisch ist das Album wunderbar
aufgebaut: langsamere, eher privatere Songs wie „You are mine“
wechseln sich ab mit temporeicheren wie „Traveling Bird“ oder
Crowdpleaser wie „Take me Home“ und „Hardley Hardley“. Die Interaktion mit Fans und ihre charmant vorgetragenen Anekdoten dazwischen erzeugen eine derartige Nähe, dass man nur die Augen schließen muss und schon hat man das Gefühl, live dabei zu sein.
// sv
YEAH – Wallis Bird 2007 – 2014“ | Kaiserlichkoeniglich / Bird Records
www.wallisbird.com
Fotos: Daria Marchik, Adrian Mesko, Laura Coulson, Paul-Wright
AUF
TOUR
L-MAG
Starke Gefühle
Mo Kenny
Sie erwischt einen sofort. Das macht Mo Kenney mit ihrer Stimme,
die unglaublich offen und ehrlich wirkt. Die Texte handeln von Natur,
Feldern, Regen und Sternen. Das wirkt keineswegs idyllisch-romantisierend, bilden die Naturbezüge doch die Grundlage für die Auslotung von Gefühlen. Es geht dabei viel um Beziehungen und deren
schmerzliches Ende. Trotzdem versinken ihre Songs nie in bodenloser
Traurigkeit. Musikalisch experimentiert die kanadische SingerSongwriterin bei jedem ihrer Stücke aufs Neue, sei es mit HammondOrgel oder mit der Begleitung durch eine komplette Band. So
entstand ein extrem kurzweiliges und vor allem starkes Album, bei
dem der Sound durch unterschiedliche Gefühlslandschaften trägt.
// Christine Müller
„In my Dreams“ | New Scotland Records
www.mokenney.com
65
*66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 66
DIGITALES LEBEN
Die Heldinnen
Digitale Spiele leben von einer zentralen Heldenfigur.
Doch nur selten sind diese weiblich und stark.
L-MAG stellt die Top-Five der starken Frauen in Games vor
Egal in welchem Medium, die porträtierten und uns vorgesetzten
Hauptfiguren sagen etwas darüber aus, was für eine Zielgruppe als
„normal“ betrachtet wird. Und ja, in der Game-Industrie gab es durchaus Spiele, in denen der „normale“ weiße, durchtrainierte, alleskönnende, heterosexuelle Heldentyp variierte. Weibliche Hauptfiguren
allerdings scheinen noch immer die Ausnahme der Regel zu sein –
oder eine sehr spezifische und beabsichtigte Wahl. Nicht selten steht
diesen Frauen ein männlicher Partner oder Mentor zur Seite oder sie
müssen wegen ihrer nicht gleichwertigen Fähigkeiten (vor allem
Kampf-Skills) letztendlich von einem Mann gerettet werden. Doch
beileibe nicht alle!
Texte: Simone Veenstra, Illustrationen: Tomec Weiss
66
L-MAG
*66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 67
Buffys beste Freundin
Willow Rosenberg
Aus dem Horror-Action-Game „Buffy the
Vampire Slayer: Chaos Bleeds“ (2003) entwickelt von Eurocom Entertainment für
Xbox, PS, Game Cube – eines der rund sechs
Spiele der Reihe „Buffy the Vampire Slayer“
(2000 – 2009).
Story: Die Scooby-Gang rund um Buffy muss
den großen Gegenspieler der Serie „The
First – Inkarnation allen Bösen“ und seine
meist untote Gefolgschaft actionreich wie eh
und je überwinden. Dabei hat jede der spielbaren Figuren ihre eigenen Fähigkeiten und
Schwächen.
Warum ist sie uns wichtig: Das vierte Spiel
der Reihe ist das erste, in dem nicht nur
Buffy als spielbare Figur zur Auswahl steht,
sondern unter anderem auch ihre Freundin
Willow, die Hexe, und etwas später im Verlauf Tara McClay, Willows Freundin. Schön
daran: Die Story ist zu einer Zeit angesiedelt,
zu der Willow und Tara ein glückliches Paar
sind, sprich: Hier gibt es nicht nur eine
lesbische spielbare Figur sondern gleich
zwei, die miteinander agieren können!
Was andere von ihr halten: „Buffy ist mehr
als nur eine Vampir-Serie. Vielfältig geht es
um feministische Bemächtigung“ (Rebecca
Roth auf www.supernaturaltelevision.blogspot.de)
Link: www.mobygames.com/game/buffythe-vampire-slayer-chaos-bleeds
Die Urmutter
Lara Croft
Aus der inzwischen über 20 Games beinhaltenden Reihe „Tomb
Raider“. Das erste Spiel wurde 1996 von Core Design entwickelt, die
aktuellsten 2015 von Crystal Dynamics: „Rise of the Tomb Raider“ für
PC, Xbox, PS und „Tomb Raider: Relic Run“ als mobiles Game für iOS
und Android.
Story: Die Archäologin Lara Croft kommt während eines mysteriösen
Auftrages einer Verschwörung epischen Ausmaßes auf die Spur
(Mythologisches trifft auf Genmanipulation) und kämpft sich durch
eine Armada aus Verfolgern und Gegenspielern. In Folge macht sie
sich auf die Suche nach weiteren archäologisch und mythologisch
bedeutsamen Artefakten und Geheimnissen.
Warum ist sie uns wichtig? Trotz der Vielzahl berechtigter Kritiken
über ihre Körperproportionen (die sich über die Jahre mehrfach
L-MAG
wandelten) ist und bleibt Lara Croft die weibliche (und coolere)
Version eines Indianer Jones. DIE Ikone im Bereich weibliche GameFiguren erblickte das Licht der Gameswelt zu einer Zeit, als Frauenfiguren noch mit der Lupe gesucht werden mussten, und sie ist nach 20
Jahren noch immer eine der bekanntesten weiblichen Game-Figuren
überhaupt (natürlich auch dank Angelina Jolie).
Was andere von ihr halten: „Ich persönlich erfreue mich sehr an dieser neu gestalteten und – ja, immer noch – sexy Kämpferin, die für
mich eine im Spielbereich bisher nicht gekannte Identifikationsfigur
ist. Sie ist cool, weiblich, sexy, unabhängig und stark. Und rettet dazu
noch eine andere Frau.“ (Ariane, L-MAG-Leserin)
Link: www.tombraider.de
67
*66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 68
DIGITALES LEBEN
Plötzlich weiblich
Samus Aran
Aus dem Action-Abenteuer „Metroid“. Die Reihe mit über zehn
Games wurde von Nintendo entwickelt. Erstmals erschien das Spiel
1986. Das aktuelle „Other M“ (2010) ist für die Wii. Diverse Spiele der
Reihe sind für Game Boy, DS und Wii zu erhalten.
Story: Samus wurde (als einzige Überlebende eines Angriffs von
Weltraumpiraten auf ihre Erdenkolonie) von Außerirdischen aufgezogen, die ihr einen Ganzköper-Schutzanzug schenkten. Zunächst
Mitglied der Galaktischen Förderung, arbeitet sie jedoch schon
schnell als Einzelkämpferin beziehungsweise Kopfgeldjägerin in den
Weltraumabenteuern rund um die Themen Macht, Gesellschaft und
Ökosysteme.
Warum ist sie uns wichtig: Dass unter Samus Anzug eine Frau steckte,
wurde erst ganz am Ende des ersten Spiels verraten und schlug in der
Gamer-Community von 1986 ein wie eine Bombe – wenn auch nicht
nur positiv. Der Clou: All jene männlichen Gamer, die sich nun
„betrogen“ fühlten, hatten bereits das gesamte Abenteuer mit Spaß
und Gewinn durchgespielt. Die wahre Frage also war: Was zum Donner
spielt das Geschlecht eurer Spielfigur eigentlich für eine Rolle? Ein
gelungener Kniff, egal ob Nintendo diesen von Anfang an plante oder
aber erst später in der Entwicklung als Jux einbaute.
Was andere von ihr halten: „Sie war das Berauschendste in meinem
jungen Gamerleben […] Ein bad-ass im Power-Suit.“ (Sara Clemens
auf www.unrealitymag.com)
Link: www.metroid.com
68
L-MAG
*66-69 Digitales Leben_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:38 Seite 69
Heimlich lesbisch
Oerba Yun Fang
Aus dem Fantasy-Rollenspiel „Final Fantasy XIII“ (2010) der vielteiligen Reihe „Final Fantasy“. Entwickelt von Square Enix für PS, Xbox,
PC, Android und iOS.
