Die Fürsten des Welfenhauses in ihren Beziehungen zu Kunst und

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2228-478-1
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DIE
FüRSTEN
DES
WELFENHAUSES
IN IHREN BEZIEHUNGEN
zu
KUNST
UNo
WISSENSCHAFT.
EINE FESTGABE
ZUM
150 JÄHRIGEN JUßiLÄUM DES COLLEGIUM CAROLINffil
IN B R.AUN S CHWEI G.
VON
RUDOLF ECKART.
BIBLIOTHEKa
HERZOGL.
TECHN. HOCHSCHULE
CARCLO-WILHELMINA
BRAUNSCHWEIG.
~
\J
~
BRAUNSCHWEIG
C. A. SCHWETSCHKE UND SOHN
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A 11 e R e c h t e v o r b e h a 1t e n.
Druck von Appolbans l l'fenningstorJr (lob.: E. Appelbans) in Braunocbweig.
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•
Zum hundertjährigen Stiftungsfest des Collegium Carolinum veröffentlichte 1845 Dr. Karl G. W. Schiller ein vortreffliches, heute leider
selten geworden es Werk: "Braunschweigs schöne Litteratur in den
Jahren 1745 bis 1800, die Epoche des ~Iorgenrotes der deutschen
schönen Litteratur", dessen Anhang "Ein flüchtiger Blick auf das
Regentenhaus Braunschweig- W olfenbüttel, in bezug seiner Verdienste
um Kunst und Wissenschaft" bildet. Noch heute blüht die vor
150 Jahren gestiftete, wesentlich seitdem erweiterte und verbesserte
Anstalt und schafl't weiter in rüstigem Geistesleben. Eine lange Reihe
der trefl:'lichsten Männer hat an dieser Stätte mit ibrer besten Kraft
gewirkt, viele taosende von Schülern haben hier ihre geistige Nahrung
und Bildung für ihren Beruf gewonnen. Freudig begrüfst darum diese
Schrift, welche das reichgesegnete Geistesleben der welfischen Regenten
in grofsen Zügen darstellen will, die Anstalt zu ihrer Jubelfeier: :\löge
das Collegium Carolinum fortwirken noch S}Jäte Jahrhuucle1-te zum
Segen ferner Geschlechter!
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Ein Vorrecht der Fürsten zu allen Zeiten ist es gewesen, die
Pflege der Wissenschaften und Künste in ihren Staaten auszuüben.
Wo immer das Schweigen äusserer und innerer Kriegesstürme ihnen
Zeit und Ruhe gelassen, an des Reiches Wohlfahrt zu arbeiten, da haben
sie neben anderen wichtigen Staatsaufgaben auch diese Arbeit des
Friedens in mehr oder minder grossem Umfange sich angelegen sein
lassen. Mit ihren reichen Mitteln haben sie die Kunst und Litteratur
ihres Landes gehoben, Bildungsanstalten gegründet und durch Erweckung
und stete Förderung des Sinnes für Künste und Wissenschaft ihre Völker
edler und glücklicher und in der Geschichte unvergesslich gemacht.
Wo aber die Fürsten selbst die unverwelkliche Dichterkrone sich
ums Haupt gewunden, wo sie als Fürsten des Geistes hervorragen und
ihre Namen in die Blätter der Litteratur- und Kunstgeschichte mit ewig
glänzenden Zügen eingezeichnet haben, sollten die Unterthanen solcher
Fürsten nicht im höchsten Grade glücklich zu preisen sein, besonders
wenn das kräftige Gedeihen des Landes nach aussen hin mit der inneren
Förderung Hand in Hand geht? Die Weltgeschichte von den ältesten
Ant'ingen der Künste und Wissenschaften bis zur Gegenwart bestätigt
dies. Die deutsche Litteraturgeschichte vor allem hat Namen hoch~
berühmter fürstlicher l!äcenaten und ausübender fürstlicher Dichter und
Schrütsteller in solcher Fülle aufzuweisen, wie die Litteraturgeschichte
keines anderen Landes. Und unter den deutschen Fürsten sind es hin~
wiederum die welfischen, welche als das schönste Juwel ihres Diademes
die Blüte der Künste und Wissenschaften betrachteten. Schon zu der
Zeit, als unsere Kunst und Litteratur noch im Keime lag, also noch
vor dem Beginne der eigentlichen deutschen Nn.tionallitteratur, in jenen
barbarischen Zeiten, als das Christentum mit seinem, die Völker ver~
ede1nden Geiste in unserem heidnischen Sachsenlande unter vielen
schweren Kämpfen sich Eingang suchte, da waren es die Ahnherren
des welfischen Geschlechtes, welche sich durch Baudenkmale und geistliche Stiftungen auszeichneten. Hat nicht gerade das alte Niedersachsen
jener frommen Stiftungen christlicher Könige mehr denn andere Länder
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aufzuweisen? Ueberall treten uns hier, teils wohlerhalten, teils in Ueberresteu die Denkmale christlicher Kunst und christlichen Lebens entgegen.
Calvör 1) sagt über jene Zeit: "So hat auch der unvergleichliche
Frankenheld und König Karl der Grosse sein Theatrum und Schauplatz,
darauf er die Proben seiner heroischen und ganz bewundernswürdiger
Ta1>ferkeit al>legete, in diesen Landen aufschlagen müssen, indem er
zwar in einem Jahre das Lombardische Königreich über einen Haufen
warf, auf gleichen Schlag, wie ihm auch die anderen Kriege gleichsam
ein Kinderspiel waren, mit unsern Sachsen aber musste er sich bei die
33 Jahr bis in sein hohes Alter herumtummeln, und dankte er Gott,
dass er noch einen reputirlichen Frieden treffen konnte, da es dann
abermal hiess: Germania triumphata, ast non domita. Auf weitere
Zeiten gehe ich vor diesmal nicht, sondern mir begnüget zu sagen, dass
unser Sachsenland nicht allein sei Theatrum ac Palaestra Martis, sed
et artis quin ipsius Religionis, nicht allein ein Schau- und Uebungs-Platz
des Krieges, sondern auch der Künste, auch sogar der heiligen Religion
gewesen. Man kann in der Wahrheit sagen, dass Sachsen das in dem
Norcl-Climate von Gott erwählte Zion sei, aus welchem der Schall des
Evangelii in Schweden, Dänemark und andere weit entlegene Provincien
durchgebrochen, nicht allein in denen letzten Zeiten, da der tapfere
Gottesmann und Sachse D. Lutherus zu Wittenberg in Sachsen die
Po:;aune des Evangelii blies, sondern auch in denen längst verstrichenen
uralten Zeiten. In Sachsen war vermittelst der vielen uralten Bistümer
und Klöster der heilige Kirchen-Himmel, an welchem die herrlichen
Kirchen-Sidera primae magnitudinis, ich meine die trefflichen frommen
geschickten Bischöfe aufgingen, und mit ihren ].fit-Gehülfen, gleich denen
satellitibus Jovis die heidnische Norden-Reiche mit dem Glanz des
Evangelii und christlicher Religion erleuchteten. . . . Sachsen ist demnach das uralte Seminarium sacrum aller nordischen Kirchen, die
JESilli vor ihren Gott und Heiland anbeten. . .. So hoch nun unser
wertestes Sachsen viele andere stattliche Länder in sacris et secularibus
praerogativis übertrifft; so viel notabelere res gestae sind auch in utroque
foro darin passiret als anderswo, und einfolglich so viel notabeler und
illusterer ist auch die historia saxonica vor anderen Historien Teutschlandes. Zuforderst reeket cliesfals das Haupt henor die Historia. sacnt
sivc ecclesiastica, zumahlen beinahe kein Land in Teutschland ist, da
so viele wichtige und mächtige Erz- und Bistüme gleichsam in einem
Haufen als in einer Kette zusammengebunden liegen, als in unserem
Sachsen-Distriii:, zuforderst wenn man ·westphalen als einen Theil des
alten Sachsens damit zurechnen sollte. So haben auch keine Bistümer
und Länder so -..iele gewaltige Heidenlande an und um sich, damit sie
stets utroque bello zu Felde liegen mussten, gehabt, als das alte
') Gaspar Cahör, .~axonia inferior antiqua gentilis et chrbtiana•, Go~lar 1714.
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SnchsenlancJ, wannenhero nicht möglich, dass in jenen Prorinden so riel
notabeles, zuforderst die heilige Religion betreffend, vorgehen können,
als in unserm Sachsen. Es ist daher geschehen, dass man von keinem
einzigen Lande Teutschlands samt dessen Stiftern und Klöstern so ,·ide
:\Ionumenla und Xachrichten findet, als von Alt-Sachsen, das ist We::~t­
pha.len unrl unse1·m Xiedc1·-Sachsen. Und kann ich clubero versichern,
dass derjenige, welcher die historiam sa.'{onicnm griincllich inne hat,
ein Licht und Lampen habe, damit er die tiefsten finstersten Gewölbe der Antiquitatum et Raritatum Germania.o glücklich tlurclumchen
könne." - Von dotn Sachsenführer Widukind, welchen Kaiser Kar! der Grosso
besiegte und 785 zu Attigny in der Obampagno taufen liess, haben wir
nur spiirliche ltistorische Nachrichten, aber desto mehr sagcnhnfto Ziige. 1)
Knrl selbst vertrat bei der Taufe die Patenstelle. Dem Uei~;piel ihres
Anführcrs folgten seine sächsischen Stammcsgcnossen. Der Biograph
der Königin ~fatbilde, der Gema.hlin Heinrieb I., berichtet: Traxit
Iidern rhristiannm quosque errantes et ,·igilantic:.simus tum apparnit
M.cmo fitlei propugnatnr. Die Sage erzählt, dass Widukiutl nach :einer
Bekehrung !:ielbst verschiedene Zellen voll thätigen Eifers errichtete und
mit vielen heiligen Reliquien sowohl wie der übrigen Gerlitschaft wr~
sorgte. Der augeführte Biograph der Königin ~Iatbildo Jib"t ihn u. n.
die Engersehe Kirche gründen. Der Ort Enger (Rebrierungsbezirk .\Iinden
in 'Yestfo.len) war einst Residenz Widukinds, dessen Gebeine in der ~ t3
gegründeten, im 1 '.!. Jahrhundert erbauten, später stark umgestalteten
Stift:;kirche in einem zierlichen gotischen Altnrnufsatze ruhen: ein Sal'ko~
phag mit steiueruem Standbild aus dem 12. Jahrhundert uml Inschrift
wunle vom Kaiser Korl IV. 1377 errichtet, aber im 17. Jnhrhunuert
sehr veriiudert. Dio Kirche zu Enger heisst bei ihrer Stiftung eine
Zelle. :\Iau versteht dnrunler eine Kirche mit angebautem Klo:;ter itir
}Jissionare. Hartmann und W eddigen a. a. 0. S. fiG berichten üucr die
Engersehe Kirche weiter: "Bei der Kirche zu Enger hatte Widukiud eiu
Kapitcl 2) gestiftet, den Gottesdienst zn versehen und den Unterriebt
au
1)
llartmaon und Weddigen, .Das Buch vom Sachsenherzog Wittekinli.
nnd Diclttnng•, ~linolen 1 83. -
age
Diekamp, •Wittekind der Sach enfilhrcr in Oe-
'd•ichte und Sn"c", ::llünster 1817.
') Ilie~cs Kapitel hat nicht Wittekind gestiftet, soudem die Königin Mathilde
tlie ~on ihrem l.teruhmtcn Urahn gegründete Kirche dazu erweitert. Die ~chntzurkundo
t llto I. illt vom Jahre 948. Sie weihte das Stift der heil Mutto•r Gottes und de111
heil. Lnurentius. Wenn nun doch gleich nacbhcr lia:i titift das ::it. I>ionyliiu stif~ .Ju
Enger hcis~t, und sogll!' der Name mit der im Jahre 1411 titaltgefuntll'ncn Uc!JcrI'Ulmmg llcr Gcbrino Wittcldnds und Uebersiede!ung clcs Kapitl'l.• auf dir. .lobanniskirrho zu llcrfotll llhcrging, ~0 uns~ die~e von da an die St. JobnnniR- IIOtl ~t. lli~nY"ius­
hlrcltc lwis~t, &o lllllMscn wir annehmen. dass die lCircho ?.u Engrr \'011 Wtttcklnd
belbat dem heil. lliony~i\J.lj, Snint Denis. tlem Scbulzpatrun Frnnkreicbs,. gcwclb~ war,
uml licl' Numc tlc~ alten Schutzpatrons auf die ucuc StiJtun~ lll.trrgl.ll$, wotl der
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der Jugend zu besorgen, und dasselbe reichlich mit Grundstücken,
Zehnten und hörigen Leuten ausgestattet. Viele Jahrhtlnderte wohnte~
die Kapitelherren hier und hielten ihren Gottesdienst an der Gruft des
Königs. Als aber endlich in den Stürmen der Folgezeit die Stadt sank
und verödete, so dass sie gegen das Raubgesindel umher nicht mehr
Sicherheit gewährte, da that das Kapitel die Ländereien aus, bestellte
für den Gottesdienst einen Pfarrer und zog nach Herford. Dahin sollten
nun auch Zins und Zehnten gebracht werden, allein alle Pftichtigen
weigerten sich und lieferten nicht anders als zu Enger an der Kirche
beim Grabe des Königs. Da gebrauchten die Kapitularen eine List.
Heimlich in stiller Nacht hat man die Gruft geöffnet, die teuren Gebeine
entwendet und sie nach Herf01·d entführt. Und nun mussten freilich
die Gefälle, welche denselben gehörten, auch dahin folgen. Wohl über
400 Jahre blieben hier die Ueberreste, bis sie endlich lß22 wieder nach
Enger gebracht worden sind. Da haben die Sattelmeier (freie Bauern,
die sich aus freier Wahl in den Schutz Wittekinds begeben hatten und
für dessen Schutz eine geringe Abgabe entrichteten; näheres Hartmann
und Weddigen a. a. 0. S. 184) sie um die Kirche getragen und darauf
sind sie ihrer ersten Ruhe wiedergegeben worden. Die Kleinodien und
Reliquien aber haben die Herforder behalten." Diese Kleinodien waren:
1. Ein alt Buch in Folio, darin die vier Evangelien auf Pergainent geschrieben, auswendig ist der Band mit Silber überzogen, so vergüldet,
darin etliche Figuren und Bilder von Elfenbein eingemacht, darum gesetzet Onyx und dergleichen Edelsteine mehr. Auch ist darauf zu
finden ein Bildnis, so Caroli Magni sein soll, Item S. Johannis und
S. Dionysii. 2. Ein silbern Kästlein, so vergüldet, welches nicht aufgemacht wird, darauf ein grosser Krystall, neben etlichen kleinen zu
sehen. Unter dem grossen auf der einen Seite stehet geschrieben:
"Reliquiae S. Dionysii, S. Mauritii, Exuperii". Auf der anderen, "Laurentii,
Vincentii et aliorum". 3. Ein silbern Krucifix, darauf ein grosser Rubin
samt anderen mehr, und ein grosser Krystall, unter welchem zu lesen
die Worte : "De ligno Domini". Darunter auch zu sehen ein Bildnis, so
Caroli Magni sein soll. 4. Ein Evangelienbuch in quarto, darin die
Evangelia Dominicalia lateinisch durch das ganze Jahr auf ein Pergament geschrieben, auch der Capitularen Juramenta. 5. Eine silberne
Tasche, so vergüldet, welche auch nicht aufzumachen. 6. Ein Trinkgeschirr, daraus der König soll getrunken haben, gegen Vergiftung, von
Silber, so vergüldet, darin ein grosser Jaspis, so ausgehölet, eine Handbreit, darauf geschrieben: ~Munere tam claro ditat nos .Africa raro", zu
deutsch, wie Redeker über:;etzt: "Also herrliche Gaben wir selten von
.Afrika haben". Diese Schale soll das Geschenk eines afrikanischen
Ehrgeiz der Engerachen Knpitelsherren die Gründung ihres Stiftes lieber von Wittekind, als selb:st von einer Königin ableitete.
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9 Königs, namens Visdai, an Wittekind sein; auf der gleichfalls sehr
alten, gelblich eingelegten Kapsel von fremdem Holz stehen die Worte
zu lesen: "Visdai de Africa rex". Es ist eine Art sacro catino aus
grau-grünem, wie es scheint, Serpentinstein, von welcher man sicher
einst glaubte, dass sie Gifte nicht vertrüge, und dass sie deshalb auch
nach einer anderen Sage von Kar] dem Grossen an Wittekind geschenkt
sein soll, damit dieser des Frankenherrschers aufrichtige Gesinnung erkenne. Sie ist 1840 als ein Huldigungsgeschenk an den König Friedrich
Wilhelm IV. nach Berlin gekommen und soll aus Agalmatholith gefertigt sein.
Die Kirchen zu Schildesche, Rehme, 1) Bünde, Bergkirchen, Beim
und vielleicht auch die Dionysiuskirche zu Pr. Oldendorf soll ebenfalls
Widukind erbaut haben. Historische Anhaltspunkte fehlen auch hierüber.
Widukinds Sohn, Wigbert, hatte in Wildeshausen seinen Wohnsitz. Er erbaute hier eine Kirche, vergrösserte den Ort und verlieh
ihm Gerechtigkeiten. Dessen Sohn, Graf Waltbert, gründete 872 ein
Stift des heil. Alexander für Canonici, wurde dessen erster Rektor und
bestimmte, dass das Rektorat in seiner Familie bleiben solle. Später
sind die Grafen von Oldenburg Vögte von Wildeshausen und dürften
daher wohl Nachkommen Widukinds sein. Das im Orte gelegene Schloss
wurde 1529 durch den Bischof Friedrich von Münster zerstört. Die
alte Stiftskirche ist in veränderter Gestalt noch erhalten. Das Kapitelshaus ist jetzt Schule. 2 )
Wahrscheinlich im Jahre 852 ernannte König Ludwig der Deutsche
den Ludolf, dessen Grossmutter Hasala eine Tochter Widukinds war, 3)
zum Herzog von Sachsen. Dieser gründete in Gemeinschaft mit seiner
Gemahlin Oda, der Tochter des Herzogs Billung und seiner Gemahlin
Proda, das Kloster Brunshausen 4 ) zur Ehre Johannes des Täufers, des
Schutzheiligen der Mutter Odas, und des Stephanus. Um 8i'JO wurde
der Bau begonnen und konnte in einigen Jahren schon von den dafür
bestimmten hohen Standes- und adeligen Personen b~zogen werden.
"Darauf reisete", berichtet Calvör a. a. 0. S. 316, "der allgemeinen
') Inschrift in der Kirche Zll Rehme: nAnno 763, zu den Zeiten Karb des
Grossen, soll diese Kirche erbaut sein von dem König Wittekind."
2 ) llartmann und Weddigen a. a. 0.
Dieses treffliche Werk wird hiermit zur
weiteren Belehrung angelegentliebst empfohlen.
3 ) Vennigerbolz, .Kurzer Abriss der Geschichte der welf. Ffirsten und ihrer
Lande", N ortbeim 1862.
•) Brunshausen, Brunonis domus, Kreis Gandershcim (Herzogt. ßraunschwei~),
Benediktiner- Kloster, Patron SS. Innocentius et Anastasius. 881 nach Gander&helDl
verlegt. Das Kloster, welches sehr bald wieder be~etzt ist, wird 1694 in ein lutb.
Fräuleinstift vorwandelt als welches es noch besteht. Görges, "Vatcrl. Gesch. und
Denkw." I, 320. - H~ronberg, .Gandersbeim". - Hirsching, .Klosterlexikou• I,
605-607. - Weinrich, .Bist. theolog. Betr. der merkw. Altert. • 5. Betrachtung,
s. 649,
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Tradition nach der durchlauchtige Stifter Herzog Ludolph mit seiner
geliebten Oda nach Rom zu Papst Sergio, erhielt von demselben nicht
allein die Konfirmation, sondern auch nebst denen Reliquien und Heiligtümern von dem llerrn Christo, der Jungfrauen Marien und zwölf
A poste!, die Gebeine der beiden kanonisierten Päpste S. Anastasü und
Innocentii, so zu denen Zeiten Chrysostomi und Augustini gelebet und
ein grosses Lob in der llistoria haben. Nicht allein aber das, sondern
er erhielt auch die hohe Stiftsfreiheit und immediat-Dependence von
dem Stuhl zu Rom, gestalt die Rosvvitha den Papst also redend einführt:
Coenobium nostri designamus ditioni
Ut terrenorum sit securum Dominorum.
Hingegen musste Ludolphus dem Papst zwei weisse Stolen oder
Röcke mit 30 eingewirkten Goldgulden oder Dukaten sogleich überreichen,
unter dem Versprechen, dass diejedesmalige Aebtissin alljährlich dergleichen
Recognition zum .Zeichen der Freiheit nach Rom schicken sollte. Diplom.
Ludolph. "Nos etiam in continenti duas Stolas albas, triginta anreis intextas eidem beato Sergio Papae traclidimus, statuentes, ut abbatissa,
quae pro tempore fuerit, eundem censum sanctae Romanae ecclesiae in
signum libertatis singulis annis persolvat."
Im Jahre 856 wurde das neue Kloster Brunshausen an der Gande
eingeweiht. Hatumoth, die Tochter Luclolfs unJ Odas, geh. 840, schon
früher Nonne in Ilerford, wurde die erste Aebtissin des Stifts. Ihr Freund
und Geschichtsschreiber Wichbert (Agius genannt), damals ~lönch zu
Coney, nachher Bischof von llildesheim, sagt von ihr, dass es ihre grösste
Freude gewesen sei, Gottes Wort zu lesen und zu lehren. Von allen
Vergnügungen habe sie sich fern gehalten, stets ein wollenes Gewand
getragen und in tiefer Demut ihre Untergebenen nichts geheissen, wovon
sie nicht zuvor eine reiche Probe abgelegt habe. Als in einem heissen
Sommer viele Nonnen erkrankten, pflegte Hatumoth ihrer unablässig,
wurde angesteckt und starb unter andächtigem Gebet am 29. No>ember 874. Die Legende erzählt, dass einer herabgefallenen Glocke
lautes Getöse und eine Bewegung im Sarge der Schutzpn.tronin ihren
Tod vorherverkündigt haben. 1) Ihre Leiche wurde im Heiligtum zu Brunshausen beigesetzt und später in das Stift zu Gandersheim gebracht.
~och bei Lebzeiten verlegte Luclolf das Stift in grösserer Ausdehnung
nach Gandersheim, woselbst es 881 eingeweiht wurde. Otto der Erlauchte liess dann die Geheine seines Vaters Lndolf, welcher 880 in
Brunshausen bestattet war, in die Stephanskapelle des neuen Stifts
bringen. Hierauf beziehen sich folgende alte Verse:
In dem ~Iünstere to Ganclersem lyd he begraven,
Dat he mit vlite hadde begunnen.
Gott vräuwe syne Seele an de ewighen Wunncn.
') Görges, "YaterlanJ Geschichten und Denk.w." I, 320.
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Er ward mit Förstlichen ehren
Begraben in seim Gestifft,
Zu Gandersheim, das er hat aufgericht.
Bekannt ist die Nonne Roswitha (Hrotsvitha, Hrothsuith, geb. er. 935).
welche mit etwa 23 Jahren in dieses Kloster eintrat und daselbst er. 1002 (?)
starb. In dieser bevorzugten Familienstiftung des sächsischen Herzogsund Königshauses, welche lange Zeit hindurch nur von Achtissinnen fürstlicher Herkunft regiert wurde, bewegte sie sich in der feinsten uncl
kenntnisreichsten Gesellschaft ihrer Zeit und vollendete ihre theologische
und Iitterarische Bildung unter Leitung der Nonne Rikkarde und der
jungen Aebtissin Gerberge II, einer Tochter Herzogs Heinrichs von Bayern
und Enkelin König Heinrichs I. Ihre lateinischen Dichtungen, uie
sämtlich in Beziehung zur Geschichte des Klosters stehen, sind wertvolle Denkmäler des 10. Jahrhunderts. Es werden ihr sechs lateinische
Komödien, welche den Terenz verdrängen sollten, mehrere Legenden und
ein Lobgedicht auf Kaiser Otto I. (zwischen 065 und 968 in Hexametern
abgefasst auf Bitten Otto's II.), sowie ein Gedicht in Hexametern, welches
die Grüudung von Gandersheim und die ältere Geschichte des Ottonischen
Hauses behandelt, zugeschrieben. Von den Legenden, den Dramen und
der Hälfte des Gedichts auf Otto I. hat sich eine alte Handschrift erhalten (jetzt in München), aus welcher die Werke durch Konrad Celtes
herausgegeben wurden ~ürnberg 1501). Schm·zfleisch besorgte einen
zweiten Abdruck der Werke der Roswitha (Wittenberg 1707) untl sp~i.ter
K. A. Barack eine kritische Gesamtausgabe (Xürnberg 1858). Die Dramen
gab :\Iagnin mit französischer Gehersetzung und Einleitung (Paris 1845)
und Bendixen (Lübeck 1858) heraus. Pertz' n:\lonumenta. Germaniae
hil;torica" (Bd. G) edierte dns Gedicht auf Otto I. und das Gedicht von
der Gründung Gandersheims. 1)
Das Stift trat 1570 der Reformation bei und wurde 1803 aufgehoben als völliges Eigentum der Landesregierung. Die letzte Aebti"sin
war Auguste Dorothea, eine Tochter Ka.rls I. von Brauuschweig, gcb·
am 2. Oktober 1749. Von hoher Bildung und wahrer Herzen~giite war
sie ihrem edlen Bruder, dem Herzog Kar! Wilhelm Ferdinand, so unentbehrlich, dass sie, gegen die Statuten, nieht zu Gandersheim, sondern
am braunschweigischen Hofe residierte. 973 und 1fl97 brannte da~
Stift völlig ab, entstand aber jedesmal aus der Asebe auf das herrliebste
wieder. Zwischen 1720 und 1730 wurde es grösstenteils erneuert und
1) Vcrgl. noch die Abbandlungen von Hoffmann und G. Freytag (Rreslau 1839),
Dorer (Aarau 1857) und Köpke, .Ilrotsuit von GanJcrshcim" (Bcrlin 1869), -.reicher
Aschbachs (nRoswitha und KonraJ Gelte~". 2. Aull., Wien 1868) irrige Ansicht, Ja.'
die Worte Jer Dichterm eine Fälschung des ersten Ilerau~gebers K. Ccltes unJ seiner
Freunde seien, widerlegt. Interessant i:;t auch Kopke, .Die Alteste deutsche Dichlcrin,
ein kulturgeschichtliches Bild aus dem 10. Jahrhundert•, 1869.
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12
verändert. 1569 entstand in Gandersheim ein protestantisches Pädagogium, das später nach Helmstedt verlegt wurde.•)
Unter Ludolfs Nachfolgern, den Ludol.fingern, ist zunächst zu
nennen ßruno. Er und sein Bruder Tankward gründeten walu·scheinlich im Jalu·e 861 die Burg Dankwarderode an der Ocker und den Doppelort Brunswik auf beiden Seiten derselben, nachdem schon in der altsächsischen heidnischen Zeit hier ein Ort, dessen Namen und Gründungszeit uns unbekannt ist, bestanden hatte und von Karl dem Grossen
zerstört war. II. Dürre bemerkt im "Programm des Obergymnasiums
von 1857 11 in der Abhandlung: Braunschwcigs Entstehung und Entwickelungzur Stadt, hierüber folgendes: "Was zunächst den Gründer
betrifft, so melden darüber die Quellen folgendes. Die Schrift "Oe fundatione ecclesiarum Saxonicarum" bei Leibnitz I, 261 berichtet: "Bruno
dux urbem (urbs bedeutet da im Sinne des 10. Jahrhunderts nur eine
Ortschaft, nicht eine Stadt im juristischen Sinne des Wo1'tes) Brunswik
fundavit, quae ante Tanqvardevorde vocabatur". Damit übereinstimmend
heisst es in "Chron. Halberstadense« bei Leibnitz H, 113: "Hic Bruno
(der gleich nachher als der Herzog von Sachsen, welcher 880 gegen
die Normanen fiel, bezeichnet wird) fundator exstitit civitatis, ( civitas
heisst Brunswik da, weil es im Anfang des 13. Jahrhunderts, wo der
Chronist schrieb, eine Stadt im engeren Sinne des Wortes war) quae
Brunonis vicus vocaturu. Nur scheinbar weicht davon ab, was das
"Chron. vetus" bei Leibnitz II, 14 berichtet: "Hi duo Bruno et Tanquardus
- kurz vorher als Söhne des Herzogs Ludolf bezeichnet - civitatem
Brunswik, sicut habetu1· in quibusclam chronicis, funclaverunt". Da
nämlich der Chronist unter Brunswik ausser dem Orte dieses Namens
auch die Burg Tankwarderode mit versteht, die er pars ipsius civitatis
im folgenden nennt, so stimmt diese seine Behauptung sehr wohl zu
den oben erwähnten Quellenangaben. Dasselbe ist im ganzen auch mit
dem Bericht des "Chron. rhythmicum" bei Leibnitz III, 13 der :Fall. Auch
da wird der Ort Brunswik von der Burg Tankwerderode unterschieden;
die Gründung beider aber wird hier dem Herzog llruno allein zugeschrieben 2) und Tankwarcis keine Erwähnung getl1an; was vou dem
Verfasser des Ch.ronicons info1ge der Zweifel ge~chah, die er ohne
Grund über die Existenz Tankwarcis hegte. Auch die Schriftsteller des
15. Jah.rhunderts, wie Engelhusius bei Leibnitz II, 1070, und Botho z.
J. 8Gl bei Leibnitz III, 299 erzählen dasselbe und stimmen mit jenen
') Vergl. Georgisch, .Rcgesta in indice", pag. 563-569. - Ilarenbcrg, .Hist. eccl.
Hasse! und Bege, .Beschr. des Fürstcnt. Welfenbüttel" li, 173-184.- Lcibnitz, .Sript. rer. brunsv.• - Leukfcld, "Antiqu. gandcrsb.",
Wolfenbüttel 1709. - Lotz, ,Kunsttop. l." - Lüntzel, .Diöcese Ilildesbeim." Stubner, .Kircbenvcrfas~ung", S. 472. - Hopf, .IJbt. gcncal." Atlas I, no. 390.
•) Van Hertogen Brune wart begunnen, dat nu hcitet Brunswik unde de horch
algelich, - de mcn Dankwerderode jach.
Gandcr~beim", Hannover 1734. -
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13 -
älteren Quellen überein. Wenn Stadtweg z. J. 861 bei Leibnitz Ill, 265
die Gründung von Brunswik schon durch den Herzog Ludolf begonnen
und von seinen Söhnen Bruno und Tankward beendet werden lässt, so ist
das eine Ungenauigkeit, die sich wohl erklären lässt, wenn man bedenkt,
wie oft Pläne, von den Eltern schon entworfen, von den Kindern erst ausgeführt werden. Sehen wir also von dieser unwesentlich abweichenden Angabe ab, so geht aus diesen Quellen unbestreitbar hervor, dass die Gründung des Ortes Brunswik dem Herzog Bruno von Sachsen zuzuschreiben ist.
Urkundlich wird eines Ortes Bruneswik, der Burg gegenüber, zuerst 1031 gedacht. Stadtrecht erhielt Braunschweig durch Heinrich den
Löwen, welcher die Befestigung der emporblühenden Stadt begann. Seit
1247 Mitglied der Hansa und Quartierstadt derselben, erhielt sie in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach einer Fehde mit Herzog Heinrich dem Jüngeren eine gewisse Unabhängigkeit. 1528 trat die Stadt
zur Reformation über. Seit 1753 ist sie die beständige Residenz der
Hetzöge. Unter der westfälischen Herrschaft 1807-1813 wurde sie zur
zweiten Residenz dieses Königsreichs erklärt. Die Kunstdenkmäler der
Stadt erwähnen wir später unter den einzelnen Hcrzögen. 1)
Bruno fiel 880 in der Schlacht gegen die Normannen bei Eppendorf. Sein Bruder Otto der Erlauchte gründete 904 am Fusse des
Kalkberges bei der Stadt das ~Iichaeliskloster. Bald nach seiner Stiftung
wurde es durch eine Schul- und Missionsanstalt berühmt. Schenkungen,
Sülzeinkiinfte und Zehnten vermeln:ten den Reichtum des Klosters. Hermann Billung vergrösserte, nachdem er Tierzog von Sachsen und somit
auch von Lüneburg geworden war, 959 das Kloster und erbaute 96 t
zum Schutze gegen die Einfälle heidnischer Wenden daselbst eine Burg,
neben der allmählich eine Stadt entstand. Das Kloster wurde mit
Benediktinern besetzt, in deren Kirche Hermann Billung und seine Gemahlin Hildegard begraben liegen. Das Michaeliskloster wurde 138:?
in die Stadt gelegt und 1645 in die Ritterakademie umgewandelt, die
man 1850 aufhob. 2)
Otto's Sohn, Heinrich I., der Vogelsteller, deutscher Kaiser,
(919-936), befestigte eine Anzahl von schon vorhandenen Oertern in
Sachsen und Thüringen und legte neue Burgen dazu an. Die Kathedrale
in Marseburg liess er bauen, beschenkte in Corvey den Altar des St. Vitus
•) Vergl. Sehröder und Assmann, .Die Stadt Braunscbweig, ein bistor.-topogr.
Handbuch•, 1841. - Sack, .Gesch. der Stadt Braunschw.~, 1861.- Heusinger, .Geach.
der Residenzstadt Braunschw. von 1806-1831", 1861. - .Die Chroniken der nieder.>.
Städte• (Bd. 1 u. 2, Leipzig 1868-80). - Hänselmann, .Urkundenbuch der Stadt
Braunschw.• - Dürre, .Gesch. der Stadt Braunschw. im Mittelalter•, 1875. - Knoll,
.Braunschw. und Umgebung•, 1881.
•) Altertümer der Stadt LUDeburg und des Klosters Lüne. • Lilneburg 1852 JI.
- Volge;, • Urkundenbuch der Stadt Lüneburg", Hannover 1872 ff. - GörgeM, • Vater).
Ge$ch. und Denkw. der Vorzeit•, Braunschweig 1844, Il. Jahrg.
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1-t
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mit Gold und Edelsteinen. und gründete im Verein mit seiner Gemahlin
l\Iathilde das Frauenstift in Quedlinburg. Er bcsass nahe dem alten
Dorfe Quitlingen an der Stelle des späteren Klosters St. Wiperti eine
Pfalz und verlegte in seinen letzten Lebensjahren das Stift Wcnthusen
(Thale) nach dem jetzigen Qttedlinburg.
Die Vita der Königin berichtet hierüber:
11 Desiderabant (Mathildis etHenricus Imp. conjux) monasteria construere. Quonam ponerent loco principibus populi in unum convocatis,
postu1abant sibi consilium dari. Ad haec principes responderunt, dicentes :
Intra Winitehusum existere sanctimoniales regulari disciplina carentes,
quae non possent illic diutius demorari, ni sustentarentur adiuvamine
regali: et consilium dabant in Quintilingeburc transferri. Venit Diemot,
Abbatissa Winestehusinensis, evocata praecepto regis, et prioris haud
immemo1· desiderii, postulahat, ut sibi subditas sanctimoniales in
Quintilingeburc consentiret trausponi: quae petitionem regis gratanter
accipiens, libenter id annuit''.
Weiter sagt dieselbe Lebensbeschreibung:
17 Regina (nach dem Tode Kaiser Heinrich I.) supra memoratam
Abbatissam monasterü Winitehusinensis ad se iterum vocavit, et cougregationem sibi subditam illuc transferri admonuit. Quod Abbatissa
primum renuit, scd postmodum imperante eius filis Ottone consensit".
Durch die Urkunde vom 13. September 936 erhielt diese Stiftung ihre
innere Verfassung. Die vier ersten Aebtissinnen waren Töchter deutscher
Kaiser, und zwar die erste Mathilde, Tochter Kaiser Ottos I., die letzte
Sophie Albertine, Tochter Königs Adolf Friedrichs von Schweden.
1813 wurde das Stift dem preussischen Staate cinverleibt. 1) In der
Stiftskirche liegen begraben: Kaiser Heinrieb nebst Gemahlin, die Prinzessin Anna ~Iargarctha von Brannschweig-Harburg (gest. 22. August 1643),
Maria Aurora von Königsmark (gest. 16. Februar 1728).
Auf dem bewaldeten Berge südlich von Pöhlde hatte Heinrich I.
eine Burg, \'On der heute noch Spuren vorhanden sind. Auf dem von
früheren sächsischen Herzogen angelegten Landgute übe.rn&chtete der
Kaiser bei seinen Reisen von Quedlinburg nach Mühlhausen öfter.
929 schenkte er es als Leibgedinge und Witwensitz seiner zweiten Gemahlin Mathilde. 2 ) Sie stiftete hier <las Kloster, welches ihr Sohn
Otto I. 952 genehmigte. Es war eine Mönchsabtei zu Ehren Johannis
des Tii.ufers und des heil. Servatius. Vita B. Mathildis : n Tune construxit
Ma.thild monasterium in Palidi, illic congregans tria millia clericorum,
quiblli! larga manu impendebat quaeque necessaria "· Das Kloster war
') Voigt, "Geschichte des Stifts Quedlinburg• (3 Bd., Leipzig 1786-87, Quedlinburg 1791). - Frisch, "Gesch. des vormal. Reichsstifts und der Stadt Quedlinburg•,
(2. Bd., QuedUnburg 1828).
•) Der Tochter des westf. Grafen Dietrich aus Wittekinds Geschlechte.
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·1!)
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ursprünglich mit Benediktinermönchen (vielleicht von Concy nus) besetzt.
981 kam es an das Erzstift zu l\Iagdebm·g. Otto ll. verweilte häufig
in Pöhlde. 1)
Im Jahre 962 stiftete Mathilde das mostcr in N ordha usen.
