Gesandte Mag. Aloisia WÖRGETTER

Gesandte Mag. Aloisia
WÖRGETTER
Maturajahrgang: 1986
Ich begann meine Schulzeit im Gymnasium St. Johann in Tirol noch in den 70er Jahren,
das klingt bedenklich lange her. Die Welt schien noch nicht so leicht durchmessbar wie
heute, sie war noch nicht globalisiert. Die Existenz allein des Gymnasiums in St. Johann
war eine Beruhigung: 'ich muss nicht weit gehen, um etwas zu wissen, ich weiß, wohin ich
mich wende, wenn ich etwas lernen will.' Das Gymnasium war Initiator zahlreicher
kultureller Initiativen, brachte neue Impulse nach St. Johann und öffnete Türen weit in die
Welt hinaus. Die Schule ist seit langem eine Bereicherung für die ganze Gemeinde und
den Bezirk.
Bildung ist eine zentrale Entwicklungsfrage, die mich beruflich seit langem begleitet. Die
Vereinten Nationen beschäftigen sich ausführlich mit dem Thema, ich habe im Laufe der
Jahre Österreich oft in Verhandlungen dazu vertreten, habe Schulen weltweit besichtigt,
bei der Definitionsentwicklung von Erziehungsprogrammen mitgewirkt. Die besondere
Bedeutung von solider Schulbildung im ländlichen Raum kann ich seitdem nicht genug
unterstreichen. Aus mehreren Gründen: Talent wächst überall, und für alle Sparten. Der
Zugang zu allgemeinbildenden guten Schulen muss auch für Kinder und Jugendliche am
Land (ob das noch unserem Selbstverständnis entspricht?) gegeben sein, wie sonst sollen
sie ihre Chancen wahrnehmen? Mein Vater berichtet eindrücklich von seiner
Gymnasialzeit im Internat in Salzburg. Wie erleichtert bin ich, dass meine Schule vor Ort
war. Die Möglichkeit zur Allgemeinbildung, und auch hier decken sich die Empfehlungen
der UNO mit meiner beruflichen Anschauung, ist eine wichtige Voraussetzung für
wirtschaftliche Prosperität und effektive Demokratie.
Wie dankbar war ich, dass das Gymnasium St. Johann in den 80er Jahren begonnen hat,
Politische Bildung als Wahlpflichtfach anzubieten. Ich habe so bereits meine Schulzeit
nützen können, um Staatsbürgerlichkeit zu lernen. Auch ohne beruflichen Zusammenhang
ist mir das in diesem Kurs vermittelte Wissen bis heute nützlich. Denn das Kernthema ist
Zeit: wer kompetitiv sein will, besonders in unseren heutigen globalen Zusammenhängen,
muss früh, so früh wie möglich beginnen, sich breit aufzustellen. In den Natur- und
Geisteswissenschaften, aber auch in den modernen Technologien und in der
Sozialwissenschaft. Breite, Qualität und Kompaktheit des Lehrangebots ist der Standard
guter Schulsysteme und guter Schulen weltweit. Ich freue mich festzustellen, dass ich all
das erhalten habe und meine Schulbildung mir seit drei Jahrzehnten erlaubt, international
mitzuhalten.
Es war meine Schule, die mich in den frühen 80er Jahren auf das Angebot eines
Austauschschuljahres im Ausland aufmerksam gemacht hat, und es waren
vorausschauende Lehrende und Administratoren, die mich encouragierten, bereits als
16jährige diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Ich weiß von anderen Schulen, dass
eine solche Offenheit der Schulverwaltung nicht gegeben war und einige daher von
solchen Angeboten nicht Gebrauch machen konnten. Nicht auszudenken, wäre mir dieses
prägende und richtungsweisende Jahr in den USA verwehrt geblieben! Das Gymnasium
St. Johann praktizierte damals das System von Wahlpflichtfächern und Leistungsgruppen
im Schulversuch, ich fand dasselbe System in meiner High School in Wisconsin wieder.
Ich habe die Freiheit, die ein solches System in der Entwicklung meiner Interessen hier
und dort bot, und das Angebot, die eigenen Fähigkeiten akademisch so weit laufen zu
lassen wie sie mich tragen, genossen. Wenn ich heute den Streit über Schulmodelle und
Schulstunden mitverfolge, dann verstehe ich, dass ich meine Ausbildung in einer Schule
erhalten habe, die daran interessiert war, die beste Ausbildung, die in Österreich zu haben
war, an uns SchülerInnen weiterzugeben und die bereit war, zusätzlichen Aufwand zu
treiben, um Schulbildung in Österreich insgesamt zu entwickeln und modernen
Notwendigkeiten gerecht zu werden. Heute verstehe ich, dass es nicht nur der Stoff in den
Stunden war, der mich geformt hat. Es war genauso dieser spirit, dieser Geist im
Lehrkörper und in der Schulverwaltung, für uns die besten Bedingungen einer
ganzheitlichen, menschen- und herzensbildenden Erziehung zu schaffen, die uns zu
umfassend gebildeten jungen Menschen, aber auch zu emanzipierten und selbstständig
denkenden Individuen gemacht hat.
Wir fuhren zusammen nach München ins Konzert, wir gingen in Kössen gemeinsam
raften, wir organiserten gemeinsam Lernferien für die Vormatura in Florenz, wir klapperten
gemeinsam die Museen Oberitaliens ab. Der UNO-Sonderbeauftragte für Afghanistan,
Felix Ermacora war mit Mudjahedin-Vertretern am Gymnasium, eine Begegnung, an die
ich angesichts der weiteren Ereignisse, die heute meinen beruflichen Alltag bestimmen, oft
zurückdenke. Dieser kurze direkte Kontakt mit Fragen des politischen Islam von damals ist
heute ein wichtiger benchmark für mich, um Entwicklungen einschätzen und in Beziehung
setzen zu können. Das Gymnasium St. Johann war eine Schule, und gleichzeitig mehr als
das.
In meinen beruflichen Zusammenhängen kommt es immer wieder vor, dass sich jemand
zu einer Bemerkung hinreißen lässt wie „Es ist doch erstaunlich, dass eine Tirolerin
Botschafterin wird“. Das Erstaunen liegt dann aber meist bei mir. Warum sollte denn eine
Tirolerin nicht Botschafterin werden? Gibt es denn Präsdestiniertere, um Botschafter und
Botschafterin zu werden? Ich nutze solche Gelegenheiten, um meine gute Ausbildung zu
loben, beginnend bei meinem Elternhaus im Winkl (nomen non est omen!), über meine
Schule in St. Johann, meine Alma Mater in Innsbruck, und allen guten Einflüssen, die mich
geformt haben. Ich berichte dann, dass meine Schule bereits vier BotschafterInnen und
zahlreiche DiplomatInnen hervorgebracht hat, also im Grunde schon als
„Botschafterschmiede“ einzustufen ist. Ich habe also Erfahrung darin, meine Schule zu
loben, und tue es in aufrichtiger Freude. Der Respekt der so Fragenden ist dem
Gymnasium St. Johann in Tirol auch jedes Mal gewiss, und ich freue mich, diese
Rückmeldungen auch in St. Johann und im Bezirk bekannt zu machen. Wohlverdient.