Story: Final Fantasy gelang es bereits mit dem ersten Spiel 1987 eine
düstere Märchenatmosphäre mit typischen Fantasy-Attributen
und -Aufgaben zu vereinen: In einer aus dem Ruder geratenen Welt
sind eine Handvoll Licht-Kämpfer die einzige Chance, die dunkle
Macht zu vertreiben. Zu diesen Auserwählten gehört im 13. Teil der
Saga auch Fang, die neben ihrem großen Ziel ebenso die Rettung
ihrer Freundin Vanille umtreibt.
Warum ist sie uns wichtig: Fang ist schlagfertig, tätowiert, weiß mit
Waffen umzugehen und will ihre Freundin Vanille retten. Glaubt man
den im Netz kursierenden Gerüchten, war sie ursprünglich als Mann
angelegt. Ihrer Beziehung mit Vanille verleiht dies ein zusätzlich
interessantes Motiv.
Was andere von ihr halten: „Alle wissen es, sie (Fang und Vanille,
Anm. der Red.) sind ein Paar. Nichts wird mich vom Gegenteil überzeugen. Egal wie verzwickt Square-Enix um dieses Thema herumtanzt!“ (Jaydra Dawn auf www.resonancefrequency.net)
Link: www.finalfantasy13game.com
Wie es uns gefällt
Commander Jane Shepart
Aus dem Sci-Fi-Action-Rollenspiel „Mass Effect“. Die Trilogie,
entwickelt von BioWare 2007 – 2012 für Xbox, PS, PC, Wii und SpinOffs als mobile Games für iOS und Android (ein Teil 4 ist offenbar in
Arbeit).
Story: Shepart, Commander des Raumschiffs „Normandy“ soll den
Frieden und das Gleichgewicht innerhalb der fünf Sektoren der Galaxie erhalten und gerät dabei an so manche (gerne außerirdische)
Bedrohungen. Neben dem jeweiligen Hauptgegner innerhalb der
Spiele wartet „Mass Effect“ auch mit sozialen Events auf: Partys,
Besuche in der Bar und romantische Abenteuer.
Warum ist sie uns wichtig: Das Spannende an Rollenspielen ist die
breite Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeit innerhalb gewisser
Regeln. Für Computerspiele oft zu aufwendig – da sämtliche Alternativen teuer entwickelt werden müssen – gilt es, sich bei „Mass Effekt“
eingangs zu entscheiden, ob die spielbare Hauptfigur männlich
(John) oder weiblich (Jane) sein soll. Beide haben dieselbe Aufgabe,
allerdings unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten im privaten
Bereich – zum Beispiel die nicht heterosexuelle romantische Option,
Jane eine Beziehung mit unter anderem Liara T’Soni eingehen zu lassen, einer strenggenommen „monogeschlechtlichen“ Figur, die jedoch
vom Äußeren her weibliche Züge trägt.
Was andere von ihr halten: „Eine Frau als Anführerin, vor allem innerhalb eines traditionellen männlichen Felds wie dem Militär, das ist
subversiv.“ (Myrna Waldron auf: www.btchflcks.com)
Link: http://masseffect.bioware.com/me1/
Besonderheiten: Geht es nach den „Lesbian Gamers“, dann darf
Schauspielerin Clea DuVall (bekannt als die süßeste Lesbe in Pink aus
„But I’m a Cheerleader“) die Hauptrolle in der womöglich anstehenden
Verfilmung des Games spielen.
L-MAG
*70-71 Buch Querverlag_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:39 Seite 70
BUCH
Ilona Bubeck und Jim Baker
machen seit 20 Jahren den Querverlag
Erfolg mit Einzigartigkeit
Der Querverlag wird 20. Er ist der einzige deutsche Verlag, der Literatur für Lesben und Schwule veröffentlicht
70
L-MAG
*70-71 Buch Querverlag_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:39 Seite 71
L-MAG
ARCHIV
L-MAG hat Sammlerwert
1995 haben Ilona Bubeck und Jim Baker den
Querverlag in Berlin gegründet. Im Sommer
feierten sie nun ihr 20-jähriges Jubiläum.
Ilona Bubeck und Jim Baker schauen auf
bewegte Jahre zurück, von der Anfangseuphorie bis zum heutigen Kampf ums Überleben, den sie wie viele andere Verlage auf
dem Buchmarkt führen müssen.
Die Verlagsbranche kränkelt, schwule Buchläden und Frauenbuchläden schließen
häufig, doch Ilona und Jim sind trotz aller
Widrigkeiten guter Dinge. Nach 20 Jahren
blicken sie stolz auf ihr Lebensprojekt zurück.
250 Bücher sind bislang im Querverlag
erschienen. Und im Herbst gibt es wieder
neuen Stoff: sechs Neuerscheinungen, darunter „RotZSchwul“ über die Schwulenbewegung der 70er Jahre sowie der Liebesroman „Ausgerechnet sie“ von Corinna
Waffender, die weit über die schwullesbische
Szene hinaus bekannt ist.
Foto: Sergio Vitale
Klassiker der Lesbenliteratur
Die bekannteste Autorin aus dem Verlag ist
Karen-Susan Fessel, deren Roman „Bilder
von ihr“ zum Klassiker der Lesbenliteratur
wurde. „Frauen, die zu mir an den Büchertisch kommen und dieses Buch wiederfinden,
haben manchmal Tränen in den Augen“, verrät Ilona. Die erste Auflage erschien 1996,
und Ilona empfiehlt diesen Klassiker noch
heute uneingeschränkt, insbesondere während oder nach dem Coming-out.
Themen wie Coming-out, Liebe und Beziehung, aber auch schwullesbische Geschichte
sind Schwerpunkte und gleichzeitig das
Alleinstellungsmerkmal des Querverlages,
denn in Deutschland ist er der einzige Verlag,
der Literatur für Schwule und Lesben gemeinsam herausbringt. „Wir gelten auf dem
Markt als Nischenverlag und das hat durchaus seine Vorteile“, weiß Verleger Jim Baker.
„Viele Verlage kämpfen, weil sie eben keine
Nische haben, mit der sie sich gegenüber der
Konkurrenz profilieren können.“
Während Ilona für den Verkauf der Publikationen zuständig ist, verantwortet Jim das
komplette Lektorat. Mittlerweile ist er auch
Experte in Sachen lesbische Literatur. „Für
mich hat das immer selbstverständlich dazugehört. Neugierig und offen bin ich eh.“ So
fällt es ihm nicht schwerer, lesbische Liebesszenen zu lesen und genauso kritisch zu
betrachten wie Szenen aus Science-FictionRomanen. Hauptsache authentisch und „bloß
L-MAG
keine Lesben- oder Schwulenfantasien von
Heterosexuellen“, betont er. Weder Autorinnen
oder Autoren noch die Themen müssen
zwangsläufig schwul, lesbisch oder queer
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n
Das Magazin für Lesbe
MAG
„Lesbische Literatur ist
nicht schwieriger
als Science-Fiction“
KU LT SP
www.l-mag.de | Juli / August 2015
DEUTSCHLAND DISKUTIERT
FRAUEN MIT MEINUNG
OR T
R
ROLLEBY
DER
sein. Worauf die beiden jedoch Wert legen
ist, dass Klischees von Homosexuellen
sprachlich zu Hause bleiben, von Homophobie
oder Fremdenfeindlichkeit ganz zu schweigen.
So kam es in der Vergangenheit auch schon
zum Bruch mit Autoren. Bei Mainstreamverlagen geschieht es immer wieder, dass
Autoren und Autorinnen, nicht so sein
können, wie sie eben sind. Das trifft aber
nicht auf den Querverlag zu. „Bei uns soll
und muss sich niemand verbiegen“, stellt Jim
klar.
POLITIK ODER PART Y?
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Das Magazin für Lesben
MAG
4/15
www.l-mag.de | Mai / Juni 2015
AUFBRUCHSTIMMUNG
Bereit für Dyke
March und CSD?
