Versuchsanleitung Transporteigenschaften von Ladungsträgern in Halbleitern Hall-Effekt 1 Worum geht’s? Halbleitermaterialien sind essenzielle Bestandteile elektronischer Anwendungen. Ohne ihre besonderen elektronischen Eigenschaften wäre die Technologie, wie wir sie heute kennen, undenkbar. Deswegen werden in diesem Versuch die Parameter untersucht, die den Transport von Ladungsträgern in Halbleitern charakterisieren. Die Leitfähigkeit σ eines Halbleiters setzt sich zusammen aus den Konzentrationen der Elektronen n und der Löcher p sowie deren Beweglichkeiten µe und µh : σ = q · (nµe + pµh ) (1) Dominiert ein Ladungsträgertyp, so vereinfacht sich die Gleichung zu: σ = qnµe (Elektronenleitung, n p) (2) σ = qpµh (Löcherleitung, p n) (3) Bestimmt man lediglich die Leitfähigkeit, so kann man daraus weder auf die Ladungsträgerkonzentrationen n bzw. p noch auf deren Beweglichkeiten µe bzw. µh schließen. Führt man zusätzlich eine Hall-Effekt-Messung durch, so kann man mit deren Messdaten und den Daten der Leitfähigkeitsmessung die Hall-Beweglichkeit µH , die Ladungsträgerkonzentration und den Leitungstyp (Elektronen- oder Löcherleitung) getrennt voneinander bestimmen. Die Hall-Beweglichkeit µH,e bzw. µH,h unterscheidet sich von der Driftbeweglichkeit µe bzw. µh um den Hall-Streufaktor rH,e bzw. rH,h . Dieser liegt üblicherweise zwischen 0.5 und 2 und wird - falls nicht bekannt - häufig als 1 angenommen. Werden die Hall-Konstante RH und die Leitfähigkeit σ temperaturabhängig gemessen, so können durch Anpassung der Neutralitätsgleichung an die temperaturabhängige Ladungsträgerkonzentration n bzw. p weiterhin bestimmt werden: 1 1. Aktivierungsenergie der Dotieratome ∆ED bzw. ∆EA 2. Konzentration ND bzw. NA der Dotieratome 3. Konzentration der Kompensation NK 4. Größe der Bandlücke Eg 2 Literatur • M. Zürl, Zulassungsarbeit, Erlangen 2015, Kapitel 1 bis Kapitel 3 • Ch. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, Kapitel 8 (Literaturwerte) 3 Vorbereitung Gehen Sie in Ihrer schriftlichen Vorbereitung auf folgende Punkte ein: • Bändermodell; Metalle, Halbleiter und Isolatoren im Bändermodell; intrinsische und extrinsische Halbleiter; Akzeptoren und Donatoren; Kompensation; Lage der Energie-Niveaus im Bändermodell (Fermi-Niveau, Leitungs- und Valenzbandkante, Störstellenniveaus); Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerkonzentrationen in undotierten und dotierten Halbleitern (Neutralitätsgleichung). • Elektrische Leitfähigkeit von Halbleitern; Drude-Modell; thermische Geschwindigkeit und Driftgeschwindigkeit; Beweglichkeit µ; Streuung an geladenen Störstellen und akustischen Phononen sowie ihr temperaturabhängiger Einfluss auf die Beweglichkeit. • Hall-Effekt-Messung an einem Halbleiter; Hall-Beweglichkeit µH ; Temperaturabhängigkeit der Hall-Konstante im Ein-Band- und Zwei-Band-Modell. • Klassische Stäbchenprobe und van-der-Pauw-Anordnung; Messablauf für die jeweilige Probengeometrie; Grund für Messung mit +I und −I, +B und −B; explizite Formeln für die Berechnung der Ladungsträgerdichte, Leitfähigkeit und Hall-Beweglichkeit aus den Messdaten. Im Kolloquium werden speziell folgende Fragen diskutiert: • Welche Temperaturabhängigkeit ist für die Ladungsträgerdichte zu erwarten? Wie können aus dem Verlauf die Größen Bandlücke Eg , Ionisierungsenergie ∆ED bzw. ∆EA , Dotierkonzentration ND bzw. NA und Kompensation NK bestimmt werden? • Welche Temperaturabhängigkeit erwarten Sie für die Hall-Beweglichkeit µH ? Wie ist diese zu erklären? • Wo liegen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Stäbchen- und der van-der-PauwAnordnung? Welche Messschritte sind nötig? Wie können daraus die Hall-Konstante RH und die Leitfähigkeit σ der Probe berechnet werden? 