38 Tier BAUERNBLATT l 14. November 2015 ■ Erfolgreich füttern: Alternative Futtermittel Die Kartoffel – seit Langem bewährt Verdauung und auch auf den Stoffwechsel der Kühe haben. Aufgrund der finanziell angespanntenLageunddersehrhohenErnteim vergangenen Jahr hat die Kartoffel wieder vermehrt ihren Weg auf die Futtertische unserer Milchkuhbetriebe gefunden. Die Kartoffel ist dabei jedoch kein klassisches Futtermittel, welches nur für diesen Verwendungszweck angebaut wird. Vielmehr handelt es sich bei den Futterkartoffeln häufig um SpeisekartoffelnvonmindererQualitätoderÜberschüsse bei hohen Erntemengen. Im Vergleich mit dem Erntejahr 2014 ist die Kartoffelernte in diesem Jahr mengenmäßig deutlich geringer ausgefallen. Da aber gerade im Speisekartoffelbereich nur gewisse Qualitäten gut vermarktet werden können, gibt es auch Kartoffeln, für die andere Vermarktungswege gesucht werden. Hierbei handelt es sich vielfach um sehr kleine, große oder deformierte Kartoffeln von ansonsten Lagerung über einen längeren Zeitraum Voraussetzung für den Einsatz von Kartoffeln in der Ration ist, dass sie sauber, weder angefault noch grün und nicht stärker gekeimt sind. Fotos: Ronja Mau auf Basis von Stärke. Die Kartoffelstärke zeichnet sich dabei durch einen großen Teil pansenstabiler Stärke von zirka 30 % aus. Übertroffen wird dieser Wert nur vom Körnermais mit ANZEIGE 42 % pansenstabiler Stärke. Der Energiegehalt liegt bei der Kartoffel auf einem Niveau von 8,4 MJ NEL/kg TM. Der Trockenmassegehalt ist dabei mit zirka 22 % nur sehr gering. Am besten vergleichbar ist ihr Nährstoffgehalt bezüglich Stärke, Rohprotein und Energie mit dem von Zusammensetzung Körnermais. der Kartoffel Aufgrund des geringen RohfaserBei der Kartoffel handelt es sich um gehaltes muss beim Einsatz von Karein sehr energiereiches Futtermittel toffeln vermehrt auf eine ausreichen- guter Qualität. Eben genau diese nicht vermarktungsfähigen Kartoffeln lassen sich auch sehr gut in der Fütterung von Milchkühen einsetzten, sofern einige wichtige Aspekte dabei beachtet werden. Tabelle 1: Inhaltsstoffe je Kilo Trockenmasse von Kartoffeln und Körnermais im Vergleich (DLG Tabelle ) Kennwerte Trockenmasse Rohprotein nXP NEL ME pansenstabile Stärke Stärke Zucker und Stärke RNB Rohfaser Kartoffel Körnermais 220 g/kg FM 96 g 162 g 8,4 MJ 13,1 MJ 30 % 710 g 741 g - 11 27 g 880 g/kg FM 106 g 164 g 8,4 MJ 13,1 MJ 42 % 694 g 713 g - 9,3 26 g de Strukturversorgung in der Ration geachtet werden. In Beziehung zu dem sehr hohen Energiegehalt ist der Strukturwert der Kartoffel mit 0,7 aber als sehr gut anzusehen. Ihr geringer Eiweißgehalt sowie eine negative ruminale Stickstoffbilanz (RNB) machen die Kartoffel zu einem gut geeigneten Ergänzungsfuttermittel in Rationen mit einem Stickstoffüberschuss. In ausgeglichenen Rationen benötigt die Kartoffel hingegen eine entsprechende Eiweißergänzung. Kurzzeitige Lagerung der Knollen Sofern es sich bei den Futterkartoffeln um Speisekartoffeln mit nicht vermarktungsfähiger Größe oder Form handelt, sind diese unter normalen Umständen bereits durch die Sortiermaschinen gelaufen. Dadurch sind die Kartoffeln bereits von Steinen und grobem Schmutz befreit worden. Da diese Kartoffeln in regelmäßigen Abständen auf den Anbauoder Verarbeitungbetrieben anfallen, gelangen sie vielfach auch in regelmäßigen Abständen auf die Milchkuhbetriebe. Dies hat zur Folge, dass es sich meist um kleinere Mengen handelt, die auch nur