SENSATION IN BERLIN
Mega-Ausstellung
zur Homo-Geschichte
Lieblingsspielerinnen
im L-MAG-Interview:
Nadine Angerer
Nilla Fischer
COMING-OUT DER CHAMPIONS
Alles zur WM in Kanada: Fußball, Frauen, Fans
3/15
2/15
1/15
6/14
5/14
4/14
3/14
2/14
1/14
Neue Themen für die Community
In den 20 Jahren ihres Bestehens habe sich
auch inhaltlich einiges verändert. Heute sind
Bücher über das Coming-out oder klassische
Beziehungsthemen weniger relevant und
nachgefragt. Dafür sind nun LGBT -Themen
im weitesten Sinne im Kommen. Das beinhaltet auch schwierige Inhalte wie Alzheimer,
Alter oder Flüchtlinge. Das Standardwerk
zum Thema Regenbogenfamilien von
Stephanie Gerlach ist natürlich auch im
Querverlag erschienen und verkauft sich
besonders gut. Und auch Autorinnen und
Autoren aus dem Special Media Verlag (in
dem L-MAG erscheint), wie Karin Schupp,
Egbert Hörmann, Axel Schock, Stephanie
Kuhnen und Manuela Kay haben in den vergangen Jahren Bücher im Querverlag veröffentlicht.
Neben den besagten Neuerscheinungen im
Herbst hat der Querverlag für sein Jubiläum
einen Blog angelegt, auf dem Autoren und
Autorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auch ehemalige, über ihre
Arbeit mit dem Querverlag berichten.
// Ruth Wolter
www.querverlag.de
www.quer20.wordpress.com
B E S T E L LC O U P O N
Coupon und 5,- Euro in bar (nur Inland) für zwei Hefte senden an:
Special Media SDL GmbH, Ritterstraße 3, 10969 Berlin
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5,- Euro für jeweils zwei Hefte habe ich beigelegt
Auslandsbestellung: 5,- Euro Portokosten habe ich beigelegt
71
71
*72-73 Buch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:40 Seite 72
BUCH
Unerschütterliche Liebe in Zeiten des Terrors
Die Geschichte der Tänzerinnen Martha Halusa und Margo Liu
Die Geschichte der Lesben im „Dritten Reich“
ist ein relativ unerforschtes Thema, der
Forschungsbedarf ist groß und die entsprechenden Quellen haben viele Lücken
und Tücken. Obwohl weibliche Homosexualität nicht unter den berüchtigten
Paragrafen 175 fiel, waren Lesben als
„Asoziale“ doch zahlreichen Repressionen
ausgesetzt. Ingeborg Boxhammer dokumentiert in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ den
Lebens- und Leidensweg (einschließlich der
beiden Familiengeschichten) der Varietétänzerinnen Marta Halusa und Margot Liu
(geborene Holzmann), deren lebenslange
Liebe 1932 in Hamburg begann. Das Problem:
Margot ist „Volljüdin“. Aus komplexen
Gründen kommt es nicht zur Flucht aus dem
Deutschen Reich, ab 1941 ist eine Ausreise
dann unmöglich. Die beiden Frauen geraten
immer mehr in die Mühlen des NS-Regimes.
Besonders zwischen 1938 und 1945 werden
sie nonstop denunziert, von Kriminalpolizei
und Gestapo inhaftiert, drangsaliert, verhört,
gefoltert und als Prostituierte geächtet. Ab
1943 betätigen sie sich im Widerstand und
halten sich bis Kriegsende versteckt. 1949
emigrieren sie nach England, kämpfen
unermüdlich weiter, auch um die Anerkennung als Faschismusopfer und um
„Entschädigungsleistungen“. Ihre letzte
gemeinsame Ruhestätte haben „Mocky“ und
„Peter“ auf dem Londoner EdgwareburyFriedhof gefunden. Ein bewegendes,
erhebendes, Mut machendes, luzides Hohelied auf unerschütterliche Liebe und Solidarität in Zeiten des Terrors.
Ingeborg Boxhammer:
„Marta Halusa und
Margot Liu – die
lebenslange Liebe
zweier Tänzerinnen“
Hentrich & Hentrich,
91 Seiten,
9,90 Euro
// Egbert Hörmann
Erfrischende Sicht auf junge Mädchen
„Was in den Schatten ruht“ und„Du stirbst in meinem Herzen nicht“
Zwei erfolgreiche lesbische Autorinnen
schreiben je ein Jugendbuch mit HeteroInhalt – geht das zusammen? Auf jeden Fall!
Erstens, weil es sich bei den Autorinnen
Karen-Susan Fessel und Simone Veenstra um
zwei der Besten ihres Fachs handelt: Fessel
hat sich mit Romanen wie „Bilder von ihr“
und „Bis ich sie finde“ ins lesbische Gedächtnis
gebrannt, und Veenstra ist Verlegerin, Drehbuchautorin und ehemalige L-MAGRedakteurin. Zweitens sind die Geschichten
fantastisch geschrieben und sehr gut zu
lesen. Und drittens ist es so herzerfrischend,
auf zwei junge, starke Mädchen zu treffen,
die sich abseits jedweder Genderstereotype
bewegen. Zudem setzten sich beide Bücher
mit einem Thema auseinander, für das man
nie zu alt ist: der Tod.
In Fessels Roman wird Marla zum gefühlt
tausendsten Mal von ihren Eltern an einen
See zum Wakeboarden geschleppt. Ihr geht
das alles auf die Nerven – typisch Teenager.
Doch das ist nur der vermeintliche Grund:
Der Verlust ihrer Schwester hat nicht nur
72
Marla schwer zugesetzt, er belastet die
Familie so stark, dass ihre Eltern kurz vor der
Scheidung stehen. Darüber hinaus passieren
seltsame Dinge im Ferienort, die das Jugendbuch zu einem echten Krimi werden lassen.
In die Auflösung verwebt Fessel ein weiteres
tiefschürfendes Thema, das an dieser Stelle
aber natürlich nicht verraten werden soll.
Auch Simone Veenstras 18-jährige Protagonistin Mara scheint oberflächlich einfach
postpubertär genervt. Dabei ist ihr Vater vor
einem Jahr bei einem Busunglück ums Leben
gekommen. Er saß am Steuer und ihm wird
die Schuld für den Unfall in die Schuhe geschoben. Doch Mara weiß, dass daran etwas
faul ist. Gemeinsam mit Jonah stellt sie
Nachforschungen an und beginnt damit, an
der so scheinbar glücklichen Oberfläche der
Dorfgemeinschaft zu kratzen. Herrlich, wie
Veenstra hier das klischeehafte Dorfleben seziert. Fazit: Zwei fantastische Autorinnen,
zwei fantastische Bücher, für die man nie zu
alt ist.
// Sabine Mahler
,
Karen-Susan Fessel:
„Was in den Schatten
ruht“
Kosmos,
240 Seiten,
12,99 Euro
Simone Veenstra:
„Herzblut: Du stirbst
in meinem Herzen
nicht“
Kosmos,
256 Seiten,
12,99 Euro
L-MAG
*72-73 Buch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:40 Seite 73
Unterhaltsamer LGBT-Ratgeber
Hilfe beim Coming-out ohne Bienchen-Blümchen-Rhetorik
Aufklärungsbücher sind allzu oft leider
trocken und langweilig oder lächerlich und
belehrend. James Dawsons Buch für junge
LGBT will nichts von alledem sein. Aus seiner
eigenen Erfahrung als schwuler Mann und
Lehrer spricht er die Themen an, die junge
Lesben, Schwule, Bi und Transgender
beschäftigen.
Neben Coming-out und Klischees oder ernsten
Themen wie HIV und Homophobie geht es
auch um Sex. Doch aseptisch anmutendes
medizinisches Vokabular oder verschämte
Bienchen-Blümchen-Rhetorik sucht man hier
vergebens. Erfrischend unverkrampft und
ohne erhobenen Zeigefinger nennt Dawson
die Dinge beim Namen. Dabei nimmt der
Autor weder sich selbst noch seine Themen
zu ernst. Egal, ob bei Szene, Dating, Liebe
oder Beziehung – (Selbst-)Ironie und Humor
sind immer mit dabei.