"Ottone profecto in Italiam ad coronationem, Mathildis construxit monasterium in civitate Northusanensi, consensu sui parru.li ncpotis Ottonis.
Illic congregaverat tria millia sororum Deo et B. Mariac virgini famulantium" (Vita B. Mathildis). H. Meibom in "Notis ad Wittechindi annales Saxoniae" p. m. 602: 11 1\lonasterium :Mathi1dis monialiu.m in Northusen extruxit, quod malo omine in secularem canonicatum est mutatum
v:u:ginibus pulsis ''. Das Kloster stattete Mathilde besonders von ihren
Erbgütern in Westfalen aus, gab den Nonnen ihre vertraute Dieuerin,
die Richburg, zur Aebtissin und empfahl die Stiftung ihrem Sohne Otto,
der selbst nach Nordhausen kam, um die Kongregation, welche seiner
Mutter so sehr am Herzen lag, in Augenschein zu nehmen und zu bestätigen. Mathilde starb am 14. .März 968. Die katholische Kirche
verehrt sie als eine Heilige. 2) Kaiser Friedrich II. entliess die Nonuen
des Klosters und setzte Kanonici an deren SteHe. In der westfiliischeu
Zeit wurde das Stift sekularisiert. Die Domkirche aber oder Kirche
St. Crucis erhebt sich noch heute als ein stattliches, wenn auch öfter
renoviertes Denkmal aus jenen frommen Tagen. - Auch in Kaufungen
gründete Mathilde ein Jungfernstift. 3)
Heinrichs Sohn, Kaiser Otto I. (gest. 973), baute die Dome zu
Brandenburg und Havelberg. Magdeburg, für welches er, ebenso wie
seine Gemahlin Editha, eine grosse Vorliebe hegte, verwandelte er in
eine blühende Handelsstadt, verlieh ihr, nachdem seine Gemahlin sie
mit Mauern umgeben hatte, das Marktrecht und gründete an der Stelle
des jetzigen Domes ein Benedi.ki.inerkloster, legte auch auf dem Johannisberge das 965 von den Mönchen bezogene Kloster Bergen an, :lut in
eo erudirentur juniores ad ministerimn ecclesiae et scholarum in toto
tractu ad Albim, indeque prodirent riri docti, quorum u:>us esse in
propugnanda et defendenda doctrina salutari passet". Ueber die Gründung der Kirchenbibliothek bemerkt Ditmar, ~Chronic. lib." II, p. 33:
"Posthaec subditis sibi cunctis hostium cuneis, Alpium transcendit
v:iam, Bavariam invisens regionem, ibique cunctil; dispositi ·, recto
itinere ad Magdeburgensen pergens chitatem, palma~ ibidem fe::.til·o
duxit honore. Pro remedio autem animae suae tradidit llostcra luce
ineffabilia Domino munera in,·ictissimoque eius du.ci ~fam-itio in praediis, in lib1'is, caeteroque' apparatu regio, confirmans omnia legitima
') Vergl. Görges, a. a. 0. -
.Meyer, .Die Prorinz llannover•, Hannover 1888.
Förstemann Urkundl. Gescb. der StadtNordhausen bis 12W", Nordhausen 1840.
3 ) Boda in .Ch~on. Gandersbem ap. Henr. Meibomium in notis ad Witttlchindi
annales Saxoniae• p. m. 702.
2)
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16 adrocatorum, traditioneque scripturarum, p1·aesentia et !aude imperatricis et filii atque sub omnium testimonio Christo fidelium".
Die von Otto 963 gegründete Domkirche wurde 1207 wieder eingeäschert. 968 verwandelte er das 937 zu Ehren des heil. Mauritius augelegte Kloster in ein Etzbistum, dem die Bischöfe von Meissen, M.erseburg,
Namuburg (Zeitz), Brandenburg und Havelberg untergeordnet wurden. Das
Erzbistum, seit 1680 Herzogtum Magdeburg, gehörte zum Niedersächsischen Kreise. Vetgl. Brandt, "Der Dom zu Magdeburg" (Magdeburg 1863).
Ottos jüngster Bruder, Bruno, übertraf an Bildung die zeitgenössischen Fürsten. Sein Biograph Ruotgerus (de vita Brunonis) erzählt von ihm, dass er als eratem Lehrer Baldricus, Bischof von Utrecht,
]m Alter von ungefähr vier Jahren übergeben wurde. Bald machte er
solche Fortschritte, dass er nicht nur die Regeln der Grammatik inne
hatte, sondern auch den Pr11deutius lesen konnte. Darauf machte ihn
derselbe Lehrer mit den übrigen Schriftstellern, ja mit jeder Art von
ßildung bekannt, sodass es kein Fach der Wissenschaften mehr gab,
welches der Lebhaftigkeit seines Geistes entgangen wäre. Vor allem
leistete er Grosses in der lateinischen und griechischen Redekunst. Er
wurde von Otto I. 939 an den königlichen Hof berufen, wirkte für
Hebung der Schola palatina und setzte unter Leitung berühmter Lehrer,
z. B. des Ratherius von Verona und des Schotten Israel seine Studien
mit Eifer fort. Ruotger a. a. 0. Cap. VI sagt von ihm:
"Nec suffecit ei in gazophylatium cordis sui colligere, quod in
promptu habebat; peregrina insuper conduxit aenigmata et quicquid
philosophicae, terrenisque sensibus remotissimum sensit, hoc undecunque
contra:rit. Obliteras diu septem liberales artes ipse retexit. Quicquid Historici, Oratores, Poetae et Philosophi novum et grande perstrepunt, diligentissime euro doctoribus utriusque linguae perscrutatus
est. Sa.epe inter Graecorum et Latinoruro doctissimos de philosopbiae
sublimitate ac de cuiuslibet in illa ßorentis disciplinae subtilitate disputantes, doctus interpres medius ipse consedit, et disputantium ad
plausum omnium satisfecit".
940 wurde Bruno Kanzler des Reiches, trat 951 als Erzkaplan an die
Spitze der Rofgeistlichkeit, begleitete in demselben Jahre seinen Bruder
auf dessen erstem Römerzuge und hielt 953 in dem Aufstande der
Herzöge Ludolf von Schwaben und Konrad von Lothringen treu zu
seinem Bruder. 953 nach dem Tode Wichfrieds, Erzbischofs von Köln,
ward Bruno zum Erzbischof von Köln gewählt und von Otto I. zum
Herzog von Lothringen erhoben. Weil Bruno auf die Regierungs~
geschäfte Ottos grossen Einfluss hatte, wurde er allgemein als Ottos
Mitregent betrachtet. Doch auch auf kirchlichem Gebiete war er eifrig
bemüht, eine gründlichere wissenschaftliche Bildung der Geistlichen zu
erstreben, die Mönchsorden und Klöster durch allgemeine Einf"Uhrung
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der Regel Benedikts zu reformieren, sowie für Gtiindung und Ausschmückung der Kirchen zu sorgen. 1) Er starb zu Rheims am 11. Oktober 965. Seine Kommentare über die fiinf Bücher :\Iosis sind unter
dem Namen Bruno Herbipolensis gedruckt. Auch einige Lehensbeschreibungen von Heiligen soll er geschrieben haben. :Nach ,Jöchers ~Gelehrten­
lexikon 11 liegt in der Dominikaner-Biblio.tl1ek zu Bologna sein Commentarius zu den vier Evangelien im Manuskript. Sein Leben ist ausser
von Ruotger (abgech:. in Pertz, ~l\fonumenta Germ. hist. 11 Bd. 4, Hanno\'er 1839), auch besonders gedruckt und von Jasmund (Berlin 1851)
ins Deutsche übersetzt, von Meyer, "De Brunone I., archiepiscopo Coloniensi« (Ber}in 1867), Pfeiffer, "Historisch-kritische Beiträge zur Geschichte Brunos I." (Köln 1870), Piper, "Zeugen der Wahrheit" (Bd. 2,
Leipzig 1874) beschrieben.
Otto I. übertrug das Herzogsamt in Sachsen an Hermann Bil!ung
9G 1. Durch das Geschlecht der Billunger gelangte Sachsen zu hoher
Selbständigkeit und Macht. Ueber Hermann Billung (gest. 973), enviihut
als Erbauer der J\lichaelis-J{]osterkirche zu Lüneburg, findet sich in dem
Rioster folgendes Epitaphiuru:
Hermann Billich bin ich genannt
Dem römischen Reiche wohl bekannt,
Ein Edelmann ron Stübeckshorn
War von schlechtem Stamm geboren.
Kunst, 'fugend und Gerechtigkeit ich bracht,
Dass der Kaiser Otto mich zum Fürsten macht.
Da ich nun erhoben zu einem Herrn
St.ift't ich Gott und dem Adel zu Ehren,
Und baut' das Kloster zu St. Michael fürwahr,
Daneben Lüneburg das Schloss alldar.
War züchtig, streng in aUe Tbat
Otto der Gerechte mich drum begnad. 2 )
Hermann folgte sein Sohn Benno, ein ::;chutzhcrr der I\irche, \\ w
ihn der von Joach. Job. Mader edierte Autor der "Compihttio chronoIogica" rühmend nennt. Nach ihm regierte sein Sohn ßernhard I.,
welcher 994 die ~ormannen bei Stade besiegte und am 9. Februar 1011
starb. Sein Sohn Bernhard II. starb am 29. Juni 105~. 3 ) Seine Xachfolger waren in 1·egelmässiger Erbfolge Yom Vater zmn Sohne: Ordulf
(gest. 28. 'Miirz 1071) und Magnus (gest. 23. August 1106). Die Dillungischen Herzöge hatten am meisten mit den Slavcn zu kämpfen
(Obotriten, Wilzen, Sorben, Wenden etc.). 1Iagnus, der letzte aus dem
1) V"crg1. Catalogus Archiepiscopormn Caloniellßium, Rernm Gcrmo.n. ab Ilenr.
Meibomio editaruru, T. II, pag. 5.
•) Görges, »Vo.terl. Gesc.h. und Denk.w. der Vorzeit•. II. Jabrgnng.
3) Stifter der Klöster Steterburg und Heiningen.
Eckart, Die FO.rsletl dea Wtlfenha>lSe&.
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Geschlecht der Hillunger, hcteitigte sich schon bei Lebzeiten seines
Vaters eifrigst an den Fehden gegen den Erzbischof Aclalbert von
Bremen und kam dadurch in eine feindliche Stellung zu König Heinrich IV. Weil .i\Ingnus den geächteten Otto von Northeim schützte,
nahm Heinrich ihn nach seiner Unterwerfung 1071 in strenge Haft auf
der IIarzburg. 1073 durch die aufständischen Sachsen hefreit, stellte
er sich als ihr Herzog an die Spitze der mit Heimich Unzufriedenen,
wurde aber 107ö an der 'Cnstrut besiegt und mehrere .Jahre in Haft
gesetzt. 1078 wurde er samt dem ihm verbündeten König Rudolf von
Schwaben bei Melrichstadt besiegt und war seitdem Heinrich freumllicher gesinnt. In Gemeinsclwft mit dem Erzbischof Liemar 1·on Bremen
förderte er die Mission bei den Slaven, und durch seine Unterstützung
gelang e~ dem christenfreundlichen Heinrich, dem Sohne des 1066 von
den Wenden erschlagenen Fürsten Gottschalk die Herrschaft des Vaters
wieder aufzurichten. Herzog 1\Iagnus starb, ohne Söhne zu hinterlassen.
Seine beiden Töchter Eilike und Wulfhilde vermählten sich erstere nn
den Grafen Otto den Heicben von Ballenstedt, letztere an Herzog Heinrich den Schwarzen \·on Bayern aus dem Welfenhause. 1)
Aus anderen Linien dieses Geschlechts sind hier mit Auszeichnung
zu nennen: Markgraf Ludolf II. (gest. 1038) als der Stifter der Petrikirche in der Burg zu Braunschweig, der dortigen früheren Ulrichskirche und als Mitstifter der daselbst 1031 eingeweihten Magnikirchc;
l~ckbert 1. von Brauuschweig (gest. 10G8), welcher den König Heinrich IY. 1062 aus den Fluten des Rheins rettete und dafür 1067 nach
dem Tode des ~Iarkgrafeu Otto von Ol'lamiinde zum Markgrafen von
~Ieissen ernannt wurde, als Gründer der Burg Wolfenbüttel er. 10413.
Bein Sohn Eckbert ll. war ein Hauptgegner Heinrichs IV. (Schlacht bei
den Weichen in Thüringen). Er strebte nach der Kaiserkrone, wurde
aber auf Anstiften der Aebtissin Adelheid von Quedlinburg 1090 auf
ei11er Mühle im Se1ketha1e erschlagen. Seine Schwester GertrQde, die
Erbauerirr des Aegidienklosters in Braunscbweig, die einzige Erbin der
brunoni:>chen Güter, -wurde die Gemahlin Heinrichs des Fetten ''Oll
Northeim. Siegfried, Graf von Bomeneburg, war der Stifter des Klosters
Amelunxborn. 2 ) Lotbar von Supplingenburg (von 1125-1137 König
der Deutschen und römischer Kuiser) stiftete den Dom zu Königslutter,
einst Sitz reicher und mächtiger Prälaten, 1135 von Graf Bernha.rd von
Haldcn>;!eben in eiue Benediktiner-Mönchsabtei verwandelt. 3)
') Vgl. Wcdckiml, "Hermann, Herzog von Sachsen• (Lüneburg 1817); Stein·
dorff, .1lc ducatus llillingorum origine et progre~su" (Berlin 1863).
•) Görgcs, • Vaterl. Gcsch. und Denkw. der Vorzeit". I. Jabrg., S. 312.
3 ) Lctzner, .Heschr. des Stifts Königslutter" (Wolfenbüttel 1715); Leukfeld,
,.Antic1u. Walkenred.• I, 234; Lotz, .Kunsttopogr." 1; 1\Ielbom, .Rcr. Germ."lll, 299;
Stamm, .Die Stiftskirebe zu Königslutter" in .Baudris Organ• 1S:i3, S. 101; 1856, S 211;
'Irithcim, .Anlllll. Hirsaug. • I, 4()(), 401.
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"Von grosser Wirkungct, sagt Steinmann ("Die Grabstiittcn der
Fürsten des Welfenhauses", Braunschweig 1885), ~ist namentlich clic
Ostseite der Kirche mit ihrer reich ornamenticrtcn Apsis, dem Querschiff und dem kühn daraus emporstrebenden östlichen Turme. \"ergleicht man den Chor der Stiftskirche mit dem des uns znni.i.ch~;;t liegenden romanischen Bauwerkes, des etwa vierzig .Tahre jüngeren Blasiu.::Doms in Bnmnschweig, dann fiillt dieser Yergleieh sel1r zum Xadtt<•il
des letzteren aus. Während hier die Aussenseite der Apsis nichts als
die einfache Mauerfläche zeigt, wird sie dort durch zierliche Siiulcn mHI
Friese belebt, die in üppigem Blätterschmuck und reichen figürlichen
Darstellungen über und unter den Chorfenstern hinlaufen. Die beiden
westlichen Türme sind leider nicht zu der ursprünglich berechMten
Höhe aufgeführt; dem Ganzen aber thut dies keinen sonderlichen Eintrag. Interessant durch seine eigentümliche J{onstruktion ist das den
Türmen zunächst gelegene Portal der Nordseite, dessen zieriiche Siiulen
auf zwei Löwen ruhen, die leider stark >om Zahne der Zeit gelitten
haben. Treten wir durch dieses Portal in das Innere des Gotteshause:-;,
dann überraschen uns dessen überaus schöne Yerhältnisse. Au das
Mittelschiff legen sich zu beiden Seiten in halber lli.ihe und Breite desselben die Seitenschiffe; mit Apsiden scbliessend, setzen sie sich auch
auf dem Chore fort. Während die Gewölbe des Langschiffes, deren
{~uergurte nicht auf den Pilastervorlagen der Pfeiler, sondern auf besonderen Kragsteinen ruhen, daYon zeugen, dass dieser Teil des ßaucs
einst wohl eine Holzdecke hatte, und die Ucberwölbung desselben einer
späteren Periode angehört, stehen Chor uncl Quer:;chifi, wie 1>ic Lotbar
selbst noch gesehen hat, in der ganzen, durch erhabene Eillfuchheit
wirkenden Pracht des romanischen Stiles vor uns. Die Ausstattung
dieses Gotteshauses ist lteute die denkl>ar diirftigste: grn.u vermalte
Kirchenstühle, eine unbedeutende Kanzel, eine aus der ßlütezdt «lcs
Zopfstiles herrührende Orgel: aller Schmuck ausser dem ursprünglidtcn
seiner eigenen architektonischen chönheit ist yon ihm gcuonuncn.
Welch ganz anderes Bild mag es in jenen Tagen dargeboten haht'H, da
an den Hochfesten des Sahres der Hochnltur Yon Kerzenlicht ~tr.thltc,
und die Aebte in ihren mit Gold und Edelsteinen bedeckten )lcssge" iindern, umgeben von der Vollzahl der Chorherren und Priester, den l';egt'll
über die zugeströmte Schar der Gläubigen sprachen!~
-
In dieser Kirche ruhen: Lothar \"On .'upplingenburg, der nu\
3. Dezember 1137 zu :Ureitenwang an der Grenze yon Tyrol und :Uaycrn
starb; seine Gemahlin Richenza, Tochter cle:- Gr,tfen Heinrich de:, Fetten
von Northeim (des Sohnes von Otto >On Xortheim), gest. 1141; Heinrich der Stolze, der Genannten Schwiegersohn, der \'ater Heinrich des
Löwen, geat. lt39. Der Landdrost Joachim \On der Streithorst Jie,s
die Gräber und Siirge am 14. .Januar 1li20 erhrerhen uwl 11urh des
2•
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Abtes .Toh. Fn.hricius handschriftlicher, im Ilerzogl. J\luscum zu Braunschweig befindlicher Nachricht daraus entnehmen:
"1. Eine bleyerne Tafel, worauf die lateinische Inscription von
iles Kaisers Lehen und Tod. 2. Der Reichsapfel von rohem Bley,
mit einem auch bleyernen darüber stehenden Kreuzlein. 3. Des
Kaysers Schwert. 4. Ein kleiner Kelch, mit einem Oblaten-Schüssleiu,
beide Yon Silber. 5. Ein Stück Kork, so unter dem Stiefel gesessen.
ö. Etwas vom Sporn. 7. Ein Stück Doppeltn.ffet vom Rock, so beim
Eriiffnen schön carmesinrot gewesen, bald aber darauf sich ins bleiche
und fahle verändert.«
Weiteres siehe Steinmann a. a. 0. In den "Annales IIilclesh.
Chronicon :\1ontis Sereni. Otto Frisingensis Libr. I de gcstis Friderici"
cap. 22 :findet sich folgendes Epitaphium Lotharii Imp.:
D. 0. M. S.
FORTISSil\IYS HIIPERATOR LOTRARJUS II.
CONDITOR
IIVIVS TE:\IPLJ ET COENOBJJ CUJI RJCHE~SA CONJVGE
ET HE~R.JCO SVPERBO SEY l\lAGNANJl\10 SVO GENERO
HE.TC QUIESC.JT RES\'RRECTJO~E:\1 EXSPECTA.~. S.
1\10~\·­
:\IENTY:\I CAESAREVM SVB FELJCJ REGniJNE SERENJSS .
.\NTO~.J.J VLRJCJ DVCJS BRYNS\'. AC LVNEB. EX JNTEGRO
A .JOANNE FABRJCJO
RESTA VRABATVR A. C. l\1DCCVIII.
ABBA TE.
Ein nicht geringes Verdienst hat sich Lotbar dadurch erworben,
dass er das römische Recht in Deutschland erneuerte. Bytemeister ("De
aug. dom. brunsv.-luneb. meritis in rem litterariam ", Ilelmstiidt 1730)
herichtot dariiber:
Anno cnim 1\ICXX..."'{VI. in excidio urbis Amalfitanae in Apulia. libri
legum sunt reperti. Fuerunt autem horum librorum quatuor, primus
Institutioncs, secundus Pandectas, tertius Codicem, quartus Authentica exhibuit. Eodem tempore in aula Imperatricis Jlathildae erat
W ernerus, vel ut Itali appellant, Irnerus, qui Constantinopoli juri
operam dederat, summumque in rebus Lotharü aclministrandis locum
tenebat, quo quidem auctore et suasore Lotharius ins romanum in
Academüs doceri, et ex eo causas in judicüs dijudicari, edicto mandn.vit.
Ycrgl. dazu Herrn. Com'ing, "De origine iuris Germanici", cap. 24,
pag. 146 sq.
Seine einzige Tochter Gertrude vermählt Lotbar mit dem Welfen
Ileinriuh dem ötolzcn, Herzog von Bayern, dem Sohne Heinrichs des
Schwarzen, und verleiht demselben 1127 das Herzogtum Sachsen. Nach
Lotbars Tode versucht der Markgraf Albrecht das Hecht ileinrichs
auf das Herzogtum Sachsen zu entkräftigen und besetzt wäb1·end des
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Streites die Städte Lüneburg, Bardowiek und Bremen. Kaiser Konrad Ill.,
dem sich Heinrich nicht unterwerfen will, erklärt ihn in die Reichsacht.
Bayern gebt dem Herzog verloren, mit seinen treuen Sachsen lagert er
dem Kaiser gegenüber bei Hersfeld. Xach Schliessung eines Waffenstillstandes und nachdem Albrecht die ::\Iarkgrafschaft Brandenburg erhalten, stirbt Heinrich plötzlich 1139 zu Quedlinburg, 37 .Tahre alt. Er
ruht an der Seite seiner Schwiegereltern zu Königslutter, wie oben berichtet.
Sein Sohn, lleinl'ich tl er Löwe (geb. 1129, gest. 1195) hat, neben
seiner grossen Bedeutung in der allgemeinen Geschichte, in seinem Vaterlande ruhmvolle Denkmale seines Wirkens hinterlassen. .Jener Zeit
kiinstlerische Bestrebungen standen, wie bekannt, grösstentcils im Dienst
der mrche. Auch Heinrich pflegte in erster Linie die kirchliche Kunst.
Er erbaute die prächtigen Domkirchen zu Lübeck, Rn.tzeburg, Sclmerin
und Brauuschweig. 1157 stiftete er 1\Iünchen.
Nach dem Tode lleinrichs des Stolzen {1139) kam Bruns,\ik, das
bereits zu einem stadtähnlichen Orte an beiden Seiten der Oker herangewachsen war, das schon zwei Stiftslrirchen, ein moster und drei Pfarrkirchen aufzuweisen hatte, an Herzog Heinrich den Löwen, welcher es
zur Stadt im höheren Sinne des Wortes erhob und den Grund zu seiner
späteren Macht und Bedeutung gelegt hat. Er vermehrte. verbe~scrte
und vor allem erweiterte die Befestigung des Ortes. Eine grosse
Zahl von Landbewohnern zog nun in die befestigte Stadt, um in den
damaligen unruhigen Zeiten sicher wohnen und ihr Gewerbe betreiben
zu können. Neue Wohnungen und Kirchen entstanden. Im Osten des
Reichs wohnten Heinrichs gefährlichste Feinde, Albrecht der ßiir in
Brandenburg und der Erzbischof Wichmann von Magdeburg. Daher kehrte
Heimich nach Osten den geöffneten Rachen des ehernen Löwen, den er
1166 in der Burg Dankwurderode errichten liess, um den :Feinden zu
zeigen, dass e1· sich wie ein Löwe verteidigen werde.
Von seineu Zuge ins gelobte Land kehrte Heinrich mit vielen
Reli!J.uien heim. Um diese in einem würdigen Gotteshause niederlegen
zu können, liess er das alte Peter- und Panisstift abbrechen und auf
dessen Stelle den Bau der l:'itiftskirche im byzantinischen Stile 1173 beginnen. 1227 erst wmde die vollendete Kirche durch den Di~chof
Konrad von llildesheim geweiht. )lit einem ko:;tbaren siebenarmigen
Leuchter, Glasgemälden, priichtigen Kirchengeräten, Oemiilden und
Schnitzarbeiten, mit einem :;ilbernen KruzifLx, iiOOO )lark an Wert,
Reliquienbehtiltern zierte er diesen Dom. .\us herrlichen morgenl~indischen
Gewändern liess er Messgewänder und anderen Kirchen:sclunuck herciten.
Seine Stammburg Dankwurderode liess er würdig rcstamieren.
Ein neues Schloss und ein Kirchenhaus mit den nötigen ?\ebcngebiiuden
liess er neben clem Dome bauen. Ferner liess er die Pctrikirchc 1 die
Paulsk<tpelle und die Ku.tharinenlrirche errichten.
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Dem Orte Brunswik verlieh er städtische Rechte.') Zum Dank
für alle die Wohlthaten, die lleinrich der Stadt verlieh, hielten deren
Bewohner in tler Zeit seines rnglücks treu zu ihm bis ans Ende. Als
er dieses nahen fühlte, schmückte er sein Blasinsstift mit den oben
crwiihnten herrlichen Gemälden, mit Fensterzieraten und einem getäfelten
Fussboden, sowie mit einem von Gold und Edelsteinen strotzenden
Kreuze (s. o.). Dem Stift und den anderen Kirchen der Stadt verehrte
er reiche Me::;~gewänder. Auch die Erbauung der Uartinikirche fallt in
diebe letzten .Jahre (1180-1190). So förderte er bis zu seinem Tode
llie \1erke christlicher Liebe und frommen Glaubens. Gar oft liess er
sich bis in die Nacht hinein die alten von ihm gesammelten Chroniken
vorlesen. Am G. August 1195 starb er und wurde im Dom begraben
an der Seite seiner zweiten Gemahlin Mathilde, Tochter König Heinrichs TI. von England und Schwester Richarcl Löwenherz' (gest. 118!J). 2 )
IIeilll'ich des Löwen Kolossalstatue auf dem Hagenmarktsbrunnen zu
Draunschweig wurde am 4. Juli 1874 enthüllt. Ueber sein Zeitalter
ragt er besonders dadurch hervor, dass er Handel, Gewerbfl.eiss, Bii.rgerglück und Wohlhabenheit in seinen Ländern, die Künste emporzubringen
und Gelehrsamkeit zu fördern bemüht war.
Heilll'ichs Söhne, Heinrich der Schlanke (gest. 1227), Otto IV.,
deutscher Kaiser (gest. 1218) und Wilhelm (Langschwert), gest. 1213,
besassen das von ilu:em Vater hinterlassene Erbe bis zur Teilung im
Jahre 1203 zur gesamten Hand, indem Heinrich die Regierung führte.
Treu standen die Braunschweiger zu den Söhnen Heilll'ichs des Löwen
in den nun folgenden Kämpfen zwischen Welfen und Hohenstaufen.
Otto IY. beschenkte Braunschweig mit der Zollfreiheit (Urkunde Otto's IV.
1". J. 119!J) uncl liess die »alte Wik" mit Mauern und Graben befestigen,
das Aegidienkloster mit in die Ringmauer der Stadt hineinziehend. Der
Yon der Ringmauer umschlossene Raum wurde dann im Ganzen vollständig
ausgebaut. ~o verdankt Braunschweig Heinrich dem Löwen und seinen
Sühnen die er:ste grosse J:>eriode seiner städtischen Entwickelung und
Erstarkung und legte den Grund zu seiner späteren Macht und Bedeutung.
In der Kürze wollen wir noch Otto's IV. anderweitiger Verdienste
um Knust und Wi:ssem;chaft gedenken. Er liess die verfallene Asseburg
) Rehtmcicr, nBraunschw. Chronik", S. 467.
•) Vergl. Stcinmann, nDie Grabstätten der Fürsten des Welfenhauses", S. 8 ff.
Hans Protz, "Heinrich der Löwe" (Leipzig 1865). - Weiland, .Das sii.chshche
Herzogtum unter Lotbar und Heinrich dem Löwen• (Greifswald 1866). - Philippson,
.Gesch. lleinricb des Löwen• (2 Bli., Leipzig 1867-68). .Aeltere Werke: .Slavenchroni.k Helmhollis" Lis 1170, fortgcs. von Arnold v. Lübeck bis 1209; nStedernburgcr
Annalen" vom Probst Gerhard, Anon. Weingartenais de Guelfis, Chronographus Weingartensis bis ll!li, fortges. bi~ 120R, Braunscbw. Reimchronik. - Schiller, .Die
mittelalterliebe .\.rchitcktur ßraunschwcigs" (Braunscbweig 1852). - Hobnstein, "Heinrich der Löwe• ( Braunschwcig 1881 ).
1
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zum Schutze des oft befehdeten Braunschweiger Landes wiJerherstellen
und befestigen ') desgleichen die Burg Herlingsberg bei Goslar. Letztere
liess er 1199-1201 völlig neu einrichten, vergrösserte sie bedeutend,
befestigte sie stärker und versah sie mit gro:;ser ~lannschaft. rFortwährend", sagt Görges a. a. 0, I, 381, 1,hatte Otto seine richtige Butg
Herlingsberg lieb; denn noch in demselben Jahre (121 ), in welchem er
sein vielbewegtes Leben einsam auf der HarzbUI·g beschloss, war er auf
dem Ilerlingsberge·, und erst von dieser Burg ab trat er seinen letzten
Gang nach dem berühmten Reichsstifte Harzburg an". Die Harzburg war
Otto's Lieblingssitz; er erkor sie sich, als er Kaiser Fl'iedrich li. hatte
weichen müssen, zu seinem bleibenden Ruheorte und starb hier am
19. Mai 1218 und wurde im Braunschweiger Dom begraben. ~Ian rühmt
sein besonderes Wohl wollen gegen Gelehrte und sagt, dass er in schwierigen
Angelegenheiten Priester, Gelehrte und Rechtskundige zu Hate gezogen
habe. 2)
Wi!helm (Langschwert) hinterliess bei seinem Tode einen unmündigen Sohn Otto das Kind, 3) geb. 1204, gest. n. Juni 1252. Dieser
trug 1235 seinen gesamten Besitz dem Kaiser I<'riedrich II. auf und
empfing ihn als ein zum Herzogtum Braunschwcig-Lüneburg
erhobenes Reichslehen wieder. Somit war das alte Herzogtum ~achscu
aufgelöst, und Braunschweig-Lüneburg, aus demselben bervorgegaugen,
trat in die Reihe der deutschen Staaten. Otto das Kind verlieh der
Sbtdt Braunschweig Begnadigungen, Freiheit und das erste Stadtrecht.
Braunschweigs Wohlstand wuchs nun zusehends und wurde bald im Auslande bekannt. Schon 1228 brachten braunschweigische Uandebleute ihre
Waren nach den dänischen Staaten. König Waldemur II. nahm sie
wegen der ihrem Herzoge bewiesenen Treue und Anhänglichkeit in
seinen Schutz und befreite sie von Zoll und Strandrechten. Durch Gründung des Kreuzklosters erhielt Braunscbweig in jener Zeit eiuen Zu wach!;.
Dasselbe wurde 1230 von Balduin von Campen auf dem Henneh;bcrgc gegründet und mit Xonnen des Cisterzienser-Ordens besetzt. In dezusclbcn
J.lhre erhielten die Braunschweiger vom Könige von England die Zusicherung, dass sie in seinem Reiche Schutz und ~icherheit genie:-.~cn und
frei handeln sollten, wenn sie vom Herzoge ein Zeugni:; brächten , da~s
sie seine Unterthanen '"tiren.
Der Stadt Lünehurg gab Otto das Kind 1:247 das sogen. ~ taut­
recht infoltre dessen die Stadt im Handel und Ycrkehr bald zu den
'
l:l
angesehensten Städten Siedersachsens zählte. In gleicher Weise bcfurderte
') Görg~s, a. a. 0. I, 361.
•) Arnoldus Lubcconsis Lib. 7 c. 18.
3) Quoniam Wilhchno, patre mortuo, cum posscssioncm aütoriuw bonorum
arripcrc ue!Jcl.lat, p u c r adbuc orat. Daniel Conr. a Campen oratio dc brunsv. et luncb.
ducum bcrcn. familia ciu"IliO varili; divisionibus (IIclmst.il.ut \INl),
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24 er das Aufkommen und die Freiheit zahlreicher anderer niedersächsischer
Städte.
Nach Ottos Tode folgen seine beiden Söhne Albrecht (der G1·osse,
longus) und Johann in der Regierung. Anfangs regiert Albrecht in
beider Namen allein; im Jahre 1267 teilen beide Brüder das Land.
Albrecht erhielt das Braunschweiger Land, Kalenberg, Göttingen, Gruben~
hagen, Gifhorn, das Land vo1· dem Harz und das Eichsfeld. Ilerzog
Johann erhielt die Länder Lüneburg, Celle und die Stadt Hannover;
die Stadt Braunschweig und mehrere andere Teile regierten sie gemein~
schaftlich. So entstand eine braunschweig-lüneburgische und eine braun~
schweig-wolfenbüttelsche Linie.
Albrecht der Grosse gündete 126!:1 das Franziskaner- Mannskloster
in Göttingen (wo jetzt Wilhelmsplatz und Amtsgericht). Der Bau
wurde 1306 vollendet. 1531 wurde das Kloster aufgehoben und 1820
wurden die Gebäude abgebrochen. Von ihm sind auch das AugustinerEremiten- Kloster in Helmstadt und die Heilige Geist- Kirche in Braunschweig gestiftet. 1) 1279 starb Albrecht der Grosse. Seine drei Söhne:
Heimich der Wunderliche, Albrecht der Fette und Wilhelm führten anfangs die Regierung gemeinschaftlich und bestätigten alle drei die
Privilegien, später tritt Teilung ein, wonach Albrecht das Göttingische,
Heinrich Grubenhagen und Wilhelm Braunschweig-Wolfenbüttel erhält.
Albrecht des Grossen Bruder Johann, der Gründer des älteren Lüneburgischen Hauses, begünstigt gleich seinem Bruder Albrocht das Emporkommen der Stiidte. Sein Sohn Otto der Strenge demütigt die übermütigen Vasallen, erwirbt Hitzacker wieder, sowie einen Teil der
Grafschaft Ha11ermund, den Hasenwinl<el und die Grafschaft Danneuberg
und Welpe. .Mit seinem Sohne Wilhelm erlischt 1369 diese Linie.
Noch sei erwähnt Albrecht des Grossen Sohn Lüder, welcher
in den deutschen Orden trat und :.~u Marienburg in Preussen 1331
zum Hochmeister des Ordens erw~ihlt wurde. Er war ein gerechter,
gelehrter und frommer Fürst, der seine Ordensbrüder fl.eissig zum Gottesdienste anhielt und sie durch seine Freigebigkeit willig und gehorsam
machte. Er starb zu Königsberg 1335 und wurde dort in dem von ihm
el'bauten Dome begraben. El' hintediess im Manuskript: "Leben und
Thaten der heiligen Barbara in tautsehen Versen beschrieben von
Herzog Lüder, Hochmeister des teutschen Ordens'•.
Ycrgl. H. Meibom "De Expeditionibus Ducum Br. Luneb.u, p. 19 Ilartknochs "Preussische Kirchenhistorieu I, cap. 4 p. 106. - Rehtmeier,
"Braunschw. Chron. u p. 598.
Gödeke, "Grunch·iss u: das Gedicht ist noch nicht aufgefunden.
') Karl G. \\'. Schiller, .Braunschweigs schöne Litteratur in den Jahren 1745
bis 1800", W olfenbüttel 1845, S. 2'27.
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Nicolaus von Jeroschin (Kaplan des Hochmeisters) verweist die, welche
die Marter und das Leben der Baxbara kennen lernen wollen, an das
»buch, das bruder Ludi!" von Brunswik hat gebracht zu dutsche ganz
mit getichte". - Auf Lüders Wunsch wurde von einem ungenannten
Dichter der Prophet Daniel verdeutscht. - Da es hier nicht unsere Aufgabe ist, die allgemeine Geschichte
des welfischen Landes zu verfolgen, so heben wir in der Folge für unsere
Zwecke nur diejenigen Glieder des Fürstenhauses hervor, die sich durch
namhafte Verdienste um Kunst und Litteratur ausgezeichnet haben.
H einrich II., Heinrich des Wunderlichen Sohn, auch de Graecia.
genannt, weil seine Forschbegierde ihn seit dem Jahre 1327 nicht nur
Italien, Oesterreich-Ungarn, sondern Griechenland, Cypern, Palästina.
und Arabien durchwandern liess. Er besuchte das heilige Grab, zu
welchem Zwecke er von Andronicus dem ,Jiingern, Kaiser von Konstantinopel, Empfehlungsschreiben erhielt.•) 0. von Reinemann ("Aus der
Vergangenheit des welf. Hauses", W olfenbüttel) berichtet hierüber: "Ein
stark ausgeprägter, dem Geschlechte eigentiimlicher Zug nach dem
Abenteuerlichen und Weitentlegenen trieb diese älteren Herzoge von
Hrubenhagen in ferne Länder und liess sie ein bewegtes, wechselvolles
Leben in der Fremde dem ruhigen Besitze ihres bescheidenen Erbes
und einem dadurch bedingten Dasein in engeren und beschränkten Verhältnissen vorziehen. So schon Heinrich des Wunderlichen gleichnamiger
Sohn, dem eine Neigung zu Reisen, wie sie in jener Zeit selten begegnet,
den Beinamen des Griechen oder des Herzogs von Griechenland eingetragen hat. Seit dem Jahre 1327 finden wir ihn im Gefolge Ludwigs
des Bayern in Italien, wo er mit diesem die Kämpfe und Gefahren von
dessen Römerzuge teilt. Dann geht er von Oberitalien durch Oesterreich und Ungarn an den Ilof des Kaisers .\ndroni1.'Us 11., welcher sich
mit seiner Schwester Facie - die Griechen nennen sie !reue - vermählt
hatte. Als er hier die Schwester nicht mehr am Leben findet, lässt er
sich durch die entgegenkommende Aufnahme, die ihm YOD seinem
Schwager zu teil wird, doch nur kurze Zeit in der glänzenden Kaiserstadt fesseln. Getrieben von der Sehnsucht, die heiligen Stätten aufzusuchen, wo einst Christus in seiner ~iedrigkeit und in seiner Grösse
gewandelt war, macht er sich auf, um Kleinasien durchziehend nach dem
heiligen Lande zu pilgern. Von Palästina aus besucht er das Kloster
am Horeb, verrichtet sein Gebet in dem der heil. Katharina geweihten
Kloster des Sinai und kehrt dann über Cypern, wo er mit einer Enkelin
der letzten Könige von Jerusalem eine zweite Ehe eingeht, in die deutsche
Heimat zm·ück. Von seinen zahlreichen Söhnen aus dieser und einer
früheren Ehe haben alle bis auf einen, der sich dem geistlichen Stande
1} Diese Schreiben erläuterte mit Anmerkungen H. Meibom in "Opusc. bist.•
p. 177 sq.
