Liquiditätsplanung ist keineswegs ein Bauchgefühl

Finanzen
■ BAUERNBLATT l 19. September 2015
Beratung rund um das Geld: Einnahmen und Ausgaben sind kalkulierbar
Liquiditätsplanung ist keineswegs ein Bauchgefühl
Die Anforderungen an die Fähigkeiten der Betriebsleiter steigen weiter
an. Hatte man in der Vergangenheit
insbesondere die ProduktionskennzahlenimGriff,gabesmitdemThema
Zahlungsfähigkeit keine Schwierigkeiten.Undwenndoch,wurdeaufBasiseinergutenBonitätundvorhandener Sicherheiten kurzfristig ein Überbrückungsdarlehen aufgenommen.
Doch die Zeit auf unseren Betrieben
bleibt nicht stehen. Diese befinden
sich ständig im Wandel, müssen sich
mit den Weltmärkten und dessen externen Einflüssen durch Politik, Medien und Wetter immer wieder neu behaupten. Viele Betriebe sind gewachsen und haben in den vergangenen
Jahrenmehroderwenigerstarkinvestiert. Im Zuge dessen ist der Kapitalbedarf vieler Betriebe schneller angewachsen, als betriebliches Eigenkapital gebildet werden konnte.
Die anteilige Eigenkapitalausstattung und die Verfügbarkeit freier Sicherheiten haben sich reduziert. Diese und weitere Einflüsse durch zum
Beispiel gesteigerte Pachtflächenanteile und das Marktrisiko volatiler
Märkte führen dazu, dass der Betriebsleiter die Liquiditätsentwicklung seines Betriebes immer im Blick
haben sollte.
Spezialisierte Betriebe
müssen besonders aufpassen
Besonders wichtig ist die Liquiditätsplanung bei stark spezialisierten Betrieben, bei Betrieben
mit hohen Verbindlichkeiten, unterdurchschnittlicher Rentabilität
und bei Betrieben, die vor Kurzem
stark investiert haben oder große
Investitionen zeitnah planen. Die
spezialisierten Betriebe sind besonders anfällig für die volatilen
Märkte. Konnten vor einer Preiskrise keine Rücklagen gebildet
werden, sind bereitgestellte Kontokorrentkredite schnell an ihren
Grenzen. Auch Betriebe, die aufgrund
hoher
Verschuldung
und/oder geringer Rentabilität
womöglich Schwierigkeiten haben, sich Liquidität zu verschaffen,
sollten ihre Zahlungsfähigkeit genau beobachten. Nur so kann der
vorausschauende
Betriebsleiter
Überraschungen im Zahlungsverkehr vermeiden. Gab es vor Kurzem größere Investitionen oder
stehen diese noch aus, ist es zu
„nur“ an der preislichen Entwicklung
beziehungsweise an den steigenden
Kosten, oder gibt es vielleicht auch
Produktions-, Finanzierungs- oder
Strukturprobleme im Betrieb?
Betriebsabläufe: An
Spitzenbetrieben orientieren
In Zeiten niedriger Milchpreise, hoher Verbindlichkeiten durch Investitionen in
neue Ställe oder auch Melkroboter müssen insbesondere hoch spezialisierte
Betriebe ihre Liquiditätsplanung mit spitzem Bleistift überarbeiten. Bei Liquiditätsproblemen nutzt es nicht, „den Kopf in den Sand zu stecken“.
empfehlen, parallel die damit sich
verändernden Einnahmen und
Ausgaben, genau aufzuzeigen. Zu
Beginn steigen insbesondere die
Ausgaben und erst mit zeitlicher
Verzögerung folgen die Einnahmen. Tilgungsfreijahre können
daher nützlich sein, jedoch muss
der zeitlich versetzte Anstieg des
Kapitaldienstes in der Liquiditätsplanung Berücksichtigung finden.