eine geringe Zeit zwischengelagert werden müssen. Bei dieser kurzzeitigen Lagerung sollte auf einen möglichst trockenen, sauberen und frostfreien Ort geachtet werden. Werden Kartoffeln Frost und Nässe ausgesetzt, fangen sie sehr schnell an zu schimmeln. Diese Fäulnisprozesse können bei der Verfütterung negative Auswirkungen auf die Sollte es sich bei den Kartoffeln nur um eine einmalige größere Lieferung zum Beispiel aus Übermengen handeln, muss darauf geachtet werden, dass auch diese möglichst sauber, steinfrei und trocken sind. Bei größeren Mengen, die für eine längere Zeit vorhalten sollen, gibt es weitere Möglichkeiten zur verlustarmen Lagerung von Kartoffeln. Sofern eine trockene, dunkle, luftige und kühle Halle vorhanden ist, können die Kartoffeln dort gelagert werden. Eine andere Möglichkeit ist die Mietenlagerung auf dem Feld oder Hof. Auch hier sollte auf einen ausreichenden Nässeschutz sowie im Winter zusätzlich auf einen Frostschutz und im Frühjahr auf einen Schutz vor zu viel Lichteinfall geachtet werden. Bei viel Lichteinfall, gerade im Frühjahr, beginnen die Kartoffeln sehr schnell zu keimen. Zum einen entsteht dabei ein Energieverlust, und zum anderen wird in den Keimen wie auch bei grünen Kartoffeln vermehrt Solanin eingelagert. Solanin ist ein giftiges Alkaloid, welches sich negativ auf die Leistung auswirken kann. Ab welchen Mengen dieser Stoff bei Milchkühen tatsächlich zu Problemen führt, ist bisher nicht genau untersucht. Jedoch gibt es Untersuchungen an Schafen, deren Ergebnisse übertragen werden könnten, demnach ergäbe sich eine Toleranz von 130 g bei einem 600 kg schweren Rind. Der Solaningehalt in den Keimen kann dabei bis zu 50 mg/g betragen. Eine weitere Möglichkeit der Lagerung von Kartoffeln über einen längeren Zeitraum ist eine Sandwichsilage mit Gras oder Mais. Hierbei werden saubere, ganze Kartoffeln schichtweise bei dem Silierprozess mit eingebracht.DabeimEinsilierenvonKartoffeln sehr viel Sickersaft entsteht, ist auf Tabelle 2: Preiswürdigkeit von Kartoffeln in der Milchkuhfütterung Preis je dt Weizen Preis je dt Sojaextraktionsschrot Preiswürdigkeit für Kühe in €/dt 14 € 30 € 20 € 40 € 23 € 32 € 3,2 4,6 5,3 ■ BAUERNBLATT l 14. November 2015 von zirka 2.500 bis 5.000 g. Offizielle Empfehlungen (DLG-Arbeitskreis Futter und Fütterung, 2008) bezüglich der Einsatzmenge von beständiger Stärke liegen bei 25 bis 50 g/kg TM. Dies entspricht einer maximalen Menge von 5 % i. d. TM oder zirka 1.000 g in der Gesamtration. Einem Angebot von beständiger Stärke über diese Mengen hinaus wird eine negative Auswirkung hinsichtlich Verdauungsstörungen und Nährstoffverlusten zugesprochen. Versuche der jüngsten Zeit (Engelhardt et al., 2009; Mahlkow-Nerge, 2015) konnten bei hochleistenden Kühen jedoch wesentlich umfangreichere Verdauungskapazitäten für dünndarmverfügbare Stärke als 1,5 kg am Tag nachweisen. Anhand dieser Versorgungsempfehlungen ergeben sich für hochleistende Kühe maximale Einsatzmengen von 15 (bis 20) kg Kartoffeln pro Tier und Tag. Eine Verfütterung an niedrigleistende und trockenstehende Kühe ist dagegen aufgrund des sehr hohen Energiegehaltes nicht zu empfehlen. Die Kartoffel ist sehr schmackhaft und zeichnet sich durch einen sehr hohen Energie- und Stärkegehalt sowie einen hohen Anteil an pansenstabiler Stärke aus. einen ausreichenden Trockenmassegehalt der Grasoder Maissilage zu achten. Bei einer Mischsilierung mit Mais können bis zu 25 % Kartoffeln