Neben Fakten und Infos finden sich im Buch
auch zahlreiche Erfahrungsberichte, die der
Autor in einer Umfrage mit 300 LGBT in
verschiedenen Ländern der Welt gesammelt
hat. Er presst junge Lesben, Schwule und
Transgender nicht in irgendeine lesbisch-
schwule Schablone, sondern zeigt ihnen
Möglichkeiten auf, ihre Identität zu definieren
und Sexualität zu leben. „How to Be Gay“
richtet sich übrigens auch an Hetero-Jugendliche und ist sogar für Eltern geeignet. Ein
unterhaltsamer und wirklich gelungener Ratgeber!
// Claudia Lindner
STIEG LARSSONS
SALANDER & BLOMKVIST
SIND ZURÜCK
James Dawson:
„How to Be Gay.
Alles über Comingout, Sex, Gender
und Liebe “
Fischer Kinder- und
Jugendtaschenbuch,
304 Seiten,
9,99 Euro
€ 22,99 [D] · ISBN 978-3-453-26962-0
Erhältlich auch als E-Book und
als Hörbuch, gelesen von Dietmar Bär
Über Kinder, Küche und Kapitalismus
Wer in den letzten Jahren die Diskussionen
um Frauenquoten, bessere Kitaversorgung
oder Elterngeld und die teilweise daraus
resultierenden staatlichen Frauenförderungsmaßnahmen verfolgt hat, könnte fast
vermuten, die deutsche Regierung habe sich
aus reiner Menschenfreundlichkeit die
Gleichstellung der Geschlechter auf die
Fahnen geschrieben. Lilly Lent und Andrea
Trumann zeigen in dem kleinen Bändchen
„Kritik des Staatsfeminismus“ die Kehrseite
dieser Form des neoliberalen „Staatsfeminismus“ auf und entlarven frauen- und familienpolitische Maßnahmen als Teil von Disziplinierungsinstitutionen, die primär darauf
abzielen, Frauen und Mütter möglichst
schnell (wieder) dem Arbeitsmarkt zuzuführen. In sechs kurzen Kapiteln analysieren sie
Mutterideologien, die Geschichte der „isolierten Kleinfamilie“, die Zwickmühle, Beruf
und Familie vereinbaren zu müssen oder die
kapitalistische Instrumentalisierung älterer
differenzfeministischer Ideen.
Insgesamt ein guter und sehr zugänglicher
L-MAG
Einstieg in kritische Perspektiven auf aktuellen
„Staatsfeminismus“, wenngleich das Kapitel
mit den Lösungsansätzen etwas vage ausgefallen ist. Auch wenn durch die stellenweise
recht enge marxistische Rahmung, intersektionalere Perspektiven oder lesbische Familienkonstellationen zu kurz kommen, ein
durchaus lesenswertes Bändchen.
//Katrin Kämpf
Lilly Lent, Andrea
Trumann: „Kritik
des Staatsfeminismus – Oder: Kinder,
Küche,
Kapitalismus“
Bertz und Fischer,
120 Seiten,
7,90 Euro
DAVID LAGERCRANTZ
schreibt die große
Millennium-Saga fort
LESUNGEN VON
DAVID LAGERCRANTZ:
20.9. – Hamburg, Harbour Front
Literaturfestival
21.9. – Berlin, Thalia Buchhandlung
im Kriminaltheater
22.9. – Köln, Crime Cologne
heyne.de/millennium
© Magnus Liam Karlsson
Arbeitsmarkt-Feminismus
*74-75 Reise Irland_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:41 Seite 74
REISE
Volksentscheid macht sexy
Beeindruckende Landschaften, gemütliche Pubs und eine lebendige Queerszene.
Seit dem Volksentscheid zur Einführung der Homo-Ehe ist Irland total angesagt
Romantische Seen, Wasserfälle und Moorgebiete kann man im Nationalpark Wicklow Mountains genießen
Ausgelassene Menschen, laute Partymusik,
unzählige Regenbogenflaggen: Mehr als
70.000 Menschen nahmen Ende Juni mit
euphorischer Stimmung am CSD in Dublin
teil, so viele wie nie zuvor. Das Zentrum der
irischen Hauptstadt verwandelte sich zu
einer großen Partymeile. Irlands Lesben und
Schwule feierten den gewonnenen Volksentscheid zur Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Irland ist das erste Land, das seine Bevölkerung über diese Frage per Referendum
74
abstimmen ließ. Und damit nicht genug: Mitte
Juli ging das irische Parlament noch einen
Schritt weiter und verabschiedete ein Gesetz,
das es transsexuellen Menschen ab 18 Jahren
ermöglicht, ihr Geschlecht selbst festzulegen.
Dafür ist nun kein ärztliches Attest oder psychologisches Gutachten mehr erforderlich,
wie es in den meisten anderen europäischen
Ländern verlangt wird. Irland ist nach Dänemark und Malta nun das dritte Land
Europas, das ein solches Gesetz einführt.
Pauline O’Callaghan ist froh über die
positiven Entwicklungen im Land. Sie
stammt aus dem Südwesten Irlands und hatte
mit ihrem Coming-out viele Jahre Schwierigkeiten. „In meiner kleinen Heimatstadt war
es undenkbar, offen lesbisch zu sein“, sagt
die 28-Jährige, die heute in Dublin lebt. „Ich
habe mir erst vor fünf Jahren eingestanden,
dass ich auf Frauen stehe. Künftige Generationen von Lesben und Schwulen werden es
von nun an leichter haben.“
Pauline glaubt, am Tag des Referendums sei
es schon Stunden vor der Bekanntgabe des
L-MAG
*74-75 Reise Irland_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:41 Seite 75
Hier steht der Name
Pauline O’Callaghan
Nationalpark Wicklow Mountains in der Nähe von Dublin
Abstimmungsergebnisses klar gewesen, dass
die Befürworter gewinnen werden. „Im
ganzen Land herrschte eine solche Aufbruchstimmung – es war einfach klar, dass sich von
diesem Tag an einiges verändern wird.“
Partystimmung in allen Gay-Bars
Das offizielle Ergebnis der Stimmauszählung
feierte Pauline mit Freundinnen und Freunden in der Szenebar The Front Lounge im
Stadtzentrum Dublins. Der Laden war wie
alle anderen Gay-Bars gerammelt voll. Ob in
der Panti Bar, im George oder im Dragon –
überall zelebrierten Lesben und Schwule
gemeinsam dieses historische Abstimmungsergebnis. „Nie zuvor hatte ich eine derart
ausgelassene Atmosphäre erlebt“, erzählt
Pauline rückblickend. „Es war ein Freudentaumel, den ich so schnell nicht vergessen
werde.
Auch an gewöhnlichen Tagen feiern Dublins
Lesben und Schwule gemeinsam. Eine getrennte Szene gibt es kaum. Der größte und
älteste Club ist das George, das sich wie alle
Läden direkt in der Innenstadt befindet. Hier
ist immer etwas los und das an allen Abenden
der Woche, wobei unterschiedliche Partyreihen angeboten werden. Das Publikum ist
meist jung, mehrheitlich unter 30.
Ebenfalls in der City beheimatet, aber auf der
anderen Seite des Liffey-Flusses, befindet
sich Dublins „zweiter“ Gayclub, das Mother.
Auch hier ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen recht ausgewogen. Gespielt
wird Synthiepop aus den 80ern und aktuelle
Electromusik. Geöffnet ist nur samstags.
In Irland einzigartig ist die Partyreihe „Crush
Girlclub“, die einmal monatlich im Lafayette
Club stattfindet. Hier sind Lesben ganz unter
sich, entsprechend ausgelassen ist die
L-MAG
Stimmung. Die Musik ist abwechslungsreich,
das Alter der feierfreudigen Besucherinnen
durchmischt.
Pauline O’Callaghan lebt seit zehn Jahren in
Dublin und arbeitet als wissenschaftliche
Mitarbeiterin an einer Universität. In der
Hauptstadt fühlt sie sich sichtlich wohl.