Gibt es produktionsbedingte
Schwierigkeiten, sollten die Betriebsabläufe umgehend mithilfe des Beraters geprüft, bewertet und wenn
möglich entsprechend optimiert werden. Die Auswirkungen leistungsbedingter verringerter Einnahmen und
erhöhter Kosten können relativ einfach durch die Liquiditätsplanung
veranschaulicht werden. Der Betriebsleiter kann somit kurzfristig auf
Veränderungen im Betrieb reagieren
und ist weniger abhängig von alten
Bilanzzahlen aus dem Vorjahr. Der
horizontale Betriebsvergleich mit in
etwa gleich strukturierten Betrieben
eignet sich sehr gut, um die eigenen
Stärken und Schwächen zu erkennen. Orientieren sollte sich der Landwirt jedoch nicht an den Durchschnittsbetrieben, sondern an den
Spitzenbetrieben, um langfristig erfolgreich zu bleiben.
kontrolle seines Betriebes. Dieser Planungsvorsprung wirkt sich nicht nur
positiv auf die Entwicklung des Betriebes aus, sondern kann auch zu einer besseren Bonität und somit zu
günstigeren Zinsen bei der Hausbank
führen. Entscheidend dafür ist die
Vorlage einer detaillierten Liquiditätsplanung, die die Bewertung der
betrieblichen Entwicklung durch die
Bank erleichtert.
Wenn sich die Finanzen anders als
geplant entwickeln, wird dies frühzeiBetriebsanalyse:
tig erkannt. Mit einem regelmäßigen
Finanzen:
Erfolg ständig kontrollieren Soll-Ist-Abgleich werden die Ursachen
Den Überblick behalten
Der Profi nutzt die Liquiditätsvo- für verminderte Einnahmen und erNeben der Betriebskontrolle berausplanung zusammen mit dem ak- höhte Ausgaben zeitnah aufgedeckt.
tuellen Jahresabschluss und Geld- Dabei ist es besonders wichtig, die ver- hält der Landwirt zudem den Überrückbericht zur ständigen Erfolgs- schiedenen Ursachen zu differenzie- blick über die Finanzen. Mithilfe der
ren. Liegt ein eventuelles Problem Liquiditätsplanung können eventuelle Finanzierungsfehler aufgedeckt
Übersicht 1: Grafische Darstellung der Liquiditätsplanung und diese dann zusammen mit der
Hausbank behoben werden. Zudem
von Max Muster
werden sowohl Potenziale in Form
120.000,00
von überschüssigen Finanzmitteln als
Einnahmen
Ausgaben
100.000,00
auch finanzielle Engpässe aufgeLiquiditäts planung
80.000,00
zeigt. Sind Überschüsse vorhanden,
Kontosaldo
kann der Betriebsleiter mittels kurz60.000,00
oder mittelfristiger Liquiditätspla40.000,00
nung frühzeitig erkennen, ob es sich
20.000,00
hierbei um nachhaltige Überschüsse
handelt. Diese kann der Betrieb dann
(20.000,00)
zur Eigenkapitalbildung oder zum
(40.000,00)
Beispiel für kleine Investitionen über
(60.000,00)
das laufende Konto nutzen. Sind die
Überschüsse jedoch nicht nachhaltig,
(80.000,00)
Betriebsmittelkredit
fehlen diese womöglich zu einem
(100.000,00)
späteren Zeitpunkt und werden somit über den Kontokorrentkredit finanziert. Um die nötige Stabilität
Die Kalkulation zeigt, dass die vorhandene Liquidität im November und Dezember auch bei einem niedrigen Preisniveau
nicht ausreichen wird. Es gilt, die Ursache dafür zu ergründen. Weiter sollte schon zu bewahren, sollte daher das Anlaheute ein Gespräch mit der kompetenten Hausbank vereinbart werden, um eine gevermögen nie über kurzfristige
Verbindlichkeiten finanziert werden.
gemeinsame Lösung zu erarbeiten.
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Finanzen
Darlehenslaufzeiten
nicht zu kurz wählen
Eine weitere wichtige Finanzierungsregel ist die Wahl der Darlehenslaufzeit. Wird diese in den wirtschaftlich starken Jahren zu kurz gewählt, sodass diese nicht an die Nutzungsdauer angepasst ist, drücken
die entsprechend höheren Tilgungsleistungen speziell bei niedrigen Erzeugerpreisen und müssen letztlich
über das Betriebskonto finanziert
werden.