2 4 Versuchsdurchführung 4.1 Zu untersuchende Halbleiterproben 1. Zuerst untersuchen Sie eine Silizium-Probe (Si). Die Probe liegt in der van-der-Pauw-Geometrie vor, was Sie beim Erstellen des Messprotokolls beachten müssen. 2. Bei der zweiten zu untersuchenden Probe handelt es sich um Indiumantimonid (InSb), das als Stäbchen-Probe vorliegt. Deswegen ist ein anderes Messprotokoll als bei der Si-Messung zu verwenden. 4.2 Messablauf 1. Bauen Sie die zu untersuchende Probe in den Probenhalter ein. Achtung: ziehen Sie die Schrauben nur leicht fest, da sich die Probe auf einem zerbrechlichen Keramik-Chipträger befindet (im Zweifelsfall den Betreuer fragen bzw. nicht ohne dessen Anwesenheit die Probe ein- oder ausbauen). Bei der Si-Probe kommt hinzu, dass diese durch 25 µm dünne Aluminiumdrähte mit dem Chipträger elektrisch verbunden ist. Diese reißen bei Berührung ab, also gilt auch hier äußerste Vorsicht. Ist die Probe auf dem Probenhalter fixiert, können Sie diesen in den Kryostaten einbauen. Achten Sie auf die Orientierung zum Magnetfeld (auch bei diesem Schritt ist die Anwesenheit des Betreuers notwendig). 2. Öffnen Sie das Programm Maintenance Window aus dem Menü View der Menüleiste und gehen Sie auf die Registerkarte I-V-Curve. Messen Sie die IV-Kennlinien zwischen je 2 Kontakten (Modus: 2 wire). Als Vorgabe für den Messstrombereich können Sie I = ±10 mA wählen (diesen Strom verwenden Sie später auch für die Hall-Messung). Überprüfen Sie, ob Strom fließt (d. h. die Kontakte sind richtig angeschlossen) und ob die Kennlinien linear (ohmsch) verlaufen. 3. Sind alle Kontakte in Ordnung, können Sie mit dem Abpumpen und Spülen des Probenraums und anschließend mit dem Abkühlen beginnen (Austauschgas: 5 mbar Helium).Während die Probe auf 100 K abkühlt (Dauer ca. 15 Minuten) programmieren Sie ein geeignetes Messprotokoll. Hierbei ist es Ihnen überlassen, wie viele Messschritte Sie programmieren wollen. Die Kontaktbelegung können Sie den nachfolgenden Abbildungen entnehmen. 3 4. Ist die Probe auf 100 K abgekühlt, so können Sie den ersten Messpunkt aufnehmen. Achten Sie darauf, dass die Temperatur während der Messung stabil ist. Nachdem Sie den ersten Messpunkt aufgenommen haben, geben Sie im Programm Data Analysis die Formeln für Ladungsträgerdichte, Leitfähigkeit, Beweglichkeit und Hall-Konstante (InSb-Probe) ein. Nachdem Sie eine Formel eingegeben haben drücken sie Create Graph. Achten Sie auf eine geeignete Wahl der Achsen. Danach können Sie eine weitere Formel eingeben. Neue Messpunkte werden später automatisch in alle Graphen übernommen. 5. Führen Sie Messungen gemäß folgender Temperaturtabellen (Angaben in Kelvin) durch: 100 150 300 5 105 160 Silizium 110 115 120 170 190 210 130 230 140 260 100 157.5 200 115 160 220 Indiumantimonid 130 140 150 152.5 162.5 165 170 180 240 260 300 155 190 Auswertung Die Auswertung ist in Form eines Reports abzugeben. Beginnen Sie mit einer Einleitung zum Thema, beschreiben Sie die experimentellen Details und schließen Sie mit einer Zusammenfassung ab. Achten Sie bitte auf eine vollständige Beschriftung der Diagramme und ebenso vollständige Bildunterschriften. 