Besucherinnen und Besuchern zeigt sie gerne
das berühmte Dubliner Viertel Temple Bar
mit dem noch bekannteren gleichnamigen
Kult-Pub sowie den vielen kleinen Kunstgeschäften, Galerien und Restaurants. Auch
die Universität Trinity College darf bei einer
Sightseeingtour nicht fehlen. Hier befindet
sich die langgezogene holzgewölbte Halle
der Alten Bibliothek, die aus dem 18. Jahrhundert stammt und zu den bekanntesten
Sehenswürdigkeiten Dublins zählt. Wesentlich moderner kommt das neueste Wahrzeichen der irischen Hauptstadt daher: die
2003 errichtete Skulptur „The Spire“,
offiziell „Monument of Light“ genannt
(„Denkmal des Lichts“). Diese mehr als 100
Meter hohe Edelstahlnadel steht in der Mitte
der O’Connell Street, Dublins Hauptverkehrsstraße.
U2 und Enya wohnen in der Nähe
Pauline zeigt Gästen auch gerne das
idyllische Umland Dublins. Mit der Lokalbahn DART schnell erreichbar ist die
beschauliche Stadt Dalkey. Mit ihren engen,
geschwungenen Straßen, der malerischen
Lage direkt am Meer und den vielen anmutigen Villen wirkt der Küstenort fast mediterran. Promis wie Bono von U2 und New-AgeMusikerin Enya wohnen hier. Der Pub
The Club im Zentrum Dalkeys zählt mit
seinem stilvoll holzvertäfelten Interieur zu
den schönsten in ganz Irland.
Die beschauliche Stadt Dalkey, Heimat von
Popgrößen wie Enya und U2-Sänger Bono
Natur umrahmt die Großstadt
Unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt
liegt auch der Nationalpark Wicklow
Mountains. Üppige Wälder, tiefe Schluchten
und für irische Verhältnisse hohe Berge
machen den Reiz der eindrucksvollen Naturlandschaft aus. „Wenn mich Freunde
besuchen, zeige ich ihnen immer die Military
Road“, erzählt Pauline. Die Briten bauten
diese Straße durch die Wicklow Mountains,
um nach dem Aufstand von 1798 die
Zufluchtsstätten der irischen Rebellen zu
finden. Die Straße führt durch eine bergige
und zerklüftete Gegend – vorbei an Moorgebieten, Wasserfällen und romantische Seen.
Paulines Lieblingsstadt ist das mittelalterliche
Kilkenny – berühmt für seine vielen Brauereien. Entsprechend viele Pubs gibt es in der
20.000-Einwohner-Stadt. Im Ortskern gibt es
gut 100 Kneipen, in den meisten
davon finden jeden Abend Live-Gigs statt.
„Das mittelalterliche Zentrum Kilkennys mit
den vielen alten Gebäuden und den engen
Gassen sollte jeder Irland-Tourist gesehen
haben“, behauptet Pauline. „Kilkenny ist
zwar eine traditionelle Stadt und dementsprechend konservativ. Doch ich habe
gehört, dass sie auch hier einen kleinen CSD
planen.“
// Text und Foto Stephan Lücke
www.crushgirlclub.com
www.thefrontlounge.ie
www.thegeorge.ie
www.motherclub.ie
www.theclubdalkey.com
*76-77 Heim & Herd_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:42 Seite 76
HEIM & HERD
In der Backstube von
Cibaria: Backen ohne
Gärstabilisatoren
oder enzymhaltiges
Mehl bedeutet mehr
Arbeitsaufwand aber
auch gutes Bio-Brot
Leidenschaftlich ökologisch
In Münster wird in der Vollkornbäckerei Cibaria bereits seit 25 Jahren bio gebacken.
L-MAG schnupperte in die gute Backstube
„Natürlich wurden wir am Anfang nicht ernst
genommen.“ Am Anfang – das war im April
1990, als die heute 59-Jährige Rike Kappler
mit einer Freundin die Cibaria GmbH
gründete und ihre damals noch recht kleine
Bäckerei in der Bremer Straße in Münster
eröffnete. „In anderen Läden haben sie täglich darauf gewartet, dass wir wieder dichtmachen“, erzählt Rike von damals. Aber
genau das haben sie nicht. Stattdessen wuchs
das lesbische Unternehmen, in dem am
Anfang nur vier Frauen gearbeitet haben.
Die Geschichte hatte allerdings einige Jahre
Vorlauf: Das Backen hatten sich die Gründerinnen selbst in ihrer WG beigebracht und
76
die Idee in der Szene und im Frauenzentrum
bekannt gemacht – und das kam an. Dabei
entstand schließlich das Vorhaben einer richtigen Bäckerei. „Wir wollten unseren Lebensunterhalt damit verdienen und Arbeitsplätze
für Frauen schaffen“, so Rike. Mit Erfolg,
denn heute arbeiten bei Cibaria in Produktion und Verkauf insgesamt 34 Frauen – und
sieben Männer.
Rike und ihre Mitgründerin verzichteten
allerdings darauf, den Betrieb als „Frauenvollkornbäckerei“ ins Handelsregister einzutragen. „Das klang so, als könnten bei uns
keine Männer einkaufen“. Doch Cibaria war
im konservativen Münster von Anfang an als
Unternehmen von Lesben sichtbar, so dass
Kundeninnen bei der Hochzeit einer ihrer
Bäckerinnen mit einem Mann erstaunt reagierten. Rike erinnert sich schmunzelnd: „Die
dachten, bei uns müssten alle lesbisch sein.“
Zunächst haben immer wieder Quereinsteigerinnen bei Cibaria gebacken, die hauptsächlich aus der Community und über Mundpropaganda in die Bäckerei kamen. „Die
konnten nach etwas Einarbeitung in der
Backstube dann selbstständig den Teig
machen oder am Ofen arbeiten“, erinnert
sich Rike.
Doch mittlerweile backt das Cibaria-Team
nicht nur für den eigenen Laden, sondern
L-MAG
*76-77 Heim & Herd_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:42 Seite 77
FRÜCHTEBROT
Zutaten:
100 g Mandeln, braun, ganz,
100 g Aprikosen, 150 g Sultaninen,
100 g Pflaumen, 100 g Datteln,
100 g Feigen (alles getrocknet),
200 g Dinkelvollkornmehl,
125 ml Wasser (ca. 20 °C),
20 g Hefe, 1 Prise Salz, 1 Prise Zimt,
Messerspitze Nelke, Mandelstifte (für die Deko)
Rike Kappler, Mitbegründerin
und heute Geschäftsführerin
von Cibaria in Münster
Fotos: Ralf Emmerich(2), Birgit Depenbrock
Das Früchtebrot von Cibaria.
Rezept zum Nachbacken im Kasten rechts
auch für unzähligen Stände auf Wochenmärkten und beliefert Bioläden, Cafés und
Kantinen. So mussten die Arbeitsabläufe
rationeller werden, was nur mit gelernten
Fachkräften geht. Und schließlich backt
Cibaria eben ausschließlich Bio-Brot. „Wir verwenden keine Gärstabilisatoren oder enzymhaltiges Mehl wie in der konventionellen Bäckerei“, betont Rike. „Das bedeutet mehr
Arbeitsaufwand, weil man eben viel präziser
sein muss.“
Das Wichtigste ist für sie jedoch die Leidenschaft für das Backen und die Arbeit am
Ofen. „Da zieht man am Ende Schlag auf
Schlag Brote heraus, die gut aussehen und
toll duften. Das ist eine total befriedigende
Arbeit,“ schwärmt die Geschäftsführerin.
Dennoch hat sich Rike, die in einer festen Beziehung lebt, nach 15 Jahren als Bäckerin
und Geschäftsführerin entschlossen, sich
ganz auf die Geschäftsführung zu konzentrieren, was mehr denn je ein Vollzeitjob ist:
„Du kommst frühmorgens, gehst abends, und
L-MAG
Zubereitung :
Ganze Mandeln bei milder Hitze rösten, bis sie
duften. Dann Trockenfrüchte (Stückgröße ca. 1,5
cm – ggf. klein schneiden) einmal kurz in heißes
Wasser legen, sofort wieder abgießen. Zuerst den
Vorteig herstellen: Mehl, Wasser und Hefe leicht zu
einem Teig kneten. Zirka 15 bis 20 Minuten gehen
lassen. Danach Salz und Gewürze zugeben und
Teig herstellen. Den Teig wieder etwas gehen
lassen. Trockenfrüchte gut untermischen und zu
einem Laib formen. Diesen in Mandelstiften
wälzen oder mit ganzen blanchierten Mandeln
verzieren. In eine gefettete Form geben und nochmals etwas gehen lassen.
