ES GIBT EINIGE MYTHISCHE FLÜGE, VON DENEN GLEITSCHIRMFLIEGER EINER ZUM TRÄUMEN: DAVON BEISPIEL FLUG VOM IST S chon vor zehn Jahren ist der deutsche Pilot Carsten Peter um den Mont gekreist und hat nebenher noch einen damaligen Höhenrekord aufgestellt: fast auf 4.000 Meter hatte er sich über dem Wallfahrtsort in die Höhe geschraubt. Ganz so hoch wollen wir nicht. Uns soll es reichen, einmal um die goldene Statue des Erzengel Michael zu kreisen, der oben auf der Kirchturmspitze stolz seine Flügel ausbreitet. So ein Angeber: Mit dem Helikopter mußten sie dem glänzenden Heiligen nach der letzten Restauration das Fliegen beibringen und haben ihn wieder nach oben geschafft. Wir haben keine goldenen Flügel und brauchen erst recht keinen Heli, um über das Kirchturm-Dach zu kommen! Auch andere hat der Erzengel Michael nicht auf Anhieb überzeugt: Als er dem Bischof Aubert von Avranches eines Nachts im Jahre 708 zum ersten Mal erschien und ihm befahl, auf dem Felsen in der Bucht ein Oratorium zu seinen Ehren zu bauen, dachte der gute Bischof, zu tief ins Glas geschaut zu haben und ließ die Insel wie sie war. Erst nachdem der Erzengel bei einer neuerlichen Erscheinung handgreiflich geworden war, und dem frommen Mann mit dem Finger eine Grube in die Stirn gedrückt hatte, begann der Bischof mit der Errichtung einer Wallfahrtsstätte auf dem felsigen „Mont“, der ab nun zum Mont SaintMichel wurde. Über Jahrhunderte hinweg wurde gebaut und zugefügt: Alle Stilrichtun- DER MONT BLANC, DEM DACH EUROPAS. EIN ANDERER ERFÜLLBARER TRAUM IST DER FLUG ÜBER DEM SCHLOSS NEUSCHWANSTEIN. FÜR MOTORFLIEGER GEHÖRT FRAGLOS DER FLUG ÜBER DEN MONT SAINTMICHEL IN DER FRANZÖSISCHEN NORMANDIE Mont DAZU. HUNDERTFÜNFZIG METER HOCH ÜBERRAGT DIE KIRCHTURMSPITZE DIESES ATLANTISCHEN MÄRCHENSCHLOSSES DIE RIESIGE EBENE DER BUCHT. ÜBERHAUPT SCHEINEN FÜR WINDEN- UND MOTORPILOTEN GERADE DIE EBENEN FASZINIEREND: JE FLACHER, DESTO BESSER. SCHLIESSLICH STELLEN UNSERE TUCHFLIEGER DORT DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT DAR, EIN WEITLÄUFIGES PANORAMA ZU GENIESSEN. DER FLUG WIRD PERFEKT, WENN DANN NOCH ALS DREINGABE SO EIN MYSTISCH BELADENER ORT ZUM UMKREISEN EINLÄDT. Saint-Michel PS - unterstützt über das Weltkulturerbe M Mittelalterliche Gassen O N T S A I N T - M Der Mont St. Michel: Atlantisches Märchenschloß GEFRÄSSIGER SAND Die Besucher kommen aber auch, um ein Naturphänomen zu bestaunen: die Bucht vom Mont Saint-Michel weist die höchsten Gezeitenunterschiede der französischen Küste auf. Bis zu vierzehn Meter beträgt der Tidenhub. Das Meer ist bei starker Ebbe nicht zu sehen: fünfzehn Kilometer weiter draußen wartet es auf den Angriff. Fast die gesamte Bucht besteht dann nur aus 66 3-01 Die Abtei: Spirituelles Gemäuer hoch überm Meer C H E L und Museen sind Schleusenwärter postiert, die den Strom in ihre Geschäftekammern zu kanalisieren versuchen. Ein Business mit langer Tradition. Die Vorfahren der Souvenirhändler haben schon im Mittelalter sandgefüllte Döschen als Andenken an die Pilger verkauft. Immer turbulenter und mächtiger werden die Menschenstrudel zwischen den alten Fassaden. Hilfe! Wir kämpfen gegen den Strom in Richtung Ausgang an. Zum Glück hat sich der Wind des Vortages etwas abgeschwächt: Wir werden den Saint Michel und das abziehende Meer aus der ruhigeren Vogelperspektive bewundern können. Schlick und Sand. Spaziergänger können bis zum Vogelschutzgebiet auf der Insel Tombelaine marschieren - in Begleitung eines Führers natürlich. Denn die Bucht des Mont Saint-Michel ist gespickt mit heimtückischem Treibsand - wenn das Meer am Horizont verschwindet, läßt es Fallen zurück. Dünne Sandschichten können von Wasserschichten untergraben sein. Wer in ein solches unsichtbares