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widmete, Bischof von Osnabrück und dann von Schwerin wurde, gleich
ihrem Vater ihr Glück in fremdem Lande gesucht, aber keiner hat in
gleichem Masse die Wechselfi.ille des Geschickes erfahren wie jener Otto,
welcher nach einem Leben voll ritterlicher Kämpfe in Frankreich und
Italien sich mit der Königin .Johannna von Neapel vermählte, um dann
in der Tragödie, welche den Ausgang dieser schönsten, geistreichsten und
verrufensten Frau ihrer Zeit bezeichnet, eine hervorragende Rolle zu
spielen". Dem Leser übedassend, sich über Otto den Tarentiner und
Johanna von Neapel des weiteren in dem zitierten trefflichen Werke
von Reinemann zu unterrichten, fügen wir hier nur die Schlussworte
jener Abhandlung an: "Für unsere deutsche Geschichte, insbesondere
für diejenige seiner engeren Heimat, ist er eine fremdgewordene Gestalt,
die in dem :Nebel räumlicher Entfernung verschwindet. Seitdem er die
grubenhageuer Heimat als Jüngling verlassen, ist er nur einmal während
seines langen Lebens dahin zurückgekehrt, um das väterliche Erbe, das
ihm eine Last war, in fremde Hände zu geben. Es ist nur billig, dass ihn
die vaterländische Geschichte kaum kennt und dass sie sich damit begnügt, seinen Namen in den Stammtafeln seines Geschlechts zu verzeichnen, und zwar mit jenem Zusatze, den er sich erworben nicht in
den Kämpfen, die sein Volk zu seiner Zeit bewegten, sondern in dem
Parteigetriebe einer anderen Nation und auf den Schlachtfeldern eines
fremden Landes, als Otto Tarentinus.
Albrecht der Fette (gest. 1318), Sohn Albrechts des Grossen,
erbaute in Göttingen den Bollruz, eine Burg am Nordntnde der Strasse,
die danach die Burgstrasse heisst, stiftete 1294 ein dem Petrus und
Paulus geweihtes Dominikaner-Mannskloster. Es wurde 1530 aufgehoben.
Seit 1803 ist die Klosterkirche zur Universitätsbibliothek eingerichtet. 1 )
In der Stadt Braunschweig gründete er das St. Georgenhospital, das
Stift St. Blasü und das Egidienkloster und beschenkte das Kloster in
Königslutter. Er war ein prachtliebender Fürst, der abwechselnd in
W olfenbüttel und Göttingen residierte.
Sein Sohn, Otto der Milde (geb. 12!)2, gest. 1344), so genannt
wegen seiner vielen milden Stiftungen, liess den Anbau des südlichen
Seitenschiffes im Braunschweiger Dom ausführen, welcher laut einer
über der "Lindenthür" befindlichen Inschrift 1318 vollendet wurde.
Bischof Albrecht von Halberstadt, Ottos Bruder, weihte den neuen Anbau.
Des Herzogs Hofmeister Reinhold stiftete und dotierte den einst hier
vorhandenen Altar. Diesem Altar gehörten das noch vorhandene Bild
eines sitzenden Christus mit der Dornenkrone sowie die schön gearbeitete
Passionssäule an. 2 ) Er fundierte die Panlinerkirche in Braunschweig.
Mitboff, .Kunstdenkmale im Hannoverschen", 11.
•) Steinmann, "Grabstätten der Fürsten des WeUenhauses".
1)
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Heinrich der Friedsnme (geb. 1411: starb 1473) machte durch
ein Grundgesetz vom 17. :.\Iai 1433 der Leibeigenschaft ein Ende und
verlieh allen reisenden Fremden die Rechte freier Insassen. 1 )
Wilhelm der Aeltere (geb. 1392, gest. 1482), mit dem Boinamen
Gotteskuh, erweiterte 1469 den Braunschweiger Dom nach der Nordseite. Dieser Anbau wurde 14 71 durch den Bischof Ilennig von Hildesheim eingeweiht. "Diese Halle.t, sagt Steinmann a. a. 0., "hatte früher
interessante Glasmalereien aus dem sechszehnten Jahrhundert: in den
sieben groisen Fenstern sah man die Bildnisse der sämtlichen damals
lebenden Fürsten des Hauses Braunschweig, unter jedem derselben das
Wappen, den Titel und einen lateinischen Vers".
Erich der Aeltet·e, Herzog von Calenberg, geb. den 14. Februar
1470, zu :Münden unterrichtet, wru· im Hause Braunschweig die letzte
Erscheinung mittelalterlichen Rittertums. 2 ) Nach seiner Erziehung in
Münden kam er an den bayerischen Hof, machte in seinem 18 ..Jahre
die Reise nach Palästina, sah bei der Rückkehr Rom und Italien und
trat darauf in die Dienste Kaiser l\Iaximilians, seines treuen Freundes
und Kampfgenossen. 1498 vermählte er sich mit der Witwe des Herzogs
Sigismund von Oesteneich-Tyrol Katharina, geh. Herzogin von Sachsen,
und in seinem 55. Jahre nochmals mit der 15jährigen brandenburgischen
Prinzessin Elisabeth. Er starb auf dem Reichstag zu Hagenau am
26. Juli 1540.
Den Gelehrten war Erich wenig günstig get.innt. Gobler (" Or. fun.
Erici" S. 176) sagt bei Gelegenheit der Händel zwischen Kurfürst Johann
Friedrich von Sachsen und Herzog Heinrich von Wolfenbüttel:
"Culpam (Ericus) in neminem tarn reiciebat, quam in scribentes,
sie enim eruditos et doctos appellare solebat, quos ut artem suam
principibus probarent et multa adfingere et modestiae saepenumero
atque decori oblivisci ajebat. Itaque inter colloquendum forte hisce
de rebus mihi etiam ut homini studioso et istorum libros >el saltim
lectitanti haud leviter nonnumquam succensebat, etiamsi in aliis de
me honorifice sentiret".
Den Kanzler J ohann Stoffmel, welcher mit seinem rechtlichen
Wesen zwischen Braunschweig und Hessen Händel erregt hatte, liess
er in Wolfenbüttel hinrichten. Lubecus in der geschr. gr. ~Göttinger
Chronik 1499" schreibt hierüber:
"Diesen Unwillen (zwischen HerzogErich und Landgraf Willleim
von Hessen) hatte ein Doctor Juris unu beider Herzoge Heinrich und
Erich Canzler mit Namen Johann Stolfmel zuweggebracht und angericht. Dieses wurden die Herzoge inne, Iiessen ihn greifen und
') Schiller, nBraunschw. schöne Litteratur• (1715-1800), S. 22l3.
Steinmann, a. a. 0. S. 194.
2)
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richten zu Wolfenbüttel, dass es ein Sprichwort wurde, :dass dich
die Hand rühre, so D. Stoffmel gerühret!"'
Obwohl er selbst bei der römischen Kirche bleibt, hindert er die
Einführung der Reformation in seinen Landen nicht. Eduard Crucius 1)
erzählt davon:
"Nach den Vorgängen in Hannover wardErich der Aeltere immer
nachsichtiger und duldsamer in Religionssachen. Nirgends hemmte
er die Kirchenreform, welche fast in allen Städten begonnen WUl'de.
Seine Gemahlin, die Herzogin Elisabeth, eine Tochter des Kurfürsten
Joachim von Brandenburg, mochte schon früher in ihrem Herzen der
evangelischen Lehre geneigt gewesen sein und wandte sich endlich
noch bei Lebzeiten des llerzogs dem Luthertume ganz zu. Mit ihren
Hofdamen und ihrer sonstigen Umgebung Jiess sie sich im Jahre 1538
von Konrad Brecht, Pfarrer zu Grossenschneen, das Abendmahl unter
beiderlei Gestalt reichen. Auf ihr Ansuchen ward es von dem Landgrafen Philipp von Hessen dem berühmten, schon in Goslar thätig
gewesenen Reformator Anton Corvinus, damals zu Witzenhausen, im
Jahre 1539 gestattet, zum ferneren Unterrichte der Herzogin und
ihrer Umgehungen von Zeit zu Zeit nach :Münden zu reisen. Bei
Corvinus Ankunft äusserte der Herzog, welcher eben nach Hagenau
zu dem angesetzten Reichstage abreiste: ,Weil die Herzogin uns in
uuserm Glauben nicht hindert, so wollen wir sie auch in ihrem
Glauben ungehindert und unbetrübt lassen I' "
Luther hatte durch sein starkes, treues Wort auf dem Reichstage
zu Worms auf Erich einen tiefen Eindruck gemacht. Erich sandte ibm
einbecksches Bier in silberner Kanne in seine Herberge. Verwundert
fragte Luther, welcher Fürst seiner also in Gnaden gedenke, und als
er hörte, dass Herzog Erich, der selbst zuvor aus der Kanne getrunken,
ibm die Gabe zugeschickt habe, da trank auch er und sprach: "Wie
heute Herzog Erich meiner gedacht hat, also gedenke seiner der Herr
Christus in seinem letzten Kampfe". Der Herzog gedachte iu seinem
letzten Stündlein dieser Worte und begehrte von dem ihn bedienenden
Edelknaben Franz von Gramm, dass er ihn mit evangelischem Trost
erquicken möge. 2)
Erich war weise im Rat, in der Schlacht tapfer, biedern Herzens
und kraftvollen Geistes. Sobald die bildesheimische Stiftsfehde vorüber
war, fand er Musse, den Bau der Erichsburg zu beginnen (1525). Das
Innere ward mit herrlichen Zimmern versehen, die Oekouomiegebäude
zweckentsprechend angelegt, Wall und Graben umschirmten das Schloss,
') Görges, a. a. 0. I, 380.
Nach Havemann, .Geschichte der Lande Braunschweig und Lünoburg" (Lüneburg 1837t38).
~)
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an dem fünf Zwinger schützend emporragten. Koch YOr Yollendung
des Baues wurde ihm 1528 ein Sohn, Erich li., geboren. Die hierüber
allseitig empfundene Freude drückt die Inschrift am Thor der Erichshurg aus, welche lautet:
In Gottes Gnad' und seiner Hand
Bin ich die Erichsburg genannt.
Herzogs Wilhelms Sohn Erich hiess,
Der mich vom ersten bauen liess,
Ein Fürst zu Braunschweig und Liineburg gennnnt,
Seiner Thaten und Namens weit bekannt,
Bei Kaiscrs 1\Iaximiliani Zeit
Zu Oestcrreich, Burgund und Landen weit
Hat er viel gesehen, erfahren und gelitten,
Der Feinde viel männlich bestritten.
Lob, Ehr' und Preiss sei Gott daran,
Dass ich bie hab' gefangen an.
Zu Trost dem Lande und Namen,
Dem jungen Erich und seinem Samen.
Bin ich und behalt den Namen.
Tausend fünfhundert dreissig. Amen.
Erich ist bekannt als Stifter des Göttinger Gymnasiums. •) Nach
dem Tode Erichs I. nimmt die fromme Witwe Elisabetb, welche die
Vormundschaft über ihren Sohn Erich 11. führt, sich der Reformation
ernstlich an, lässt von ihrem General-Superintendenten Anton Corvinus
eine Kirchenordnung verfassen~) und erwirbt auf dem Landtage zu
Pattensen (1541) hierzu die Zustimmung der Stände. In den folgenden
Jahren wurde durch eine allgemeine Kirchenvisitation die reine evangelische Lehre überall eingeführt. 3) Die grösste Sorgfalt für die Erziehung ihres Sohnes hat sie in einer im :Manuskript vorhandenen und
"Der Herzogin Elisabeth, Herzog Erichs des Aelteren von Calcnberg Gemahlin, Unterricht für ihren Herrn Sohn, Herzog Erich den .Jüngeren"
betitelten Schrift bewiesen. Urban Rcgius und Anton Corvinus waren
die trcuen Erzieher dieses Fürsten. Leider hat dessen späteres Leben
gezeigt, dass alle Gebete und Segenswünsche der Mutter und seiner
frommen Erzieher vergeblich bei ihm gewesen sind. 1545 trat Erich II.
die Regierung an. Elisabeth Yerheiratete sich 1546 zum zweitenmal mit
Poppo, Grafen von Henneberg, und starb 1558. In der Bibliothek zu
') Vergl. Justus v. Dransfeld, .Allocutiones et Programmata", pag. 178.
2) Welche sie selbst mit einer Vorrede versah.
3) Ilamelmann, .Opera gencalogico-historica", Lemgo 1711, pag. 931. - Der
durch!. Fürstin und ~·rauen, Frauen Elisabeth - Herzogin zu Braunschw. und Lüneb.
Mandat, in ihrem Fhr.tentum Gottes Wort aufzurichten und irrige lerfübrto Lehren
auszurotten, IJclllngend, zu .Münden 1542.
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30 Königsberg wird die eigenhändig von ihr geschriebene "Instruktion für
ihren minderjährigen Sohn Erich II. ", wonach er sich nach ihrem Tode
riehten soiJ, aufbewahrt. Auf der Herzoglichen Bibliothek zu Gotha
findet man ein Manuskript: "Etliche Lieder, so meine gnädige Fürstin
und Frau, die von Henneberg, Elisabeth, Prinzessin von Brandenburg etc.
in iurem Elende zu Hannover gemacht, 1554 und 1555".- Ihre Tochter
Anna Marie, Gemahlin des Herzogs Albert von Preussen, hat ein Buch
hintrrlassen: "Fürstenspiegel, in hundert Regeln abgeteilt", wovon sieb
noch ein Exemplar in det· Bibliothek zu Königsberg befinllet. Mn.n ersieht daraus, dass sie diese Regeln eigenhändig für ihren Sohn, den
Herzog Albrecht Friedrich von Preussen, aufgesetzt bat. Sie starb am
20. März 1568.
Ernst II., der Bekenner (geb. 1497, gest. 1546), Sohn des Herzogs Heinrich und der 1\fargarete, der Schwester des Kurfürsten Friedrich des Weisen, Regent des lt'ürstentnms Lüneburg, Stammvater der
Regentenhäuser Hannover und Braunschweig, wuchs unter den Augen
seiner Mutter in Zucht und ehrbarer Sitte auf und kam noch in jungen
Jahren an den Hof seines Onkels, des Kurfürsten Friedrich. 1512 bezog
er die Universität Wittenberg unter der Aufsicht Spalatins. Luthers
Lehre prägte sich ihm hier tief ein. Nachdem er von einer Reise nach
Paris zurückgekehrt, übernahm er mit seinem älteren Bruder Otto die
Regierung des Fürstentums Lüneburg. Otto trat aber 1527 Yon der llegierung ganz zurück. Er führte die Reformation in seinem Lande mit
Milde und sanfter Schonung und gerade darum in nachhaltigster Weise
ein. 1524 war Celle, 1526 Burgdorf lutherisch. Darauf breitete sich
die neue Lehre bald über das ganze Land aus und zwar da am ehesten,
wo keine Klöster dem Evangelium den Weg ,·ersperrten. Nachdem er
die widerspenstigen Mönche zu Celle und Winsen aus ihren Klöstern
verwiesen und das Kloster in Celle abgebrochen hatte, widerstanden die
anderen Klöster des Landes nicht länger. 1530 zog Ernst zum Reichstag nach Augsburg, unterschrieb dort das evangelische Glaubensbekenntnis und brachte von dort den Prediger Urban Regius mit, welchen er
zum Generalsuperintendenten über das Fürstentum Lüneburg machte.
l\1it dessen Hilfe gewann er trotz vielfachen Widerstandes sein ganzes
Land für die Reformation, löste es vom Diöcesanverbande mit Verden
und ordnete die kirchlichen Verhältnisse neu. Seine Brüder, Otto von
Rarburg uud Franz vou Gifhorn, handelten in Uebereinstimmung mit
ihm. Durch seinen Einfluss breitete sieb die lutherische Lehre in Iloya,
Schaumburg, den Städten Hannover und Brannschweig aus; selbst Yon
Ostfriesland ans begehrte man lutherische Prediger von ihm zur Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten. Einen besonderen Trost und
Stärkung gaben ih::n die häufigen Briefe, welche Luther an ihn richtete.
Kurz vor dem Tode des letzteren, am 11. Januar 1546 starb Herzog
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Ernst der Bekenner. Er liegt begraben im l\Iittelsclliffe der alten Pfarrkirche Unser lieben Frauen in Celle. Sein Grab war ehemals mit einer
grossen Steinplatte bedeckt, auf welcher der Herzog lebensgross, in
voller R iistung, die Streitaxt in der Rechten, abgebildet ist. Die Umschrift lautet:
Anno A Virginis Salutifero Partu M. D. X. L. V.l. Aetatis Suae
XLIX Die Vcro XI Mensis Januarü In Deo Pie Obiit .lllustriss. Princeps Ac Dominus, Dns. Ernestus Bnmsv. Et Lunch. Dux Inclytus,
Cuius Anima In Christo Salvatore Suo Suavissime Quiescat.
Unter dem Bilde steht der Vers:
Exigua Ernestus dux hic requiescit in urna,
Luneburgcnsis fama decusque soli,
Aurea quo patriae ducc pax reddita nostrae
Et cocpit Christi notior esse fides.
t.:nter dem Bilde seiner hier ruhenden Gemahlin Sopbia, Prinzessin von l\Iecldcnburg (geh. 1507, gest. 8. Juni 1541), steht:
Hac tumba Sophiae requiescit nobile corpus,
Quae chara Ernesti principis uxor erat.
Sponsaque jam Christi coelesti gaudet in aula,
Spernens prae >eris ista caduca bonis.
tierzog Wilhelm der Jüngere, der Sohn Ernsts des Bekenners,
befestigte die neue Lehre im Lande Lüneburg. Er licss 1559 mit Rat
und Bewilligung der ganzen Landschaft des Fürstentums ausscr einem
Corpus doctrinae Luneburgicae eine vorläufige Kirchenordnung für das
Land abfassen, welche durch die 1564 erlassene Kirchenordnung ergänzt
wurde. Er starb 15!)2 und vermachte seine ansehnliche Privatbibliothek
de1· Kirche zu Celle. 1)
Im Fürstentum Grubenhagen wurde unter der ruhmvollen Regierung Phili})P des Aelteren der Protestantismus fast ohne allen
Kampf eingeführt, nur in Einheck ""'iderstanden die Stiftsherren bis
1545. Im Kloster W alkenried, 1525 im Bauernkriege verwü~tet, wurde
eine später aufgehobene Klosterschule eingerichtet. Das Prämonstratenserkloster llfeld ww·de zu einer Schule umgewandelt, welche ~Iichael
Neander zu grossem Ansehen brachte.
') Die jetzige Kirchen-1\Iinisterial-Bibliothek, von Ernst dem Bekenner zuerst
angelegt, von Wilhelm dem Jüngeren als öffentliche Bibliothek eingerichtet, ist namentlich im lG. und 17. Jahrhundert durch die eifrige Fürsorge der Herzöge ansserordentlich bereichert, dann aber auch immer bis auf die Gegenwart vermehrt worden.
Besonders reichhaltig ist die Litteratur des 16. Jahrhunderts. llier besitzt die
Bibliothek die seltensten Werke, die auf den besten und grössten Bibliotheken Deut~ch­
lands nicht vorbanden sind. Der Katalog ist gegenwärtig im Druck. Die Bibliothek
wird in Kurze der öffentlichen Benutzung übergeben werden.
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Wolfgang (geb. 1531, gest. 1595), unter dessen Vater Philipp I.
(gest. 1561) die grubenhagensche, in die Linie Einheck und Osterode,
dann Herzberg und Salzderhelden geteilte Linie wieder in eine Linie
Herzberg-Grubenhagen vereinigt wurde, machte sich um die Griinclung
der Schulen zu Harzburg und Einheck verdient. Bytemeister ("De aug.
dom. Br.-Luneb. mer. ") bemerkt hierzu:
~Et litteris et armis exercitus, Hertzbergae novam scholam aulicam fumlavit, in qua bini Iudimoderatores et pueri quidam pauperes
necessario victu, amictu et libris instruebantur. Idem exstruendas
Eimbeccae aedes scholasticas adjuvit liberalissimus. Erogavit insuper
studiosis et scholaribus euro paupertate confiictantibus beneficia benignissimus" (Vergl. "Neun Leich-Predigten bey Begräbnissen drey Fürstlicher Personen [Wolfgang, Clara, Philipp] 1596").
Im Jahre 1579 befahl er eine Kirchenvisitation abzuhalten, zugleich regelte er das Schulwesen mit gröfster Umsicht. Ueberhaupt
sorgte er in politischen und geistlichen Dingen auf das Beste für sein
Land. Sein Wahlspruch war: "Moderata durant" (Reusner "Symbola" 112).
Der letzte Herzog dieser Linie war des Vorhergehenden Bruder,
Philippii. (gest. 1596), dessen Devise: "Gott giebt, Gott nimmt"; er sorgte
in gleicher Weise wie sein Bruder für das Schulwesen, vermehrte und
verbesserte dessen fromme Stiftungen.
Wilhelm, der letzte Herzog der Rarburger Linie (abstammend von
Heinrich dem Mittleren), Sohn Ottos IV. von Rarburg, geh. 14. März
1564. Er widmete sich von Jugend auf den Wissenschaften und brachte
es in seinen Studien, vorzüglich in der lateinischen Sprache und Geschichte so weit, dass er schon in seinem 12. Jahre die Universität
Rostock beziehen konnte. Er hörte hier u. a. des berühmten Caselius
Vorlesungen. 1575 wurde er hier zum Rektor ernannt. Dreimal hat
er in lateinischer Sprache frei ohne Stocken geredet. 1) Von Rostock
begab er sich zur Leipziger Universität, wo er besonders Mathematik
studierte. Darauf hielt er sich einige Jahre in Frankreich und England
auf und ging nach seiner Rückkehr mit seinen vier Brüdern, Christoph,
Otto, Johann und Frieclrich von Rarburg nach Helmstädt, wo sie am
4. April 1587 von dem derzeitigen Vicerektor :M. Sirnon Mencius immatrikuliert wurden. 2 ) 1594 ging er abermals auf Reisen, die diesesmal
durch Deutschland, Liefland, Kurland, Polen, Ungarn, Italien, die
Schweiz, Holland und Dänemark führten. Hierbei zeichnete er alles
Bemerkenswerte auf. 1603 kam er zur Regierung, welche er bis zu
seinem Tode, den 30. März 1642, führte. Er soll sechs Sprachen voll1
) P. Freber, .Tbcatrum virorum cruditione clarorum•, P. II, Sect. 2, pag. 758.
•) F. D. llt~berlins .Kleine Schriften", Bd. 2, St. 4, S. 538. Meibom in .Or.
de divi Julii posteritate", pag. 9.
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kommen beherrscht haben und in den theologischen Wissenschaften sehr
erfahren gewesen sein. Er hinterliess eine Abhandlung "De articulis
christianae :fidei" in deutscher und lateinischer Sprache. 3) Seine Bibliothek vermachte er der Celler Kirche.
llerzog Heinrich der Jüngere (geh. 1489, gest. 11. Juni 1568)
blieb ,vie sein Oheim Erich I. der katholischen Kirche treu und verfocht
mehr und mehr deren Lehre. An Geistesbegabtheit war er seinem
Oheim Erich überlegen, aber sein Glaube entbehrte der Innerlichkeit.
Sein Bruder C b r ist o p b, Erzbischof von Bremen und Bischof von
Verden, hatte mit ibm den Eifer gegen die neue Lehre gemein und war
herrisch, anmassend, verschwenderisch.
Gegen Ende seiner Regierung, als er all der Fehden müde war,
zeigte sieb Heinrich der Jüngere in kirchlichen Angelegenheiten duldsamer. Auch in der Staatsverwaltung schuf er in dieser Zeit noch
Gutes mit Hilfe seines Kanzlers Joachim Mynsinger von Frondeck
1556 erschien eine Hofgerichtsordnung, verbessert 1559, wodurch das
Sachsenrecht als unzulänglich abgeschafft und das römische Recht eingeführt wurde. 1563 folgte eine allgemeine Polizeiordnung, die aber
wegen Widerstand der Stände nicht in Kraft getreten ist. In demselben
Jahre erlangte der Herzog das Privilegium de non appellando. Kaiser
Karls V. peinliche Halsgerichtsordnung wurde Hi68 eingeführt. Den Bergbau förderte er sehr: Zellerfeld, Wildemann und Lautenthai entstanden.
Die Frohndienste ermässigte er und zeigte auch hierin seine milder
gewordene Gesinnung.
Seine Söhne Philipp Magnus (geb. 1527), Karl Viktor und Julius
waren hochbegabt.
Philipp Magnus war von ungewöhnlicher geistiger Bildung, welche
er sich auf grösseren Reisen angeeignet hatte. Er verstand sechs
Sprachen und ist der Uebersetzer des spanischen Geschichtswerkes:
"Ludwig d'Avila, Büchlein vom deutschen Krieg de a. 15413 und 1547,
ins Deutsche übersetzet von Philippo l\Iagno , llerzog Heinrich des
Jüngern Sohn. Wolfenbüttel 1552. 4°". Das spanische Original des
Buches ist zu Antwerpen 1550 in 8° erschienen.
Er fand mit seinem Bruder Karl Viktor am 9. Juli 1553 in der
Schlacht bei Sievershausen den Heldentod.
Julius (geh. 10. Juli 1528, gest. 3. l\lai 1589) wurde zum geistlichen
Stand bestimmt. 1553 wurde ihm das Bistum ?tlinden zu teil. Als seine
Brüder gestorben waren, entsagte er dem geistlichen Stande. Sein Vater
war ihm nicht geneigt und hasste ihn sogar, als sich Julius der Reformation zuwandte. Grössere Reisen unternahm er nach Frankreich und trat
1568 die Regierung an. Schon im Jahre 1560 hatte er sich mit Hedwig,
1)
Seb. Bacmeister in .Megapoleos litteratao prodromo•, §§ 57 und 58.
3
l: ck ar t, Die Filr;ten des Welfeohauses.
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Tochter des Kurfürsten Joachim II. >On Brandenburg, vermählt, welche
ihm bei Einirihrung der Reformation treu zur Seite stand. Eine treffliche Darstellung seines Wirkens giebt Wilhelm Wachsmuth in "Niedersächsische Geschichten" (Berlin), wonach wir hier folgendes einfügen.
Am Hofe seines Vaters wurde er, nachdem seine reformationsfreundliche Gesinnung bekannt geworden war, mit der äussersten Lieblosigkeit behandelt. Die Dienerschaft durfte ihn ungestraft vernachlässigen. Kaum erhielt er die notwendige Kleidung und Nahrung. l\Iit
eigener Hand musste er seine Kleider flicken. Sein Vater bedrohte ihn
sogar mit Einmauerung. Er floh zu seinem Schwager Hans von Brandcnburg-Küstrin. Dort war er sicher und wurde auch mit landesväterliehen
Sorgen und Pflichten bekannt gemacht. "Also trat er", sagt Wachsmuth,
"zu seiner Fürstenwaltung mit trüben, aber in ihren Nachwirkungen
wohlthätigen Erinnerungen an schwere Prüfungen, mit Entschiedenheit
für die evangelische Glaubenslehre, mit dem besten und festen Willen,
als Landesvater seinem Volke gerecht zu werden, mit einem Reichtum
von Einsicht in die Mittel zur Staatswohlfahrt und nimmer ermüdendem
Triebe, sein Wissen darin zu mehren. Ungestörter Friedensstand kam
seinem heilbringenden Wirken und Schaffen zu statten".
Julius' Wahlspruch: n.Aliis inserviendo consumor", wozu ein brennendes Licht das Symbol war, fand die vollste Bestätigung. Obgleich
schwerfälligen Leibes (seine Amme hatte ihn fallen lassen, infolgedavon
hatten seine beiden Füsse sich nach innen gekrümmt) hat Julius, begünstigt von äusserer Friedensruhe, stets seine hohen geistigen Kräfte
und Gaben seinem Lande gewidmet in einem Masse, wie es nie vorher
von anderen Regenten geschehen war. Als Regent war er fast nie
ausser Landes, und die damals gangbaren Fürstengenüsse, als Jagdlust,
lagen ihm fern. Sein Biograph, Algermann, sagt von seinem einfachen
Sinn: "Darum achteten Seine Fürstliche Gnaden keine sonderliche Cerernonien oder viel Gepränge und besamanos (baisemains) machen, sondern
hielten dasselbe nul' für Fuchsschwänzerei und konnten es nicht leiden".
Iu allen Geschäftssachen liebte er die gröfste Pünktlichkeit und Uebersicht der zu erledigenden Angelegenheiten. Das Auge des flirstlichen
Herrn war überall gegenwärtig in Kanzleien, Ratsstuben, bei Beratungen
über Yerwaltung und Gerichtssachen, im geistlichen Konsistorium. An
jedem Sonnabend war für jedermann, der zu klagen hatte, Zutritt zum
Herzoge gestattet. Abends liess er Kämmerer, Schreiber etc. in sein
Gemac.h kommen, um mit ihnen Geschäftssachen zu besprechen. Dem
:\lüssiggang war er feind. Die ganze Staatsmaschine stockte, von ihm
reguliert, nie.
In erster Linie steht da des Herzogs Verdienst um die Förderung
der Reformation. Er berief die Theologen Martin Chemnitz und Jakob
AndreiL Einer Kirchenordnung diente die im Jah1·e 1M3 von den
schmalkaldi!;chen Bundesverwandten eingefülll'te zur Grundlage. Es wurde
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em Konsistorium errichtet, ein Generalsuperintendent bestellt, Superintendenturen angeordnet. Die evangelische Lehre nahmen an: das
Benediktinerkloster Ringelheim, ferner die ausser den vormals stifthildesheimischen in seinem Gebiete befindlichen Stifter und Klöster
Steterburg, Riddagshausen, Salzdalum, Königslutter, Marienthal, Marienberg, St. Lorenz, Brunshausen, Clus, Amelunxborn, Kemnade nebst den
zur Stadt Braunschweig gehörigen Stiftern, wie St. Blasien und Cyriak,
Aegidien und heil. Kreuz; katholisch blieb nur das Kloster St. Ludgeri
bei Helmstädt. Aufs strengste Jiess er die Iilöster in Bezug auf '\Yirtschaftswesen und Abstellung von Missbräuchen visitieren. In manchen
Frauenklöstern, namentlich dem Kloster Neuwerk bei Goslar, hatten die
Klosterjungfrauen eine hoffärtige Tracht angelegt. Dagegen erliess rler
Herzog am 19. August 1579 folgende Verordnung:
"Unsere gunst zuvore, wirdige liebe andechtige. Aus wes Ursachen und welcher gestaldt wir in reformirung unser stiffte und
clostern unter andern in der cleidung verenderang zugelassen, und
wie weit wir solches gemeint, ist euch mehrers theils unvergessen.
Nun befinden wir, das unter euch, wie auch in andern unsern jungfern
clostern geschieht, solche unsere gnedige Ordnung der cleider halber,
ganz und gar zur ubermessigkeit missbraucht wirdet, und sich ein
jeder ganz und gar dermassen aus sehendliebem Hoffarth der uuruigen Baipfaffen unser Erb- und Iandstadt Braunschweig, also die
nicht wissen, wie hochfertig sie sich mit langen weiten orgelpfeiffigen
Ermeln und krausen Rocken, dessgleichen auch ihre weiber und
kinder, cleiden wollen, exempell nach cleidet, das fast unter geistlichen
und weltlichen kein unterscheidt. Dahero dan auch allerhande sundc,
schande und Iaster erfolgen, wie darlieh am Tage. Derowegen wir
solchen überaus weltliebe cleidung, alse die unser doster crdnung
gestracks zuwieder, abzuschaffen und zu vorbieten nicht unbillig verursacht worden, und dieweill die jungferu unsers closter"; \Voltingerode
allein ibJ:e verordnete, schwarze, erbare zucbtige geistliche cleiduug
und eingezogene habitt ohne falten, gleich auch unsere praelaten und
Ebtte behalten, so wollen wir eins vor allen ernstlich, das ihr ewrc
jetzige weltliche hoch- und leichtfertige cleidung alsbald abieggen und
euch gleich den woltingrodischen wiederumb anthun und cleiden,
dabei auch bleiben, die sich aber desselbigen widrig und haistarrich
diesem gegensetzen wollen, unser closter riiwnen und desselben mussig
gehen und sich zu den ihrigen begeben sollen; wie wir denn auch
euch nnserm Probst an dieser ordnung festiglich zu halten mit gnaden
ufferlecht und bevohlen haben wollen. Dan wir den geistlichen der
obgedachten in Braunschweig hoffartb in unsern stifften und clostcrn
keines weges dulden und leiden, sondern eins l'Or alles hieruit abgeschaffet haben wollen. Und geschieht hieran was christlieb uncl
ehrlich, auch unser ernstlicher wille in gnaden zu erkcnucn ...
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"
•
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Am 18. Oktober 1f>87 ,·erordnete der Herzog, dass kein Student
ohne unterschriebenen Befehl in das Liebfrauenkloster (l\Iarienberg) bei
Ilelmstedt gelassen werden sollte. "Sorgsamer Patrone~, sagt Wachsmuth a. a. 0., .,der evangelischen Kirche der katholischen gegenüber,
war Julius auch bedacht, die durch dogmatischen Streit zwiespiiltig
gewordenen Glaubenslehren in jener zu einer rechten Einigung der
Streitpunkte zu bringen. Die Wirren, welche durch die leidenschaftlichen Widersacher des Krypto- Calvinismus entstanden waren, gingen
ihm zu Herzen; abgeneigt dem Calvinismus, während er kein Bedenken
trug, seinen zum Bischof in Halberstadt eingesetzten Sohn Ileiurith
Julius nach Gebräuchen der katholischen Kirche einweisen zu lassen,
gedachte er der kryptocalvinischen Partei entgegen arbeiten zu müssen
und eine Ausgleichung der Streitenden zu staude bringen zu können".
Er verausgabte hierfür, trotz seiner sonstigen Sparsamkeit, 40000 Thaler.
1570 sandte er Chemnitz und Andreä zum Kaiser l\laximilian TI. in
Prag, der diesem Friedenswerke nicht abgeneigt war. Die streng
lutherischen Theologen aber gingen in einer Weise zu Werke, dass
Julius, schon ehe die sogenannte Concordienformel zu staude kam, sich
von dem verfehlten Eintrachtsversuche zurückzog. Für seine Lande
wurde 1582 eine besondere Concordienformel erlassen. Das Kirchenturn
wurde streng beaufsichtigt. Es war ihm ernstlich um Geistesbildung
in seinem Lande zu thun.
Das in Heinrichs des Jüngeren Zeit arg verwahrloste Schulwesen
war des Herzogs angelegentlichste Sorge. Die Stadt Braunschweig hatte
seit dem 15. Jahrhundert zwei Stadtschulen, das Martineum und Katharineum, die beide auf mehr als den notdürftigsten Elementarunterricht
eingerichtet waren. In den Jahren, als Herzog Julius das Zepter führte,
wurde das von neuem ausgeführt, was schon die schmalkaldischen Fürsten
wollten. Julius forderte in seiner Verordnung für die wolfenbüttelschen
Lande Schulen vierfacher Art: Partikular- oder Lateinschulen, das
Gaudersheimer Pädagogium, Klosterschulen und deutsche Schulen.')
"Das Gandersheimer Pädagogium sollte eine in jeder Hinsicht abgerundete
und ausgestaltete Partikularschule sein. In den kleineren Orten hatte
eine Partikularschule natürlich nur einige Klassen, häufig nm eine einzige. Das Pädagogium sollte die Fortbildung für diese ermöglichen,
Von grosser Bedeutung wurde die wolfenbütteler Schule, welche
spiiter grosse Schule genannt wurde und noch heute als Gymnasium
blüht. Die Klosterschulen waren lateinische Schulen, nur unter anderem
Namen und mit dem Sitze in den Klöstern: :Marienthal, Riddagshausen,
Walkenried, Michaelstein und Amelunxborn. Die Frauenklöster waren
') Es sei uns hier gestattet, aus dem trefflichen Vortrage des Lehrers K. Händler
in Blankenburg: .Entwickelung unseres braunschwcigiscben Schulwesens bis anf
Herzog August" die folgende Stelle zum Abdmck zu bringen.