Bei 180 °C zirka 50 Minuten backen. Gegebenenfalls nach der Hälfte der Zeit mit Papier abdecken,
damit die Oberfläche nicht zu dunkel wird.
Am besten einfach mit Butter genießen!
trotzdem ist der Schreibtisch immer voll mit
Arbeit.“
Der Erfolg von Cibaria ist zwar eng verknüpft
mit dem Trend zu Bio-Lebensmitteln, aber
tatsächlich war Cibaria immer schon „bio“,
auch als es das Label noch gar nicht gab.
„Damals hat niemand damit Werbung
gemacht“, erinnert sich Rike. Doch „Bio“ wurde zum Food-Trend, wovon auch Cibaria
profitierte. „Gerade nach der BSE-Krise von
2001 ist die Nachfrage geradezu explodiert“.
Auch die Produkte von Cibaria haben sich
dementsprechend immer weiter entwickelt.
Mit Dinkel wurde hier seit jeher viel gebacken. Ebenfalls waren einige Produkte
schon immer vegan. Nur wird es mittlerweile
als solches auch deklariert. Andere Dinge
werden bewusst umgestellt.
Rike selbst bevorzugt die einfachen Dinge:
„Ich mag unser französisches Baguette oder
auch das Roggenbrot mit Kümmel. Genial.
Einfach mit Butter oder Schinken – ich bin ja
keine Vegetarierin“, lacht sie.
Die Sichtbarkeit als Lesbe ist für Rike heute
viel selbstverständlicher als noch 1990. Ein
Coming-out am Arbeitsplatz sei damals noch
ein Riesenthema gewesen. Für sie allerdings
eher weniger, hatte sie doch schon vorher
fünf Jahre offen lesbisch im Kollektiv des
Frauenbuchladens mitgearbeitet. „Da bin ich
mit 21 Jahren hingekommen und hatte auch
durch das Frauenzentrum schon immer ein
Umfeld, in dem Lesbischsein total normal
war.“ Ebenso wie im Betrieb, den heute drei
Bäckermeisterinnen und zwei Bäckermeister
leiten.
Der Name „Cibaria“ kommt übrigens aus dem
Lateinischen und bedeutet Mundvorrat oder
Proviant. „Ich wollte keine Namen wie ,Brotgarten‘, ,Pusteblume‘ oder ,Brotladen‘“,
erläutert Rike, „und ,Cibaria‘ klingt weiblich,
das gefiel mir!“
// Claudia Lindner
www.cibaria.de
77
*78-79 Erotik Sextest Pornos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:43 Seite 78
EROTIK
Schatz, wir müssen reden!
Sexfilme mit Story liegen im Trend, ein bisschen Handlung oder witzige Dialoge erhöhen die
Vorfreude. L-MAG testet das Masturbationspotenzial von Pornos mit Langzeit-Vorspiel
Groupie-Sex
Noch mehr Pussys
Jessi Eaton (Syd Blakovich) arbeitet an ihrer Kampfsport-Karriere und
genießt das Leben und insbesondere die Frauen in vollen Zügen. Sie
hat One-Night-Stands mit Groupies und öfter mal Sex mit ihrer hinreißenden Ex Cathy (Jiz Lee). Ihre Karrierebestrebungen haben allerdings ihren Preis: Ihre Managerin wünscht sich eine heterokompatible,
möglichst feminine Kämpferin. Jessi darf also auf keinen Fall out sein
und bestenfalls im braven Kleidchen zu Fotoshootings antanzen. Als vor
dem Entscheidungskampf mit der schönen Boxerin Violet ihr Erzfeind
Bobby versucht, sie zu erpressen, muss Jessi sich entscheiden.
Fazit: Schöner Jock-Porno von Shine Louise Houston, der mit einem
Feminist Porn Award ausgezeichnet wurde.
Masturbationspotenzial: Die ausgedehnten, mal eher roughen,
mal eher soften Sexszenen werden insbesondere Freundinnen der
langsamen Masturbation in Ekstase versetzen.
Wendy Delorme, Mad Kate, Sadie Lune, Metzgerei, Madison Young
und Judy Minx ziehen mit ihrer queer-feministischen Pornoshow
durchs europäische Großstadtnachtleben und erweisen sich als großartige Enkelinnen von Annie Sprinkle und Co. „Much More Pussy“ ist
die Hardcore-Fassung des Films „Too Much Pussy“ und bietet in der
Tat genau das: Mehr Sex, mehr Hardcore und noch mehr Glitzer. Der
Film von Émilie Jouvet ist ein Dokuporno, der Ausschnitte aus der
Bühnenshow „Queer X“ zeigt und nebenbei sowohl Backstage-Sex wie
auch intimere Momente zwischen den Darstellerinnen dokumentiert.
Fazit: Eine Mischung aus Porno und queerfeministischem, sexpositiven Feel-Good-Movie. Nichts für solche, die nur auf soften mainstreamingen Zwei-Personen-Sex stehen.
Masturbationspotenzial: Hoch! Orgien, Pinkelszenen, Drag,
Dildoblowjobs, Fisting und Abseitiges sowie wunderbare Protagonistinnen dürften wenig Wünsche offen lassen.
HIGHLIGHTS: Die ausnahmslos äußerst attraktiven Darstellerinnen, die amüsanterweise alle denselben Friseur
zu besuchen scheinen, und die sexy Kampfszenen.
Champion: Love Hurts (2009)
Regie: Shine Louise Houston
Produktion: Pink and White Production / Blowfish
Bezugsquelle: www.sexclusivitaeten.net
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HIGHLIGHTS: Glitzersex mit feministischen, sexpositiven
Konversationen.
Much More Pussy (2010)
Regie: Émilie Jouvet
Produktion: Émilie Jouvet, Jürgen Brüning, Jean-Pierre Zirn
Bezugsquelle: www.emiliejouvet.com
L-MAG
*78-79 Erotik Sextest Pornos_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:43 Seite 79
Therapie-Gefahr
Während der Sex zwischen Dylan (Lil Harlow) und Claudia (Papi
Coxx) ebenso abenteuerlich wie überwältigend ist, läuft in der Beziehung nicht alles ganz rund: Claudia sehnt sich nach Liebe und Zweisamkeit, Dylan genießt ihre Freiheit und ihre Dreier mit bester Freundin und anderen Gespielinnen. So lässt schließlich Regisseurin Cheryl
Dunye Claudia frustriert in die Wunderwelt eines queeren Berliner
Sexclubs eintauchen, wo sie sich auf der Suche nach Ablenkung in
den attraktiven Claude verwandelt. Als sich zu allem Überfluss auch
noch Dylans Mutter (Maggie Tapert) zu einem Besuch anmeldet, ist
das Chaos perfekt, denn auch sie ist auf der Suche nach Abenteuern
und fängt ausgerechnet eine Affäre mit Claude an …
Fazit: Schöner Genderbender-Slapstick-Porno, an dessen Drehbuch
neben Dunye auch die legendäre Sarah Schulman (Interview in L-MAG
Juli/August) mitschrieb.
Masturbationspotential: Groß! In der letzten Szene empfiehlt es
sich allerdings, die Nummer einer Psychoanalytikerin des Vertrauens
parat zu haben.
HIGHLIGHT: Die ganz wunderbaren „Airport“-Zitate in
den Sexclubszenen.
Mommy is Coming (2012)
Regie: Cheryl Dunye
Produktion: Cheryl Dunye, Jürgen Brüning
Bezugsquelle: www.tlareleasing.com
konkursbuch Verlag Claudia Gehrke
Zombies im Rausch
Was passiert mit einem echten Zombie in einer spätkapitalistischen
Gesellschaft, in der die Figur des Zombies als ultimative Metapher für
so ziemlich alles gilt, was in der Welt schief läuft? Frisch von den
Toten auferstanden landet der schwule Zombie Otto in Berlin und
trifft dort auf die lesbische Underground-Filmemacherin Medea Yarn.
Medea, ihre Freundin Hella Bent und ihre Filmcrew arbeiten gerade
an einem Polit-Horrorfilm über eine antikapitalistische schwule Zombierevolution und da kommt Otto natürlich gerade recht.