Bei der Finanzierung ist die nötige
Flexibilität zu berücksichtigen. Die
Einnahmen und Ausgaben unterliegen sehr vielen, nicht unmittelbar zu
beeinflussenden Faktoren. Werden
daher Investitionen über fixe Programmkredite der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit äußerst günstigen Zinsen finanziert, ist es empfehlenswert, diese mit flexiblen Hausbankdarlehen zu kombinieren. Nur
diese erlauben zum Beispiel Sondertilgungsmöglichkeiten in den wirtschaftlich starken und gegebenenfalls Tilgungsaussetzungen in den
ZINSBAROMETER
Stand 14. September 2015
Die Zinsspannen am Kapitalmarkt nehmen zu. Das Zinsbarometer bietet lediglich erste
Anhaltspunkte zur aktuellen
Kapitalmarktsituation (ohne
Gewähr). Bei den gekennzeichneten Zinssätzen können sich je
nach persönlicher Verhandlungssituation deutliche Abweichungen ergeben.
Zinsen
Geldanlage
%
Festgeld 10.000 €,
3 Monate1)
0,05 - 3,50
Kredite
Landwirtschaftliche Rentenbank2)
% effektiv
(Sonderkreditprogramm)
Maschinenfinanzierung
6 Jahre Laufzeit,
Zins 6 Jahre fest
1,00
langfristige Darlehen
10 Jahre Laufzeit,
Zins 5 Jahre fest
1,05
20 Jahre Laufzeit,
Zins 10 Jahre fest
1,71
Baugeld-Topkonditionen3)
Zins 10 Jahre fest 1,53 - 2,01
Zins 15 Jahre fest 2,02 - 2,45
1) Marktausschnitt (100 % Einlagensicherung)
2) Zinssatz Preisklasse A, Margenaufschlag
0,35 bis 2,85 %, je nach Bonität und Besicherung (7 Preisklassen)
3) Quelle: www.capital.de
(Spanne der Topkonditionen)
BAUERNBLATT l 19. September 2015 ■
sein, nützt es
nichts, „den Kopf
in den Sand zu stecken“ und die Probleme zu ignorieren in der Hoffnung, dass es
schon irgendwie
passen wird. Je früher man Defizite
erkennt und darInvestitionen in der Landwirtschaft sind kapitalintensiv,
reagieren
wie die auf der Norla ausgestellten großen Maschinen auf
deutlich vor Augen führen. Eine exakte Liquiditätspla- kann, desto grönung verrät, welche Maschinen sich ein Betrieb leisten ßer sind die Chandarf und sollte.
Fotos: Daniela Rixen cen, die Durststrecke ohne nachhalweniger guten Jahren. Die Kreditmit- tige Probleme zu überstehen. Sämttel der Landwirtschaftlichen Renten- liche Kostenpositionen sind auf den
bank sind zwar zinsgünstig, jedoch Prüfstand zu stellen. Ersatzinvestitiosehr unflexibel und daher bei den nen und außergewöhnliche Entnahheutigen Liquiditätsschwankungen men können vielleicht ausgesetzt
in den Betrieben als „100-%-Finan- oder verschoben werden. Frühzeitig
können Gespräche mit der Hausbank
zierung“ nicht sinnvoll.
stattfinden. Konkrete Zahlen und eine Liquiditätsanalyse werden bei der
Liquiditätsprobleme:
Kopf nicht in Sand stecken kompetenten Hausbank immer positiv aufgenommen und helfen dabei,
Wenn die Einnahmen wie derzeit die Chancen zu höhen, dass diese eiaufgrund fallender Erzeugerpreise ner Umfinanzierung, einer Tilgungssinken und die Ausgaben sich wo- streckung oder einer Tilgungsaussetmöglich auch noch erhöhen, müssen zung zustimmt.