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durch die Einführung der Reformation gleich den Mönchsklöstern verödet. Soweit sie nicht vom Staate eingezogen wurden, machte sie Julius
der Erziehung der weiblichen Jugend dienstbar. Die Geschichtsforschung
hat bisher noch wenig Licht in die Mädchenpensionate der Frauenklöster
gebracht. Nur soviel ist aus einem Paragritphen des Landesabschiedes
von 1601 ersichtlich, dass der Lehrstoff derselben immer noch, wie ein
halbes Jahrhundert zuvor, aus Lesen, Schreiben und Handarbeiten bestand. Zur Aufnahme der Schülerinnen bedurfte es der landesherrlichen
Genehmigung. Der edle Landesvater meinte es mit seinen Bauern nicht
minder gut, wie mit dem Ritter. Der Herzog sah wohl ein, dass es
der Errichtung von Schulen auf dem Lande ebenso dringend bedurfte
als in den Städten und Flecken. Dennoch wollte sich das Volksschulwesen ganz und gar nicht erst entwickeln. Einesteils waren die Küster,
denen die Pflege der Schule übergeben war, selbst zu wenig f<lchmännisch
geschult, um segensreich wirken zu können. Sie hatten alle insgesamt
ein und dieselbe Methode des Vor- und Nachmachens, des mechanischen
sinnlosen Dressierens, die in ihrer Jämmerlichkeit nichts zu wünschen
übrig liess. . . . Da nun ein Schulzwang nicht existierte, so dürfen wir
uns nicht wundern, dass der grösste Teil der Jugend nach wie vor ohne
irgend welche Schulbildung heranwuchs. Julius sah wohl ein, dass es
nicht eher mit den Schulen besser werden könnte, bis die Lehrer besser
geworden wären. Sein Nachfolger, Heinrich Julius, befahl denn auch
im Landtagsabschiede von 1601 ein Examen der Küster. Es muss aber
wohl herzlich wenig dadurch genützt sein, denn man erfährt nichts
wieder davon. . . . Grosse Pläne sind in dem weisen Haupte des Herzogs Julius entstanden. Er hatte ein väterliches Herz für seine Landeskinder, deren Wohlfahrt sein erstes und letztes Streben war. Wenn er
mit der allgemeinen Volksschule schlecht fuhr, so war dies nicht seine
Schuld, sondern die der Zeit, welcher er weit vorausgeeilt, und die
folglich noch nicht reif für seine Pläne war. Immerhin bedeutet die
Regierung des Herzogs Julius für die Volksschule die kö~tliche ~Iorgen­
röte, die Botin des kommenden Tages.''
Für höheren Unterricht stiftete der Herzog 157 t das Pädagogium
zu Gandersheim. Doch des Herzogs Streben hatte ein noch höheres
Ziel, die Stiftung einer Universität. Die Landstände bewilligten hierzu
einen ansehnlichen Stiftungsfonds. Das Piidagogium von Gandersheim
wurde 1574 nach dem Plane seines Kanzler:> Joachim ::\1ynt;inger von
Frondeck nach Helmstedt Yerlegt und 1576 zur Universität umgeschaffen.
Kaiser 1\laximilian II. gab seine Bestätigung, und um 15. Oktober 1576
fand die feierliche Eröffnung der Julius-Universität statt. ~lartin Chemnitz
hielt die Weilu:ede. Des Herzog~ Sohn und Stammerbe, Heinrich Julius,
damals 12 Jahre aJt, ward erster Rektor und bekundete seine ·w:issen~chaftliche Vorbildung durch eine lateinische Rerle in freiem Vortrage.
Arme Studierende erhielten in 144 Conyictstellen eiuc wesentliche Hilfe,
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Deti Herzogs Verfügung nach einem Handschreiben, dd. Heinrichstadt, d. 6. Dezember 1576, lautet folgendermassen:
"Wir gehen itzo damit um , wie der mensa communis oder der
gemeine Tisch in unserer Julius-Universität zu llelmstedt vor die unvermögenden Studioses anzurichten seyn möge, immassen wir denn allbereit auf 4 Tische eine Verordnung gemacht haben, also dass eine
Person wöchentlich 4 Silbergroschen von dem Seinem zuleget, dass
übrige gestehen wir alles. Wir möchten aber gerne berichtet seyn, wie
es in den anderen Universitäten damit gehalten würde, in dem auch
eurer Bedenken und Gutachten haben; Und begeren gnädiglich, dass
Uns ihr hierin euren Rat und Meinung eröffnen und mitteilen wollet,
wie wir das am besten anordnen mögen , und sonderlich, wie es mit
dem Oeconomo und Speisen zu halten, wieviel und was vor Essen ungefehrlich ~Iittags und Abends an anderen Orten aufgesetzet werden,
was eine Person die Woche giebt, und wieviel Tische in den Commun.itäten auf den Universitäten ordinari oder ingemeiniglich gespeiset
werden und angeordnet seyn, ob alle Tische durch die Bank gleich
gespeiset, oder auf einem Tisch, und wieviel mehr oder weniger Gerichte fürgetragen werden, und was bey der Person bey jedem Tische
das Wochengeld ist, neben allen anderen Umständen mehr, soviel
eurh davon wissend ist, oder ihr sonst nach Gelegenheit unserer erst
angehenden Universität vor notwendig und ratsam itziger Zeit, auch
uns zu thun erachtet. Wir vernehmen auch, dass die Studiosi sowohl
bey unsern Professoren, als den Bürgern beyde in Kost- und Stubengelde übernommen werden sollen, darauf und wie dem bescheidentlich
fürzukommen, erwarten wir auch eures Bedenkens, und ob nicht,
auch wie, in dem es auf ein gewisses, ziemliches und billiges sowol
tles Tisches als des ßliet-Geldes halber zu setzen, also dass die Wirte
und Studiosi dabey bleiben könten, und niemand verkürzet noch übersetzet werde. Was ihr auch sonsten Unserer Schule halber zu erinnern
habet, das erwarten wir in Gnaden und sind soviel immer möglich
eti an nichts, was zu Fortsetzung solches walgemeinten augefangeneu
Wcrkes dienlich seyn mag, erwinden zu lassen etc."
Freisinnige, hochgelehrte Männer berief der Herzog dortbin, wie
Tilemann Hesshusius, Jacob Andreä, Peter Ulner, David Chytraeus,
Johann Ca::.elius, insbesondere :Martin Cbemnitz , welcher das "Corpus
doctrinae~ aus Verordnung Julii Hortzogen zu Braunschweig-Lüneburg,
Heinrichstadt (Wolfenbüttel 1) 1576, verfasste.
Den von ihm angelegten kostbaren Bücherschatz liess er 1568 von
seinem Schlosse zu Hessen nach Wolfenbüttel bringen. Diese Sammlung
vermehrte er 1572 durch die Bibliotheken der Klöster Wöltingerode bei
') Zum Andenken an seinen Vater nannte tierzog Julius Wolfenbüttel: Heinrichstadt (Ileuricopolli).
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39 Goslar, Steterburg, Dorstadt, Heiningen und Manenberg bei Helmstedt
und durch Neuerwerbungen, die er aus verschiedenen Städten Deutschlands auf grossen Rüstwagen zuführen liess, besonders 1577-1580, als
er von der Witwe Aurifaber in Erfurt einen an llandschriften Luthers
und anderer Reformatoren reichen Büchen·orrat angekauft hatte. Auch
die Bibliotheken der säcularisierten Klöster Amelunxborn, Georgenberg
bei GosJar, Klus bei Gande1·sheim, Lamspringe, St. Blasien zu Xortheim
kamen nach Wolfenbüttel, und da diese Sammlungen grösstenteihs aus
Manuskripten bestanden, so bildete sich hier schon damals eine niebt
unbedeutende Handschriftenbibliothek 1). "Noch heute", sagt v. Uciuemann, 2) "bezeugt in fast allen diesen Büchern die von des Herzogs
Hand eingetragene Bemerkung, wenn sie "uff seiner Vestung Wolfcubüttel inkommen" seien, das lebhafte Interesse, welches Julius an dem
raschen Wachsturn seiner Bücherei nahm. Manches ward ihm auch von
befreundeten Fürsten geschenkt, die seine Bücherliebe wohl kannten.
So verehrte ihm Landgraf Wilhelm von Hessen " zur Betzierung der von
S. F. Gnaden neuangelegten bibliotheca" ein wahrscheinlich an\! einem
hessischen Kloster stammendes prachtvolles Evangeliarium, reich mit
Bildern auf Goldgrund ausgeschmückt, die für die Geschichte der ~Iiniatur­
malerei um so merkwürdiger sind, als die Schlussschrift des :\Iauuskripts als Entstehungszeit des letzteren ein bestimmtes Jahr (1194)
angiebt". 3)
Verdient machte sich Julius auch dm·ch Verbesserung des unter
seinem Vater von Myosinger von Frondeck gestifteten Hofgerichts,~)
und durch Herausgabe einer Hofgerichtsordnung. In der Universität
llelmstedt legte er einen botanischen Garten und, zum Anstoss fiir damalige Vorurteile, eine Anatomie an, wozu er Instrumente und Skelette
aus Paris kommen liess und Ablieferung einer gewissen Anzahl Leichen
von )lissethätern verordnete.
In keinem Gebiete der Studien und des Wissens gänzlich Fremdling, in der Theologie und den Rechtswissenschaften meistens der Autorität der Fachmänner untergeordnet, von einer freien und selbständigen
Bewegung aber schon in der Griindung und Ausstattung der Univcrsitiit
zn IIelmstedt, hatte er einen mit besonderer Liebe von ihm gepflegten
.\bsenker in seinen auf die Naturwissenschaften gerichteten Studien.
Hervorragend ist seine Liebe zur Chemie und sein Wohlgefalleu an den
Verkehr mit Aerzten, wahrscheinlich eine Folge seines körperlichen Fehler;;.
•) 0. v. Heinemann, .Die Handschriften der herzogl. Bibliothek zu Wo!fenbüttel•, Welfenbüttel 1884.
•) .Die herzogl. Bibliothek Zll Wolfenbüttel•. Ein Vortrag. Wo!fcnbiittel 1878.
3) Schönemann, .Merkwli.rdigkeiten der herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttcl•,
Hannover 1849 und 1852.
•) Naheres darüber: Spittler, .<tescbichto des FQ1'1Stentums Dannover•, I. Tcil 1
Hannover 1798.
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Ueber uen allgerneinen Vorurteilen seiner Zeit war er erhaben. Entgegen
dem damals gangbaren Hexenglauben rühmt uer Ilelmstedter Professor
Johann Bokel 1) von ihm, uass er das unglückliche Geschick der bejammernswerten alten Weiber beklagte, die, von unerträglicher Qual
hingerissen, Dinge bekennen, die gegen die Gesetze der Natm sind.
Es sei der Vernunft nicht gemäss, und streite mit den Grundsätzen
der Physik und Medizin, dass irgend eine Wirkung ohne eine bewirkende und zureichende Ursache hervorgebracht werde, oder dass
irgend ein Einill:uck auf einen Gegenstand von einer abwesenden Ursache
aus geschehen könne. Dagegen verband sich der Herzog mit Alchymisten in der Hoffnung, von seinem Uebel geheilt werden zu können.~)
Ferner war des Herzogs Betrieb der Xaturwissenschaften ungemein
ergiebig, wo es sich um Ausbeutung gegebener Naturgüter handelte. 3)
Im Berg- und Hüttenwesen verzweigten sich seine chemischen Studien
mit der Technik des Maschinenbaues, der Anlage von Schmelzöfen,
StoBen, Schachten und Wasserleitungen, einer Messinghütte, der Aufsuchung von Marmor, Alabaster und Salpeter etc. Durch ihn entstanu
das Salzwerk Juliushall zu Ilarzburg. Der Ertrag der Bergwerke war
sehr ergiebig, man schätzte ihn auf 20 000 Thaler höher, als vorher.
In Welfenbüttel mussten jeden Donnerstag die Bergbeamten einen richtigen Extrakt aller Bergregister einliefern und von dem Zustand der
Bergwerke Bescheid geben. Ebenso musste aus allen Aemtern am
Sonnabend ein Amtsauszug in die fürstliche Kammer geliefert werden .
.Aus diesen beiden Auszügen wurde dann in der Schatzzahlkammer eine
Rolle aus Pergament gemacht, "welche Seine Fürstliche Gnaden in zwei
silbernen Röllchen am Halse trugen und daraus wussten, was Sie tägliches
einzukommen und zu heben hatten".
Als Verdienste des Herzogs führt Schiller a. a. 0. noch auf:
"Die seinem Vater zu Ehren benannte "Ileinrichstadt" und die
Vorstadt "Gotteslager" in Wolfenbüttel erschuf Julius vom Grunde
auf; schmückte die dortige Hofkapelle; engagierte für dieselbe zut·
Erhöhung des Kultus die aus den Diensten des Herzogs von Gotha
entlassenen Musiker; kaufte viele im Kriege aus den Niederlanden
geraubte, kostbare Glocken auf; brachte in seinen Waifensälen eine
solche Masse von nützlichen und seltenen Waffen zusammen, dass
sein Zeughaus zu den ausgezeichnetsten im ganzen deutschen Vaterlande gehörte. An die Befestigung Wolfenbüttels wandte er grosse
Summen ; und unter vielen von ihm ausgeführten Prachtbauten ver') Oratio funebris D. Johannis Bokelli de illustr. Principe Julio, quibus studiis
Helmaestadii 1589.
2
) Näheres hierüber Görges, • Vaterl. Gesch. und Denkw.•, II. Jal.Jrg., Braunschweig 1844.
3) Wachsmulh, a. a. 0.
vitam domesticam transegerit.
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dient auch das 1576 mit neuem Glanze ausgestattete und erweiterte
alte Residenzschloss zu W olfenbüttel erwähnt zu werden''.
Die Erziehung der Prinzen leitete er mit seiner Gemahlin in einsichtiger und liebevollster Weise. Eigenhändig hat der Herzog die
Grundsätze dieser Erziehung in der Schrift .,Ordnung, wie es mit
unseren freundlichen, lieben drei Söhnen, Heinrich Julius, Philipp Sigismund und J oachim Carl gehalten werden soll", aufgezeichnet.
Herzog Julius starb am 3. Mai 1589 und liegt in Wolfenbiittel
begraben. 1) Er war ein weiser und frommer Fiirst. Seine grossen
Verdienste um Kirche, Schule und Staat machen ihn unvergesslich.
Sein Sohn, Heim·ich Julius, war zu Wolfenbüttel am 15. Oktober
1564 geboren, wurde auf das Sorgf.'iltigste zu Gandersheim erzogen.
Schon als zehnjähriger Knabe opponierte er rühmliehst bei einer theologischen Disputation, in seinem zwölften Jahre wm·de er Rektor der
neugestifteten Universität Helmstedt, bei welchem Anlass er eine lateinische Rede aus dem Stegreif hielt. 2) Nach der heiligen Schrift, sagt
einer seiner Leichenredner, war ihm von Jugend auf nichts lieber, als
J ustiniuns Institutionen, die Pandekten zog er allen Reizungen der Welt
vor und den Codex las er lieber als irgend einen Roman (.,Fuit ille hoc
robore animi, ut eum jam turn secundum sacras litteras institutiones
Justinianeae potius quam otium; pandectae quam mundi illecebrae;
codex, quam alii ineptiarum scriptores delectarint. Joannis Or. in fun.
Henr. Jul."). "So war er imstande", sagt Spittler a. a. 0., ~nachher als
Fürst selbst mit Jesuiten zu disputieren, noch bei seines Vaters Lebzeiten, recht zu seinem eigenen Vergnügen, das Amt eines Hofrichters
zu übernehmen, und bei den Streitigkeiten, die er mit der Stadt Brauuschweig hatte, bei manchen Händeln, die ihm in Prag zustiessen, schrieb
er selbst Deductionen 4) und verteidigte sein Recht mit einer Gründlichkeit, die eines Mannes vom Fach würdig gewesen wäre, ohne dass
irgend einer der Züge merkbar war, wodurch sein Zeitgenosse König
Jakob I. von England den Ruhm eines gelehrten Fürsten auf ewig verdächtig gemacht hat. In seinen .J.lussestunden trieb er mathematische
Studien, chemische Experimente und architektonisches Zeichnen. Arzneien zu mischen war seine Lieblingsbeschäftigung. Gleich den deutschen Fürsten seiner Zeit trieb er Alchymie". .,Quam medicinae", sagt
Steinmetz in der Leichenrede, ~chymiae vero potisRimum peritus fuerit,
ostendunt tot nobilia et preciosa medicamenta, ipsius ductu et prae') Stcinmann, a. a. 0. S. 47 ff.
Orat tres llelmsteti a D. llenr. Julio P. E. II. D. Br. Lun. memoritor recitatae, cum D. lloffmano insignia Doctoratus in Facult. Theol. trii.Juerentur. llenricop.
1578. 4°. Mit demselben Beüall trat er noch öfter auf.
•) Das bekannte .mustre examen auctoris illu~tris" über die kurze Abfertigung
etc. (Ilclmstcdt 1608. 4°) ist von ihm.
2)
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scriptione facta, ostendunt magna volumina, quae Illustrissimus ipse
propria manu consignavit".
Am 3. Mai 1589 trat er nach dem Primogeniturrecht die Regierung an. Man blickte in ganz Deutschland mit grosser IIoffnung auf
ihn. "Frei von allen den Vorurteilen", sagt Spittler, "mit welchen besonders die theologische Gelehrsamkeit dieses Zeitalters ihre Liebhaber
fesselte, behielt er selbst mitten im Gewühle einer oder der anderen
Partei jene glückliche Ruhe des Geistes, die der zweckmässigen Thätigkeit ebenso vorteilhaft ist, so sicher sie gewöhnlich zum Ziele führt.
Kein Laster seines Zeitalters hing ihm an, ob er schon die politische
Nachgiebigkeit gegen dieselbe kannte, 1) keine politische oder religiöse
Partei blendete ihn, ob er schon seine gewisse politische und religiöse
Partei hatte, so thätig er auch als Regent seiner zerstreuten ausgebreiteten Lande war, so unermüdet aufmerksam blieb er auf das allgemeine Gleichgewicht der Parteien in Deutschland, und gewiss hat
auch sein Einfluss auf die Gesinnungen beider Teile Deutschlands Ruhe
noch einige Jahre verlängert." Wie sein Vater mit Schonung und
Milde die Staatsangelegenheiten geleitet hat, so herrschte Heinrich Julius
mit Hilfe seines gewaltthätigen Kanzlers Jagemann ohne Rücksichtnahme
auf herkömmliche, alte Rechte seiner Stände, geleitet von der Idee des
Imperium, die er aus den römischen Rechtsbüchern sich angeeignet
hatte. Das Luthertum führte er 1591 im Domstift zu Halberstadt ein.
Mit fürstlicher Pracht wurde das Schloss zu Gröningen bei Halberstadt
aufgeführt. Die Bibliothek zu W olfenbüttel vervollständigte er im Fache
der Jurisprudenz. Von einer wertvollen Erwerbung für die W olfcnbütteler Bibliothek berichtet 0. von Beinemann C,Die U01·zogl. Bibliothek
zu Wolfenbüttel", ein Vortrag, Wolfenbiittel 1878): "Es war dies die
an kostbaren Handschriften überreiche Bibliothek, welche deL' nicht
immer auf geraden Wegen handelnde Sammaleifer des bekannten Streittheologen Mathias Flacius Illyricus unter Beihilfe seines Freundes l\Iarcus
Wagner in aller Herren Ländern zusammen gebracht hatte. Zwanzig
Jahre lang war nach des Flacius Tode diese berühmte Büchersammlung
von dessen Witwe vergebens feil geboten worden. Jetzt ward sie im
Jahre 1599 von Heinrich Petreus, der sie mit der Hand der letzteren
erworben und 1592 als Hof- und Konsistorialrat in W olfcnbüttel eine
Anstellung gefunden hatte, an den Herzog Heinrich Julius veräussert.
Eintausendfünfundneunzig und einen halben Thaler betrug der Kaufpreis für diese aus 907 Bänden bestehende kostbare Sammlung, welche
fast nur Manuskripte, darunter viele von unschätzbarem Worte, enthielt.
Um hier nur einiges anzuführen, so befanden sich darunter das in
') .Ut cnim," sagt Barter in .or. fun.«, .a poculorum abundantia abhorruit,
ita ctiam bac in re necessitati aliquid dandum esse intellexit et extra cam sobrietatis studiwn h:~.buit perpetuum.
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angelsächsischer Schrift geschriebene "Capitulare ecclesiasticum" Karls des
Grossen vom Jahre 789, ferner von dem "Capitulare de villis" die einzige
Handschrift, welche, seit die einst im Kloster Reichenau verwahrte verschollen ist, sich von dieser berühmten Verordnung des grossen Kaisers
über die Bewirtschaftung seiner Landgüter erhalten hat. Diese beiden
Manuskripte gehören noch dem 8. Jahrhundert an, während eine vorzügliche Handschrift von Virgils Aeneide im 12. und das wahrscheinliche
Autograph der jüngst von W. F. Skene wieder herausgegebenen schottischen Chronik von Johann von Fordun erst im 14. Jahrhundert geschrieben sindu. Beim Tode des Herzogs Heinrich Julius war die fürstliche Bibliothek auf cirka 5000 Bände angewachsen.
Für das Helmstedtor Anatomische Museum liess er von dem damals
berühmten Maler Christoph Gertner anatomische Gemälde verfertigen,
welche von Zeitgenossen als noch nie gesehene Wunderwerke gepriesen
wurden. Ebenso verdankt man ihm das schöne Universitäts-Auditorium
und die Bibliothek in Helmstedt. Grosse Summen opferte er für die
Belebung typographischer Betriebsamkeit, 1 ) wie die Rechnungen über die
bedeutenden Summen ausweisen, welche er sowohl an den Buchhändler
Lucius in Helmstedt, als auch an die Vorsteher der Buchhalterei zahlte.
Zu diesem Zweck nahm er auch den bekannten Formschneider Holwein
zu Wolfenbüttel in seine Dienste.
Die wolfenbütteler Bibliothek ist reich an Bänden, die er teils
eigenhändig zusammengetragen, teils mit Noten versehen hat. "'iewohl
sich Heinrich Julius fortgesetzt mit seinem Lieblingsfach, der Jmisprudenz, beschäftigte, so hat er doch auch humanistische und verwandte
Studien von Jugend auf in ausgedehntem Masse betrieben. Die deutsche
poetische Litteratur, die französische und italienische, lernte er schätzen
und lieben. 2 )
Goedeke in seinem "Grundriss zur Geschichte der deutschen
Dichtungu (Hannover) sagt über die Anfänge des deutschen Theaters
und besonders über des Herzogs eigene dramatische Arbeiten: 3) -Der
Herzog war einer der ersten deutschen Fürsten, der sich Komödianten
hielt. Bis dahin waren die Schauspiele wohl ohne Ausnahme von Bürgern oder Schülern aufgeführt und ausnahmslos in Versen abgefasst,
und beruhten zum grössten Teile auf der Bibel oder einheimischen
Quellen. .Mit den Komödianten, die aus England nach den Xiederlanden,
dann nach Norddeutschland und von da auch nach Oberdeutschland
wanderten, und ihre Kunst nach Art englischer Gesellschaften erwerbsmässig trieben, begannen die alten bibli!'lchen und historischen Spiele in
') K. G. W. Schiller, a. a. 0. S. 233.
•) Jul. Tittmann, .Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Brawlschweig", Leipzig 1880.
3) Vcrgl hierzu auch: 0. v. Ileinemann, .Aus der Vergangenheit des welfischen
Hauses•, S. 89 ff.
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Abnahme zu geraten; es kamen dagegen neuere weltliche, aus fremden
Novellen, wenn auch nicht unmittelbar, und aus fremden Schauspielen
geschöpfte, in Prosa abgefasste, mit grossem Aufwande von Kostüm
und in freierer anstössiger Darstellung gespielte Dramen auf. Mit ihnen
ging die alte strenge Ehrlichkeit verloren und begann die moralische
Aechtung der Darsteller, die bis in neuere Zeiten fortdauerte. Ileinrich
Julius selbst machte den Anfang seiner dramatischen Dichtungen mit
einem doppelt bearbeiteten biblischen Stücke, wandte sich dann aber
mit Eifer auf rein weltliche, in denen er zum Teil ältere Schwänke benutzte und komische Auftritte in Volksdialekten behandelte. Seine
Arbeiten bezeichnete er mit den Anfangsbuchstaben seines Namens und
Titels bald Hibaldeha, bald Hiebadbel, Hibeldeha, Hidbelepihal, die sich
in Henricus Julius DlL..:: Brunsvicensis Et Lunburgensis Episcopatus
llalberstadensis Antistes auflösen; an ein Edidit Hunc Actum oder
Poeta Editor Inventor ist nicht zu denken. Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig sind nach alten Drucken und
Handschriften herausgegeben von Dr. Wilhelm Lud,vig Holland. Stuttgart 1855. VI und 906 S. gr. 8°. 1. "Von der Susanna", mit 3! Personen. 1593.- 2. "Von der Susanna", mit 21 Personen. 1593. - 3. "Von
einem Buler und Bulerin", mit 17 Personen. 15U3. - 4. "Von einem
Weibe", mit 6 Personen. 1593. - 5. "Von einem Wirte und dreien
Wandergesellen", mit 13 Personen. 15\:13. - 6. "Von einem ungeratnen
Sohn", mit 18 Personen. 1593. - 7. "Von einer Ehebrecherin", mit 8 Personen. 1594. - 8. "Von einem Wirte oder Gastgeber", mit 11 Personen.
1594. - 9. "Von einem Edelmann, welcher einem Abt drei Fragen aufgegeben", mit 5 Personen. 159-1.- 10. 11 Von Viucentio Laclislao Satrapa
von Mantua Kempfern zu Ross und Fuss", mit 12 Personen. 1594. 11. "Der Fleischhauer" (aus der Handschrift). 1) - Diese Schauspiele liess
der Herzog auf seinem eigenen Theater aufführen. Sie sind in Prosa
geschrieben und charakteristisch dm·ch die reichere und auf bestimmte
Effekte hin gesteigerte Handlung und dUl'ch die Zuhilfenahme der
stehenden komischen Figur, des Clowns der englischen Komödie; sie gehören zu den wichtigsten deutschen Dichtungen der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts. H507 stellte der Herzog den als Komponisten und
Kirchenliederdichter berühmten Michael Praetorius als Kapellmeister an.
"lleinrich Julius war gewiss der trefflichste Fürst", sagt Spittler
a. a. 0., "den Deutschland in seinem Zeitalter hatte, und vielleicht der einzige Herzog l\Iaximilian von Bayern war ihm an Kenntnissen und Feinheit des Geistes, an Politik und Entschlossenheit, an
Treue gegen den kaiserlichen Hof und an schlauem deutschen Patriotis') Betreffs aller Einzelheiten verweise ich anf: Jul. Tittmann, a.. a.. 0. und:
v. Heincmann, .Aus der Vergangenheit des welfischen lbuses", 3. Vortrag: .Heinl'ich Julius und die Anfange des deutschen Theaters•.
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mus gleich. Doch offenbar hatte dieser eine weit leichtere Laufbahn
als jener, und allein schon seine brüderliche Verbindung mit Jesuiten,
das unverkennbare Interesse der katholischen Religion, das mit seinen
eigenen ehrgeizigen Plänen innigst verwebt war, und die alte Jugendbekanntschaft, welche er mit Prinzen und Ministern des kaiserlichen
Hauses hatte, gaben diesem angesucht tausend glückliche Gelegenheiten,
deren keine er unbenutzt liess. Aber dass gerade im Zeitpunkt der am
kaiserlichen Hofe herrschenden Spanier und Jesuiten, dass ein deutscher
protestantischer Fürst, der erst in den Jahren nach Prag hinkam, da
sich Freundschaften und Bekanntschaften nicht mehr mit jugendlicher
Leichtigkeit schliessen, den die Betreibung seiner Prozesse gewissermassen abhängig, und die Entfernung seiner Lande minder bedeutend
machte, dass Heinrich Julius bis zum erklärten Direktor des kaiserlichen
Geheimen Rates aufstieg, war ein klarer Beweis der allgemein anerkannten Redlichkeit seiner Absichten und der Grösse des Geistes, deren
natürlichem Uebergewicht selbst die schlaueste Politik nicht widerstehen
kann". Er starb am 20. Juli 1613 in Prag. Die Leiche langte am
8. September in W olfenbüttel an. Am 4. Oktober wurde sie in der
Schlosskirche beigesetzt.•)
Sein Bruder, P hilipp Sigmund, geb. 1. Juli 1568, gest. 19. Miirz
1623, wurde mit Heinrich Julius zusammen erzogen, studierte darauf
zu Ilelmstedt, wurde Domherr zu l\1agdebw·g, 1586 Bischof zu Verden
und 159l Administrator des Bistums Osnabrück, war ein frommer,
weiser und gelehrter Ilerr, der ein "Diarium ac :Manuale l\fanuscriptum"
hinterliess. 2) Er liegt im Chore der Domkirche zu Verden begraben.
Schon bei Lebzeiten hatte er hier sein Grab herrichten lassen. Steinmann a. a. 0. S. 112 berichtet: "Ueber der Gruft erhob sich ein grosses,
schön gearbeitetes Monument aus weissem Marmor mit vielen Inschriften,
allegorischen und biblischen Darstellungen geziert, die Arbeit eines
italienischen Meisters. Auf dem sarkophagähnlichen Oberteile sah man
des Bischofs Bild in langem Talar Yor dem gekreuzigten Heilande
knieend, zu den Seiten des Kreuzes Johannes und Maria, hinter Philipp
auf einem niedrigen Sockel die Frömmigkeit, in der Linken den Krummstab haltend, wälu:end sie dem Knieenden mit der Rechten einen Lorbeerkr::mz aufs Ilaupt legt, daneben die Gerechtigkeit. Um den Sockel
des Monuments zogen sich vierzehn biblische Bilder mit bezüglichen
Versen, die wohl von Philipp selbst herrühren; der unter dem Bilde, wo
zu dem schlafenden Jakob herab die Engel auf der Himmelsleiter heruntersteigen, lautet:
') Steinmann, a. a. 0. S. 57.
Biblioth. Uffenbach. Mscpt. P. X. Sect. 1, Vol. 87, 4•, pag. 1246 n. 6,
wo der Anfang des DiarilliDS und d!IS Register der darin enthaltenen Briefe nnd
Schriften vom 4. Oktober 1613 bis 12. Mai 1615 angeführt ist. Vergl. Cyr. Spangenberg, .Chronik aller Bischöfe des Stifts Verdcn".
2)
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Wer durch die Wüsten dieser Welt
Will wandern und, wenn's Gott gefällt,
Abscheiden will ohn' all Verdruss,
Christum zur Leiter haben muss.
Das l\Ionumeut Philipp Sigmunds ist gelegentlich einer Restaw·atiou von seinem ursprünglichen Platz im Chor in den westlichen Teil
des Schiffes versetzt worden. Als damals die Gruft geöffnet wurde,
fand man in einem zinnernen Sarg den halb vermoderten Schädel und
Reste eines langen sammetneu Gewandes von brauner Farbe, eine sammetne Mütze und elegant gearbeitete, wohl erhaltene Schuhe.
Heinrich Julius' Sohn und Nachfolgei·, Herzog F1ied1·icll Ulrieb
(geh. 5. April 1591, gest. 11. August 1634), hatte sich auf seinen Reisen
in Europa glänzende Geschichtskenntnisse und eine umfassende Bildung
angeeignet. Er studierte in Ilelmstedt unter J oh. Caselius und darauf
eine Zeit lang in Tiibingen. Er war ein Freund und Gönner der
Wissenschaften und widmete der Landesuniversität Helmstedt die grösste
Sorge. 1618 schenkte er der Universität seine Hofbibliothek und besserte
das Gehalt der Professoren auf, indem er der Universität drei Klöster:
Weende, Hilwartshausen und Mariengarten zulegte.
In den grauenvollen Zeiten des unter seiner Regierung währenden
dreissigjähl'igen Krieges klagt der Herzog (1627), dass ausser stattlieben
Klöstern, Aemtern und Städten, 300 Dörfer in Asche gelegt seien, dass
der dritte Teil seiner Unterthanen das Leben verloren habe und die
übrigen zum grössten Teil kaum ihren Unterhalt gewinnen könnten.
Kirche und Schule wurden leer, Prediger und Lehrer vertrieben unc1
erschlagen. Dw·ch das Restitutionsedikt vom 6. März 1629 wurden die
Klosterschulen zerstört. Die Aebte von Amelunxborn, Marienthal und
Riddagshausen wurden samt ihl'en Schülern dw·ch Kroaten vertrieben.
Die Studenten in Helmstedt waren davongezogen, grossenteils den
Fabuen berühmter Heerführer nacb. So blutete, wie unser ganzes
Deutschland, auch das Braunschweiger Land aus tausend Wunden.
"Sese optare illum diem videre, quo militum stipendia Doctoribus et
artium Professoribus dispensarentur", äusserte der edle Herzog oft.')
Im Druck erschien von ihm: "Ser. P. Fl'iederici Ulrici consultatio
de praerogativae certamine , quod est inter Milites et Literatos.
Tubingae 1607". Wieder abgedruckt in "Th. Lansii Consult. et Oratiou".
Mantiss. n. 2.
Im Jahre 1737 erschien zn Braunschweig in Folio: "Zwey merkwürdige Handschreiben llerzog Friedrich Ulrichs an seinen Beichtvater D. Peter Tuckermann, ao. 1621 und 1627".
Er war ein :F reund der Musik. Den nach der Zerstörung l\fagdeburgs
') Henr. Jul Scbeurl, "Oratio ad legatos visendae Academiae Juliae A. 1650 missos".
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von dort geflüchteten Cantor Ileiurich Grimm, einen auzgezeichneten
Kontrapunktisten, nahm er in Braunschweig auf. Die Hofbühne wandelte
er zur Hofoper um und zeigte sich ihr als freigebigster Beschirmer. 1)
Mit seinem Tode erlosch die ältere, Wolfenbüttler Linie, und die
Regierung kam an Herzog August den J üngern von BraunschweigDannenberg (geb. 10. April 1579, gest. 1. September 1666). In seinem
15. Jahre bezog er die Universität Rostock und wurde in demselben
Jahr (1594) Ende April zum Rektor der Universität erwählt. Der derzeitige Prorektor Freder bemerkt hierüber im Album der Universität:
"Hoc semestre Dei beneficio mediocriter tranquillum felixque fuit, et
Augustus, Princeps ingeniosissimus augusto magistratu, facundis omtionibus, et eruditis disputationibus publicis academiam reddidit augustiorem, singularemque clementiam et bonitatem, animique ab omni fastu
alieni humanitatem Professoribus declaravit". Er trat seine Würde am
30. April d. J. mit einer Rede "De clementia et severitate" an. Seine
zweite Rede hielt er am 12. Mai: "Majorne sit legum quam armorum in
republica et dignitas et usus". Die dritte am 13. September bei der
Niederlegung der Rektorwili·de gehaltene Rede handelte "de rationis et
appetitus in homine confiictu, an homo sponte sit malus, contra Platonem". Diese drei Reden erschienen in Rostock 1594 unter dem Titel:
"Augusti Junioris, Brunsv. et Luneb. Ducis et Rostochiensis Acad.
Rectoris Orationes et Edicta publice proposita"; neue Auflage, Tübingen
1598. Er musste Rostock auf ausdrücklichen Befehl seiner Eltern
2
11 gravibus de causis" verlassen ) und ging 1595 nach Tübingen, wo er
über zwei Jahre Yerweilte. Hier erregte er die Bewunderung der Gelehrten durch öftere öffentliche Disputationen über theologische, juristische,
physikalische Sätze. Das Kolleg des juristischen Professor Bocer besuchte er regelmässig. Am 18. Oktober 1596 übernahm er das Rektorat
der Universität. Drei hier gehaltene Reden haben wir von ibm: 1. .De
legum praestantia et utilitate" (17. November 189ß); 2. "De reipublicae
literariae dignitate ac utilitate" (bei der Niederlegung des Rektorats am
2. Mai 1597); 3. "De recta reipublicae literati.ae constitutione" (als er die
Akademie verliess; jedoch wurde sie wegen des 1598 erfolgten Todes
seines Vaters nicht gehalten). Früher als er gedacht, rief ihn das Ableben seines Vaters von der Akademie. Am 25. Februar 1598 verliess
er dieselbe. Doch bezog er noch in demselben Jahre (1598) die Universität zu Strassburg, wo er öffentlich, und merkwürdigerweise ohne
Vorsitz, disputierte. a) Nachdem er darauf noch zehn Jahre Deutschland,
die Niederlande, England, Frankreich, Italien, Sicilien und Malta bereist,
') K. G. W. Schiller, a. a. 0. - Ueber Cbri.stian von llalbcratadt, des Hcrzo~
Julius 8. Sohn, vergl. 0. v. Ileinemann, .Aus der Vergangenheit des welf. Hnusea•,
WolfenbUttel, S. 125 ff.
•) "Progrnmma nd orationem tertiam invitatorium, edit". Tubing. pag. 1i5 56.
") D. Tlihlebrnmli, ,,Augusta C'aesaris Augusti et Principis Augusti·'. cap. Y.
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liess er sich zu Hitzacker nieder und widmete sich dauernd den Wissenschaften. Er begründete 1604 auf dem von ihm erbauten Schlosse zu
Hitzacker in einem besondern Gebäude eine Bibliothek, die in dem
jetzigen Turme gestanden haben soll. Sie soll 80 000 Bände umfasst
haben. Diese Bibliothek folgte dem Herzog später nach Braunschweig,
wo sie in Tanquarderode eine vorläufige Aufnahme fand.
Am
30. Januar 1644 kam sie, in 55 grossen Kisten verpackt, mit dem
Herzoge in die Residenz Wolfenbüttel. 1) Sein eigenhändig darüber
verfertigter Katalog ist noch vorhanden. Ausser fortwährenden einzelnen Vermehrungen kaufte er für diese Sammlung ganze Bibliotheken
an, 2 ) z. B. ltil6 die des Coelius Secundus Curio und die des Coelius
Augustinus Curio zu Basel, 1618 den grössten Teil von Marquard Frehers
Bibliothek, 1636 den Büchernachlass des Joachim Clutenius zu Strassburg.
Um derartige Ankäufe zu vermitteln, korrespondierte der Herzog viel
mit den Gelehrten : in Augsburg: Pbil. Ileinhofer, J. Ge. Anckel, Elias
Ehinger; in Strassburg: Joach. Clutenius; in Schöningen: Joach. Jo.