Loch tritt, versinkt zwar nicht unbedingt bis zu den Haarspitzen, dafür aber schnappt sich der Treibsand die Beine des Opfers und hält Sie mit unerbittlichem Griff fest ... bis die Flut wiederkommt! Wer mit einem Führer durch das Watt marschiert, darf mal probeweise bis zu den Knien im Treibsand versinken. Beeindruckend ... gen sind vertreten, vom Romanischen bis zum Spätgotischen. Nach den etwas schlichteren Gewölben kamen immer filigranere Bauwerke hinzu, bis sich schließlich die formschöne Kirchturmspitze der Abtei in den Himmel reckte, und dem Ganzen eine Krönung plus einen goldenen Michael aufsetzte. Um das faszinierende Bauwerk herum scharen sich mittelalterliche Häuser, und kleine Gäßchen schlängeln sich zwischen den alten Fassaden. Kein Wunder, daß dieses filmreife Dekor Touristenscharen aus aller Welt anzieht. 3 Millionen Besucher sollen sich jedes Jahr über die engen Treppen zur Abtei hinauf quälen. I Als Landeplatz sind die riesigen Flächen des Watts dementsprechend ebenfalls ungeeignet: der Treibsand frißt nicht nur Menschen, sondern auch zum Beispiel Motorräder (ist schon geschehen) und Motorschirme (ist zum Glück noch nicht geschehen)! Dafür bieten die Sandbänke und Rinnsale aus der Vogelperspektive ein unvergleichliches herrliches Muster. Für Autofahrer kann die Flut ebenfalls zur Falle werden, sogar auf dem Parkplatz direkt vorm Eingangstor zur Festung: bei starkem Tidenhub kommt das Meer bis an die Mauern des Saint Michel. Dann überspült es sogar die beiden Parkplätze. „Der Besitzer des Golf mit dem Kennzeichen xyz wird gebeten, sein Fahrzeug wegen der steigenden Flut vom Parkplatz zu holen“, krächzt es sinngemäß aus den Lautsprechern in den engen Gassen. „Schon wieder einer, der keine Schilder lesen kann“, meint der Stadtpolizist und zeigt auf das letzte Auto, das auf dem verwaisten Parkplatz steht. Denn am Eingang des Parkplatzes hatte heute morgen deutlich in drei Sprachen gestanden: „Heute über- flutet das Meer den Parkplatz. Wollen Sie bitte Ihren Wagen vor 18 Uhr 15 in Sicherheit bringen“. Die ersten kleinen Wellen lecken schon am Asphalt, als der letzte Vergeßliche mit weiten Schritten heranhastet, in sein Auto springt und einen Kavalierstart hinlegt. Als ob das Meer in Sekundenschnelle all seine Kräfte versammeln könnte, um mit einer riesigen Welle die flüchtende Beute doch noch zu umschlingen ... FESTUNG ZWISCHEN FLUSS UND FLUT Vom Saint Michel aus ist die Ankunft der Flut ein besonderes Erlebnis. Heute ist der Wind zum Fliegen sowieso zu stark: Wir haben stattdessen den Anmarsch des Meers bewundert. Eine beeindruckende Atmosphäre - überall sitzen die Besucher auf den Festungsmauern und starren wie gebannt in Richtung des Horizonts, wo ein silberner Streifen die Ankunft des wahren Herrschers der Bucht ankündigt. Das Meer holt sich sein Reich zurück. Eine Sandbank nach der anderen wird von den Fluten umzingelt und verschwin- STEIGFLUG ÜBER SCHLICK Nur wenige Kilometer vom Mont entfernt laden saftige Wiesen zum Motorstart ein. Im Handumdrehen ist der Motor aufgebaut, der Schirm ausgebreitet. Go! Das Feld verschwindet nach drei Schritten unter den Füßen, der Horizont wird weiter. Landeinwärts, so weit das Auge reicht, nur flache Felder und wenige Häuser. Auf 150 Metern Höhe drehe ich ab und rausche mit Rückenwind aufs Meer und den Mont Saint-Michel zu. Auch aus der Luft hat er nichts von seinem majestätischen Flair verloren. Er wirkt genauso beeindruckend. Mit seiner vollendeten Form reckt er sich stolz dem Himmel entgegen. Die harmonische Verjüngung zeichnet ein schönes Schattenbild auf den Schlick daneben. Denn während ich aufsteige, hat das det nach kurzem Kampf unter den Wassermassen, die mit der Geschwindigkeit eines