Fazit: Wenn der Urvater des queeren Polit-Pornos, Bruce LaBruce,
sich ans Horror-Genre wagt, kann das nur ein herrlich widerlicher
Spaß werden: Pornosatire mit Zombieorgien, Splattersex, blutigen
Eingeweiden und einem süßen Protagonisten, der – zu Lebzeiten
Vegetarier – noch mit seiner neuen Rolle als fleischfressender Zombie
hadert.
Masturbationspotenzial: Wer auf softe schwule Sexszenen mit
Splattereinlagen steht, wird sich vergnügen, ansonsten primär für die
nekrophilen Gorefetischistinnen unter euch von masturbatorischem
Interesse.
HIGHLIGHTS: Zombiesex und der Soundtrack (unter
anderem mit CocoRosie, Antony and the Johnsons und
Throbbing Gristle)
Otto – or up with Dead People (2008)
Regie: Bruce LaBruce
Produktion: Jürgen Brüning, Michael Huber, Jennifer Jonas, Bruce LaBruce, Jörn Hartmann
Bezugsquelle: www.gmfilms.de
// Texte: kk
L-MAG
www.konkursbuch.com
konkursbuch.verlag blog.konkursbuch.com/
Lesefutter
zum Herbst
Anne Bax LOVE ME TINDER
Neue Geschichten der bekannten lesbischen
„Kurzgeschichten-Queen“! Sie erzählt vom
Liebesleben im Zeitalter von apps, Tinder,
facebook & Co. Es bieten sich reichlich neue
Möglichkeiten an Romantik und Komik.
Auch die „klassischen“ Dramen und LiebesHöhepunkte kommen nicht aus der Mode:
Was ältere Tanten von Sex halten, wie sich
die Welt nach einer Trennung anfühlt, wie
der erste Liebesfunke zündet und vieles
mehr. 192 S., 9,90, ISBN 978-3-88769-656-6
Regina Nössler ENDLICH DAHEIM
Kim, fast 14, verträumte Außenseiterin, kommt
von der Schule. Endlich daheim! Berlin-Kreuzberg. Doch ihr Schlüssel passt nicht mehr. Auch
ihr Name ist vom Klingelschild verschwunden.
Dass Kim nicht verrückt ist, sondern dem Ganzen ein Verbrechen zugrundeliegt, stellt sich erst
nach und nach heraus. Ingredienzien (u.a.):
eine überforderte Mutter, ein abwesender Vater,
eine lesbische Tante, eine böse Schulfreundin,
ein sehr böser Nachbar, die Stadt im November, eine Nebelkrähe. „Trittsicher bewegt sie
sich auf Highsmith-Territorium! Ihr Können ist
meisterlich“ (Strandgut) 384 S., 12,90, ISBN 978-3-88769-797-6
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*80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:44 Seite 80
KLATSCH
VON KARIN SCHUPP
6
1
Am Strand von Hawaii heiratete K AT E
P I E R S O N [ 1, li.] , Sängerin der The B-52s,
ihre Lebensgefährtin M O N I C A CO L E M A N
[1], mit der sie seit zwölf Jahren zusammen
ist. Zu Gast war neben den Bandkollegen
auch Sia Furler, die Piersons erstes Soloalbum produzierte.
Hessen statt Hawaii: In Ober-Mockstadt verpartnerte sich die zweifache Fußballweltmeisterin S A N D R A M I N N E R T [ 2 ] (2003,
2007) Ende Juli mit ihrer Lebensgefährtin
Larissa Kuncz. Die 147-fache Nationalspielerin und frühere Zimmernachbarin von
Nadine Angerer eröffnet letzes Jahr eine
Fußballschule in Oberursel. Und wir bleiben
beim Fußball: auch US-Fußballweltmeisterin
Megan Rapinoe und die Musikerin Sera
Cahoone, seit zwei Jahren ein Paar, haben
sich verlobt.
Eher unromantisch geht Lea DeLaria an ihre
für Januar 2017 geplante Hochzeit mit der
Moderedakteurin Chelsea Fairless ran. „Ich
finde Heiraten doof, eigentlich sollte
niemand heiraten“, sagte der „Orange Is the
80
New Black“-Star (Big Boo) der Zeitschrift
Curve. „Aber so lange die Gesellschaft festlegt, dass du Steuern sparst, wenn du verheiratet bist, weiß ich nicht, warum ich es
nicht tun sollte.“ (Siehe auch unser Interview
mit ihr auf Seite 60)
Achtziger-Jahre-Popstar Samantha Fox hat
ihre Lebensgefährtin verloren: Myra Stratton
(60) starb am 2. August an Krebs. Über die
Sängerin („Touch Me“) gab es jahrelang
Gerüchte, bis sie 2003 für Klarheit sorgte:
„Ich habe auch mit anderen Frauen geschlafen, aber vor Myra war ich nie verliebt.
Die Leute halten mich für lesbisch … Ich
weiß nicht, was ich bin. Ich weiß nur, dass
ich Myra liebe und mit ihr mein restliches
Leben verbringen will.“
An Krebs starb am 24. Juli auch eine der
renommiertesten Journalistinnen der Welt:
INGRID SISCHY [3, re.] (63) leitete lange Andy Warhols Interview Magazine, schrieb für
die deutsche Vogue und bis zuletzt für Vanity
Fair. Sie und ihre Lebensgefährtin S A N D R A
B R A N T [3], ebenfalls Journalistin, waren
die Patentanten von Elton Johns Sohn
Zachary. Noch wenigeWochen vor Ingrids
Tod hatten Sischy und Brant in New York
geheiratet.
Mit 50 wurde Sophie B. Hawkins („Right
Beside You“) im Juli noch einmal Mutter
einer Tochter – dank eingefrorener Eizellen.
Die Musikerin („L-Beach“ 2013), die bereits
einen sechsjährigen Sohn hat, ist offenbar
alleinerziehend, seit sie sich im letzten Jahr
von ihrer Lebensgefährtin Gigi Gaston
trennte. Das Gerücht, dass sie jetzt mit Rosie
O’Donnell zusammen sei, dementierte sie
jedenfalls – das hätten die beiden schon hinter
sich: sie waren in den 90ern mal ein Paar.
Da freut sich die Paparazzi-Zunft: Zum
ersten Mal seit ihrem Coming-out im Februar
2014 zeigt sich E L L E N PAG E [ 4 ] („Juno“,
„Inception“) öffentlich mit einer Frau an
ihrer Seite. Mit der Künstlerin Samantha
Thomas soll sie seit Anfang des Jahres
zusammen sein.
Schon vor seiner Weltremiere beim Toronto
Film Festival im September löste Roland
Fotos: Christiane Pausch, Kate Pierson, imago/Future Image, imdb, imago stock&people(2), imago sportfotodienst
5
L-MAG
*80-81 Klatsch_00 Inhalt Relaunch 17.08.15 13:44 Seite 81
AKTUELLE PROMI-NEWS: K-WORD
DIE KLATSCH-KOLUMNE VON KARIN SCHUPP
Jeden Freitag auf www.l-mag.de
K
WORD
4
2
3
Emmerichs „Stonewall“ Proteste aus. In den
Mittelpunkt seines Films über die Straßenschlachten 1969 in New York, die als Beginn
der modernen LGBT-Bewegung gelten, stellte
er offenbar weiße Schwule, wo historisch
doch vor allem Dragqueens, Trans* und
Butch-Lesben, viele davon schwarz oder hispanisch, auf die Straße gingen. Erstere spielten durchaus wichtige Rollen, betonte der
schwule Regisseur („Independence Day“) fix,
ließ die Lesben aber unerwähnt. „Außer mir
gibt’s nicht viele Lesben im Film“, bestätigte
denn auch die lesbische Schauspielerin
JOANNE VANNICOL A [5], die eine fiktive
Figur spielt. Tatsächlich tauchen StonewallIkonen wie die schwarze Butch Stormé
DeLarverie und die bisexuelle Feministin
Brenda Howard, die anschließend den weltweit ersten Gay Pride organisierte, anscheinend nicht auf.
Lesbische Kritik muss sich auch „Suffragette“
(Kinostart: Februar 2016) gefallen lassen.