Mader; in Rom: Athanas. Ku·cher; in Nümberg: Georg Forstenheuser,
ferner: Jo. Val. Andreä, Heinr. J ul. Blum, Nikol. Heinsius, Heinhofer,
Hirt u. a. Dieser noch vorhandene Briefwechsel füllt über 20 Foliobände. Den genannten Agenten schärfte er bei ihrem Bücherkaufe
immer ein: "gelte es gleich viel quoad materiam, wenn es nur etwas
Gutes und Rares sei, was sie anschafften". 1661 war der Bestand der
Bibliothek: 116 351 Druckwerke und 2003 Manuskripte. Der Herzog
verwaltete die Bibliothek selbst und hatte nur an dem geschickten und
fleissigen Kammerschreiber Heinrich Julius Willcrshausen einen treuen
Gehilfen, der gleich ihm selbst unermüdlich und unverdrossen war, die
Rücken der Bücher, darunter die vielen Miscellanbände, in sauberer,
zierlicher Schrift mit Titeln zu versehen. a) In seiner letztwilligen Verfügung sagt er von seiner Bibliothek:
"Unsere Bibliothek allhier in unserer Residenz und Hauptfestung
Wolfenbüttel haben Wu· mit grosser Sorge, schweren Kosten und
Mühen nicht allein zusammen, sondern auch mit vielfältiger ungläublicher Arbeit in eine solche gute Ordnung gebracht, dass dergleichen
in ganz Europa wenig zu finden. Wir haben auch dergleichen nicht
sowohl zu unserer Lust und fast einzigen Ergötzlichkeit als zu unserem
sonderbaren Nutzen stetig gebraucht. Es ist auch dannenhero dieselbe in- und ausserhalb Deutschland in sonderbaren Ruhm und Ansehen kommen, wie Wir über dieses Alles das Werk selber und
') v. Heinemiiiln, ,,Die herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel", S. 14 ff.- L. C. Bethmann, "Herzog August der Jüngere, der Gründer der Wolfenbüttler Bibliothek'·, Wolfenbüttel 1863.
2) Schiller, a. a. 0. S. 236.
8
) v. Heincmann, "Die herz. Bibliothek zu Wolfenbüttel" S. 19, woselbst auch
weiter hierüber nachzulesen ist.
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zuförderst die mit Unsern eigenen Händen darüber gemachten vielen
und weitläufigen Catalogos zeugen lassen können".
Seinen Nachfolgern legt er diese seine Lieblingsschöpfung warm
ans Herz:
»Wir wollen auch Unserem Sohne und dessen Successoribus auf
ihr Gewissen dieses Alles befehlen und dahin zu sehen ermahnen,
dass dieser unser Wille wirklich erfüllt und dieser unermessliche
Schatz des ganzen Landes, auch Zierde Unseres ganzen Hauses, nicht
in Abgang gerathen, sondern durch Gottes gnädigen Beistand erhalten und von Zeiten zu Zeiten vermehrt werde".
"Mitten unter den Stürmen und Erschütterungen einer in trüben
Massen gärenden Zeit", sagt Friedrich Adolf EbertJ), .,bereitete sich
Herzog August in seinem Museum eine eigentümliche Welt, in welcher
er von den Beeinträchtigungen einer ihn nahe berührenden und oft
hart drängenden Gegenwart Erholung suchte und fand. Neben den Erscheinungen des Tages, die er nicht unbeachtet liess und in welche er,
selbst ein fruchtbarer Schriftsteller, TI.elfach verflochten war, wendete
sich doch seine Sammelliebe mit einem tiefer liegenden und nicht bloss
in müssiger Kuriosität begründeten Bedürfnis fast mehr noch dem
Vergaugenen, Unbekannten und Vorborgenen zu , und behielt diese
Richtung auch dann noch bei, als über Deutschlands Gauen wieder ein
wolkenloserer Himmel sich wölbte. So brachte er in einer fiir den
Büchererwerb günstigen Zeit und durch ein sechzigjähriges, unabliissiges
Bemühen einen Schatz von Handschriften, alten Drucken unu Seltenheiten aller Art zusammen, von dessen fl.eissiger Benutzung die Anmerkungen zeugen, welche sich von seiner Hand oft mitten in den
Werken befinden, die wohl selten eines Fürsten Hand zu berühren
pflegt. Die Huldigungen, welche die in- und ausländischen Gelehrten
jener Zeit, mit deren mehreren er in näherem, brieflichem Verkehr stand,
dem für Iitterarische Bildung sich so lebendig und thätig interessierenden Fürsten brachten, trugen dazu bei, seine Sammlung auch in
den Iitterarischen Erzeugnissen seiner Zeit so vollständig zu machen,
wie man sie vielleicht in keiner andern deutschen Bibliothek finden
wird, weil eben jene Kriegsjahre fast auf allen andern deub;chen bammlungen die bisher geübte Thätigkeit unterbrachen. Auf diese Weise
wurde seine Sammlung, in welcher er auch die kleinste Schrift der
Aufbewahrung nicht unwert hielt, ein in seiner Art einziges Archiv für
die Geschichte der (vorzüglich deutschen) Iitterarischen Thätigkeit deti
siebzehnten Jahrhunderts bis zum Jahre 1666, in welchem der rastlos
thätige Fürst sein langes und auch um das Wohl und die Verfassung
seines Landes hochverdientes Leben schloss".
') "Ueberlieferungen zur Geschichte, Litteratur und Kunst der Vor- und 1\Jitwelt", herausgegeben von Fr. A. Ehert, Dresden 1826, I, 1, S. 141.
Eekart, Die Fürsten oles Welfeubauses.
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L'm das ::)chulwesen in seinem Lande hat sich Herzog August
::;ehr yerdient gemacht. 1636 machten die Landstände eine Eingabe
an den I!Cl·zog. Es heisst darin:
"Die Zukunft beruht auf einer guten Unterweisung der Jugend.
Xun gebricht es aber an guten Lehrern, und wo sie sich finden, da
ermangeln sie der Kusseren Achtung, weil die Dürftigkeit des Gehalts
sie auf mannigfachen Nebenerwerb anweist. Der Erlass einer Schulordnung erscheint ebenso notwendig, als eine jährliche Yisitation der
::)chulen durch Konsistorium und Universität".
In der :Mitte der vierziger Jahre nahm August die Schulreform
ernstlich in Angriff. Die untüchtigen Lehrer wurden des Amtes entsetzt.
Der Helmstedtor Professor der Beredtsamkeit Christoph Sehrader wunle
als Generalschulinspektor berufen. Durch das Landesgrundgesetz von
1647 (Al'tikel 2) wurde der Schulzwang eingeführt. Es heisst darin:
"Es sollen die Eltern gehalten sein, und im Fall sie sich säumig
erweisen würden, durch die Beamten und Gerichtsherren dahin vermittels ernstlicher Bestrafung angewiesen werden, dass sie ihre Kinder
bei den ~chulmeistern oder Küstern auf denen Dörfern so viele Jahr
in die Schule gehen und unterrichten lassen, bis sie den Katechismus
ver::;tchen und gedruckte Schrift lesen können".
Am 24. l<'ebruar 1651 erschien die lange erwartete Schulordnung,
wahrscheinlich verfasst von Christoph Schrader, Georg Calixtus und dem
Kanzler J oh. Schwarzkopf. Eine genauere Betrachtung dieser Schulortlnung müssen wir uns hier versagen. Man findet sie in dem oben
erwähnten Vortrage von Händler, "Entwickelung des Braunschw. Schulwesens bis auf tierzog August". 1) - Durch die 1655 erschienene Klosterorclnung wurden die Klöster mit ihren Schulen aufgehoben. Durch Begründung eines Konsistoriums sowie durch seine Förderung der Kanzleiund Hofgerichtsordnung, durch seine Prachtbauten in Wolfenbüttel und
Braunschweig hat sich August der Jüngere hochverdient gemacht. Als
Schriftsteller geniesst er einen wohlverdienten Ruf.
Schon in Hitzacker schrieb er unter dem Namen Gustav Selenus
sein berühmtes Buch vom Schachspiel: "Das Schach- oder König-Spiel
von UustaYo Scleno, in ';ier unterschiedene Bücher, mit besonderem
Flebs, gründ- und ordentlich abgefasset, auch mit dienlichen Kupfer::;ticheu gczierct. Diesem ist zu ende, angefüget, ein sehr altes Spiel,
gcnandt, Hythmo-machia •·. Lips., 1617. Ferner entstand hier seine Anweisung, mit Zeichen zu schreiben, dem Kaiser Ferdinand II. gewidmet,
unter dem Titel: 11 Gustavi Seleni Cryptomenytices et Cryptographiae
Libri IX. in quil>m; Steganograph.iae a J. Trithemio magice et aenigma') Vgl. Diirrc, .Geschichte der Gelehrtenschulen zu Braunschwcig" (11. Jahrb.
l.lraWl~chwcig 1861.
bib 1671).
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tice olim conscriptae, enodatio traditur". Lüneb., 1624. Seine in
W olfenbüttel verfassten Sclu:iften sind: "Biblischer Auszug, oder gründliche Summarien über die beiden heiligen Testamente eines vornehmen
deutschen Theologi (Dan. Cramers) A. B. L. d. H. Bibel-Liebhabern,
mit besonderem Fleiss übersehen und in dieses Handbüchlein gebracht··.
Lüneb., 1625. - "Die Ilistorie und Geschichte von des Ilerrn .Tesu
des Gesalbten Leiden, Sterben und Begräbniss, aus den evangelischen
Schriften zusammen getragen11 • Lüueb., 1640. - .? Verzeichniss beider
jungen Herren (Heinrich Aug. u. Rud. Aug.) Praegenitorum".- "Evangelische Kirchen-Harmonie, d. i. der H. Schrift unterschiedene Texte und
Worte, welche von unseren Vorfahren an gewissen Tagen des Herrn
und der Festen den Gemeinen der Christen jährlich vorzulesen und zu
erklären verordnet, und von einem Liebhaber seines liebsten Herrn .Tesu
und dessen heiligen \Yorts mit scbriftmässiger Erklärung ausgeführt
sind". Mit Kupfern, 2 Teile. Wolfenb., 1644 (später öfter aufgelegt)."Handbücblein aus der Evangelischen Kirchen-Harmonie von des Herm
Jesu Leben etc." W olfenb., 1646. - "Augusti Duc. Br.-Liineb. ad Athanasium Kircherum S. J. Epistola a. 1651 scripta, et edita euro notis
Zach. Göze". Osnabr., 1716.- "Reformatio Papatus, juxta confessionem
Augustanam, qua proponitur Rarnanorum Pontilicum atque conciliorum
consensus euro Augustana confessione in omnibus articulis ctc." Gosl.,
1621 (auf des Herzogs Veranlassung erschienen). - Er war ein ~Iit­
glied der fruchtbringenden Gesellschaft und hatte den Namen des
"Befreienden" und starb im hohen Alter, nachdem er in 50 Jahren
keine Krankheit gehabt hatte, am 17. September 1üß6. 1 ) Er wurde
am 11. Dezembe1· in Wolfenbüttel beigesetzt. Den prächtigen kupfernen
Sarg, welcher jetzt seine irdischen Reste birgt, liess der Sohn und
Nachfolger, Rudolf August, anfertigen; er ward in1 ~Ionat l\lai 1G68
ins Gewölbe gebracht. 2)
Seine dritte Gemahlin Sophia Elisabeth, geh. Prinzessin von
l\lecklenburg, welche er 1635 heiratete, starb den 12. Juli 1676, berühmte Kompanistin und Dichterin. Von ihr en;chienen im Druck: ~Der
l\linervae Banquet auf den 77. Geburtstag Herzog Augusti, vorgestellt
a. 1655". WolfenLüttel. - Dabei noch: "Gli.ickwünschende Freudendarstellung, dargestellt von Sophia Elisabeth, Herzogin zu BraunschwcigLüneburg", und: "Ballet der Zeit~. - _Der Herzogin Sophia Elisabeth glückwünschende Wahrsagung und Ankunft der Königin Xicaulae
und deren bey sich habenden 12 Sybillen, benebst 4 benachbarten
Königen in die weltberühmte Guelfenburg". Wolfenbüttel 1656.- :Nach
ihres Gemahls Tode hielt sie zu Lüchow Hof, wo sie an dem 41. Jahres') Martin Gosky, "Vita ct fama divi Augusti", Fol. 1663. - llurckbard, .llbtor.
Bibliotb. Augustae", Tom. 1, pag. 53 ff. - Bethmann, .Uerzog August der Jüngere•,
Welfenbüttel 1863.
") Steinmann, a. a. 0. S. 61. 62.
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tage ihrer Vermählung starb. llue Beisetzung in Wolfenbüttel erfolgte
am 4. Oktober. 1)
Herzog August des Jüngeren Bruder, der edle Prinz Fr:mz, Domherr zu Strassburg und Köln, geb. 6. Juni 1572, studierte zu Strassburg. Er hatte hier das Unglück, als er am 24. Dezember 1601 abends
von Rastatt nach StrassbUTg reiten wollte und die Brücke über den
Fluss Rench verfehlte, mit dem Pferde in ein Loch zu geraten und
darin zu ertrinken. Er wurde am 3. März 1602 in der Domkirche zu
Strassburg begraben. Eine Rede von ihm, 1587, 11 De Pyrrhi et Demetrii
fratrum dissidiis componendis", druckte der Professor der Beredtsamkeit, Melchior Junius, in der von ihm edierten Sammlung von Reden
ab. Er ward wegen seiner .Menschenfreundlichkeit und hohen Bildung
allgemein verehrt.
Herzog Augusts ältester Sohn und Nachfolger, Rudolf August,
geb. 16. Mai 1627, gest. 26. Januar 1704. Er wurde an dem Hofe
seines Vaters zu Hitzacker erzogen und auf das sorgf..'iltigste in den
·Wissenschaften unterrichtet. Am meisten neigte er theologischen Studien
zu. Seine Bibliothek hatte eine äusserst reichhaltige ReformationslittCl·atur aufzuweisen. Das Verzeichnis derselben erschien in drei Teilen:
I. Braunschweig 1690, II. Braunschweig 1691, III. Ilelmstedt 1693 unter
dem Titel: 11 Antiqua literarum monumenta, autographa Lutheri, aliorumque celebrium virorum, ab a. 1517 usque ad a. 1546 reformationis
aetatem et historiam egregie illustrantia, in Serenissimi Principis ac
Domini, Domini Rudolphi Augusti, Brunsvicensium ac Luneburgensium
Ducis Bibliotheca manuali Brunsvigae recondita". Der Herzog erlaubte
in gütigster Weise den Zutritt zu seiner Bibliothek. Durch seinen
Bibliothekar, Adam Stenger, liess er, wie Schiller a. a. 0. S. 241 berichtet, 1689 die 102 Bände der Kloster-Weissenburgschen Manuskripte
ankaufen und schenkte 1702 auf Verwendung Hermann von der Hardts
den grössten Teil seines von ihm so mühsam gesammelten Bücherschatzes nebst allen Manuskripten der Universität Ilelmstedt. Daneben
bedachte er auch freigebigst die Bibliotheken des Klosters Riddagshausen und der Briidernkirche zu Braunschweig.
In Gemeinschaft mit seinem Bruder Anton Ulrich begründete er
lü99 das Predigerseminar zu Riddagshausen, wodurch das Kloster einen
neuen Aufschwung erhielt. Die vom Grafen Uh-ich V. 1537 gestiftete
grosse Stadtschule (Gymnasium) zu Blankenburg erweiterte, reorganisierte und fundierte er; sie heisst nach ihm Rudolpheum-Augusteum.
Die auf eigene Kosten gebaute Collegienkirche schenkte er der Helmstedter Universität.
Gleich seinem Vater und seinen beiden Brüdern gehörte auch
Rudolf August der "fruchtbringenden Gesellschaft" an. Er führte dort
') Steinmann, a. a. 0. S. 62.
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den bezeichnenden Namen "der Nachsinnende". An seinem Hofe waren
von den Berühmtheiten dieses Dichterordens vereint: der Sprachforscher
Just. Georg Schottelius, die Dicbt~r Sigm. von Birken und Andr. Hcinr.
Bucbholz, Leibnitz, der berühmte Verfasser der "unvorgreiflichen Gedanken über die tautsehe Sprache", Gottfr. Wilh. Sacer, bekannt durch
seine "Erinnerungen wegen der deutschen Poeterei" und durch seine
Lieder, Christian W oltereck, Verfasser der "holsteinsehen Musen".
1697-1700 liess Rudolf August das "~1agnum oecumenicum Constantiense Concilium de unh·ersali Ecclesiae reformatione, unione et fide"
aus alten und gleichzeitigen Handschriften, in sechs Teilen, unter Aufsicht des berühmten Herrn. von der Hardt auf eigene Kosten und
mit grossem Fleiss abdl'Ucken. 1) Ausserdem beförderte er viele Autographen Luthers zum Druck. Seine Schriften sind: "Epistola consolatoria ad Augustum Parentern ob defunctum Christianum .\ugustum ex
conjuge lVIegapolitana filium 11 • 1639. 4°. - "Epistola ad Parentern de
superato anno climacterico magno". 164:?. 4°. - "Aus unterschiedlieben Gesang- und Gebetbüchern zusammen gezogener und mit Kupfern
gezierter Kern der Fest-, Catechismus- und andern schönen Gesängen
und Gebeten, wie selbige von unsern Gottseeligen Vorfahren ihrem ersten
und rechten Satz nach sind herausgegeben.::. Wolfenbüttel 1G7Y. 12u.
- "Beantwortung der Frage: Ob es christlich sei in öffentlichen Prozessen vor Gerichte zu schaffen zu haben?" 4°. - "Opfer der Heiligen,
bestehend in 2 Teilen andächtiger Gebete". 1702. 8°. - "Ein kurzm·
Psalter aus allen Psalmen zusammen gezogen". Helmstedt 1702. 8°.
Auch unter dem Titel: "Kern der Psalmen DavidsM, herausgegeben von
Caspar Queste!. Plön 1708. 8 °. - Er starb den 26. Januar 1704 und
liegt im Dom zu Braunschweig begraben. In seinem Ringe bat er zuletzt die Worte geführt: "~Ioriamur, quando voluerit Deus, modo quomodo velit, vivamus". 2)
Anton Ulrich, der Bruder des Vorigen, ein hochgebildeter uull
prachtliebender :Fürst, wurde am 4. Oktober 1633 zu Hitzacker geboren.
Seinen ersten Unterricht empfing er nebst seinen Geschwi::,tern ,·on
seinen Hofmeistern Friedrich von Kramm und Justus Georg Schotte!.
Kramm leitete mit grosser Liebe und Erust die Prinzen. "Indem er sie",
sagt Wendebourg, 3) »ohne Nebenrücksichten in der Zucht und Vermahnung
zum Herrn erzog, musste er sie zuweilen gegenüber der :;trcngen Behandlung des Vaters vertreten". Der älteste Priuz soll infolge jener
strengen Behandlung eine Zeit lang ganz schwermütig geworden sein
•) Wolfram, "Versuch einer Nacbr. von gel. Herzogen und Herzoginnen von
Braunschw.-Lüneb. ", Braunschwcig 1790.
•) Jöcber, .Allg. Gelehrten-Lexikonu. - Rehtmeier, .Braunschw. Chronica•.
•) Herrn. Wendcbourg, .Des Herz. A. l'. zu Braun cbw. und Lüneb. gebt!
Lieder•, Halle 1856.
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und alle I.u~t zum Lernen verloren haben. Kramm begleitete später
seine Zöglinge auf Reisen. Er starb als kurbrandenburgischer Rat uncl
Oberhofmeister 1G7l. Schottel, ein geborner Einhecker, unterrichtete
besonders .Anton Ulrich von 1638-1646 und a.usser zwei Prinzessinnen
später Ferdinancl Albrecht. 1646 und 1647 war Sigmund von Birken
(Detulius) Anton Ulrichs und seines jüngeren Bruders Lehrer. Laut
seiner Bestellung zum Lehrer Anton Dirichs sollte Schottel den Prinzen
"in Gottesfurchten, der reinen augsburgschen Confession und Katechismus
Lutheri gemiiss honestis Jiteris et artibus liberalibus, auch moribus principe dignis mit allem getreuen Fleisse instruiren". Anton Ulrich zeichnete
sieb von früh an durch die glänzenden Fähigkeiten seines Geistes unter
den Brüdern aus. In ihm überwog aber der Verstand das Gemüt. Er
besass ein ebenso treues Gedächtnis wie eine schnelle Fassungskraft.
Dabei zeigte er eine besondere Lust zum Lernen. Auf das eifrigste, ja,
wie Schottel bezeugt, unersättlich suchte er seine Kenntnisse zu erweitern
und seinen Geist nach allen Seiten hin auszubilden. "Es war in Anton
Ulrich-, sagt Hoeck, 1 ) "nicht jene enge Verbindung, jenes Gleichmass
zwisclJCn dem religiösen Gefühle und der spekulierenden Geistesthätigkeit,
hei welchem beide einander heben und tragen und im Menschen erst
den eigentlich frommen Sinn hervorrufen. Der l.iberlcgende Verstand
hatte die Herrschaft über alle Fasern seines Tierzens, über jede Bewegung des Gemüts".
Schon in frühester Jugend schrieb er in Gemeinschaft mit seinen
beiden Drürlern, Rudolf August und Ferdinand Albrecht, und seiner gelehrten Sf'hwester Sybilla Ursula, viele lateinische Briefe an den berühmten Württembergischen Theologen Job. Valentin Androae, welche
dieser unter dem Titel; "Jo. Valent. Andreae Seleniana Augustalia una
cum opusculis aliisu. Ulmae 1649. 12o und: "Serenissimae Domus
Augustae Selenianae Principum Juventutis utriusque sexus pietatis eruclitioni!'l comitatisque exemplum sine pari in perfectae educationis et
institutionis normmn expositum", ib. 1654, 12o herausgab. Diese
l>eicleu Bücher, wovon das zweite eine Fortsetzung des ersten ist, entlullten zn~ammen 6n4 Briefe der genannten Prinzen an Val. Andreae.
In seinem zehnten .Tahre wählte ihn das ~tift Halberstadt zum Coadjutor.
Er hekam zur Enb:ichiidigung im Münsterischen Frieden ein Canonicat
und die Dekanat-Stattl1alterei zu Strassburg, welche er aber dem Herzog Fricdrich von :\Iecklenburg überliess, und Yerschaffte seinem Bruder
Ferc1inancl Albrecht ein Uanonicat in diesem Stifte. 1650 bezog er die
Universität zu Ilelmstedt und verwaltete bei einer theologischen Promotion clas Prokanzellariat und erteilte in einer schönen lateinischen
Rede dem zeitigen Dekan der theologischen Fakultät G. Calixtus die
') Wi1b. 11oeck, ,Anton Ulrich und l:lisabetb ChriAtine von Braunscbw.-Lüneb.Wolfcnbüttcl•, \Yolfenbüftel 184!'>.
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Erlaubnis, die Promotion vorzunehmen. 1654 durchreiste er Oberdeutschland, Holland , Frankreich und Italien und vermählte sich am
17. August 1656 mit der Prinzessin Elisabeth Juliune von HolsteinNOI·burg. Nach seines Vaters Tode erhielt er die Aemter Schöningcn,
Ierxheim, Voigtsthalen und Calvörde und hatte seinen Sitz zu W olfeubüttel. Als sein Bruder Rudolf August die Regierung antrat, wählte er
ihn zum Mitregenten; 1685 überliess er ihm die Regierungsgeschiifte
fast ganz allein. 1704 wurde er regierender Herzog, trat 1710 in Bamberg zur katholischen IGrche über, erklärte jedoch seinen Unterthanen,
keine Neuerungen in geistlichen und weltlichen Dingen anzufangen.
Er starb zu Salzelabium am 27. März 1714. Ausführliche Nachrichten
über sein Leben enthalten die Werke von Hoeck, Wendebourg, Rehtmeier u. a.
Stets hat er die Künste und Wissenschaften beschützt und gefördert. In der fruchtbringenden Gesellschaft führte er den Xamen des
"Siegprangenden 11 • Durch Andr. Heim. Buchholz' (Hofprediger in Wolfenbüttel) Romane "Herkules und Valiskn.u und "Herculiscus und Ilerkul::Ldisla wurde er zu seiner "römischen Octaviau angeregt, und gab
durch diesen Roman wiederum Lohenstein Amegung zu dessen ~ .\rminius und Thusnelda". Um das braunschweiger Land machte er sich
hochverdient. 1687 stiftete er mit seinem Brude1· die Ritterakademie
zu Wolfenbüttel, eine damals berühmte Anstalt, welche meist von Prinzen
und Adligen besucht, jedoch 1715 aufgehoben wurde. Grosse Summen
verwendete Anton Ulrich auf die italienische Oper, auf das stehende
Militär, insbesondere auf den Prachtbau zu Salzdahlum, dem deutschen
Versailles. Die Schätze der wolfenbüttler Bibliothek vermehl-te er zwar
nicht in dem Masse, wie sein Vater, jedoch errichtete er 1706-1710
auf der Stelle des alten Bibliotheksgebäudes, mit Benutzung des gewölbten Untergeschosses, die jetzige grassartige Bibliothek. v. Reinemann ("Die herz. Bibliothek zu Wolfenbüttel'", Vortrag 1878) sagt dariiber:
"Als noch beeinträchtigender für die bibliotheca Augusta erwies sich
der Umstand, dass die Söhne (Rudolf Augusts) fast alles, was sie selbst
an Büchern anschafften, nicht jener grossen, von ihrem Vater gcgriindeten Sammlung einverleibten, sondern daraus an ver:schiedenen
Lieblingsm-ten, auf dem Grauen Hofe zu Braunschweig, auf dem Forsthause vor Wolfenbüttel und zu Hedwigsburg, besondere Privat- und
Ilandbibliotheken bildeten. So ist es nur zu erklärlich, dass die wolfenbüttler Bibliothek bald grosse, schwer au::;füllbare Lücken zeigen musste
und hinter den Plänen und Absichten ihres erlauchten Begründer::; weit
zurückblieb. Erst 1708 ward zum Zweck von regelmässigen Neuanschaffungen eine jüill·liche feste Summe ausgeworfen. . . . In der That
lässt die Idee des ganzen Baues (der Bibliothek) nicht nur in bezug
auf Schönheit, sondern auch auf Zwcck"lDiissigkeit kaum etwas zu
wünschen übrig". Durch sein?n Bibliothekar Leibnitz, mit dem er in
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vertratdem Briefwechsel stand liess er u. a. die an kostha.ren Handsclu·iften reiche Sammlung des 'Staatsrats Marquard Gudius in Kiel ankaufen. Weil Leibnitz viel in Hannover wohnte, so ernannte er 1705
den Leg1ttionsrat Hertel zum Mitbibliothekar, der später seine grosse
Privatbüchersammlung der fürstlichen Bibliothek schenkte.
Im Kloster Riddagshausen stiftete Anton Ulrich ein Collegium von
Kandidaten der Theologie zur Vorbereitung derselben auf das Amt und
bedachte die ridda.gshanser Klosterbibliothek mit einem Teile des Büchernachlasses seines Bruders. Seine eigene Bibliothek wurde später der Grundstock llel' Bibliothek des Braunschweiger Collegiums. 1710 erbaute er die
katholische Schule zu Braunschweig. Das blankenburgar Schloss erhielt
durch ihn eine grössere, schönere Gestalt. Der Dom zu Braunschweig
wurde dtu·ch ihn neu geschmückt und die darin befindlichen Grabschriften
seiner Ahnen wurden erneuert. Für die schon erwähnte italienische Oper
liess er 1690 das Rathaus zum Hagen herrichten. Ueber die in seinem
Lustschlosse zu Salzdahlum aufgehäuften Kunstsammlungen sagt Schiller
a. a. 0.: "Um hier, ausser dem grossen Schatze des interessanten Majolika-Ge:;chirres, welches er grösstenteils auf seinen italienischen WanJerungeu selbst erwarb, nur noch einer einzigen von jenen Sammlungen
Erwähnung zu thun, muss ich auf die Gemälde-Galerie hindeuten, welche
ihrer Zeit zu den allervorzüglichsten Deutschlands gezählt wurde, und
noch gegenwärtig einen Glanzpunkt Braunschweigs bildet, ungeachtet
das beklagenswerteste "Missgeschick über ihr gewaltet bat, indem ein
Teil derselben nach dem Abbruch des salzdahlumer Schlosses auktionsmässig verschleudert worden, ein anderer durch die bonapartische Plünderung verloren gegangen, ein dritter durch den braunschweiger Schlossbrand im Jahre 1830 vernichtet, und endlich ein nicht unbedeutender
Yierter Teil durch sogenannte Restauration nicht eben verbessert worden
ist. Das Amlenken Anton Ulrichs wirkte noch lange unter seiner Nachwelt fort, indem derselben die vielen von ibm zusammengehäuften Reichtümer <lcr Wi:ssenschaft und Kunst Sporn und Haltpunkt in dem Streben
nach Bildung wurden"'.
Seine Schriften sind: "Ohrist-Fürstliches Davids Harpfen- Spiel,
zwn Spiegel nnd Fürbild llimmelflammender Andacht, mit ihren Arien
otler Siugwcisen hervorgegeben". Nürnberg 1667. so; vermehrte Auflage
\\'olfenhi.ittellß70. 8°; 3. Auflage ohne die )lelodien. Oettingen 1710. S 0 •
Die )lelodien sind von seiner Stiefmutter Sophia Elisabeth. Auf Befehl
ue" Herzogs Bernhar<l von Sachsen wurden diese Lieder auch 16S3 in
da!l )leiuingische Gesangbuch aufgenommen. Die Lieder sind vor des
Her;~:ogs Cebertritt zur römischen Kirche gedichtet. Nach IIoeck, a. a. 0.,
waren sie ohne die ~Ielodien schon 1665 gedruckt uncl - zierlich geschrieben - bereits 165;) dem Vater August als "erste Frucht, die
noch ni.cllt ,·üllig reif U0(1 nod1 im Blühen" sei, zum ncuen .Jahre übergeben. Wendebourg, a. a. 0., bemerkt über diese zu Niirnbcrg 1667
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gedruckte Sammlung: "Einem jeden Liede ist seine Singweise mit hinzugefügtem Basse beigegeben, die nicht selten sehr ansprechend, ebemo
lieblich wie dem Texte angemessen ist. Die ~ Yoransprache" des
11 Harpfen-Spiels" sagt: 11 dass die darbey befindliche Kunstlieblichste Arien
oder Gesangweisen, meistenteils von einer gleichfalls Hoch Fürstlichen
Frauen-Person, hinzuersonnen werden~. In ~f. E. Neumeisters "Specimen
dissertationis hist. crit. de poet. Germ an." 1706 heisst es: "Quid? quod
et Conjugis Celsissimae vena simul in idem confluxit opus -: IIarpfenspiel -". Indes ist dem Herausgeber von einem Anteile der Gemahlin
des IIerzogs an seineu Liedern keine weitere Spur aufgestessen, als
welche in cler eben angeführten Stelle der Voransprache sich finden
könnte. Ueber die Person des Verfassers, der auf dem Titel nicht genannt ist, sagt die "Voransprache zum Leser" nichts weiter, als dass
11 diese gegenwärtige Geistreiche Himmels-Liecler von einer Hoch Fürstlichen Person, Gott zu Ehren und zu eigener Herzens-Andacht aufgesetzt" seien. Neumeister in seinem 11 Specimen dissertationis hist. crit.
de poet. German." 1706 sagt von Anton Uh·ich: 11 Profecto ha.ud spernet
carmina, qui patrat carmine digna" und nennt das Harfenspiel ein "opus
pium utique et Principibus dignum·· . 1)
Ferner gab Anton Dirich >erschiedene einzeln gedruckte und . einem
Vater zu Ehren verfasste Singspiele heraus: z. B. »Regierkunst Schatten",
16ö8. 11 Andromeda", 16ö9. »Orpheus", 1659. 11 Iphigenia", 1661. "Jal'obdes
Patriarchen Heirat", 1662. "Des trojanischen Paridis Urteil". ~Solimene. ~
1
11 Amelinde". 11 Die verstörtelrmenseul oder das bekehrteSachsenland"u.a.' )
Die folgenden, von ihm verfassten historischen Romane sind die
bedeutendsten der damaligen Zeit gewesen: 1) 11 Die durchlauchtige Syrerin
Aramena", 5 Teile mit Kupfern, Nürnberg 1678-1680, 8". Im Jahre
1783 erschien eine Umarbeitung: 11 Aramena, eine syrische Geschichte,
ganz für unsere Zeiten, von Sophie Albrecht", 3 Teile, Bcrlin, 8°. 2) 11 0ctavia, Römische Geschichte, der hochlöblichen Nymphen-Gesellschaft an der Dona.u gewidmet". Nürnberg 1685, S0 • Teil 1, 1 -3. Buch.
Zugabe zum ersten Teil 16!::17. S0• 4-6. Buch. Teil II. 1702. S0 •
1-3. Buch. Zugabe des andern Teils. 1703. s•. 4-6. Buch. _Beschluss der Durch. Herzogin gewidmet, die diese Römerin von ihrem
mehr als 20jährigen Schlaf erwecket". 1704. 8°. Zugabc zum Bc~chluss
1718. 8°. Zweite Auflage unter dem Titel: »Die Römische Oetmia. auf
Veranlassung einer Hohen Königlichen Prinzessin, nach dem ehemaligen
Entwurf geändert und durchgehends vermehret-. Braunschweig 1712.
1) Vergl. Wetze!, "llist. Lebensbeschreibung der berühmtesten Liederdkbter"
T. 1, pag. 62, wo man ein Verzeichnis der darin enthaltenen Lieder findet.
•) .Gesamml. Briefwechsel der Gelehrten über allerhand seltene ßflchcr und
l\1atet·ien• 1730, den 14. Juli, No. 24, wo gesagt wird, dass Herzog Anton Ulrich bei
seiner Anwesenheit in Venedig eine sinnreiche selbst verfertigte Oper habe spielen
lassen und wo man zugleich Nachricht von dieocr Oper ftndct.
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so. 1-6. Teil. Wien 1762. 8 o. 7. Teil. :\Iit eingedruckten Kupfern.
- "Sie (diese Romane) sind", sagt Vilmar in seiner "Geschichte der deutschen .National-Literatur", "als Beiträge zur Sittengeschichte, zum Teil
auch der politischen Geschichte ihrer Zeit nicht ganz unwichtig".
IIerzone Anton Ulrich bleibt als ein Schriftsteller von reicher Einbildungskraft und scharfem Verstande, als ein Fürst, der es für Ehre
hielt, die Musen seines Vaterlandes zu pflegen und in die grosse Welt
einzuführen, der Nachwelt ein ehrwürdiger Name. 1)
Seine Gemahlin, Elisabeth Juliaue, geh. den 24. l\Iai 1643,
jüngste Tochter Herzog Bogislaus von Holstein- Norburg, begab sich
1651 in das kaiserliche Stift zu Gandersheim, lebte aber die meiste
Zeit an dem Hofe Herzog Augusts zu W olfenbiittel. 1701 stiftete sie
in Salzdahlum das Jungfrauenkloster "Zur Ehre Gottes" und gab ibm
reichliche Einkünfte. Sie starb am 4. Februar 1704. Sie verfasste die
erste Abteilung des oben genannten Werkes: " Gottgewidmetes Opfer der
Heiligen bestehend in zwei Teilen andächtiger Gebete; wobei einer andächtigen Seele Gedanken von Gott zu Gott und in Gott; wie auch ein
Christ-Fiirstliches-Davids Halfen-Spiel". Oettingen 1732. 8°. Sie verfasste in diesem Werke die andächtigen Gebete, während Rudolf August
die "Gedanken" und Anton Ulrich das "Christ-Fürstliche Davids-HarfenSpiel" schrieb.
Ihre älteste Tochter Elisabeth Eleonore, geh. den 31. September
1658, seit 1675 mit Herzog Johann Georg von Mecklenburg-'i\firow und
nach dessem Tode am 25. Januar 1681 mit Herzog Bcrnhard von SacbsenMeiningen (gest. 27. April 1706) vermählt, worauf sie noch 23 Jahre
im Witwenstande lebte. Hart geprüft durch den dreissigjährigen Bruderkrieg des Meininger Fürstenhauses, durch körperliche Leiden, durch den
Verlust vieler ihrer Angehörigen, suchte sie Trost und Linderung in
der Poesie. Ihre Kirchenlieder stehen im meininger und gothaer Gesangbuch und sind den besten ihrer Zeit gleichzurechnen.
Ferdinand Albrecht von Bevern (geb. 22. :\Iai 1636, gest. 23. April
1687), war in seiner Jugend, wie erwähnt, ein Schüler Just. Georg
Schotteis und bigismunds von Bu·ken. "Bei seiner Erziehuug", sagt
Ferd. Albr. in der Beschreibung seines Lebens und seiner Reisen, .,ging
es oft sehr wunderlich und seltsam, dass er sich wunderlichen Köpfen,
so er zu Lehrmeistern bekommen, aus kindlichem Gehorsam unterwerfen
musste, absonderlich dem Suchenden (Schottel), welcher ihn allerhand
Lust- Spiele zu spielen zwang, ehe er das A B C kunte, und fand er
mehr Lust was Fiir~tliches und rechtschaffenes, als solche Possen zu
lernen". Birken wird von dem Herzog a. a. 0. gelobt. Von ihm wurde
') C. A. Kütner, .Charaktere deutscher Dichter und Prosai~ten•, S. 168. Choleviu•, "Die heoleutendsten deutschen Romane des 17. Jahrbumlerts•, Leipzig 1866.
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Ferd. Albrecht in der lateinischen Sprache und Poesie unterrichtet.