5.1 Silizium-Probe 1. Tragen Sie folgende Größen graphisch auf und diskutieren Sie deren Temperaturverlauf: • Ladungsträgerdichte n bzw. p (in cm−3 ) logarithmisch gegen 1000/T • Leitfähigkeit σ (in Ω−1 cm−1 ) logarithmisch gegen 1000/T • Hall-Beweglichkeit µH (in cm2 V−1 s−1 ) doppelt logarithmisch gegen T 2. Bestimmen Sie folgende Probenparameter (dazu sind weitere graphische Darstellungen notwendig): • Leitungstyp • Ionisierungsenergie ∆ED bzw. ∆EA des Dotierstoffs der Si-Probe und Konzentration der elektrisch aktiven Dotieratome ND bzw. NA . Gehen Sie dabei von einer niedrigen Kompensation aus (NK ND bzw. NK NA ). • Exponent x des T x -Gesetzes, das die Temperaturabhängigkeit der Beweglichkeit beschreibt. Was ist der dominierende Streumechanismus? 4 3. Fitten Sie die Neutralitätsgleichung an die gemessene Ladungsträgerdichte n bzw. p. Verwenden Sie folgende Parameter: Feste Parameter: g = 4, NV = 3.5 · 1015 · T 3/2 cm−3 K−3/2 Startwerte der Fitparameter: die zuvor bestimmten Werte für ∆ED bzw. ∆EA und ND bzw. NA , Startwert für die Kompensation NK = ND /100 bzw. NK = NA /100. Die Fitparameter müssen von ähnlicher Größenordnung sein, da es sonst bei der Iteration zu numerischen Problemen kommt. Die Startwerte der Fitparameter müssen relativ nahe an den wahren Werten liegen. Warum? Der Fit kann verbessert werden, wenn die Werte der Ladungsträgerdichte n logarithmiert werden. Warum? Durch Vergleich von ∆ED bzw. ∆EA mit Literaturwerten kann der Dotierstoff bestimmt werden. 4. Welche Ladungsträgerbeweglichkeit wird für die Si-Probe mit dem experimentell bestimmten spezifischen Widerstand bei Raumtemperatur erwartet (vergleiche Literatur)? 5.2 Indiumantimonid-Probe 1. Tragen Sie folgende Größen graphisch auf und diskutieren Sie deren Temperaturverlauf: • Betrag der Hall-Konstanten |RH | (in cm3 A−1 s−1 ) logarithmisch gegen 1000/T • Ladungsträgerdichte n bzw. p (in cm−3 ) logarithmisch gegen 1000/T ; in welchem Temperaturbereich liefert diese Größe sinnvolle Werte? • Leitfähigkeit σ (in Ω−1 cm−1 ) logarithmisch gegen 1000/T • Hall-Beweglichkeit µH (in cm2 V−1 s−1 ) doppelt logarithmisch gegen T ; in welchem Temperaturbereich liefert diese Größe sinnvolle Werte? 2. Bestimmen Sie folgende Probenparameter (dazu sind weitere graphische Darstellungen notwendig): • Leitungstyp • Größe der Bandlücke Eg und vergleichen Sie diese mit Literaturwerten. • Konzentration der elektrisch aktiven Dotieratome. • Diskutieren Sie qualitativ den 2-Band-Hall-Effekt im Zusammenhang mit der experimentell bestimmten Hall-Beweglichkeit. 6 6.1 Anhang Erklärung des Messprogramms Beim Start des Programms öffnet sich zunächst ein Fenster, das zur Wahl eines Gruppenordners auffordert, in welchen dann im Verlauf der Messungen alle Daten gespeichert werden. Das Hauptprogramm Measurement Program wird im Folgenden erklärt. 