Der Film über den Kampf fürs Frauenwahlrecht vor 100 Jahren in England scheint ausL-MAG
zusparen, dass die Führerin der SuffragettenBewegung, Emmeline Pankhurst (Meryl
Streep), wohl eine Beziehung mit der lesbischen Komponistin Ethel Smyth hatte – diese Rolle steht jedenfalls ebensowenig auf der
Besetzungsliste wie Christabel Pankhurst,
Emmelines Tochter und rechte Hand, die
ebenfalls mit Frauen zusammen war.
Immer mehr YouTube-Stars – ein TeeniePhänomen, das an Erwachsenen völlig vorbeigeht – haben ihr Coming-out und damit
vermutlich mehr Einfluss als alle pädagogischen Broschüren zusammen. Nachdem der
Coming-out-Clip der US-Vloggerin Ingrid
Nilsen seit Juni schon fast 12 Millionen Mal
angeschaut wurde, zog die deutsche YouTuberin MELINA SOPHIE [6] (19) nach. „Ich
wollte es immer wieder wegpushen und
verstecken“, sagt sie in dem Clip, der auch
schon über 2,5 Millionen Klicks hat, und
freut sich, dass sie jetzt „viel, viel, viel glücklicher“ sei als zuvor, „weil ich jetzt die Person
sein kann, die ich wirklich bin.“
81
*82 Horoskop_00 Editorial Relaunch : Vorlage allgemein 17.08.15 13:45 Seite 82
HOROSKOP
VON THOMAS SCHNEIDER
Romy Schneider (Jungfrau), geboren am
23. September 1938 in Wien, gestorben am 29. Mai
1982, Schauspielerin („Mädchen in Uniform“)
WIDDER 21.3.–20.4.
SCHÜTZE 23.11.–21.12.
Die nächsten zwei Monate sind nicht unbedingt
Widder-Monate, was aber nichts Negatives zu bedeuten hat. Doch als Widder-Frau tut man sich nun
mal schwer, Glück aus Alltäglichkeiten und Kleinigkeiten zu ziehen. Das ist einfach nicht so dein Stil. Es
geht zwar vorwärts, aber eben in „kleinen Schritten“.
Versuche also, die Augenblicke zu genießen, das Kleine,
scheinbar Nebensächliche wahrzunehmen und zu
schätzen – umso erfüllter wird die kommende Zeit.
STIER 21.4.–20.5.
Jupiter im Trigon bedeutet Fülle und viele Gelegenheiten. Tolle Angebote, unverhoffte Möglichkeiten und
ganz einfach Glück zu haben. „Auf einmal geht’s wieder“
– das könnte die Überschrift der nächsten zwei Monate
sein. Es kommt bei Jupiter darauf an, groß zu denken.
Sich viel zu trauen, aufs Ganze zu gehen, zu expandieren
und etwas einzusetzen für das eigene Glück!
ZWILLINGE 21.5.–21.6.
Im September und Oktober ist es an der Zeit, wieder
sinnlicher zu werden. Ein Aspekt öffnet dein Herz und
mit einem offenen Herzen öffnet man auch andere.
Genieß also die schöne Zeit. Wenn du Single bist, dann
treib dich viel herum! Es sind bestimmt schöne Begegnungen dabei, ob daraus was wird, steht aber zumindest in den Sternen noch nicht geschrieben. Wenn du in
einer Beziehung bist, widme ihr wieder mehr Zeit und
Aufmerksamkeit – daraus kann viel Tiefes entstehen.
KREBS 22.6.–22.7.
Nichts Aufregendes, aber dafür Verlässliches kommt in
den nächsten zwei Monaten in dein Leben: Stabilität!
Die Aspekte sind sehr günstig, aber unspektakulär.
Eine Liebe kann sich jetzt ganz normal anfühlen, im
Alltag entstehen und wie selbstverständlich daherkommen. Das ist zwar nicht romantisch, aber möglicherweise dafür mit längerem Haltbarkeitsdatum. Auch beruflich geht es jetzt eher um nüchterne Entscheidungen, als um dramatische Wendungen.
LÖWE 23.7.–23.8.
jemanden verlieben, in den man schon verliebt ist oder
verliebt war. Eine Venus-Mars-Konstellation macht es
möglich und heizt das Ganze auch noch sexuell auf.
Die Betten brennen also im September!
JUNGFRAU 24.8.–23.9.
Mit Jupiter in Jungfrau stehen die Zeichen auf Sturm.
„Think big“ heißt die Devise für das nächste Jahr, das
ist dir als Jungfrau zwar nicht ganz geheuer, aber du
wirst sehen, wie viele Türen Optimismus, Selbstbewusstsein und Präsenz öffnen können. Trau dich an
Größeres heran, wo du nur kannst. Es ist im nächsten
Jahr sehr vieles möglich!
WAAGE 24.9.–23.10.
Die enervierenden Machtkämpfe der letzten eineinhalb
Jahre kommen nun in die letzte Runde. Der Oktober
wird ein Monat voll starker, vorwärts drängender
Energien, dennoch kommen viele dieser Energien aus
dem Zeichen Jungfrau, das heißt Detailarbeit hat
Priorität. Gutes zu tun zahlt sich mit der Jupiter-PlutoVerbindung doppelt aus und ohnehin bist du als Waage
eine Art Gandhi und du setzt Gerechtigkeit mit Verstand und Diplomatie durch, aber ohne Liebe geht bei
dir gar nix!
SKORPION 24.10.–22.11.
Es geht wieder vorwärts. Die letzten zwei Monate
brachten einige Themen zurück, die du schon für abgeschlossen gehalten hast. Nun sind sie abgeschlossen
und es kann weiter Richtung Zukunft gehen. Du hast
in den letzten zwei Jahren Strukturen erschlossen und
gelegt, auf denen du dich sicher fortbewegen kannst.
Das Hauptsächliche, das die kommenden Monate
bringen, ist ein Richtungswechsel von rückwärts nach
vorwärts, vom Zurück wieder ins Geradeaus.
STEINBOCK 22.12.–20.1.
Mit etwas Geduld müsste eigentlich alles klappen, was
du dir beruflich vornimmst. Ab September kommt
Jupiter günstig auf dich zu und mit etwas Optimismus
und guter Laune kann sich deine Lebensqualität ziemlich steigern. Venus lacht dir auch noch zu und macht
das Leben leichter. Der Alltag steckt voller angenehmer Überraschungen. Sympathien fliegen dir zu und
wenn du willst, muss es nicht unbedingt bei Sympathien bleiben. Liebesbeziehungen und Liebesgefühle
liegen in der Luft. Ab Oktober kann es dann auch wieder ernst werden.
WASSERMANN 21.1.–19.2.
Befreiungen bahnen sich an und bis Ende Oktober hast
du dich aus unliebsamen Verstrickungen gelöst.
Höchste Zeit! Die Welt braucht neue Ideen. Und das
ist ja deine karmische Aufgabe als Wassermann-Frau:
Ideen zu haben, überraschende Lösungen finden. Du
solltest also neue Wege zum Glück suchen und finden,
auch für andere – gib zu: das macht dir eigentlich
Spaß!
FISCHE 20.2.–20.3.
Eine Jupiter-Neptun-Aspekt führt dich zur Quelle.
Deine Spiritualität wartet auf dich! Spiritualität muss
nichts Verbrämtes sein, kein Überbau und vor allem
nichts Religiöses. Um mal in Klischees zu sprechen:
Eine Arbeit bei Amnesty International kann in diesem
übertragenen Sinne spiritueller sein als ein Leben als
Nonne. Gehe in Eigenschaften, an denen deine Seele
sich entwickeln kann. Das kann bedeuten, anderen zu
helfen, für andere da zu sein. Vielleicht einfach zu
lieben oder die Stille zu finden.
Foto: imago stock&people
Schon ab Anfang September besteht die Möglichkeit,
sich neu zu verlieben. Das kann jemand Neues sein,
aber man kann sich natürlich auch aufs Neue in
Saturn fordert dich heraus, alles so gewissenhaft wie
möglich zu machen. Auch wenn es hier und da Gelegenheiten gibt, sich durchzumogeln, ungenau zu sein,
etwas nicht so wichtig zu nehmen – mach es lieber
nicht! Unter Saturn fliegt so was meistens auf und
bedeutet dann: Nachsitzen, nochmal machen und
„Gehen Sie zurück auf Los!“ In Beziehungen geht es
jetzt darum, mit Gelassenheit zu den eigenen Versäumnissen zu stehen.
82
L-MAG
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