Als Jüngling bereiste er Deutschland, die Schweiz Wld Frankreich, hielt
sich längere Zeit in Paris auf, "ac non solum varüs nobilibus oxercitiis
corporis, sed etiam Linguis, .Musicae, Arithmeticae, Architecturao ciYili
alüsque artibus operam dedit>(J) Im Jahre 1662 unternahm er nochmals eine Reise durch Deutschland, Italien, Sicilien und Malta und genoss
in Rom den mathematischen Unterricht des Athanasius Kircher. Dort
besprach er sich auch mit Papst Alexander VII. über kirchliche und
Staatsfragen und versicherte in seiner Lebensbeschreibung, dass dieset·
Papst in vielen Glaubensartikeln wahrhaft evangelisch gedacht habe.
In Pavia liess er sich unter die Zahl der akademischen Bürger aufnehmen. Nach dort beendeten Studien unternahm er eine dritte Reise
dUTch Deutschland , die Niederlande und Frankreich, ging 1664 nach
England, 1670 nach Schweden und 1ö7f> nach Oesterreich. Seine Reisen
hatten vor allem den Zweck der Belehrung. So wurde er einer der gelehrtesten 1\länner seiner Zeit; er beherrschte zehn Sprachen, nämlich
die deutsche, lateinische, italienische, spanische, französische, englische,
schwedische, griechische, kurländische und niederländische. Ilenorzuheben ist das von ibm, als einem >orzüglichen Kenner und Liebhaber,
gesammelte Münz- und Naturalien-Kahinet, woraus später das hraunschweigiscbe Kunst- und Naturalien-Kabinet entstand. In dieser Sammlung befand sieb das sogenannte mantuanische Gefäss, dessen genaue
Abbildung, Beschreibung und Geschichte sich in Görges, a. a. 0., I. ,Tahrg.,
S. 272 ff. findet. Seit der braunschweigischen Revolution von 1830
ist es abbanden gekommen.2 ) Nach dem Tode seines Vaters, des Herzogs August des Jüngeren, lebte Ferdinand Albrecht ausschliesslich den
Wissenschaften auf seinem Schlosse zu Bevern. Er besass hier eine
wertvolle Büchersammlung, begründet 1645 und 1648 erneuert. ~ichts
befriedigte ihn mehr, als hier in der friedlichen Einsamkeit von BeYern
an den reichen Genüssen seiner Jugend zu zehren und den ge~ammeltcu
geistigen Reichtum zu verarbeiten und zu ordnen. Die Akademie der
Wissenschaften zu London ernannte den gelehrten Fürsten zu ihrem
Mitgliede. Er war Senior und Dekanats- Statthalter des emngelischcn
Stiftes zu Strassburg und ~Iitglied der fruchtbringenden Geselbchaft,
WO er der ~Wunderliche" hiess nach dem Titel seines Werke:.:
Wuu<lerlicbe Begebnisse etc. u In seinem Schlosse hatte er eine ei~ene Buchdruckerei errichten Jassen. Seine Werke sind für das • tudium jener
Zeit hoch bedeutend. Es sind folgende:
1. "Joh. de Bussieres Blümlein allerley Ge~chichte, aus dem
n
') Bytemeister, a. a. 0. pag. 91.
Erst am 27. März 1874. als das Testament des in Genf (1870) gestorbenen
Herzogs Kar! ratifiziert wurde, ist die Vase von :\Iantna an Bmunscbwcig zurl\ckgegeben worden.
2)
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60 Lateinischen ins Teutsche übersetzet, von einem unglückseligen Fürsten«.
Hannover 1673. S 0 •
2. "Chr. Besoldi des Rechtsgelehrten, .\nweisung zu uen alten
Geschichten, ins Teutsche übersetzet- . S 0 •
3. "Sonderbare, aus göttlichem Eingeben andächtige Gedanken, in
Reime gemacht und gebracht von einem Liebhaber seines Herrn Jesu,
deswegen auch, weil er die reine Wahrheit und Aufrichtigkeit bis in den
Tod zu lieben und zu vertheidigen beschlossen, unglückseligen Fürsten,
auch nach desselben Verordnung und Einrichtung mit ihren Singweisen,
von seiner Hoff-Capellen gemacht, hervorgegeben, Frömmigkeit Ankerfest Haltenden, Zur Beständigkeit Und Liebe'· . Braunschweig 1656. S 0•
Zweite Auflage. Bremen 1674. 12°. Dritte Auflage. Bevern 1677.
4° mit Kupfern.
Die Universität Wittenberg besass ein Exemplar dieses Werkes,
welches der Herzog geschenkt und unter Beifügung seines Siegels eigenhändig darin geschrieben hatte :
"Wir Ferdinand Albrecht, Hortzog zu Braunschweig und Lüneburg, des Fiirstlichen Evangelischen Sti:ffts zu Strassburg Senior, verehren diese unsere Arbeit, unser Teutschlands Sion, der ChurSächsischen berühmten Universität Wittenberg, zum gn~idigen geneigten Andencken gegen dieselbe, mit dem Ansinnen, es als ein
Denckmahl unser wohlgemeinten Zuneigung verwahrlich in dero
Bibliothek aufzuheben. Unseres verfolgten Lebens von falschen
Brüdern, neidischen Freunden und untreuen Dienern , die unsern
Wandel auf dem sandigten Wege dieser grundbösen argen Welt noch
schwerer und saurer machen, zween und viertzig Jahr, eilfl' Monaths
zehen Tage. Geschrieben in unserer Residentz Beveren d. 2. Maji
A. 1679«. 4. ? Wunderliche Begebnissen und wunderlicher Zustand in dieser
v;underlichen verkehrten Welt; meistentheils aus eigener Erfahrung, und
dann gottseeliger, verständiger, erfahrner Leute Schriften wunderlich
herausgesuchet, durch den in der fruchtbringenden Gesellschaft sogenannten Wunderlichen im Fruchtbringen. Erster Theil, begreifend des
Wunderlichen Lebens- und Reisebeschreibung. Auf dem Fiirstlichen
Residenzschlosse Bevern, druckts Johann Reitmüller 1678. 4o. Zweyter
Theil, begreifend die wunderlichen Göttlichen Dinge des Alten- und ~euen­
Testaments, aus dem Wunderbuche der heiligen göttlichen Schrift und
anderen geistreichen Büchern mit Verwunderung angesehen von dem
Wunderlichen im Fruchtbringen«. Bevern 167S. 40.
Ein Exemplar dieses Werkes schenkte der Herzog der Universität
Wittenhrrg, mit der Inschrift:
"Wir Ferdinand Alln·echt, Ilertzog zu Braunschweig und Lüneburg, de:; Evangelischen Stiffts zu Strassburg Senior, ycrehren diesen
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unsern Lebens-Lauf selbsten aufgesetzt der L"niversität Wittcnherg
zum gnädigen Andencken beständiger W olgewogenheit. Unser Pilgrimschaft 43. Jahr, 4 Monath und 15. Tage. Geschrieben in Leipzig
d. 7. October A. 1679a. \Yolfram, a. a. 0., bemerkt: "Dieses Buch ist äusserst selten, teils
weil nicht viele Exemphue davon abgezogen sind, teils weil es auf
höchsten Befehl, sowohl aus öffentlichen als Privatbibliotheken herausgenommen ist; die Frage, warum? ist wohl zu beantworten". 5. "x_..nv Andachten vom Leiden Christi, nach so vielen schönen
Gemälden en miniatm·e nach der Ordnung aufgesetzt, von dem bekannten Liebhaber seines Herrn Jesu". Bevern 168S. Ausserdem haben sich noch mehrere seiner Manuskripte erhalten,
u. a. sein Reisetagebuch, und ein Opus unter dem Titel: "Loci politici,
1648".1)
Dieses Fürsten fromme Tochter Sophie Eleonore (geb. 5. 1\lärz
167 4, gest. 24. Januar 1711 , seit 1694 Kanonissin von Gandersheim)
war Dichterin und Komponistin. ,~Ihre geistlichen Lieder über die sieben
Blutvergiessungen Jesu Christi", sagt Wolfram a. a. 0., ~lehren sie uns
als eine sehr fromme und religiöse Fürstin kennen; welches man auch
in der, diesen Liedern vorgesetzten und an den Herrn Jesum gebetsweise gerichteten Zuschrift, bestätigt finden wird, wo die Verfasserin
sagt, dass der Trieb zu diesen Liedern göttlich gewesen sei~.
~Es ist~, sagt sie, "eine Gabe, warum ich dich, o Jesu, nicht
augeflehet habe, weil ich schon ohnedem mich zu gering achte aller
Barmherzigkeit, die du mir die ganze Zeit meiner Wallfahrt gethan
hast; dein Werk will ich offenbaren; dass ich diese Lieder erdacht
und gemacht habe, ist nicht mein, sondern gewisslich dein Werk etc ...
Die Sammlung hat den Titel: "Geistliche Lieder über die sieben
Blutvergiessungen Jesu Christi der ganzen Welt IIeilandes, von einer
Gottergebenen Seele". Nebst Zuschrift und Vorrede. 1696. S0 • Die
IIerausgabe ihres gesamten Iitterarischen Nachlasses besorgte der Domprediger Eberhard Finen: "Die Rechte des Herrn, ein Lied im Hause
der durchl. Fürstin und Frauen, Frauen Sophie Eleonoren Herzogin von
Braunschweig und Lüneburg etc. zusamt den geistlichen Liedern über
die sieben Blutvergiessungen Jesu Christi, auf gniidigsten Befehl, herausgegeben von E. Finen". Braunschweig 1713. 8°. Zweite Auflage 17R5. so.Anton Ulrichs zweiter Sohn und Regierungsnachfolger, August
Wilhelm (geb. 8. März 1662, gestorben zu Wolfenbüttel 23. ~Iärz 1731),
machte sich durch künstlerische Bauten uncl Pflege der )lusik und des
Theaters einen Namen. Die Stürme des dreissigjährigen Krieges hatten
') Schiller, n. a. 0. S. 248.
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das prachtvolle Residenzschloss in W olfenbüttel zerstört. Durch Herzog
August wieder in den vorigen Stand gesetzt, wurde dieses Schloss durch
Herzog August Wilhelm 1716 erneuert. Der unregelmässige Gebäudehaufen des alten Schlosses wurde nach der Ost- und Norclseite mit
Fa<;aden und einer neuen Bedachung versehen. Hierdurch wurden die
vereinzelten Bauten zu einem Ganzen verbunden. Görges, a. a. 0.
I. Jahrg., S. 232 sagt über diese E1:neuerung: nDie Vorlagen (der Vorbtm) sind auf massiven Bögen gestellt, die aus dem Grunde der Oker
aufgeführt, hinter sich das ursprüngliche Mauerwerk sehen lassen. Der
Hauptturm gegen Osten und Norden, sonst ganz frei, kam durch diesen
Neubau mitten in das Schlossgebäude zu stehen; riesenhaft umgürtet
von diesem ragt aus dem Dache desselben sein Haupt empor, während
sein im Okergrand festgewurzelter Fuss unter dem Vorbau sichtbar ist.
Die Schlosskapelle wurde durch diese Vorrichtungen eben nicht mehr,
sonelern nur in etwas anständiger verdeckt, durch weiteres Hervortreten der
HauptfaQade, indem die Spitze des Kapellenturms fast mit der äussersten
Ecke dieses Flügels (dem kleinen Schlosse zu) in gleiche Linie kam.
Zugleich, vielleicht auch in1 Jahre zuvor, nach der am Zifferblatt aufgefundenen Jahreszahl 1715, erhielt der Ilauptschlossturm, von dessen
altertümlich verzierter Galerie dem Freunde romantisch schöner Natur
eine freundliche teilweise vom Harzgebirge begrenzte Fernsicht geboten
wird, die berühmte als die grösste in Deutschland bekannte Turmuhr
aus der Gandersheimer Abtei". 1723 nach Vollendung dieses grassartigen Baues ist auch das sogenannte kleine oder bevorsehe Schloss
vollendet und hinterwärts durch eine Brücke mit dem Hauptschloss
verbunden".
Grosse Summen verwandte August Wilhelm auf den 1721 begonnenen Bau seines Residenzschlosses in Braunschweig, welcheR auf der
Stelle des 1671 von seinem Oheim angekauften Grauen Hofes erbaut
wru·de, und schmückte es durch eine Kapelle. 1721 erneuerte er den
Unterbau des Löwen in der Burg. Die Egidienkirche liess er auf das
schönste erneuern.
Bemerkenswert sind zwei Verfügungen des Herzogs, 1) deren erste
lautet:
·
Fürstliche Braunschweig-Lüneburgische Verordnung, dass künftig
sowohl diejenigen, welche Stipendia geniessen, als sich dem studio
theologico widmen, und demnächst in hiesigen Landen Kirchen- oder
Schulbedienungen zu erhalten gedenken, auf der Julius-Universität zu
Helmstedt zu studieren gehalten sein sollen. W olfenbüttel den
9. November 1724.
"Yon Gottes Gnaden Wir August Wilhelm, llertzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. Thun kund und fügen biemit jedermiin') Bytemeistcr, a. a. 0.
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1liglich zu w1ssen; Nachdem Uns unterthänigst vorgebracht worden,
wasgestalt bis anhero viele sowohl von Unsern augehornen Unterthanen und Landeskindem, als auch andern, welche, behuf ihrer
Studien, aus Unsern Landen Stipendia geniessen, solche auf auswärtigen Universitäten verzehren und dadurch nicht allein der genauern Aufsicht, welche derentwegen über sclbige billig zu halten,
sich entziehen, sondern auch auf solche Weise gar öfters die löbliche
Absicht, welche durch Heichung sothaner Stipendien intendirt wird,
giinzlich verfehlet worden, Wir aber solcher eingerissenen Unonlnung
länger nachzusehen, keineswegs gewillet; dass wn: denmach, aus
Landesfürstlicher Macht und Gewalt, desfals nachgesetzte Ordnung
verfassen, und durch den Druck publiciren zu lassen, Uns gnädigst
resolviret. Wir setzen, ordnen und wollen denmach, dass alle diejenigen, welche stipendia sowohl ordinaria oder eAiraordillaria aus
Unsern Aerarüs, wie auch Unserer Landschafts- und anderen Cassen
geniesscn, sie mögen sich auch widmen welchem Studio sie wollen,
von dato an, und so lange ihnen solche gereichet werden, auf Unserer
Julius-Universität zu Ilelmstedt zu studiren gehalten seyn sollen. Wie
Wir dann auch solches nicht allein von allen andern Stipendüs, so
von Unsern Städten, insonderheit aber Unserer Stadt Braunschweig,
oder sonsten erogiret werden, sondern auch von denen Stipendiis
Familiae Unserer Lande, so fern selbige nicht expresse auf eine
andere Universität, welches jedoch allenfalls mitteist Producirung der
Original-Fundation danmthun, gerichtet, hiemit ausdrücklich verstanden, und dahin extendiret haben wollen. "Wir befehlen solchemnach
hiemit in Gnaden, jedoch ernstlich, allen denenjenigen, welchen die
Erogation derer Stipendien in Unsern Landen anvertrauet, oder noch
künftig anvertrauet werden möchte, solche von nun an auf keine
andere als Unsere Julius- Universität zu Ilelmstedt verabfolgen zu
lassen, auch damit, so lange selbige dauern, ohne Ansehung der
Per:son, jedesmal getreulich zu continuiren. Und nachdem Wir auch
aus besondern Uns darzu bewegenden Ursachen nunmeln·o den Schluss
gcfasset, dass alle diejenigen, welche künftig Theologiam studiren,
und clemnachst Kirchen- oder Schulen-Bedienungen in Unsern Landen
zu erhalten gedencken, wenigstens zwey Jaln· auf unserer JuliusUniversität zu Helmstedt studiret haben sollen; Als befehlen Wir
Unserm Consistorio allhier nebst denen Kirchen- und Schul-Patronen
' yorfallenden Yacanzen, sich nach dieser
hiemit in Gnaden, bey künftig
Unserer Verordnung also zu achten, und alles Fleisses dahin zu sehen,
dass kein Candidatus präsentiret, vielweniger aber angenomme~ und
bestellet werde, welcher nicht durch Producirung eines Attestatl von
dem jedesmaligen Vice-Rectore oftbesagter Unserer Julius-Universität
darthun könne, dass er wenigstens zwey Jaln· dem Studio Theologico
mit gehörigem Fleiss daselbst obgelegen, und solebergestalt Unserer
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64 Verordnung gebührend nachgelebt habe. Damit nun solches zu jedermnuns Notiz gelangen, und sich niemanrl mit der Unwissenheit entschuldigen könne, so haben Wir diese Unsere Verordnung durch
öffentlichen Druck publiciren und gehörigen Orths affigiren zu lassen,
befohlen. Urkundlich Unseres Fürst!. Hand-Zeichens und beygedruckten Geheimbten Cantzley-Secrets. Geben in unser Vostung W olfl'onbüttel den 9. Nov. 1724."
August Wilhelm.
(L. S.)
CD V Dehn.
Die zweite Verordnung des Herzogs August Wilhelm lautet:
Des Durchlauchtigstell Fürsten und Herrn, Herrn August Wilhelms, Hertzogen zu Braunschweig und Lünebm·g etc. als dermaligen
Directoris l\Iagnificentissimi dero Julius- Universität zu Helmstedt
gnädigste Verordnung, das unter denen Studiosis daselbst eingerissene
verderbliche Spielen, Duelliren und übermässige Borgon betreffend.
n Von Gottes Gnaden 'Wir August Wilhelm, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. Fügen hiemit zu wissen; Nachdem Wir
mit höchstem Missfallen vernehmen müssen, wesgastalt einige Zeit her
auf Unserer gemeinschaftlichen Julius-Universität zu Helmstedt nicht
allein das verderbliche Spielen und ärgerliche Nacht-Schmausen, sondern auch das so oft und ernstlich verbotene Duelliren nebst andern
der studirenden Jugend höchst schädlichen Unordnnngen eingerissen,
und fast überband genommen, Wir aber zur conservation gedachter
Unserer Julius-Universität und Erhaltung des der Jugend vorgesetzten
Zwecks sothanem übel und Unheil länger nachzusehen keineswegs
gewillet: Dass Wir dem nach, als zeitiger Director Magni:ficentissimus
auf vorgängig gewöhnliche Communication mit Unsers Hochgeehrten
Herrn Yetters Georgs, Königs von Gross-Britannien, Frankreich und
Irland, Beschützers des Glaubens, und Churfürsten zu Braunschweig
und Lüneburg etc. :Majestät und Lbd. nicht allein die deshalb bereits
publicirte Verordnungen zu erneuern, sondern auch befundenen Umständen nach in verschiedenen Punkten zu schärffen, Uns gemüssiget
befunden.
Solchemnach ordnen und wollen Wir hiemit, und zwar zum
ersten, dass, weiln bis anhero das leidige Spielen unter der studirenden Jugend zum öfteren nicht allein zu Zank und Feindschaft,
Schlagen und Balgen Anlass gegeben, sondern auch von manchem des
zu dem studiren gewidmete und von seinen Eltern öfl'ters sehr schwehr
und sauer erworbene Geld solcher gestalt liederlich herdurch gebracht,
und mithin zugleich die edle und unwiederbringliche Zeit höchst unverantwortlich angewendet worden , alle und jede, jetzo und künftig
auf Unserer .Tulius-Universität sich aufhaltende Studiosi und Cives,
Yon nun an aller und jeder so genannten Glücks- oder Hazard-Spiele1
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als da sind: Wi.irffeln, Häuffgen, Bassette, Pharaon, Lansquenet, Trischacken, und aller anderen, sie mögen Nahmen haben, wie sie wollen,
auch ~ereits erdacht seyn, oder noch künftig erdacht werden, bey
Vermeidung unausbleiblicher Straffe gäntzlich zu enthalten.
Solte aber vors andere sich gleichwol jemand gelüsten lassen,
dieser Unserer gemeinsamen Verordnung zuwider zu leben, so befehlen
Wir Unserm Zeitigen, auch jedesmahligen Vice-Rector und Professoribus
Unserer Julius- Universität hiemit in Gnaden, jedoch ernstlich, die
Contravenienten, ohne auf deren etwa machende Einwendungen im
geringsten zu reflectiren , anfangs mit dem Garcer , bey anhaltender
deren Halsstarrigkeit aber sofort mit dem Consilio abeundi, oder dem
Befinden nach, mit der Relegation, ohne Ansehung der Person zu
bestrafen.
Wie dann vors dritte vornehmlich darauf ein wachsames Auge
zu halten, dass auf denen Kellern oder in den Caffe- und andern
dergleichen Häusern, von denen Wirtben selbst zu solchen verbotheuen
Spielen kein Vorschub geschehe, sondern selbige allenfalls sofort mit
einer convenablen Geld-Busse, diejenige aber, welche andere zu den
verbotheuen Spielen anreitzen, oder durch allerhand List zu bereden
sich unterstehen sollten, um soviel exemplarischer zu bestraffen, und,
denen vorkommenden Umständen nach, von der Universität, damit
selbige von dergleichen corruptoribus juventutis gesäubert werden
möge, auf einige Zeit, oder auch wol gar in perpetuum zu relegiren;
dasjenige Geld aber, so durch sothane prohibirte Spiele verlohren
worden , es mag solches viel oder wenig , bereits bezahlet oder noch
auszuzahlen seyn , jedesmahl zu exigiren , und ad pias causas zu
employiren.
Ob Wir nun wol vors vierte eben nicht gerneinet sind, dieses
Unser ernstliches Verbot auch auf das l'hombre-Spiel oder andere
ingenieuse und sogenannte jeux de commerce zu extendiren; so sollen
zwar diese, in so fern sie nur zu Zeiten und zwar nur um ein geringes,
einfolglich mehr zur Recreation des Gemüths als schnöden Gewinstes
wegen getrieben werden, annoch erlaubet und zugelassen, dabey aber
überall alle Schwärmereien Stuben- und Gassen-:\lusiquen, Ruffen
'
und Sehreyen auf denen Gassen
und aus denen Fenstern, Wetzen
mit den Degen Schimpffan Herausfordern, und alle anderen Debauchen,
'
. hen
sie mögen Namen
haben, ' wie sie wollen, desgleichen das Ausz1e
und Exerzieren, bey Vermeidung willkührlicber Straffe, und dem Befinden nach der Relegation verbothen, auch zu Verhütung alles unzulässigen Nachtschwärmens die Gesellschaften und Zusammenkünffte
jedesmahl noch vor zehn
des Nachts in aller Stille und wie
modesten und. tugend - liebenden Gemüthern geziemet, geendigct
werden.
Wie Wir nuu der gnädigsten Zuversicht leben, Unsere jedes-
Um
EckarL, Die Fur•len des Welfenbauses.
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mahliger Vice-Rector und Professares werden diese Unsere zum Besten
der studirenden .Jugend abzielende Verordnung 1.ur Bestiintligen Obserrantz zu bringen, sich alles Ernsts angelegen seyn lassen; Also
wollen Wir auch, vors fünffte, dass künfftig über die des Duelfu·ens,
Schiagens und Baigens wegen von Zeit zu Zeit publicü'te Eclicta mit
mehrem Nachdruck, als bishero geschehen, gehalten, die Contravenienten
nach deren Inhalt gebührend bestraffet, und keinem, wer der auch
sey, hierunter, wie zu Zeiten geschehen zu seyn verlauten will, conniviret und nachgesehen werde. Deswegen Wir dann insonderheit
des Anno 1691 von Vice-Rectorn und Professm·ibus in Druck ausgelassene Eclict hiemit nicht allein confirmiren , und dass solches der
bisherigen Gewohnheit nach bey jedesmahliger Wechslung des ViceRectorats nebst denen Legibus Academiae öffentlich verlesen werde,
gnädigst verordnen; sondern Wü· wollen auch, dass künfltig nicht so
promiscue mit Redimirung der darinnen verordneten Relegation verfahren, sondern solche, um denen Fried und Einigkeit liebenden Gemüthern Ruhe zu schaffen, und zugleich andern zum Exempel, vollstrecket, und die gröbere Excesse dem Befinden nach mit der Relegatione euro infamia, salva Confirmatione Serenissimi Directoris,
bestraffet werden sollen.
Solte nun sechstens gleichwoln auch hiedurch dem auf
Unserer J ulius- Universität im Schwange gehenden detestablen und
gegen die gesunde Vernunfft streitenden Duelliren, wieder Verhoffen
nicht abgeholfen worden können; So werden auch Wir in Unserm
Durchlauchtigsten Gesamt- Haus solches Eclict zu schärffen, und so
gar auch auf Leib- und dem Befinden nach auf Lebens- Straffe zn
extendiren Uns gemüssiget finden; gastalt Wir uns gedachte Unsere
Julius-Universität in beständigem Flor und Aufnahme zu bringen, und
was dem auf einige Weise hinderlich seyn kau, aus dem Wege zu
räumen, Uns hinführo alles Ernsts angelegen seyn zu lassen, gnädigst
resolviret.
Und weiln Wir nächst dem und zum siebenden mit sonderbahrem 1\lissfallen vernommen, wesgastalt viele von denen Studiosis
sonderlich auch dadurch zum liederlichen Leben gebracht, dass sie
hier und da übermässigen Credit gefunden, in dessen Ermangelung
aber ihre Bücher und Kleider versetzt oder verkaufft, auch wol gar
um zu baarem Gelde zu gelangen Waren zu Borge genommen, und
solche wieder um geringen Preiss verkauffet; Und dann Wir nicht
alJein was bereits desfals vor dem verordnet zu erneuern sondern
auch wie billig in ein und andern zu schärffen der Nothdurft erachtet;
So wollen Wir hiemit und Krafft dieses, dass künfftig überall keinem
Studioso , ohne Vorwissen seiner Eltern oder Vorgesetzten baares
Geld, es sey solches auch noch so wenig gelebnet, 'vidrigonfalls aber
dem creditori, es mag auch selbiger seyn, wer er wolle, zu dessen
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Wiedererhaltung alle rechtliche Hülffe denegiret seyn und bleiben
solle.
Würde sich auch achtens begeben, dass jemand, wer der auch
sey, denen Studiosis auf ihre Bücher, Kleider oder andere Meublen
Geld lehnte, oder selbige gar um geringen Preis an sich brächte, so
soll derselbe solche auf gerichtliches Anmelden sofort ohne Entgeld
wieder herauszugeben, von der Obrigkeit angehalten, und wann
ein oder der andere dieser Unserer Verordnung zuwieder zu leben fortfahren solte, noch überdem mit willkührlicher Straffe angesehen werden.
Wie denn auch neuntens, wann sich jemand unterstehen solte,
uenen Studiosis, um selbigen per indirectum zu Geld zu verhelfen,
Waaren oder andere Galanterien anzugeben, deren sie doch keineswegs
benöthiget, sondern solche um Geld zu erlangen wieder um liederlichen
Preis verschleudern, sothane Waaren sofort verfallen, und derjenige,
so dergleichen verbotheuen Contractum 1\lohatrae mit denen Studiosis
geschlossen, noch überdem befindenden Umständen nach willkührlicher
Strafe unterworfen seyn soll.
Weiln nun aber zum zehend t e n nicht wol füglieh geschehen
kan, dass die Studiosi, sonderlich diejenigen, so aus entferneten Provincien, jederzeit alles, dessen sie unumgänglich benöthiget, sofort
mit baarem Gelde bezahlen, und solebergestalt nothwendig ihnen dann
und wann zu creditiren; so Jassen Wir dem Befinden nach geschehen,
dass soviel Stuben und Kost betrifft, auf ein viertel Jahr, für Kleider
bis zwantzig Thaler, für Schneider- oder ander Handwerks-Arbeit bis
vier, für Schuster-Arbeit bis sechs, und für Bier oder Wein bis vier
Thaler geborget, und denen Creditorn auf ihr gebührendes Ansuchen
zu sothaner Bezahlung verbolffen, im Fall sie aber ein mehreres und
über erst determinirte Su~en creditiren, die Obrigkeitliebe Hülffe
ihnen versaget werden solle.
Wenn nun solchemnach und vors elffte keinem, der einem
Studioso zu unuöthigen Ausgaben, als zum Reiten, Fahren, Schlittenfahren, item zum Billard, Caffee, Thee, Chocolate, Zucker, Confect,
gebrauten Wassern, und dergleichen etwas borget, zu seiner Bezahlung
geholffen werden soll; Als haben alle diejenigen, so mit dergleichen
Waaren handeln, imgleicben Pferde, Schlitten uncl Billards halten, sich
künfftig für Schaden zu hüten, und denen Studiosis hierunter keinesweges zu creditiren.
So viel aber vors zwölf f t e die zu haltende Collegia, Bücher
und solche Ausgaben, ohne welche ein Studiosus sich nur vergebens
bey der Universität aufhalten würde, betrifft, sollen selbige auf den
Verweigerungs-Fall, nebst denen etwa schuldigen :Medicamenten, desgleichen den Arzt-Lohn derer :Medicorum und Chirurgorum sofort auf
das erste Anmelden executive beygetrieben, und der morosus debitor
zur schleunigsten Bezahlung unverzüglich angehalten werden.
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Gleichwie nun diese Cnsere Ycrordnung cintzig und allein auf
die Wohlfm'th der auf Unserer Julius- Universität jctzo und kiinfftig
studirenden Jugend gerichtet; also zweifeln Wir keineswegs, es werden
tugendhaffte und honnete Gemüther sich nach selbiger von sclbsten
gebührend zu achten wissen ; dafern aber ein oder der andere darwieder zu leben sich gleichwoln nicht entsehen solte, so befehlen Wir
Unserm dermahligen und kün:fftigen Vice- Rectorn und Professorn
hiemit nochmals in Gnaden, jedoch ernstlich, darüber mit Nachdruck
zu halten, und die Wiederspänstige jedesmahl ohne Unterscheid der
Person darnach gebührend zu bestra:ffen. Gebieten dabenebenst auch
Unserm Gerichts-Schuldheissen, Bürgermeistern und Rath Unserer
Stadt Helmstedt, dem Magistratui Academico auf dessen Requisition
hierunter jedesmahl schleunige Hülffe zu leisten, und auch ihres Orts
über die beständige Observantz dieser Unserer Verordnung nach
äusserstem Vermögen zu halten ; darentgegen aber Vice- Rector und
Professares hiemit gnädigst erinnert werden, auch Unserer Stadt
Helmstedt, in so weit selbige diese Unsere Verordnung betrifft, den
Genuss davon mit gleichmässigem willfährigen Bezeigen jedesmahl
schleunig und unpartheyisch widerfahren zu lassen.
Damit nun aber solche Unsere Verordnung bei Unserer gemeinsamen Julius- Universität sowol als Unserer Stadt Helmstedt desto
besser kund werden, und keiner mit der Unwissenheit sich entschuldigen möge, so haben Wir solche nicht allein durch öffentlichen
Druck zu publiciren und gewöhnlicher Orten zu affi.giren, sondern
auch alle halbe Jahr bei Wechselung des Vice-Rectorats denen Studiosis
und übrigen Universitäts-Verwandten öffentlich verlesen zu Jassen
befohlen. Uhrkundlieh Unsers Hand- Zeichens und beygedruckten
Fürstlichen Geheimbten Cantzley- Secrets. Geben in Unser Vestung
Welfenbüttel den 22. Februar 1725.
August Wilhelm.
(L. S.)
CD V Dehn.
Die Pflege des Theaters liess sich Herzog August Wilhehn sehr
angelegen sein. Der berühmte Komponist Job. Ad. Hasse begann unter
seiner Regierung mit Aufftihrung seiner ersten Oper "Antigonus" am
bmunschweiger Theater seine Ruhmesbahn. Nach Hasse wurde 1725
Kar! Heinrich Graun als erster Tenorist berufen und später zum Vizekapellmeister ernannt, bis er 1735 in die Dienste des Kronprinzen von
Preus-,en als Kammersänger trat. 1)
Seine dritte Gemahlin, Elisabeth Sophie 1\larie, mit welcher er
sich zu Arensboeck am 12. September 1710 yermählt hatte, war am
12. !:September 1683 geboren, eine Tochter Herzog Rudolf l!'riedrichs von
') Schiller, a. a. 0. S. 249.
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Holstein - Norburg und Witwe des Erbprinzen Adolf Augusts von
Holstein- Plön. Nachdem ihr Gemahl 1731 gestorben, bezog sie das
Schloss in Braunschweig, hier den Wissenschaften lebend. Sie begründete eine kostbare Bibliothek, welche später der wolfenbüttler einverleibt ist und 3710 Bände, darunter eine Sammlung von 1667 merkwiirdiger und seltener Bibeln enthielt, welche sie mit grossen Kosten
zusammenbrachte. Ueber diese kostbare Bibelsammlung gab G. L. 0.
Knoch einen Katalog heraus: "Bibliotheca Biblica, d. i. Verzeichnis der
Bibel-Sammlung, welche die Durchl. Fürstin und Frau, Frau Elisabeth
Sophia )Iaria etc. gesammelt und in dero Bücher-Schatz auf dem Grauen
Hofe der Christlichen Kirche zum Besten aufgestellet hat". Braunschweig
1752. - Knoch's: "Historische Nachrichten von der Braunschweigischcn
Bibelsammlung". Wolfenbüttel 1754.
Des Herzogs Anton Uh-ichs Uebertritt zur römischen Kirche gab
ihr Veranlassung zu folgender Schrift: "Kurzer Auszug etlicher zwischen
den Katholiken und Lutheranern streitigen Glaubenslehren, aus des
Concilii zu Trient, und der Göttlichen Schrift eigenen Worten, wie auch
der hiebeygefügten Päbstlichen Glaubens-Bekäntnis und Religions- Eide
treulich gefasset, und zum nötigen Unterricht, was jeder Theil glaubt
und glauben soll, ans Licht gestellet". Wolfenbüttel 1714. 12°. (Nur in
100 Exemplaren gedruckt.) 2. Auflage. Braunschweig 1720. 8°.
Ferner schrieb sie noch: 11 Eine deutlichere Erklärung der Glaubenslehren, so in den zwölf Briefen des Jesuiten Seedorfs enthalten, nach
dem Glaubensbekenntniss, welches die Protestanten in Ungarnbey ihrem
Uebertritt zur römischen Kirche schwören müssen". Braunschweig
1750. so.
Sie starb 1767 am 3. April und ist die letzte fürstliche Person,
die in W olfenbüttel beigesetzt wurde. 1)
August Wilhelm starb ohne Erben, die Regierung fiel daher an
seinen jüngsten Bruder Ludwig Rudolf. Geb. am 22. Juli 1671, durchreiste er in jüngeren Jaluen in Begleitung eines Hofmeisters Italien,
Frankreich und die ~iederlande und kehrte mit einem grossen Schatz
von Kenntnissen und einer Anzahl seltener und kostbru·er Bücher zurück,
die er teilweise der Bibliothek in Wolfenbüttel schenkte. Auf der von
seinem Vater gestifteten Ritterakademie zu Wolfenbüttel studierte er und
hielt hier folgende Rede:
"Ludovici Rudolphi Duc. Br. Luneb. de maxima fortitudine panegyricus, in Academia patriae, quae est Wolfenbuteli, primo natali
XV. Kalend. Aug. 1688, ex memoria dictus. Fol."
Von seinem Vater war ihm das Fürstentum Blankenburg zugeteilt,
welches er von 1714-1731 regierte. Seiner Liebe zw· Baukunst verdankt Stadt und Land Blankenburg eine Reihe schöner Kuchen. Auch
') Steinmann, a. a. 0. S. 67.
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ein Schauspielhaus liess er in der Stadt Blankenburg bauen, an dessen
Stelle 1740 der kleine Schlossgarten angelegt wurde. 1717 verband er
im Kloster ~Iichaelstein bei Blankenburg mit der Schule ein PredigerSeminar und liess 1714-20 die Kirche und die Klostergebäude wieder
herstellen. Die Schule ging 1721 ganz ein.
11Es ist bekannt", sagt Gervinus ("Gescb. der Litteratm·"), "dass
sich Madame Neuber, geh. Weissenborn, nm· auf Veranlassung dieses
Fürsten der Verbesserung des deutschen Theaters zuwandte und im
Jahre 1707 mit Aufführung des "Cid" begann, den schon früher ein
Kriegsrat Lange dem braunschweigischen Hofe zugefallen überset11t
hatte".
Gottsched bemerkt hierüber in den "Beyträgen" (6, 521 ff.) im
Jahre 1740:
"Nachdem vor zehn oder zwölf Jahren (also 1728) die Aufsicht
über die vormalige Haakische oder Hofmannische Comödiantengesellschaft an Herrn Johann Neuher gekommen: so hat selbiger auf Eiurathen und Beistand einiger Gelehrten, und dm·ch kräftige Unterstützung des Durch!. Braunschweig-Blankenburg'schen Hofes, als dessen
Gnade gegen die deutsche Schaubühne, auch bey den spätesten Nachkommen erhalten zu werden verdient; sich gänzlich auf die Verbesserung
des deutschen Comödienwesens beflissen. Zu dem Ende hat er denn
angefangen, anstatt der sonst gewöhnlichen Haupt- und Staatsactionen,
mit Harlekins Lustbarkeiten untermengt, wahrhafte Trauerspiele, nach
Art der Alten und neueren Franzosen aufzuführen. Das erste davon
war der so berühmte Cid, den der Herr Geh. Kriegrath Lange,
ältester Bürgermeister allhier, vor mehr als 30 Jahren am Braunschweigischem Hofe, der damaligen hohen Herrschaft zugefallen, übersetzt und drucken lassen. Als dieses Stück guten Beyfall fand, wurden
ihm an gedachtem Blankenburgischen Hofe noch drei andere Stücke,
nämlich "Regulus", 11Brutus", 11 Alexander", die aus dem französischen
durch einen gewissen Poeten Bressand mit Namen übersetzt worden,
zu spielen gegeben, welche er gleichfalls mit gutem Erfolge aufgeführt".
Aus dem grossen Büchernachlasse des Herzogs Ludwig Rudolf erhielt nol!h im Jahre 1750 die Sammlung des braunschweiger Collegiums
einen bedeutenden Zuwachs. 1 )
Seine Gemahlin Christine Louise, Prinzessin von Oettingen, geh.