mit einsiliert werden. Sandwichsilagen mit Gras hingegen sollten maximal einen Kartoffelanteil von 20 % haben. Vorteile dieser Art der Lagerung sind der geringe zusätzliche Platzbedarf, kein notwendiger separater Lagerplatz, und es erspart eine separate Entnahme der Kartoffeln. Nachteil dieser Lagerung ist das damit feststehende Verhältnis zwischen beiden Silierkomponenten in der Futterration. Einsatz in der Fütterung Aufgrund ihrer sehr hohen Schmackhaftigkeit werden Kartoffeln von Kühen meist sehr gut gefressen. Grundsätzlich sollten Kartoffeln nur roh gefüttert werden, da ein Kochen die Stärke verkleistert und sie so im Pansen sehr schnell zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut wird. Dieses würde somit den Vorteil der Kartoffelstärke in Bezug auf die Pansenstabilität aufheben und das Risiko einer Azidose erhöhen. Kartoffeln werden von Kühen sehr gut im Ganzen aufgenommen, allerdings sollte in den ersten Tagen der Fütterung auf mögliche Schlundverstopfungen geachtet werden. Diese treten jedoch nur in sehr seltenen Fällen auf. Bei einer Futtervorlage mittels Futtermischwagen ist eine Schlundverstopfung noch unwahrscheinlicher. Hierbei werden die Kartoffeln zu Beginn mit in den Futtermischwagen gegeben, wodurch eine gute Verteilung und je nach Futtermischwagen ein Zerschneiden der Kartoffeln gegeben sind. Je nach Ration lassen sich unterschiedliche Mengen Kartoffeln verfüttern. Als limitierende Faktoren sind dabei der Rohfasergehalt, die Gesamtmenge an pansenfermentierbaren Kohlenhydraten und die Menge an pansenstabiler Stärke anzusehen. Die Versorgungsempfehlung von pansenfermentierbaren Kohlenhydraten in Rationen für hochleistende Kühe liegt zwischen 125 und 250g/kg TM. Dies entspricht einer totalen Menge Wirtschaftlichkeit der Kartoffel Inwieweit sich der Einsatz von Kartoffeln betriebswirtschaftlich lohnt, hängt ganz erheblich von den Preisen der zu ersetzenden Futtermittel ab. Für Milchkühe sind hier für die Berechnung NEL und nXP als Basis herangezogen worden. Für die Kalkulation des tatsächlichen Zukaufpreises müssen zudem von dem so ermittelten Preis noch Kosten für Lagerung, mögliche Nährstoffschwankungen oder auch zusätzliche Arbeit abgezogen werden. Als Orientierungswert kann hier ein Preisabschlag von 20 bis 30 % angesetzt werden. Bei einem angenommenen Sojapreis von 40 €/dt und einem Weizenpreis von 20 €/dt ergibt sich dabei ein Wert der Kartoffel in der Milchkuhfütterung, inklusive Risikoabschlag von maximal 3,45 €/dt. FAZIT Die Kartoffel ist ein sehr interessantes Futtermittel für die Fütterung von hochleistenden Kühen. Sie hat einen sehr hohen Energie- und Stärkegehalt sowie einen hohen Anteil an pansenstabiler Stärke und ist sehr schmackhaft. Sie wird roh und im Ganzen oder geschnitten gefüttert. Ihre Einsatzmenge ist abhängig von der Zusammensetzung der Gesamtration und sollte maximal 15 kg betragen. Insbesondere kann sie aufgrund ihrer negativen RNB in Rationen mit einem Stickstoffüberschuss eingesetzt werden. Voraussetzung für den Einsatz von Kartoffeln in der Ration ist, dass sie sauber, weder angefault noch grün und nicht stärker gekeimt sind (Solanin). Die Preiswürdigkeit der Kartoffel ist dabei von anderen Energie- und Eiweißfuttermitteln, wie zum Beispiel Weizen und Sojaextraktionsschrot, abhängig. Ronja Mau Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09 39 [email protected]
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