guten Läufers auf den Saint-Michel zumarschieren. Bojen, die vor kurzem noch traurig gestrandet auf dem Sande lagen, werden zum Leben erweckt und beginnen zu tanzen. Und irgendwann hat die Flut die Mauern der Festung erreicht. Wenn das steigende Wasser in den Flußarm am Fuße des Saint-Michel einströmt, entsteht eine kleine Wellenfront, die deutlich sichtbar flußaufwärts marschiert. Zweimal am Tag wiederholt sich das Spiel. Manchmal zeitgleich mit einer anderen Flut: jener der Besucherscharen. Die bewundern wir am nächsten Morgen. Ganz in der Frühe sind die Gassen leer, kaum eine Seele ist unterwegs. Doch kaum parken die ersten Busse auf dem Parkplatz, schwillt der Touristenstrom an, überflutet die Gassen, ergießt sich in die Museumskeller und AnPré-Salé: vorgewürtztes Hammelfleisch denkenläden. An den Eingängen zu den Boutiquen 3-01 67 Praktische Infos: Flüge am Mont Saint-Michel: den Erzengel zu. Der steht immer noch mit ausgebreiteten Flügeln da und staunt nur noch. Motor wieder an, und weiter geht es südostwärts in Richtung der saftigen Weiden, wo die „pré-salés“ friedlich grasen: „Die Vorgesalzenen“ nennt man hier die Schafe. Das kommt ganz einfach daher, daß die Tiere von Wiesen fressen, die bei starker Flut vom Meerwasser überspült werden. Ich suche mir eine Weide ohne vorgewürztes Hammelfleisch aus und setze zum Tiefflug an. Die Bucht von Mont St. Michel: Mauern, Meer und Mystik Meer schon lange seinen Rückzug begonnen. Zwischen den auftauchenden Sandbänken schlängeln sich kleine Rinnsale und folgen dem abmarschierenden Meer. Eine riesige, silbern schillernde Ebene tut sich unter meinen Füßen auf. Und obwohl das Meer schon kilometerweit vom Mont entfernt ist, kann ich es von meiner hohen Warte aus noch deutlich sehen - ganz im Gegensatz zu den übrigen Besuchern, die als unzählige bunte Punkte die Festungsmauern unter mir besprenkeln und sich bestimmt die Augen aus dem Kopf starren. Die Menschenflut hat scheinbar ihren Höhepunkt erreicht: der wieder freigegebene Parkplatz ist überbelegt, und zwischen den Türmen und Erkern vor der Abtei leuchten die bunten Massen wie Wellenkämme. Schräg unter mir sehe ich auch den goldenen Erzengel, der mit ausgebreiteten Flügeln vergeblich vom Kirchturmdach zu starten versucht. Hoffentlich gelingt es ihm nicht doch noch: Im biblischen jüngsten Gericht kämpft Michael mit seinen Engelscharen gegen Drachen. Und jeder weiß, daß die meisten Fluglaien Drachen von Gleitschirmen nicht unterscheiden können ... Langsam drehe ich noch etwas weiter auf und kreise immer höher über Mont, Engel und Massen. Obwohl der Wind vom 68 3-01 Land kommt, sind kaum Turbulenzen eingelagert. Manchmal zieht eine Thermikblase durch, schüttelt kurz den Schirm, und trägt mich sanft im Standgas nach oben. Das Meer ist immer weiter draussen - gerne würde ich ihm folgen, aber bei ablandigem Wind ist das etwas kritisch. Ich möchte ja nicht nach einer Motorpanne im Treibsand versinken.In weiten, großen Kreisen drehe ich hoch über dem mythisch-mystischen Wallfahrtsort. Die Luft ist kühl, nur manchmal haucht ein warmer Duft von Gras und Raps bis zu mir hoch. Ich schalte den Motor kurz aus und genieße die Stille: Das Raunen der Menschenwogen zwischen den Mauern des Mont dringt nicht so weit hinauf. Nach dieser beschaulichen Einlage schaukle ich mich mit einigen steilen Wings wieder tiefer und drücke den Schirm mit Schwung in eine Spirale. Bissig schraubt sich die Kappe nach unten, und erst auf der Höhe des goldenen Heiligen leite ich die Figur wieder aus und fliege triumphierend auf NYLON STATT GOLD Während hunderten von Metern sind Schafkötel und Grashalme die einzige Hindernisse: Meine Füße schleifen fast über den Boden. Schade nur, daß der