16. )lärz 1671, vermiihlt 1690, starb nach 12jährigem Witwenstande
am 12. November 1747 auf dem Schlosse zu Blankenburg, von wo
die Leiche nach Braunschweig übergeführt und am ~. December neben
ihrem Gemahl beigesetzt wurde. Sie war mit den Wissenschaften wohlvertraut und besass eine überaus wertvolle Privat- Bibliothek zu der
' Grossvon Praun den Katalog anfertigte. - Ludwig Rudolf war der
') Schiller a. a. 0. S. 250.
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vater des russischen Kaisers Peter II. und auch der Kaiserin ~faria
Theresia..
Nach dem siebenjährigen Kriege machte sich an den kleineren
deutschen Fürstenhöfen mehr denn je das Interesse für geistiges Leben
bemerkbar. Eine gewisse Neigung zum Privatstande machte sich geltend,
und der anregende Verkehr mit sogenannten schönen Geistern brachte
in die Eintönigkeit des lloflebens eine angenehme Abwechslung.
Der Herzog Kal'l von Braunschweig war der erste , der sich für
ausgezeichnete Geister interessierte. Sein Hof war einer der glänzendsten
der damaligen Zeit, durch verwandtschaftliche Verbindungen wurde der
Einfluss seiner Familie stetig erweitert. Am 2. Juni 1733 vermählte
sich Karl mit Philippine Charlotte, die gleich ihm in hochherziger Weise
die Künste und Wissenschaften beschützte. Sie war eine Freundin
Jerusalems. Mit ihm und anderen geistvollen :Männern hatte sie steten
geistigen Verkehr. Ihre Bibliothek, ihren liebsten Aufenthalt in einsamen Stunden, vermachte sie der wolfenbiittler Bibliothek. Sie war
eine Schwester Friedrichs des Grossen von Preussen, welcher sich mit
Christine Elisabeth (geb. 8. Nov. 1715, gest. 13. Jan. 1797), einer
Schwester Karls, am 12. Juni 1733 vermählte. Die Traurede hielt der
Abt Mosheim in Salzdahlum. Noch mehr als durch diese Ehe hat sich
Christine Elisabeth durch ihre eigenen Werke sowie durch treffliche
Ucbersetzungen berühmt gemacht. Die Beschäftigung mit den Wissenschaften hat sie über manche trübe Stunde hinweggetröstet. Sie schrieb:
"Le Chretien dans Ja Solitude". a Berlin, 1776. - "Sage resolution''. a Berlin, 1776. - "Reflexion et meditation a l'occasion du
renouvellement de 1'ann6e, sur les soins, que la providence a pour les
humains et de ses voyes remplis de honte, par !es quelles elle les
mene". a Berlin, 1777. - "Considerations sur Ies livres de Dieu, dans
la regne de Ja nature et de Ia providence pour tous !es jours de l'annee.
Ouvrage traduit de l'Allemand de Mr. C. C. Sturm. ID. T." a Ia Haye,
1777. - "Six Sermons de Mr. Sack". a Berlin, 1777. - "Reflexions
sur letat des affaires publiques en 1778. Addressees au.x personnes
craintives ". a Berlin, 1778. - "Reflexions pour tous les jours cle Ia
semaineu. a Berlin, 1778. - "L'homme ami de Dieu, traduit de
l'anglais de Richard Jones".
Berlin, 1778.
Karls Brüder, Ludwig Ernst (geb. 25. September 1718, gest. 12. ~Iai
178ti), in hohen Staatsämtern, war ein geschickter Kupferstecher, wie
noch vorhandene Proben beweisen, - der Feldmarschall Feruinand
(geb. 12. Januar 1721, gest. 3. Juli 1792) war gleichfalls geschickt in
der Kupferstecherkunst, Freund Jerusalems, Beschützer der Gelehrten
und Künstler (u. a. bezogen Anna Luise Karsch und Joh. Bach :·on
ihm lehenslängliche Pensionen), sowie seine ßrürlcr Albrecht und Fnedrich Franz, waren Helden im Kriege, )1ehrel' des ererbten Ruhmes,
a
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Wie schon bemerkt, war dem Herzog Karl der Umgang mit geistig
bedeutenden ~Ienschen Bedürfnis. Mag auch von manchen Seiten über
zu grosse Freigebigkeit clieses Fürsten Klage erhoben sein: der Abstand,
der zwischen ihm und seinem Sohne in diesem Punkte bestand, ist eben
so gross, dass unvermeidlich auf Karl in den Augen der Welt ein
weniger günstiges Licht fallen musste. Ich sage, dem Augenschein
nach; denn nichts hat diesem Fürsten ferner gelegen, als seinem Lande,
das er nach allen Richtungen hin, insbesondere in Bezug auf geistiges
Leben heben wollte, einen Anstoss zu geben. Wenn man weiss, was
Herzog Kar! Grosses und Gutes geschaffen - man weiss es jetzt mehr
zu würdigen als zur damaligen Zeit - dann kann man getrost die Verleumdungen einzelner Geschichtsschreiber anhören. Dass nicht alle
seine Unternehmungen von Erfolg gekrönt sind, lag in Zeit- und allgemeinen menschlichen Verhältnissen begründet und ist ihm nicht zum
Vorwurf zu machen. Wer nur einigermassen in der Geschichte bewandert ist, wird zugeben müssen, dass Karl einer von den wenigen Regenten ist, die mit unaufhörlichem Eifer den Umgang mit wissenschaftlich gebildeten :l\lännern gesucht haben. "Gerade eru, sagt Schiller, a.
a. 0. S. 255, "der allein seinen Hoffesten die Weihe des geistigen
Charakters verlieh, fühlte fortwälu·end das Bedürfnis, Gelehrte und
Künstler an seine Tafel zu ziehen, eine Sitte, die sich in allen übrigen
Hofhaltungen seines Hauses verbreitete, und die namentlich von seinem
Xachfolger Kar! Wilhelm Ferdinand eifrigst fortgeübt WUl'de''. Ein zuYerlässiges Zeugnis giebt dem verkannten Herzoge der ehrwürdige Jerusalem in einem Briefe an Fr. von Hagedorn. Es heisst da: "Es ist
gewiss noch kein tautscher Fürst gewesen, der sich der Erziehung der
Jugend mit mehrer Vernunft und Liebe angenommen hätte, als unser
regierender Herr. Die grossen Kosten, die er darauf verwendet, und
wovon die grosse Anzahl der öfl'enUichen Lehrer ein Beweis ist, sind
das wenigste. 1\Iancber grosse Herr giebt wohl auch zum gemeinen
Besten Geld ohne Gefühl aus. Aber die grosse Leutseligkeit, mit der
er die jungen Leute empfangt, wenn sie ihm vorgestellt werden, die
gnädige Ermunterung, die er ihnen selbst zu allem Guten giebt, die
sorgfältige Achtung, die ihnen bei allen Gelegenheiten bei Hofe erzeigt
wird, und die echt viiterliche Fürsorge für alles, was ihnen die Wissenschaften und die Tugend angenehm machen kann, sind solche Beweise
von seiner edlen Absicht, die er bei diesem Collegio hat, dass man ihn
als den ersten Lehrer dabei ansehen kann, sowie er überhaupt in seinem
Lande der erste ehrliche :\Iann ist. Glauben Sie nicht, dass ich dies
als Herzogl. Braunschw. Hofprediger schreibe. Sie wfu·den ihm, wenn
Sie ihn kennten, eben dies Zeugnis geben, und was für ein Zeugnis für
ihn! Sie selbst würden ihn als Ffu·sten für einen liebenswürdigen
"Fi.irsten halten". 175-t erhob Kar! die Stadt Braunschweig zu ~einer Residenz und·
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verschönerte und erweiterte sie durch prachb·ollo Baudenkmäler, die
seinen Namen in dieser Stadt unvergesslich machen. 1760 liess der
Herzog die bisherige lateinische Klosterschule zu Amelungsborn durch
den Generalsuperintendenten Fr. W. Richter nach Holzruinden verlegen
und mit der dortigen Stadtschule verbinden. Das holzmindener Gymnasium, bis 1894 im alten Schulgebäude, vom August 1894 in einem
neuen würdigen Prachtbau, »Deo et litteris ~ geweiht und reichlich mit
Stipendien bedacht, erfreut sich eines vorzüglichen Rufes. Die Bibliothek
dieser Anstalt, deren älterer Teil aus der Vereinigung der alten J{Josterbibliothek von Amelungsborn mit der um 1760 für etwa 6000 ~lk. für
die Schule angekauften Privat- Bibliothek von 8600 Bänden des zu
Wolfenbüttel verstorbenen Hofrats Jakob Burckhard 1) entstanden ist,
hat sich bis auf die Gegenwart dmch Schenkungen und Ankäufe hedeutend vermehrt.
Als zweiter Begründer der wolfenbüttler Bibliothek wird Herzog
Kar! von Lessing genannt. V. Heinemann 2) zählt uie grassartigen Yermehrungen durch Geschenke und Ankäufe auf. Wir nennen hier kurz
einige derselben: 1753 aus Ludwig Rudolfs Nachlasse 3281\Ianuskripte und
10408 Bände; 1759 die Büchersammlung des Herzogs Friedrich Frauz;
1762 die Bibliothek der Mutter des Herzogs, Antoinette .Amalie; 1764
die Bibliothek des Herzogs Ludwig Ernst und das Bibelkabinett der
Herzogin Elisabeth Sophie Marie, sowie später deren Bibliothek; 1768
den hinterlassenen Büchervorrat von Karls Grassvater Ferdinand Albrecht I.
und den seines eigenen Sohnes \Yilhelm Adolf; 1767 die 10000 Bände
starke Bibliothek des 176J zu Braunschweig verstorbenen Hofrats
Baudiss. Tüchtige Bibliothekare stellte der Herzog an, u. a. den erwähnten Jak. Burckhard, v. Praun, Hugo und insbesondere G. E. Lessing.
Letzterer trat, nachdem ihn sein Freund Joh. Arnold Ebert bewogen
hatte, nach Braunschweig zu kommen, und er durch sein Erscheinen
den Herzog Karl und den Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand ganz
für sich eingenommen hatte, am 7. ~Iai 1770 sein neuesAmt an. Endlich aus seinen bisher drückenden Verhältnissen befreit, schrieb er gleich
nach seinem Amtsantritte an seinen Vater: "Die Stelle selbst il:it so,
als ob sie von jeher für mich gemacht wäre, und ich habe Cl:i um
so viel weniger zu bedauern, dass ich bisher alle andern Anträge
von der Hand gewiesen. Sie ist auch einträglich genug, dass ich
gemächlich davon leben kann. Das Allerbeste aber dabey ist die
Bibliothek, die Ihnen schon dem Ruhme nach bekannt seyn mmss,
') Der Titel des Katalogs der Burckhardschen Büchersammlung lautet: .Librorum ad humaniora studia littcrnriam, civilem atque eccle~insticam historiam potissimum pcrtinentium catalo~us in quatuor partes distributus. Comparavit eos sibi Jac.
Burckhard". Halae 1748.
') "Die herzog!. Bibliothek zu Wolfenbüttel", 1878, S. 32 Jf.
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die ich aber noch weit vortrefflicher gefunden habe, als ich sie mJI
jemals eingebildet habe".
Reichen Ersatz für die ihn in der Folge wenig ansprechende
Berufsarbeit fand Lessing in dem Verkehr mit den braunschweiger
Freunden. Bekannt sind die reichen Schätze, die er in Wolfenhüttel
ans Licht förderte, woran der Herzog stets den innigsten und freudigsten Anteil nahm; bekannt sind auch die vielen Streitigkeiten und Kränkungen, die aber seinen stets frischen Geist nicht zu beugen vermochten. 1)
Erwähnt sei noch, dass Lessing 1775 den Prinzen Leopold von Braunschweig nach Italien begleitete. Der Bibliothek des Collegium Carolinum zu Braunschweig schenkte
Herzog Karl aus dem Nachlasse Ludwig Rudolfs 5000 Bände. Das
Collegium Carolinum wurde am 5. Juli 1745 eröffnet. Mit den Einkünften der eingegangenen Klosterschule zu :Marienthal dotiert, sollte
diese Anstalt nach der Einrichtung des Hofpredigers Jerusalem eine
}littelstellung zwischen Gymnasium und Universität einnehmen. Ihr
Ruf ist weltbekannt. Am 26. und 27. Juli 1895 feiert das Collegium
Carolinum und die aus ihr hervorgegangene herzoglich technische Hochschule Carolo-Wilhelmina ihr 150jähriges Bestehen, wozu die ehemaligen
Schüler einen Jubiläumsstipendienfonds stifteten. Jerusalem berichtet in seiner Autobiographie ("Nachgelassene
Schriften". Braunschweig 1793. II. Bd.) über die Gründung des Collegium Carolinum, dass er bald nach seiner Ankunft in Braunschweig
"eine sehr vollständige Unterredung mit dem Durchlauchtigsten Herzoge
und seinem Minister über die bessere Einrichtung des gelehrten öffentlichen Schulunterrichts" hatte. Dieser Unterredung zufolge entwarf er
den Plan von dem Collegium Carolinum, führte ihn nach dessen Genehmigung im folgenden Jahre aus, ordnete die ganze kostbare Einrichtung, wählte die Lehrer und Hofmeister, bestimmte die darin zu
lebrenden Wissenschaften, die Art der Lektionen etc. Vergl. seinen
"Entwurf von der Einrichtung des Collegü Carolini zu Braunschweig".
Es sollten in dieser Anstalt, bei einer tüchtigen und praktischen Unterlage der Fachwissenschaften, hauptsächlich die sogenannten schönen
Wissenschaften und Humaniora, besonders die Pflege der :\luttersprache
zur Erweckung eines besseren Geschmackes, die allerwichtigsten Gegenstände des Unterrichts werden. "Wie nun dieses Collegium", sagt
Jerusalem, "zur Aufnahme des guten Geschmackes und bon-sens in ·
diesem Lande errichtet wird; so müsste auch hernach die Universität
HelmstäJt so eingerichtet werden, dass beide daselbst noch weiter
fortgebildet würden; und, so wie andere Akademien ihr Abzeichen
') .Zur Erinnerung an G. E. Lessingu. Briefe und Aktenstücke aus den
Papieren der herzog!. Biuliothek tmd den Akten des herzog!. Landeshauptarchives zu
Wolfenbuttel, herausgegeben von 0. v. Heinemann. Leipzig 1870.
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haben, diese eine Akademie du bon-sens mit der Zeit könnte genannt
werden".
Jerusalems Bemühungen wurden sehr bald von Erfolg gekrönt.
Nach J. J. Eschenburg, "Entwurf einer Geschichte des Collegii Carolini
in Braunschweig" (Berlin und Stettin, 1812, S. 24) haben ~länner wie
Geliert, Ernesti, Kästner, Heyne u. a. bezeugt, dass vor allen ihren Zuhörem sieb die Studierenden des Carolinums durch Fleiss und gute
Sitten auszeichneten. Leider ging nach Jerusalems Tode der Glanz
dieser Anstalt etwas zurück, weil, wie K. G. W. Schiller, a. a. 0. S. 31,
versichert, Jerusalems 1\iitkuratoren, Hofrat v. Erath und Generalsuperintendent Dr. Köcher, nicht die Leute waren, dessen Intentionen ganz
zu begreifen. Aber durch alle Hindernisse ist das glückliche Gedeihen
der Anstalt nicht nur nicht aufgehalten, sondern bis auf unsere Tage
in bester Weise gefördert worden. 17 44 errichtete Herzog Karl zu Voltenhof eine Kolonie der aus ihrem
Vaterlande durch Intoleranz vertriebenen Pfälzer, begründete 1745 die
"Braunschweigischen Anzeigen" und 17 47 das Obersanitäts-Collegium.
1737 wurde durch den Freiherrn Adolf Gerlach von Münchhausen
die Universität zu Göttingen begründet. Sie würde der Julius-Universität
zu Helmstadt einen bedeutenden Schaden zugefügt haben, hätte nicht
Karl 17 46 durch reichliebere Fundierung und zweckmässige Einrichtungen und Verbesserungen den sinkenden Ruhm seiner Universität zu
heben sich in hohem Grade angelegen sein lassen (1809 wurde sie aufgehoben). Nach ihm führte nunmehr die Helmstedtor Universität den
Namen "Julia Carolina". Seiner Anregung ist auch die dortige Gründung der "Deutschen Gesellschaft" zuzuschreiben.
Auf das Glanzvollste bethätigte der Herzog seine Liebe zur Kunst
durch die Stiftung des fürstlichen Museums, für welches er von 1754
an alle Kunstschätze der verschiedenen Schlösser sammeln, 1754 \"ier
naturhistorische Kabinette, 1755 durch Supervilla eine kostbare Kollektion geschnittener Steine in Frankreich ankaufen und 1764 das Ganze
in einem geeigneten Lokale aufstellen liess. 1)
Seine Verdienste um das Theaterwesen sind bekannt genug. 1735
wurde das jetzige Theater eingerichtet, auf welchem 1740 Karoline
Friederike Neuher mit ihrer Gesellschaft Vorstellungen gab. Am 13. ~Iärz
1772 wurde hier zum Geburtstage der Herzogin Lessings "Emilia Galotti" zum erstenmal aufgeführt.
Unter den Kindern dieses hochgebildeten Fürsten sei zuerst der
apanagierte Prinz Friedrich .August (geb. 29. Oktober 1740, gest.
8. Oktober 1805) genannt. Er war Herzog von Braunschweig-Oe!s,
königlich preussischer Generallieutenant, Chef eines berliner Infant~ne­
regiments, Gouverneur von Küstrin, Dompropst zu Brandenburg, Ritter
') Schiller, a. a. 0. S. 257.
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des schwarzen Adler-Ordens und Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1) Gleich seinem Vater war auch er ein Freund und
begeisterter Verehrer der Wissenschaften. »Charakteristisch für die
Gemütsart dieses Mannes", sagt Schiller a. a. 0., »ist vielleicht der
einzige Zug, dass er sich einst von einem heftigen Fieber durch Lachen
und die dadurch bewirkte Transpiration kurierte, und zwar, indem er
sich eine schwülstige Tragödie von einem ungebildeten Bedienten vorlesen liess". Die ihm zugefallene Büchersammlung seines Bruders Albrecht
Heinrich schenkte er 1763 der wolfenbüttler Bibliothek. Bemerkenswert
ist noch, dass er seinem Freunde Kästner auf der Bibliothek in Göttingen am 14. Mai 1801 ein Denkmal erricbtete. 2 ) Er ist der E1·hauer
des Schlosses Sibyllenort bei Oels, das in neuerer Zeit bedeutend erweitert und verschönert ist.
Seine Schriften geben einen Beweis von seiner Gelehrsamkeit und
seinem scharfen Vorstande. »Glücklicherweise". Ein Lustspiel in einem
Aufzuge, von dem Herrn Rochon de Chabaune. Aus dem Französischen
übersetzt. Braunschweig 1763. S 0• - "Comedie a Ia grecque", a Strasbourg (Ber\in) 1764. 8°. - "Regulus", ein Trauerspiel, aus dem Französischen übersetzt. Berlin. S 0• - "Considerazioni sopra le cose della
grandezza de' Romani e della loro decadenza per il Signore di i\Iontesquieu, trad. dal. Francese", in Berlino 17(:)4. S 0 • - "Rifiessioni critiche
sopra il Carattere e Je gesta d'Alessandro Magnno, Re di .Macedonia",
in Milano 1764. 8°; französisch, daselbst 1764. 8°; englisch, London
1764. S0. - "Discours sur !es grands hommes", a Berliu 1768. S 0. »J. C. Braudes Ariadne auf Naxos", ins Französische übersetzt. Berlin
1776. S 0 • - "Instruktion fiir sein Regiment" 1791. - "Seine eigene
militärische Geschichte", 1797. - Auch sind von ihm noch einige
Blätter von Karikaturskizzen vorhanden, welche er selbst in Kupfer gestochen hat.
Sein Bruder 1Vilbe1m Adolf (geh. 1S. Mai 1745, gest. 24. August
1770 als Volontär der russischen Armee in der Wallachci 3), hatte grosse
Kriegskenntnisse, wovon seine Abhandlung »Eloge de Ia guerre" Zeugnis
giebt. Die er::,te Auflage dieser Schrift erschien ohne sein Wissen, sehr
fehlerhaft, die zweite Auflage gab er selbst unter dem Titel: "Discours
sur la guerre", a Berlin 1765, 8°, heraus.
Auch des edlen :\fenschenfreundes Maximilian Julius Leopold,
königlich preussischen Generalmajors, Ritters des St. ,Johanniter-Ordens,
müssen wir hier in Küxze gedenken. Er war der jüngste Sobn des Herzogs
') Fonney, .Disoours prononces dans l'academie dc Berlin il. Ja reception des
Peinces de ßrunsvic•. a Bcrlin 1764. 4o.
2
) Schiller, a. a. 0. S. 259.
·1 ) An einer Ilalsentzilndung im Lager bei Oczakow. Er wurde am 12. Dezern ber
ej. a. im Dome zu Braunscbweig beigesetzt.
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J\arl, geh. 10. Oktober 17f>2, genoss unter Jerusalem eine traftliehe
Enüehung und studierte zu Strassburg. In Lessings Begleitung bereiste
er Italien. Als Neffe Friedrichs des Grossen wurde er 1776 Chef eines
Infanterieregiments zu Frankfurt a. 0., wo er nach dem bayerischen
Erbfolgekriege, an dem er teilnahm, seit 177D seinen bleibenden Wohnsitz nahm und sich durch seine öffentliche Wohlthätigkeit allgemeinste
Yerehrung erwarb. Am 27. April 1785 verlor er sein Leben, als er im
Begriff war, in einem Kahne die >on Eisschollen bedrohten Bewohner
der unteren Dammvorstadt zu retten. 1 ) Das ihm in Frankfurt enichtete
Denkmal trägt zum Andenken an sein heldenmiitiges Unternehmen die
Inschrift:
Menschenliebe, Standhaftigkeit, Bescheidenheit,
Drei himmlische Geschwister,
Tragen deinen Aschenkrug
Unvergessen lang.
Und klagen mit der Göttin der Stadt,
Deren Bürger Du zu retten eiltest;
Und klagen mit dem Odergotte,
In dessen Weilen Du untergingst,
Dass die Erde
Ihr Kleinod verloren hat.
Er ruht im Dome zu Braunschweig. Bescheiden und anspruchslo;;,
bemerkt Steinmann a. a. 0., wie das Leben des edlen ~Ienschenfreundes,
der hier ruhet, steht sein einfacher Sarg von Nussbaumholz inmitten
der grossen Prachtsärge seiner Vorfahren.
"Einen redenden Beleg dafür, dass Leopolds ganzes Leben nur
aufopfernder Menschenliebe gewidmet war, gab er dadurch, dass er, der
Ausländer, zu Frankfurt für die an geistiger Pflege fast gänzlich verlassenen Kinder des dortigen Militärs eine Schule gründete, und zwar
ganz aus seinen eigenen :Mitteln, die im Verhältnis seines Standes ohnehin schon gerina waren und ihn bei seiner unbeschreiblich grossen
t:>
'
Mildthätigkeit oft selber der Verlegenheit aussetzten. Sein hohes Interesse
fi.ir den geistigen Teil dieser Stiftung zeigt klar, dass er dieselbe fi.ir
mehr, als einen nur so ausgeworfenen Almosen ansah. Ja, er hielt es
nicht unter seiner Würde sich persönlich zu dem Philanthropen von
'
Rochow in Rhekau bei Brandenburg
zu verfügen, um sich über a·1e
Erziehungsmethode dieses gefeierten Pädagogen selbst belehren zu lassen.
Diese Methode ftihrte er dann auch in seiner neuen Schule ein und
versäumte nie einer öffentlichen Prüfung beizuwohnen. Nur das Wohlthun, nicht aber das Grossthun liebend, liess er die mit mächtigen, goldenen
Buchstaben am Schulgebäude angebrachte Inschrift: "Leopoldsche Gar1)
Hänselmann, .Der Tod Herzog Leopolds von Brannscbweig". Braunscbw. 1878,
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nisonscbule« entfernen und durch die anspruchslosere "Garnisonscbule"
ersetzen:~. 1) Als Schriftsteller bethätigte er sich durch seine Beiträge
zu Kar) Renatus Hausens "Staatsmaterialien" und zu dem "Historischen
Portefeuille". Das von ihm verfasste treffliebe Werk "Militärische Vorschläge" ist leider nicht im Druck erschienen. Erwähnenswert ist das Urteil, welches der Ritter Kar! Heinrich
von Lang ~) über die Schwester des Vorigen, Sophie Knroline Marie
(geb. 7. Oktober 1737, gest. 1818), fällt. "Die Frau Markgräfin von
Baireutb, die als Witwe des 1763 verstorbenen vorletzten Markgrafen
Friedricb in Erlangen residierte, war eine höchst geistreiche Dame und
Kennerin der Künste, il.eren Anschauung sie in Italien selber genossen,
und sich wohl eben daher im Umgang der Männer besser, als der
Frauen gefiel, Flugschriften und Druckschriften, wenn sie auch in
mancherlei Rücksiebten frei und verwegen waren , herbeischaffte und
ihren Vertrauten mitteilte, kecke und witzige Urteile gern anhörte und
selber wagte, und dabei die Lage der Dinge und die wahrscheinliche
Zukunft mit einem ihrem Geschlecht seltenen Scharfsinn und einer seltenen
Unbefangenheit beurteilte". l(arls Tochter, Anna Amalia, bekannt aus Goethes Leben, am
2-!. Oktober 1739 zu Braunschweig geboren, wurde am 16. März 1756
mit dem Herzog Ernst August Konstantin von Sachsen-Wcimar-Eisenach
vermählt, der aber schon 28. Mai 1758 starb. Sie führte nun die
Regentschaft und liess sieb besonders die Erziehung ihrer Söhne Karl
August und Konstantin angelegen sein. Wieland und Knebel wurden
als deren Lehrer berufen. 1775 trat Kar! August die Regierung an,
und seit dieser Zeit lebte Amalia vorzugsweise der Pflege von Kunst
und Wissenschaft. Ihr Hof war fortwährend der Versammlungsort einheimischer und auswärtiger Dichter, Künstler und Gelehrter. Sie gefiel
sich, wie Goetbe in seinem Aufsatz "Zum feierlichen Andenken der
durchlauchtigsten Fürstin und Frau Anna Amalia" sagt, im Umgang
geistreicher Personen und freute sich, Verbältnisse dieser Art anzu.l.."'lüpfen, zu erhalten und nützlich zu machen; ja, es ist kein bedeutender Name von Weimar ausgegangen, der nicht in ihrem Kreise früher
oder später gewirkt hätte. - Sie pflegte das Theater, förderte die
Universität Jena, trieb Musik, alte und neue Sprachen. Theodor l\Iundt
sagt "Von ihr: 3 ) "In einer früheren Zeit des deutschen gesellschaftlichen
Lebens war Herzogin Amalia eine feine und anmutige Gestalt, die, mit
einer ungewöhnlichen Gründlichkeit der Bildung, Geschmack, Sinn für
das Schöne und Grazie in den Lebensformen vereinigte, wie es in
1)
Schiller, n. a. 0. S. 261.
') .Memoiren des Karllleinrich Ritters von Lang", 11, Drnunschw. 1842, S. 138.
a) "Knebels lit. Nachlass und Briefwechsel", berausg. YOn Varnhagcn v. Ense
•und Tb. Mundt, 1840, r, p. X...'Ul.
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-
Deutschland, besonders unter den Frauen, noch etwas Seltenes war". "Eine Fürstin", nach der Charakteristik von Goetl1es Mutter die t'n
allem betrachtet wirklich Fürstin war; die der Welt gezeigt hatte,'"dass sie
regieren könne; die die grosse Kunst verstand alle Herzen anzuziehen; die
Liebe und Freude um sich her verbreitete, mit einem Wort zum Segen
clcr Menschheit geboren war". Sie starb am 10. Aprill807 zu Eisenach
und liegt in der St. Peter- und Faulskirehe zu "'\Yeimar begraben. lhl'e
Gruft deckt eine einfache Steinplatte mit der Aufschrift: Anna Amalia,
11.
V.
S. ')
llarl WilheJm Ferdin:md, der iilteste Sohn tmd Nachfolger
Herzog Karls, geb. 9. Oktobe1· 1735, gest. zu Ottensen 10. November
1806, in der Schlacht bei Auerstädt durch einen Schuss beider Augen
beraubt, war ein trefflicher, in der deutschen Geschichte rühmliehst bekannter Kriegsheld, Yon seinen Oheimen Friedrich dem Grossen und
Herzog Ferdinand von Braunschweig auf das beste angeleitet. Der Abt
Jerusalem wecl-te schon früh in ihm den Trieb zu wissenschaftlichen
Studien und das Bedürfnis des wissenschaftlichen Umgangs. Bekannt
sind sein täglicher Verkehr mit Winckelmann und llamilton u. a. in Italien,
sein freundschaftliches Verhältnis zu Lessing, seine persönlichen und
brieflichen Verbindungen mit den grössteu deutschen und fremdländischen
Gelehrten seiner Zeit. Z) Als lleld des siebenjährigen Krieges auf seinen
Reisen durch EUI·opa gefeiert, als Regent ein wahrer Vater des Vaterlaudes, ein wohlwollender Pfleger und Beschützer der Künste, der
Schöpfer vieler herrlicher Bauten und Verschönerungen in der Stadt
Braunschweig, der in jüngeren Jahren getriebenen Poesie, >or allem
aber der Musik geneigt, welcher er, nach eigener Aussage, die schönsten
Stunden seines Lebens verdankte, und daher ein steter Begünstiger der
Virtuosen und Komponisten, selbst in der mimischen Kunst sich auszeichnend, bemüht, die besten Schauspieler an seinen Hof zu ziehen wie hoch steht dieser Fürst in der Mitte seiner Zeitgenossen da!
Der gesamten Landesbevölkerung aber hat er ungleich höhere
Dienste geleistet durch Verbessernocr des Unterrichts- und Schulwesens.
Johann Peter Ilundeicker (geb.\751 zu Grossen-Lafferde im Hildesheimschen, gest. 1836 in Dresden), Sohn eines Kaufmanns, in der
Waisenhausschule zu Braunschweig, darauf zu Pcine unterrichtet, bildete
sich durch Lesen guter Erziehungsschriften, wurde durch Baseilows
Elementarwerk mit dem Leibarzt Wagler in Braunschweig bekannt, der
ihm seine beiden Söhne zur Erziehung übergab. Einen Antrag Basedow.s,
') Preller, "Ernst August Konstantin und Anna Am&lia" (Zeitschr. des Ver.
Karl Ftb~. von
Bcaulieu- Marconnay, nAnna Amalia, Karl August und der .Minister von FnU;ch",
Weimar 1874.
') Pockels, "Karl Wilbclm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg".
Ein biogr. Gemälde. Tübingen 1809
fllr thüring. Gesch. und Altertumskunde) 2. Bd., Jena 1857. -
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80 Lehrer am Philanthropin in Dessau zu werden, schlug er aus Liebe zu
seiner Mutter aus. Eine Zeitlang unterrichtete er Dorfkinder mit Hilfe
des späteren Konrektors Faber in Braunschweig und nachher bildete
sich seine Erziehungsanstalt nicht ohne IIinclernisse immer mehr aus.
Der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand besuchte ihn 1804 öfter und
forderte ihn auf, sein blühendes Institut in das Schloss Vechelde (2 St.
,·on Braunsch'\\'eig) zu verlegen, und er zog im Herbst 1804 dorthin.
Der Herzog gab ihm den Titel eines Edukationsrats. 1807 übertrug
er seinem Sohne, der später Direktor an der Schule zu ~Iagcleburg und
seit 1822 an der Bremiscben Schule angestellt war, die Mitdirektion,
und nun gingen Zöglinge aus diesem Institut auf Universitäten. Noch
in schönster Blüte wurde die Anstalt 1819 von ihrem Stifter aufgelöst,
derselbe genoss bis zu seinem Tode von der braunschweigischen Regierung
eine ansehnliche Pension. t)
Die Jacobsson-Schule in Seesen, eine Stiftung des früheren braunschweigiscber Kammeragenten und nachmaligen Präsidenten Jacobsson,
1805 enicbtet, stattete der Herzog mit weitgehendsten Privilegien aus.
Dem Collegium Carolinum in Braunschweig, dessen physikalische
Instrumenten-Sammlung er vermehrte, wandte er eine ganz besondere
Aufmerksamkeit zu. Seine Reformen werden in der Geschichte dieser
Anstalt unvergessen bleiben.
1786 machte der Herzog den Versuch, das öffentliche Erziehungsund Schulwesen seines Landes ganz und gar von der kirchlichen Oberleitung los\ulösen und dasselbe einer eigens dazu errichteten, dem
Landesherrn unmittelbar unterstellten Behörde zu übertragen. An der
Spitze dieses Kollegiums stand der spätere preussische Staatskanzler
Kar! August Freiherr von IIardenberg, damaliger Wirklicher Geheimerat
und Grossvogt. Der eigentliche Führer dieser sowie der philanthropischen
Bewegung überhaupt war der Verfasser des "Robinson((, Joachim Heinrich
Campe, welcher sich zwei Gesinnungsgenossen , Professor Trapp und
Rektor Stu>e zur Unterstützung der Unternehmens auswählte. Koldewey 2) berichtet des weiteren, wie dies Unternehmen ins Werk gesetzt
wurde und leider wider alle Erwartungen unglücklich auslief.
Noch mögen drei PHine des Herzogs hier erwähnt werden, die alle drei
nicht zur Ausführung kamen. Dem Buchhändler Vieweg, dem Schwiegersohn Campes, überwies er in grossmütigster Weise die Mittel zur Errichtung einer Buchhändlerbörse. "Bei der vorteilhaften Lage Braunschweigs", sagt Schiller a. a. 0., "bei seinem Reichtum, seinem ausgebreiteten Transitohandel, bei den für Braunschweig vorteilhaften,
politischen Konjunkturen, bei der Gewälu·ung der liberalsten Freiheiten
') lf. G. Beckßr, nUeber die Erziehungsanstalt zu "Vechelde•, Gotha 1806.
') Priedr. Koldewoy, .Das braunschw. Schuldirektorium und die bolzmindoner
Schulordnung "om Ja.hro 1787". Ein Reittag zur Geschichte des Philanthropinismus.
llolzminden 1884.
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und Bevorzugungen, namentlich bei der damals in Braunschweig und
Dänemark vor allen anderen europäischen Staaten herrschenden Pres:sfreiheit, konnte die Errichtung einer neuen Buchhändlerbörse dem
sächsischen Monopole höchst gefährlich, und für Braunschweig selbst,
als Centralpunkt des Buchhandels, eine Quelle des reichsten Gewinne:s
werden". - Ebenso scheiterte die 1795 beabsichtigte Verlegung der
Landesuniversität Helmste<lt nach Braunschwcig, die ja doch ohne
Schwierigkeiten zu bewerkstelligen gewesen wäre und der Universitiit
selbst bei den reichen Sammlungen und Instituten Braunschweigs von
entschiedenem Vorteil gewesen wäre. Aber die Helmstedter Professoren
forderten ungeheure Entschädigungen für den Umzug. So hatte z. B.
Beil·eis die Dreistigkeit, nur für den Transport seiner Effekten an
80000 Thaler als Vergütung zu verlangen. Auf dieses Gesuch resolvierte jedoch der tierzog weiter nichts, als dass er in margine eine
Windmühle anbrachte I 1) Der dritte grassartige Plan des Herzogs, in
Braunschweig eine Kunstakademie zu errichten, die unter Leitung des
Oberbaurats Peter Joseph Krahe gebaut, durch eine Bildergalerie bereichert und eine der würdigsten Bethiitigungen herzoglicher Kunstliebe
und landesväterliehen Wohlwollens geworden wäre, wurde durch die
damaligen Störungen des Krieges aufgehalten und durch den Tod des
Herzogs für ilnmer vereitelt. Die ~Iassregeln, welche der Herzog zum
Wohle des Landes traf, die an der Engherzigkeit kleinlicher :Menschen
so oft gescheiterten Pläne werden, weil sie aus dem Herzen eines der
edelsten und begabtesten Landesväter kamen, bei der Xachwelt unvergesslich bleiben. 2 )
In den unrulligen Zeiten der Napoleonischen Schreckensherrschaft
konnten die Künste und Wissenschaften dieses Landes von dem Fürsten
nicht gefördert werden. IIerzog Frie(h·ich Wilhelm, der ritterliche
Held, musste sein Yaterland und sein eigenes Leben frir seine Unterthanen O}Jfern. Die Leiden und Drangsale jener Zeit, namentlich die
Fortführung der reichen Kunstschä.tze, die Zerstörung prachtvoller
Bauten sind bekannt genug, um hier noch erwähnt zu werden.
Unter dem Herzog Wilhelm (lti06-1884) folgte nach all den
Wirrsalen der vorhergehenden Jahre eine Zeit segensreichster Entwickelung des Landes. Bei dem unter Karl II. 3) 1830 stattgefundenen
Aufstande wru: das Residenzschloss in Braunschwcig niedergebrannt;
1831-1836 wurde nach Ottmer::; Plan ein neues ::Schloss in geschmack1) Schiller, a. a. 0. S. 269.
') Vergl 0. v. Heinemann, "Geschichte von Braunschweig und Hannover•.
Gotha 1892, lll Bd., S. 3i5 ff.
8) Karl ll. gab zwei Bande "Denkwürdigkeiten• hcrau~. Cassel l&H, franzo•.
Original-.\nsgabe u. li. '1'.: "Cbarles tl'&te ou trente ans lic Ia vic li'un souverain".
Paris 1836. - Yergl. m seineml,ebcn: "Le liuc lic Bruns11ick, . a vie et ~es moeur11,
.Paris 189:J. - 0. 1. Hcincmann, a. a. 0. III. ßtl .