diese entsprechend in der Finanzplanung Berücksichtigung finden. Nur
Regelmäßig den
so kann frühzeitig erkannt werden, Liquiditätsplan aktualisieren
wie sich die Kontosalden entwickeln,
wann eventuell mit einem ÜberJe nach Zielsetzung und Genauschuss oder zeitweiser Unterdeckung igkeit wird die Liquiditätsplanung
aus der laufenden Produktion zu in der Regel im Quartal oder morechnen ist und wann es gegebenen- natlich erstellt, oftmals bis zum Enfalls zu Engpässen beim Kontokor- de des laufenden Wirtschaftsjahrentkredit kommt. Sollte dies der Fall res, mindestens jedoch für die
nächsten sechs Monate. Bei extreÜbersicht 2: Aufbau eines
men preislichen Entwicklungen ist
Liquiditätsplans
es ratsam, Kalkulationen mit einem längeren Planungshorizont zu
Einnahmeseite:
erstellen. Im einfachsten Fall kann
● Verkaufserlöse
auch handschriftlich das Aktuelle
● Prämienzahlungen
mit dem Vorjahr verglichen wer● Kreditaufnahmen
den. Dazu werden die wesentli● Pachteinnahmen
chen Produktionsparameter, zum
● außerordentliche EinnahBeispiel die Anzahl der verkauften
men wie beispielsweise VersiFerkel oder die Höhe der Milchcherungszahlungen
menge mit den zu erwartenden Er● sonstige betriebliche und prizeugerpreisen und den entsprevate Einnahmen
chenden Futterkosten angepasst
und mit dem Vorjahr verglichen.
Ausgabeseite:
Somit bekommt der Landwirt kurz
● Spezialausgaben wie zum Beiund knapp eine Tendenz für das
spiel für Futter und Saatgut
laufende Wirtschaftsjahr.
● Ausgaben wie VersicherunIm Normalfall greift der Betriebsleigen und Telefon
ter meist zusammen mit dem Berater
● Pachten
zum Tabellen-Kalkulationsprogramm
● Löhne
oder vielleicht sogar auf eine spezielle
● Zinsen und Tilgung
Software zurück. Als Erstes erfolgt
● Privatentnahmen
dann die Erfassung aller betrieblichen
● Investitionen
Einnahmen und Ausgaben (Tier-,
● Steuerzahlungen
Milch- und Getreideverkäufe, Be● sonstige betriebliche und
triebsprämien, Ausgaben für Futter,
private Einnahmen
Pflanzenschutz, Dünger et cetera). Dabei sollte der Landwirt die aktuelle Bi-
lanz immer als Anhaltspunkt verwenden. Der sich aus der Produktion ergebende Saldo zeigt nun einen Überschuss oder eine Unterdeckung an,
den sogenannten „Cashflow“. Weiter
berücksichtigt die Finanzvorschau
auch die privaten Entnahmen und Einlagen und den Kapitaldienst der laufenden Kredite, die dann noch vom
„Cash flow“ abgezogen werden müssen. Kumuliert man nun die monatlichen Salden, erkennt man auf relativ
einfachem Wege, wie sich der Saldo
auf dem Betriebskonto zukünftig entwickeln wird.
Besonders wichtig ist die sorgfältige Aufarbeitung der Einnahmen und
Ausgaben. Eine Liquiditätsplanung
nützt wenig, wenn die Ertrags- und
Preisaussichten schöngerechnet werden. Daher sollte sich intensiv damit
auseinandergesetzt werden, welche
Preise zukünftig für die Erträge und
Kosten realistisch sind und welche Erträge generiert werden können. Im
Normalfall sollte der Landwirt die
durchschnittliche Leistung des Betriebes ansetzen. Bei der Einschätzung
der Preis- und Kostenentwicklung
kann sich der Betriebsleiter an den
Warenterminbörsen orientieren.
FAZIT
Den Überblick über die Liquiditätssituation, sowohl in den wirtschaftlich guten als auch schlechteren Zeiten, sollte jeder Betriebsleiter nie verlieren. Die Liquiditätsplanung gibt einem dabei die Möglichkeiten, seine vorhandene Liquidität ökonomisch
sinnvoll einzusetzen, und reduziert gleichzeitig das Risiko der
Zahlungsunfähigkeit. Es gilt, die
Planungskalkulation mit Leben
und Ideen zur Entwicklung des
Betriebes zu füllen. Welche Veränderungen sind im Betrieb und
wirken sich wie aus? Regelmäßig
sollten daher Ausgaben, wie beispielsweise für Futtermittel,
Energie oder Pacht hinterfragt
werden. Passen diese auch mittel- und langfristig zu dem Betrieb? Wichtig sind der regelmäßige Soll-Ist-Abgleich und die regelmäßige Fortführung der Liquiditätsplanung.
Niemand
weiß, was morgen oder in einem
Monat passieren wird. Planung
und Controlling verringern
Überraschungen, denn Liquidität ist kalkulierbar und kein
merkwürdiges Gefühl in der Magengrube.
Hauke Ingwersen
VR Bank eG, Niebüll