5 Front Panel Config Measurement Öffnet das Unterprogramm zum Erstellen eines Messprotokolls. Es können beliebig viele Messschritte programmiert werden. Auch das Laden eines bereits gespeicherten Messprotokolls ist möglich. Isource Hier wird die Stromstärke für die Messung festgelegt. Dabei soll Isource in der Regel so gewählt werden, dass die Spannung an den Vierpunktabgriffen 100 mV nicht überschreitet. So vermeiden Sie Oberflächenströme. Für die Si- und die InSb-Probe eignet sich Isource = 10 mA. T averaged Startet man eine Messung, so wird die Temperatur nach jedem Schritt im Messprotokoll gemessen. Die gemittelte Temperatur wird hier angezeigt. Start Measurement Mit diesem Button wird eine Messung gemäß dem eingegebenen Messprotokoll gestartet. Läuft eine Messung, so werden alle Buttons und Menüs gesperrt. Eine Messung kann erst gestartet werden, wenn zuvor ein Messprotokoll programmiert wurde. Tabelle Die Tabelle zeigt während einer Messung die Ergebnisse an. Nach jedem Messschritt erscheint das Ergebnis als weiterer Punkt. PID-controller Dieser Bereich dient der Temperatursteuerung. Unter Setpoint kann eine Temperatur eingegeben werden, die das Programm dann durch Steuerung von Kühlung und Heizung zu erreichen versucht. Actual Value zeigt die aktuelle Temperatur an, Output Valve die derzeitige Ventilstellung. Rechts von diesen Anzeigen befinden sich zwei Buttons. Mit dem oberen kann die Temperatursteuerung aktiviert und deaktiviert werden. Der Button Cool down startet die automatische Kühlung des Systems auf 100 K. Diese Option kann nach dem Einbauen der Probe aktiviert werden, da eine Messreihe bei tiefen Temperaturen beginnen soll. Grund dafür ist die Systemeigenschaft, dass die Temperatursteuerung von einer tiefen Temperatur zu einer höheren flexibler und schneller möglich ist. Mit Reset PID wird der Integralteil der PID-Steuerung zurückgesetzt und der dargestellte Temperaturverlauf gelöscht. Menüleiste File Im Unterpunkt Export hat der Benutzer die Möglichkeit, die Daten des Temperaturverlaufs sowie die aktuelle Messung als .txt-Datei zu exportieren. Mit Close kann das Programm beendet werden. View In diesem Menü kann die Anzeige der beiden Unterprogramme PID-Tracing und Data Analysis aktiviert bzw. deaktiviert werden. Ersteres zeigt die Einstellungen sowie den Verlauf der PID-Parameter, die für die Temperatursteuerung verwendet werden. 6 Im Programm Data Analysis werden alle bisher aufgenommenen Messpunkte aufgelistet. Außerdem kann hier bereits die Auswertung gestartet werden, indem im Kästchen Formula eine Formel eingegeben und dann der zugehörige Graph erstellt wird. Hierbei können beliebig viele Graphen erstellt werden. Neue Messpunkte werden automatisch hinzugefügt. Das Schließen von Data Analysis führt nicht zum Verlust der Daten, sondern lediglich zum Verschwinden des Fensters. Config Dieses Menü führt zu den Konfigurationsmenüs des PID-Controller bzw. der Hardware. 7 6.2 Schematische Darstellung des Experiments 8 6.3 Erläuterungen zur den einzelnen Bauteilen des Experiments Bezeichnung Beschreibung B2902A Source-Measure-Unit (Kanal 1: Spannungsmessung, Kanal 2: Ausgabe Messstrom) Data Acquidition/Switch Unit (Temperaturmessung, Relaiskarte zum Wechseln der Kontakte) Vakuumpumpen Ölnebelfilter programmierbares Power Supply (Kühlung) programmierbares Power Supply (Heizung) Eckventil Drucksensor und Auswerteeinheit Nadelventil Steuereinheit für den Magneten Power Supply des Magneten 34972A UNO 2.5, DUO 2.5 ONF4-20 PSP 1405 PSP 1803 AVC016SA TPR280, TPG261 LV10K Magnet control unit MTN 2800-650 9
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