.Eckart, Die Fdrst•n d08 Woltenba es.
G
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vollster und grossnrtigster Weise aufgeführt uncl seit 1863 mit der von
Rietschel modellierten, von Howaldt in Kupfer getriebenen Quadriga
der Brunonia geziert. Dasselbe wurde Februar 18()5 zum grossen Teil
ein Raub der Flammen, aber bis 1869 nach dem ursprünglichen Plane
wieder aufgeführt. 1861 wurde der Bau einer Landesirrenanstalt in
Königslutter, die Errichtung eines neuen Gymnasialgebäudes in Braunschweig und die Umwandlung des bereits mehrfach veränderten Collegium Carolinum in ein Polytechnikum vom Landtage beschlossen.
Die öffentliche und pri1ate Bauthätigkeit nahm seit dem deutsch-französischen l{riege zu. Für sämtliche höhere Bildungsanstalten c1es Landes
wurden neue, schöne Heimstätten geschaffen. Die prachtvollen Bauten
des neuen Museums in Braunschweig und der neuen Bibliothek in
Wolfenbüttel zählen zu den grössten Sehens'\\iirdigkeiten des Landes.
Durch überaus tüchtige Beamten hat sich das Ansehen des reichgesegneten braunsclwveigischen Landes fort und fort gehoben.
Mit dem Ausrufe: ;,Braunschweig, mein Braunschweig !" verschied
Herzog Wilhelm am 18. Oktober 1884 auf seinem Lustschloss Sibyllenort in Schlesien und wurde am 25. Oktober unter dem St. Blasius-Domo
zu Braunschweig beigesetzt.
Die Regierung des seit dem 2. November 1885 in Braunschweig
residierenden Prinzregenten Albrecht von Preussen (geb. 8. Mai 1837)
befördert unter den Segnungen des Friedens Künste und Wissenschaften
in hohem Masse. Diesem wohlwollenden Fürsten dankt Braunschweig
die Wiedererrichtung der Burg Dankwarderode, des Palastes Ileinrich des
Löwen. Möge unter fürstlichem Schutze das geistige Streben Braunschweigs sich zu immer schönerer Blüte entfalten I
*
*
Von den Regenten des jüngeren Hauses Lüneburg von Herzog
Georg (gest. 1641) bis König Georg V. heben wir mit Auszeichnung
die folgenden hervor:
Herzog Georg von Celle wurde Herr des aus der Erbschaft Friedrich Ulrichs 1634 erworbenen Fürstentums Kalenberg. Er erbaute das
Residenzschloss in Hannover an der Stelle des alten Minoritenklosters,
dessen völliger Umbau zum Schlosse bis 1640 so weit gefordert wurde,
dass der Herzog dort Wohnung nehmen konnte. 17 41 brannte das
Schloss ab, entstand aber nach vier Jahren wieder. 1817 baute Laves
das Schloss gänzlich um und schmückte es durch ein Portal mit korinthischen Säulen. In den schönen Sälen des Schlosses befinden sich
Wandmalereien von F. Jacobs und Bildhauerarbeiten aus v. Baudeis
Hand. Die sehr reiche Silberkammer bildete bis 18GG die Hauptsehenswürdigkeit des Schlosses. In der Schlosskirche befindet sich ein Altarbild von L. Cranach.
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Da Herzog Georg in seinem Testament die Bestimmung gemacht
hatte, dass nach dem Heimfall der lüneburgischen Lande die beiJen
ältesten Söhne sich in die Länder teilen sollten, so wählte Christian
Ludwig 1648 nach dem Tode seines Oheims Friedrich von Lüneburg
das lüneburgische und residierte seitdem in Gelle, während Georg Wilhelm das Fürstentum Kaienberg-Göttingen erhielt und in Hannover
residierte. Als Cbristian Ludwig 1665 kinderlos starb, nahm Georg
Wilhelm wieder Lüneburg für sich und überliess Kaienberg-Göttingen
und Grubenhagen an Johann Frieclrich. Dieser war wieder katholisch
geworden und führte in der Schlosskirche den katholischen Gottesdienst
mit italienischen Sängern ein. Hierzu bemerkt der bekannte Pastor
Sackmann in Limmer: "Düsse Johann Friedrich was ein brav Mann,
utbenamen dat he katholisch was, da kregen de Paders de Slottkerke,
dat gaf en grot Upsehn in Hannover. As ek tom erstenmale de schöne
Musik hörte, so dachte ek nich anners, as dat ek im Himmel wöre, so
künnen de Blodschelme quinkelrren. Oie Kerels von dörtig, vertig
Jahren sungen enen Diskant, so hoch as de beste Deren, dat makte
averst, dat se kapunet wöron, dergleichen Leute sie in ihrer Sprache
Kastraten heissen. Doch gefall mi nich, dat se de Worte so dulle utsproken, tom Exempel, wenn da stund : Cetiderunt; so sungen se tschetschiderunt. Ek hebbe mi seggen laten, dat se in ganz Italien so unclütsch spräken sollen". - 1670 wurde für die evangelische Hofdienerschaft auf der ~eustadt die St. Johanniskirche erbaut. Nach 200 Jahren
wurde sie umgebaut. Beim Altar ist Leibnizens Grab mit der Inschrift:
Ossa Leibnitü. - Für die Stadt Hannover hat ,Tohann Friedrich viel
gethan. Ueberall WUI'de die Stadt vergrössert, viele Fremde siedelten
sich dort an. Hofstaat und Militär wurden vermehrt. Ein grosses Interesse bezeigte der Herzog für das Theater. Durch seine wiederholten
Reisen nach Italien wurde diese Neigung erhöht. Auch die Lustgärten
in Hannover und das Schloss Herrenhausen wurden angelegt und die
königliche Bibliothek in ihren Anfängen begriindet. Der Herzog war
ein gelehrter, kunstsinniger Herr. .Alle Kunstsammlungen, die Hannover
bis in die neueste Zeit besass, rühren von il1m her. Der Philosoph
Gottfried Wilhelm von Leibniz wurde von ihm berufen, nachdem schon
Jahre lang ein Briefwechsel zwischen beiden bestanden. 1671 erwarb
der llerzog auch den berühmten Domschatz von St. Blasien zu Braunschweig und trat dafür seine Ansprüche an diese Stadt ab.
Der Uebertritt des Herzogs zur katholischen Religion hat indes
dem Lande nicht Yiel geschadet, da der Generalsuperintendent .Justus
Gesenius (geh. 1601 zu Esbeck bei Laueustein, gest. 1671, Verfal:l::;er
eines Katechismus und Herausgeber des hannoverschen Gesangbuchs),
nach ihm der Abt zu Loccum Gerhard Molanus (geb. 1663 zu llamcln,
bis 1G71 Professor in Hinteln, dann Comentual zu Loccum, 1674 Generalsuperintendent in Hannover, seit 1677 auch Abt zu Loccum, errichtete
G•
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dort das Hospiz fiir Theologen, gest. 1722), sowie der edle Kanzler
Otto Grote (.Tiihnde: die entngelische Lehre schützten.
Nach .Tohann :Friedrichs in Augsburg am 8. Dc7.ember 1679 erfolgtem Tode, fielen die Länder dem jüngsten Sohn des Herzogs Georg,
Ernst August zu.
Ernst August, geh. auf dem Schlosse llerzbcrg am 20. November
1629, gest. 23. Januar 1698, seit 1662 Bischof von Osnabriick, folgte
1G79 seinem Bruder Johann Friedrich in der Regierung von Kaienberg-
Göttingen und Grubenhagen. Er wendete alles an, Stadt und Land
wahrhaft zu beglücken. Nachdem er 1692 die Kurwürde erlangt hatte,
bekam Hannover eine ganz andere Gestalt. Er baute Theater und
Opernhäuser und begründete eine eigene Schauspielergesellschaft in
IIannovcr. Die bisherige Einrichtung, nach welcher nur eine Gesellschaft für die beiden Residenzen Hannover und Gelle bestand, hob er
auf und erteilte dem Oberhofmarschall Platen den Befehl, eine neue
Gesellschaft zu bilden. Dieser beauftragte damit einen IIerrn Chateauneuf, einen tüchtigen Schaus}lieldirektor. Die Garderobe war Eigentum
des Hofes. Ausser dem französischen Theater hatte der Kurfürst Ernst .
August in Hannover auch eine italienische Oper, die der bekannte
Steffani als Kapellmeister dirigierte. - Bis 1688 wurden die Yorstellungen auf dem Ballhofe oder auch im Rathause gegeben. 1688 liess
Ernst August das Theater an der Leinestrasse erbauen, welches lü90
mit einer von Sieffani dirigierten Oper eröffnet wurde. Auch den
Komponisten Händel berief er nach Hannover. Dieser aber, von der
Kurfürstin Sophie bewogen, als Hofkapellmeister in Hannover zu bleiben, folgte einem Rufe der Königin Anna, welche ihm 200 Lstrg. als
Leibrente bewilligte, nach England. Als der Kurfürst später den englischeu Thron bestieg, verbot er Händel, Konzerte und Opern zu leiten,
wurde indes durch eine Symphonie, die Händel gelegentlich einer
Wasser-Spazierfahrt des Königs aufführte, wieder versöhnt und nahm
ihn von neuem in Gnaden auf. Am 17. Oktober 1658 vermählte er sich mit Sophie, der Tochter des
unglücklichen Winterkönigs (Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz). Sie
war trotz traurig verlebter Jugend, lebhaften frischen Geistes und stand
in herzlichem Freundschaftsverhältnis zu dem hochgelehrten Leibniz
und liebte es, ausgezeichnete Persönlichkeiten um sich zu versammeln. 1)
Sie starb am 8. Juni 17\4:.
Ernst Augusts Tochter, Sophie Charlotte, geh. 20. Oktober 1668,
vermählte sich 1684 mit dem König Friedrich I. von Preussen. Schön,
geit;trcich und talentvoll, verdankte ihr der Hof J;'riedrich I. den Glanz
') Malortie, .Beiträge zur Geschichte des Braunschw.·LUneburg. IInuses und
Hofes", Hannover 1884. VII, S. 75 ff.
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der Wissenschaften und Künste und die Grazie des geselligen Lebens.
Sie begründete mit Leibniz, ihrem Lehrer und Freunde, die .Akademie
der Wissenschaften in Berlin. Mit den philosophischen und theologischen Doktrinen war sie .-ertraut. In ihrem Schlosse zu Lietzenbw·g
(nach ihr Charlottenburg genannt) empfing sie die Vertreter der entgegengesetzten Systeme, wie den Jesuiten ~Ioritz Vola, der hofl'te, sie
der katholischen Kirche zuzuführen, und französische Hefugics (Lanfant
und Larrey). Die Erziehung ihres Sohnes, des nachmaligen Königs
Friedrich Wilhelm I. Iiess sie sich sehr angelegen sein. Ihr Leben hat
Varnhagen von Ense beschrieben.
Ernst Augusts ältester Sohn, Geor g Ludwig (als König Georg I.),
geb. 28. l\lai Hi60 zu Hannover, seit 1698 seines Vaters Nachfolger in
der Kurwfu·de, seit 1714 König von England, zwang 1710 den Bischof
und die Domherren von Hildesheim und, im Verein mit Preussen, 1713
die Pfalz, l\Iainz und Speier zur Achtung der gesetzlichen Heligion~;frei­
heit der Protestanten. Für seine Geburtsstadt sorgte Georg Ludwig,
indem er ihr 1700 eine neue Verfassung gab. Doch hinderte seine
Ernennung zum König von England die Ausführung mancher seiner
Pläne. Gleichfalls ein grosser Freund des Theaters, gewährte er dem
Publikum freien Eintritt. 1682 vermählte er sich mit t:lophie Dorothee,
der Tochter Georg Wilhelms von Cello. ~Ialortie, a. a. 0., sagt >On
ihr: "Sophie Dorothee war von mittlerer Grösse, sehr schön gewachsen;
sie hatte blonde in das Kastanienbraun spielende Haare; die Form des
Gesichts war oval; im Kinn hatte sie ein Grübchen, der Teint war
schön und gleichmässig und die ganze Büste von seltener Schönheit.
Die Prinzess hatte ungemein viel Geist, viel Lebhaftigkeit und eine
glückliche, auch durch den Gewinn, den sie aus der Lektfu·e gezogen,
reich ausgebildete Einbildungskraft. Sie war von Natur mit einem sehr
guten Geschmack begabt, erhöht durch die auf ihre Erziehung ,·erwandte
Sorgfalt. Sie sprach sehr richtig über alles und ging mit Feinheit auf
alles ein, was man ihr sagte; ihre Er\\iderungen waren korrekt und
umsichtig durchdacht. Die Prinzess tanzte vollkommen gut, spielte
fertig Klavier und hatte eine liebliche Stimme. ;\lit so Yielen schönen
Eigenschaften ist es allerdings schwer, von jeglicher Eigenliebe frei zu
bleiben. Der unglückliche Ausgang der Ehe der Kurprinzcs:,in i::.t bekannt. Die letzten Lebensjahre des Kurfürsten wurden durch dit~l>Cli
so traurige Familiendrama selu verbittertM. .Malortie teilt im f>. Heft
seiner Beiträge etc. ~zwei Instruktionen des I{uritirliten <ieorg Ludwig
Durch!. an den Kammerjunker von Grote und Ra.t Neubauer vom
28. September 17l3k, mit, die Erziehung des Prinzen Fricdrich Luclwig, Sohnes des Erbprinzen Georg .l.ugust, betreffend, welche wir hier
im Wortlaut des Originals folgen lassen.
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I. Unsere
Georg Ludewigs, Churfürsten etc. Instructioo
für Unsers Sohns, des Churprinzen Lbd.
Camme1junker Johann Friedrich Grote,
als Hofmeister bey Unsers Enkels,
Prinzen Friedr. Ludewig Ld.
Demnach der Cammerjunker Grote bey der Charge, worin bey
Unscrs fr. geliebten Sohns, Georg August, Herzogen und Churprinzen
zu Br. u. Liineb. Ld. er bisher gestanden, auch sonst seine gute Geschicklichkeit und löbliche Qualitäten Uns beiderseits dergestalt bekaut gemacht, dass selbige Uns bewogen ihn zum Hofmeister bey S.
Ld. Sohn, Prinz I•'riedrich Ludewig, zu erwählen; so tragen Wir zu
ermeldetem Cammmjunker das Gnädigst zuversichtliche Vertrauen,
er werde bey solchem Amt u. function sich dergestalt betragen, wie
es deren hohe Wichtigkeit erfordert, wie gegen Gott, auch Uns und
Unsers Sohnes Ld. imgleichen gegen vorerwenten Unseren seiner Aufsicht ergebenden Enkel und mithin gegen die Lande und Leute, zu
deren künftigen Regierung dieser Prinz zu erziehen ist, nicht weniger
gegen sich selbst in seinem Gewissen, er es zu verantworten sich getrauet.
Damit er aber desto eigentlicher informiret seyn möge, wohin
Unsere und Unscrs Sohns Ld. intention hierunter hauptsächlich gehn;
so ha.ben Wir für gut gefunden ihn dessen mitteist nachfolgender
.Articuln zu bedeuten, u. ihn insonderheit daran zu seiner instruction
und Verhaltung zu verweisen.
1.
Wird er in einem Gemach , welches ibm bey Unsers Enkels
apparteroent a.uf Unserem Schlosse eingeräumt werden soll, logiren,
damit er allezeit, wo nicht persönlich bey Unserm Enkel, dennoch
unfern von demselben seyn möge, u. auf Alles Unsern Enkel Angehendes desto besser Acht geben könne. Er, der Hofmeister, wird
auch, wenn er nicht Krankheit oder anderer Erheblichkeit halber,
sich daran behindert findet, mit 'Cm;erem Enkel in einer Cammer
schlafen. Wenn aber der Hofmeister solches nicht thun kann, wird er
den Unterhofmeister davon a.vertiren u. dem bedeuten, dass anstatt
seiner, derselbe in Unsers Enkel Cammer zu schlafen.
2.
Wird er vor allen Dingen unablässige emsige Sorge tragen, dass
mehrermeldetem Unserm Enkel von seiner jetzigen noch zarten Jugend
an die Liebe zur wahren Gottesfurcht wol eingepfianzet werden möge.
3.
Bey der Schuldigkeit gegen Gott, ist dahin sonderlich mit zusehen, rluss r nscr Enkel dem öffentlichen Gottc:sdicust fleissig u. mit
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gehöriger Aufmerksamkeit u. Andacht beiwohne, daneben auch ebener
Gestalt Morgens und Abends , imgleichen vor und nach dem Essen,
sein Gebet thue , die nöthigen Fundn.mente der ihm augebohrneu
Clll'istl. Evangelischen Religion aus Göttlicher Schrift u. dem Gatechismus wohl fassen, von Allem ungöttlichen Wesen, Laulichkeit und
indiffcrenz in der Religion aber abgehalten und ihm dafür in Zeiten
ein Eckel u. Abscheu gemachet werden möge.
4.
Ist Unserm Enkel alle schuldige Liebe, Respect u. Gehorsam
gegen seine Eltern u. Grosseitern wol zu inculciren und Alles was dem
zuwieder seyn mögte, aufs sorgfaltigste abzukehren.
5.
Ist Unser Enkel zu verständiger, rechtschaffener u. walgesinnter
Leute Conversation anzuführen, u. die Ihm angenehm zu machen u.
zu verschaffen, inmassen denn auch der Hofmeister selbst in aller
Geschicklichkeit, wo! anständigen Sitten u. Geberden und allen löblichen u. Fürstlichen Tugenden und Fassung guter anständiger principiorum Unserm Enkel mit alleräusserstem Fleisse zu vermahnen u.
aufzumuntern; hingegen aber von ruchloser und lasterhafter Leute
Gesellschaft und .Familiarität Ihn gänzlich abzuhalten, u. nicht zu
gestatten, dass jemand, er sey wes Standes oder Condition er wolle,
ohne sein , des Hofmeisters, Wissen u. Willen, zu Unserm Enkel
komme oder mit ihm umgehe.
6.
Vielweniger wird der Hofmeister zugeben, dass in Unsers Enkels
Gegenwart jemand ärgerliche Discurse von der Religion oder sonst
führe, oder etwas, es sey im Scherz oder Ernst vorbringe, welches
Unserem Enkel böse Gedanken oder principia inspiriren könne, sondern
wenn der Hofmeister dergleichen höret, oder merket, wird er erinnern,
dass man sich dessen enthalten möge; wenn es aber dennoch nicht
unterlassen würde, wird er Uns oder Unsers Sohnes Ld. es anmelden.
7.
Weil die frühzeitige Einbildung hohen Standes u. Wesens bey
jungen Leuten ein Gift ist, der viel Biises bey ihnen wecket u. Gutes
verhindert, so wird der Hofmeister Unseren Enkel nach aller jlöglichkeit davon entfernen, hingegen aber dieses zur Haupt- :\fa:xime
beybringen lassen, dass je höheren Herkommens u. Standes jemand
ist, je mehr Tugend und rühmliche Qualitaeten von ihm erfordert
werden, und dass die Unterthanen und geringere Leute nicht so wohl
um der Fürsten u. Regenten Willen, als vielmehr diese mn der
l'ntcrtlwnen Willen seyn: u. zu deren chutz u. damit das Gute
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belohnt, das Böse aber ge:>trafet werde, Yon Gott über Land und
Leute gesetzt werden. Dass man dabero einem jeden ohne passion
und ohne Ansehen der Person, 1\echt wiederfaJu-en lassen müsse, u.
dass die wahre Grandeur u. Hoheit einer Yornehmen Standesperson
u. die Kunst sich ansehnlich, gross und geehrt in der Welt zu machen.
allein darin bestehe , dass man zeige wie man in allem seinen Timen
u. Lassen nichts als droiture, IIonnetetet u. guten Glauben zum Augenmerk habe, ohne welches man weder Gott noch l\Ienschen gefallen
könne, u. dass es eine gar falsche und böse politique sey, u. man
sich selbst mit nichts mehr schaden könne, als wenn man ,·ermeine,
Fürsten und Herren stehe Alles wohl an was ihnen nur gelüstet, u.
die Lehren gesunder u. vernünftiger Moral seyn nicht nur für sie,
sondern nur für particulier Leute gegeben u. erfunden; welches so
weit fehlet, dass im Gegentheil die Laster einer Person von hohem
Stande dieselben eben so viel hässlicher u. verächtlicher vor Anderen
machen, als wie viel mehr Ihre Tugentlen u. gute Qualitaeten Sie vor
anderen erheben u. Ihnen jedermanns Hochachtung u. Venemtion
zuziehen.
Es wird auch Unserem Enkel wol beizubringen seyn, dass
flatterien gern zu hören, eine Anzeige schwacher Gemüther sey, und
da~s man keinen flatteurs trauen noch sie hören müsse, wenn man
nicht wolle auf Irrwege gefülrret oder betrogen seyn.
8.
A.nnebenst wird auf Unscrs Enkels Gesundheit ßeissige Acht
zu geben u. dahin zu sehen seyn, da1nit derselbe durch unordentliche
Diaet oder auch durch gefährliche oder gar zu starke Leibes Bewegungen oder sonsten, sich nicht verwahrlose; wohin denn dieses
mitgehöret u. sorgt1iltig in Acht zu nehmen seyn wird, daös Unser
Enkel dahin zu halten, dass er so wo! im Aufstehen und Schlafen
Gehen, als im Tafel halten reglirte Zeit u. Stuntleu obseniren, u.
dieselbe nicht überschnliten möge.
9.
Wegen der information u. Einrichtung der Studien Unscrs
Enkels hat der Hofmeister dahin zu sehen, damit sein Gedächtoiss
mit gar zu vielem .\uswendig lernen nicht obruiret, sondern er vielmehr par :\laniere de Conversation u. mit guter )Janier dergestalt,
dass es ihm nicht überdriissig werde, zu der lateinischen Sprache,
dann zu der Geog1·aphie, Genealogie, Chronologie und der Historie,
auch mit der Zeit zu der Geometrie, u. denen übrigen niitzlichsten
mathematischen auch anderen guten Wissem;chaften, welche den
Yerl:itand aufrnuntCJn n. schiirfen, wo) augeführet. hingegen uher mit
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unnützlichen u. verdriesslichen Sachen zu erlernen, uicht aufgehalten,
noch beschwert werden möge.
10.
Wird genaue Aufsicht zu führen seyn, damit Unser Enkel die
zu denen Exercitien gewidmete Stunden ßeissig in Acht, u. darin wo!
zunehmen möge.
11.
Wird tler Hofmeister bemühet seyn, dass Unser Enkel, wie Wir
solches ohnedem von Seinem guten Naturell hoffen, mehr aus Liebe
zum Guten und zur Tugend, als durch Zwang sich regieren und wo!
erziehen lassen möge, dazu denn der Ilofmeister fürnemlich die Vergünstig- oder Entzieh- und Versagung zulässiger Recreationen ein
Mittel wird sein lassen, u. wenn Unser Enkel was Gutes thuet, wird
der Hofmeister durch ein ihm deshalben beilegendes Lob eine Ambition
ferner also fortzufahren, in ihm zu erwecken suchen.
Wenn aber Unser Enkel mit Gutem zuweilen in seiner Scbulddigkeit sich nicht sollte leiten lassen wollen, wird der Hofmeister ihm
ernstlicher zureden, u. wenn das nicht znreichig, schärfere Correctionsmittel zur Hand nehmen. Würde Unser Enkel sich daran nicht
kehren, wird der Ilofmeister ihm drohen, dass er es Uns, oder Unscrs
Sohns Ld. anmelden wolle, auch dafern das noch nicht helfen wollte,
wird er solche Anmeldung wirklich thuen.
12
Auf die zu Unscrs Enkels Aufwartung bestellende Bediente u.
deren Timen u. Lassen, Leben u. Wandel, hat der Hofmeister gute
Acht zu haben u. sie dahin anzuweisen, dass ein jeder von ihnen
dasjenige wozu er bestellet u. was ihm gebühret, gehörig u. zu
rechter Zeit verrichte, Alles wol u. in guter Ordnung gehalten, alle
Unordnungen u. Excesse aber verhütet werden mögen; gestalten clcnn
der Hofmeister, wenn er bey jemand der Pagen, Cammerdiener, oder
Laquaien vet'S}>i.iren sollte, dass sie entweder für sich ein unanstiindiges
Leben führeten, oder gar Unserem Enkel zum Bösen AnJa":; oder
Anweisung geben sollten, es in Zeiten anzumelden, damit sie weg u. bessere an ihre Stelle verschaffet werden können.
Der Hofmeister wird auch nicht zugeben, dass jemand von
Unscrs Enkel Bedienten jemahls allein bey ihm sich befinde, sondern
dahin zu sehen, dass wenn jemand der Bedienten bey Unseren Enkel
zu verrichten hat, allezeit er, oder der Guterhofmeister dabcy seyn
möge.
13.
Wie Wir und Unscrs Sohns Ld. fiir gut befunden ihm. dem
Hofmeister 1 l!nscrn Rath yon ~eubauer 1 als Un~ers Enkels Unterhttp://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00023345
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hofmeister dergestalt zuzuordnen, dass nach und nebst dem Hofmeister,
besagter Unterhofmeister auf UnsersEnkels Person mit Acht zu haben.
welchem Unterhofmeister wir auch mitte1st der in Copia hlebey
gehenden instruction anweisen, wie er gegen den Hofmeister der Gebühr nach sich verhalten u. bezeigen solle, also wird der Hofmeister
besagtem Unterhofmeister, wie auch dem Informatori so begegnen u.
mit ihnen sich zu betragen von selbsten beflissen seyn, damit sie
samrot u. sonders ihr Amt u. was einem jeden oblieget, in allerseitiger guter harmonie zu Unsers Enkels Bestem verrichten mögen.
14.
Sollte etwas vorgehen, dem der Hofmeister für sich allein nicht
remediiren könnte, oder da ihm sonst zu Unsers Enkels Bestem etwas
vorkäme, so Nachfrage u. besondere Befehle nöthig hätte, so hat er
solches Uns oder Unsers Sohns Ld. oder Unseren Geheimtau Rätben
zu eröffnen u. darauf gemessenen Verhaltungs-Befehl zu gewärtigen.
15.
Gleichwie im Obigen auch im Uebrigen Allen was dieses ihm
anvertrauete wichtige Amt erfordert, er sich dergestalt zu betragen
wissen wird, wie es einem getreuen, verständigen u. rechtschaffenen
Hofmeister u. Diener wo! anstehet u. gebühret, er auch darauf wirkliche Eyde und Pflicht geleistet; Also hat er sich hingegen Unscrs
Schutzes u. Gnädigster Erkenntlichkeit zu versichern, inmassen Wir
seines Gehalt halber absonderliche Verfügung gethan. Ilannover, d.
28. September 1713.
*
*
*
Unsere
G. L. Churfürsten, Instruction
wonach Unser Rath von Neubauer als Unterhofmeister
bey Unsers Enkels Prinzen Fr. L. Herzogen zu Brschw.
u. Lüneb. Ld. sich zu achten.
Demnach Wir und Unsers Sohns des Ohm-prinzen Ld. wegen
Bestellung eines Unterhofmeisters bey Unserem Enkel, Prinzen Fr.
L. auf Unseren Rath von Neubauer in Ansehung dessen uns augerühmten Geschicklichkeit und bisher geführeten vernünftigen Christlichen Conduite vor anderen gnädigste Reflexion genommen; als wird
von Uns zu gedachtem Unsers Enkels Unterhofmeister er hiemit in
Gnaden Yerordnet und bestellet, in der gnädigsten Zuversicht, er werde
nicht ermangeln sich bey dieser Bedienung also zu betragen, wie
gegen Gott, denn auch gegen Uns und vorgedachten Unsers Sohns
Ld. imgleichen gegen besagten Unsern Enkel, weniger nicht gegen Land
und Leute zu deren künftiger Regierung "Cnser Enkel zu erziehen und
gegen ~ich selbst in seinem Gewissen er es zu verantworten sich getraue.
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Damit er aber wissen möge, wohin Unsre und Unscrs Sohns Ld.
intention wegen dessen, so er als Unterhofmeister bey dieser seiner
Bedienung zu timen und zu beobachten, vornernlieh gehe; So wu·d er
].
Bey Unserem Enkel so viel möglich, allemahl gegenwärtig seyen,
gestalten ihm, damit er solches um so füglieber und commoder thuen
könne, ein Zimmer bey Unsers Enkels appartement zu seiner logirung
assigniret und eingeräumt werden soll. Er wird auch alle Nacht, wenn
der Camme1junker Grote als bey Unserem Enkel bestelletcr Hofmeister es zu thun behindert ist, und es an ihn begehret, mit Unserem
Enkel in einer Cammer schlafen.
2.
Wird er sich dieser seiner Bedienung halber nach besagten
Hofmeisters Anweisung in Allem zu richten und von demselben zu
dependiren haben, gestalten er denn nächst und nebst gedachtem
Hofmeister
3.
Insondcrheit die in der Anlage enthaltene aus des Hofmeisters
von Uns emJlfangenen Instruction gezogene Punkte besten Fleisses mit
zu beobachten hat.
4.
Sollte er, der Unterhofmeister, an Unscrs Enkels Conduite etwas
Unanständiges vermerken, wird er Acht geben, ob solches ron Unserem
Enkel selbst oder durch Anreizung jemanden Anders herrühre und
so wo! für sich Unserem Enkel deshalber zureden als dem Hofmeister
davon part geben.
5.
Und wie nun er, der Unterhofmeister, hierin und im Uebrigen,
Allen was dieses ihm anvertraute Amt erfordert, sich dergestalt zu
betragen wissen wird, wie es einem getreuen, Yerständigen und rechtschaffenen Unterhofmeiter wo! anstehet und gebühret, er auch darauf wu·kliche Eyde und Pflichte geleistet, also hat er sich hingegen
lJnseres Schutzes und Gnädigsten Erkenntlichkeit zu Yersichcren, gestalten wu· denn seines Gehalts halber besondere Gnädigste \'erfügung gethan. Signaturn Hannover, den 28. September 1713.
*
*
*
Georg II. (1727-1760) hatte eine besondere \'orliebe frir
Hannover. Zwölf :Mal nahm er von 1729-1765 seinen Aufenthalt in
IIerrenhausen. Der Stadt Göttiligen verlieh er Accisefreihcit und stiftete
die Universität Göttingen 1734. Im .Jahre 1737 w;lrd sie eröffnet.
Um ihr Aufblühen hat sich der )linister von ~1ünchbausen sehr Yerdient
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gemacht. 1735 ward die Bülowsche Büchersammlung, die Grundlage der
göttingar Bibliothek, aufgestellt. Die Georgia Augusta ist seitdem durch
ihre treffiichen Lehrer und durch ihre Frequenz eine der ersten Universitäten
der preussischen Monarchie geworden. Auch die Stiftung des britischen
~fuseums (1753) ist ihm zu verdanken. Er machte ihm 17'67 die Bibliothek zum Geschenk, welche die Könige von England seit Ileinrich VII. gesammelt hatten 1 ) . Georg II. liegt zu London in der Kapelle Heinrichs VII.,
welche an die Ostseite des Chors zu W estminter angebaut ist, begraben.~)
Geor g 111. (1760-1820), Enkel des Vorigen, Sohn des 1751
verstorbenen Friedrich Ludwig, Prinzen von Wales, hat Hannover nie
gesehen. Während eines dreissigjährigen Friedens entstanden im Lande
viele gemeinnützige Anstalten: Das Schullehrerseminar zu Hannover
1751, Brandkassen, .Moorkultur im Bromischen (1750), Landwirtschaftsgesellschaft in Gelle (1764), Linnenleggen (1774), Kreditanstalt (1790)
u. a. Unter seiner Regierung wurde auch die Heerstrasse des Landes
gebaut. 1814 ward Hannover zum Königreich erhoben. Drei von
Georgs Söhnen studierten in Göttingen. Seine 65000 Bände zählende
Bibliothek kam 1823 an das britische Museum.
Unter Georgs III. Sohn und Nachfolger: Georg IV. (18:?0-30)
ward 1830 das Ober-Schul-Kollegium eingerichtet und mit dessen Hilfe
das höhere Schulwesen des Landes bedeutend gehoben. Er heiratete
1795 seine Cousine, die Prinzessin Karoline von Braunschweig, aber
schon 1796 trennten sich die Gatten wieder. 3)
König Georg IV. jüngster Bruder, der Herzog Atlolf }'dedrich
von Garnbridge, trat an die Spitze der Regierung im Königreich
Hannover. Er war einer der edelsten Fürsten, hochherzig, wohlthätig,
ein Freund der Künste und Wissenschaften. 4) Die Stadt llannover
blühte schnell zu neuem Glanze auf. Neue Bauten und Verschönemng
der Umgehungen brachten die Stadt in Wirklichkeit zu einer königlichen
Residenz. 1802 übernahm der Herzog auf Ansuchen der königlichen
Societät der Wissenschaften zu Göttingen die Präsidentenstelle.
1831 wurde das Polytechnikum in Hannover gebaut. ~Iit Wilhelm IV.
Tode 1837 wurde Hannover wieder von England getrennt. Die Anwesenheit der Monarchen Ernst August und Georg V. war ein Segen
für das Land.
Ernst August, geb. 5. Juni 1771 , der fünfte Sohn Georgs III.,
--~-
') Cowtan, .)Iemories of the British Museum• , London 1871. -
Edwards,
.Live~ of the foundel'l! of the Britisch Museum", 2 Buc., Lonuon 1870.
•) Ygl. Lord Hcrvcy, .Memoirs of Georgc II." (hcrausg. von Crokcr, 2 Bcle.,
London 1847). - Walpole, .Memoirs of tbe rcign of Georgc li.", 3 Bdc., Lonclon
1848-51.
3
) Görges, a. a. 0. III, S. 14 ff.
') Grevill!!. "Journal of the reigns of kings Georgc IV. and William IV."
(3 Bdo., London 1874).
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wm<lc in England erzogen. Er tihtdierte 1786-90 in Göttingen,
äusserte aber über diesen Aufanhalt später, als er einen seiner Studiergenossen zum Konsitorialdircktor erhoben hatte: 17 lch habe nichts gelernt, was ich jetzt bedaure, aber dieser ha.t auch nichts gelernt, deshalb habe ich ihn zum Konsistorialdirektor gemacht". Unter seiner
Regierung wurden seit 1842 Eisenbahnen im Lande gebaut, der Hafen
von Geestemünde 1847 angelegt und der· Stadt Hannover ein neuer
Stadtheil, die Ernst- Auguststadt, nebst neuem Theater hinzugefügt.
Die politischen Wirren unter seiner Regierung übergehen wir als nicht
hierher gehörig. Seinem Lande war er für llandel und Gewerbe, Kunst
und Wissenschaft, Schule und Kir·che ein grosser Wohlthäter besonders
in den letzten Jahren geworden. Er starb 18. November 1851 und
liegt in dem von ihm 184~-46 erbauten i\IausolellDl zu Herrenbausen
begraben 1 ).
Georg Y., geb. 27. Mai 1819 zu Berlin, verlor schon im 10. Jahre
durch Entzündung das linke Auge und büsste später in England durch
einen unvorsichtigen Schlag mit dem Geldbeutel, aus dem er eben
ein Almosen gereicht hatte, auch das rechte ein. Er war ein leutseliger, volksfreundlicher Herr. Sein Gedächtnis war ausgezeichnet, er
redete drei Sprachen. Vor allem verehrte er Religion und Musik.
Am 18. Februar 1843 vermählte er sich mit ~faric, Prinzessin von
Altenburg; sie residierten im Fürstenhofe auf der Neustadt. Die
Namen Windthorst, Borries und Rud. von Benningsen treten besonders
in der Regierung dieses edlen, unglücklichen Königs hervor. 1861 wurde
in HannoYer das Denkmal Ernst Augusts enthüllt und ein halbes Jahr
später, am 14. April 1862, die Einführung des neuen Katechismus als
ein Geschenk des Königs an sein Volk befohlen. In seinen letzten
Lebensjahren auf·Reisen, besonders aber in Gmunden bei Wien wohnend,
fühlte er sich trotz schwerer körperlieber Leiden leicht und frei im
Gemüte. Religion und Musik, dramatische und geschichtliche Vorträge
erquickten seinen Geist. Nachdem er zu Anfang des Jahres 1878 in
Paris einer schmerzhaften Operation sich unterzogen, starb er am
12. Juni 1878 und ward am 24. in der Ahnengruft der St. Georgkapelle
zu Windsor bestattet. Er ist in einen verlöteten )fetallsarg gebettet.
"Das von der Königin Viktoria errichtete :Jlonument steht an der Westseite des Seitenschiffes der Kapelle. Der Sockel desselben ist aus sicilianischem, die Ornamente aus cararischem :\Iarmor; das Medaillonporträt
des Königs von einem Mohnblumenkranze, dem Symbol des chlafes,
umgeben und von einer Seraphimgruppe übelTagt. An der linken
Seite steht die Figur eines Engels als Symbol frommer Ergebung; eine
ähnliche Figur zur Rechten repräsentiert den Frieden der Gläubigen
1m Jenseits. In den oberen Feldern sind die Wappen der Königin
') hl.1Iortie, nKönig Ernst A ugust•, llanno\·er 1S61.
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Yiktoria und des königl. Hannoverschen Hauses angebracht. Eine inmitten des Monuments eingefügte ~Iarmortafel trägt die Inschrift:
Here has come to rest among his kindred, the
Royal Family of England, Georg V., the last King
of llanover. Born at Berlin :\Iay 27, 1819. Died at
Paris June 12, 1878. Receiving a kingdom which
cannot be moved. In His light shall he see light').
') Steinmann, a. a. 0. S. 352. (Bd. 1 um! 2 Leipzig 1881).
Vgl. l\Ietling, .Memoiren zur Zeitgeschichte"
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