Wind nicht vom Meer kommt. Er würde noch laminarer strömen, und ich müßte nicht ständig konzentriert mit Gas und Steuerleinen spielen, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Gasgriff voll durchgedrückt: Mit 1,5 m/s geht es wieder aufwärts, auf dreißig Meter Höhe lege ich den Schirm wieder in eine leichte Kurve und fliege auf den Parkplatz zu. Ein letzter leichter Wing dem Erzengel zum Gruß, dann flare ich neben dem Auto aus: Lieber Michael, Du hast Dein Reich wieder für Dich allein. Und sorry für die Anmaßung aber vielleicht solltest Du es auch mal ganz einfach mit etwas Nylonstoff und einem Zweitakter statt mit goldenen Flügeln versuchen! Später am Abend, als wir diesen herrlichen Flug auf einer RestaurantTerrasse des Saint-Michel feiern, ist die Besucherflut schon längst wieder abgeflossen. Und unter den Festungsmauern holt sich in der untergehenden Sonne auch das Meer in einem herrlichen Schauspiel sein Reich wieder ... Start- und Landeplätze gibt es um die Bucht herum in rauhen Mengen. Überall finden sich flache Felder. Flug: Um den Mont Saint-Michel herum ist eine Flugverbotszone eingerichtet worden. Sie hat einen Radius von circa 3 km und reicht bis auf 3.000 Fuß (ca. 914 m). Wir haben sie bei unserem Flug vielleicht ein klitzekleines Bißchen beschnitten ... Flugmöglichkeiten Gleitschirm: Weiter oben im Norden der Normandie gibt es Soaring-Spots an den Steilküsten. Diverses: Wohnmobil und Caravan: Bis jetzt kann man noch mit dem Wohnmobil oder dem Wohnwagen auf dem großen Parkplatz vor dem Mont Saint-Michel für 30 FF parken, und dort auch theoretisch zu diesem Preis bleiben (solange keine hohe Flut ansteht!). Allerdings gibt es Pläne, den Mont Saint-Michel wieder vom Festland abzutrennen und die versandete Bucht etwas auszubaggern. Die Parkplätze am Fuße des Hügels würden dann verschwinden. Zwei Kilometer weiter landeinwärts sind weitere Wiesen zu Parkplätzen umfunktioniert, diese sind sogar kostenlos. Schmutzwasser-Entsorgung und Frischwasser: Camping-Caravaning „Les Portes du Mont-Saint-Michel“, 15 Francs für 100 l Wasser. Auch Zeltmöglichkeiten. Anschrift: BP N°8, F-50116 Le Mont-Saint-Michel, Tel. 0033 (0)2 33 60 22 10, Fax 0033(0)2 33 60 20 02, geöffnet von Anfang Februar bis 11. November. Eintrittspreis für die Gebäude der Abtei: 40,- Francs pro Person. Museumseintritte: 45 Francs pro Person. 75,- Francs für drei Museen. Ebbe und Flut: Zwei Mal pro Tag. Der Tidenhub kann sehr unterschiedlich sein und hängt unter anderem von der Mondphase ab. Gezeiten halten sich eben nicht an menschliche Uhrzeiten, sondern zeigen sich eher ... mondsüchtig launisch! Nur bei starker Flut/Ebbe kommt das Wasser bis an den Mont Saint-Michel heran. Den Gezeitenkalender und weitere Auskünfte gibt es beim Office du Tourisme du Mont-Saint-Michel oder in der Broschüre „La Baie du Mont-Saint-Michel, Guide pratique 2000“, herausgegeben vom „Comité départemental du Tourisme de la Manche“, Maison du Département, F-50008 Saint-Lo cedex Tel 0033 (0)2 33 05 98 70, Fax (0033) (0)2 33 56 07 03. Weitere Auskünfte zur Normandie: „Comité Régional de Tourisme de Normandie“, 14, rue Charles Corbeau, F-27000 Evreux Tel.00 33 (0)2 32 33 79 00 , Fax 00 33 (0)2 32 31 19 04 Eine Führung durch das Watt gibt es ab 33,- Francs pro Person (unkommentierte Führung) und geht häufig bis zur Insel „Tombelaine“. Bei einer anderen Version dieser Wattwanderung kann sich der Besucher auch auf der Insel von der Flut umzingeln lassen. Andere Aktivitäten: Fahrradtouren um die Bucht und durch die Felder. Die ausgeschilderte Tour „Véloroute de la Baie“ geht über 22 einfache Kilometer. WIESEN UND WATT - WALLFAHRT UND ... ... WINDSPIELE
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