Neues Jahr bringt viele Änderungen für Unternehmen

19.01.2016
Neues Jahr bringt viele Änderungen für Unternehmen in
Tschechien
Finanzamt verlangt Kontrollmeldungen für Umsätze / Mindestlohn steigt auf fast 370 Euro /
Von Gerit Schulze
Prag (gtai) - Das neue Jahr 2016 bringt für Unternehmen und Privatpersonen in Tschechien eine Reihe
von Änderungen. Zu den wichtigsten Neuregelungen gehören der höhere Mindestlohn und die
Einführung einer elektronischen Umsatzerfassung für Restaurants und Hotels. Zugleich verschärfen
die Finanzbehörden die Meldepflichten für Geschäftsaktivitäten. Immerhin bekommen die Tschechen
einen zusätzlichen Feiertag: Karfreitag ist ab 2016 erstmals arbeitsfrei.
Tschechien startet mit viel Rückenwind in das neue Jahr. Die Konjunktur hat einen guten Lauf und
wächst zurzeit doppelt so schnell wie der EU-Durchschnitt. Nach einem Plus von rund 4,5% im
abgelaufenen Jahr trauen die meisten Analysten dem Bruttoinlandsprodukt 2016 einen weiteren
Zuwachs um bis zu 3% zu.
Besonders die robuste Auftragslage der Industrie und die gute Verbraucherstimmung sorgen für
Dynamik, über die sich auch der Fiskus freut. Bis Mitte Dezember 2015 stiegen die
Mehrwertsteuereinnahmen um fast 3%, bei der Körperschaftsteuer lag der Zuwachs bei 11%
gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Für 2016 erwartet das Finanzministerium noch höhere Einnahmen, auch dank der Einführung einer
elektronischen Umsatzsteuererfassung. In der ersten Phase müssen sich voraussichtlich ab Jahresmitte
Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe dem System anschließen, bei dem jeder Barverkauf direkt
online an die Finanzverwaltung gemeldet wird. Später sollen sich Groß- und Einzelhändler,
Handwerksunternehmen und andere Wirtschaftssubjekte an der elektronischen Erfassung ihrer
Barumsätze beteiligen. Ziel ist es, die Schattenwirtschaft wirksamer zu bekämpfen. Die oberste
Finanzdirektion GFR beziffert das Ausmaß der Umsatzsteuerhinterziehung auf 80 Mrd. Kc pro Jahr
(rd. 3 Mrd. Euro, Wechselkurs am 5.1.16: 1 Euro = 27,02 Kc).
Spendabel zeigt sich der Finanzminister bei Familien mit zwei und mehr Kindern. Für sie sollen 2016
und 2017 die Steuerfreibeträge steigen. Auch Geringverdiener können sich freuen, denn zum 1.1.16 ist
der Mindestlohn von 9.200 Kc auf 9.900 Kc angehoben worden (rund 366 Euro). Davon profitieren
nach Schätzungen des Arbeitsministeriums 2,3% der Arbeitnehmer. Der minimale Stundenlohn bei
einer 40-Stunden-Woche beträgt nun 58,70 Kc (2,17 Euro). Trotz der Anhebung liegt Tschechiens
Mindestlohn im EU-Vergleich weiter im unteren Drittel. Die Nachbarländer Slowakei (ab 2016: 405
Euro) und Polen (rund 450 Euro) haben höhere Untergrenzen festgelegt. Erst im Wahljahr 2017 soll
der Mindestlohn deutlicher auf dann mindestens 11.000 Kc (407 Euro) steigen.
"Für die meisten deutschen Unternehmen in der Tschechischen Republik ist der höhere Mindestlohn
aber angesichts des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften das geringere Problem", bemerkt
Rechtsanwalt Arthur Braun von der Prager Kanzlei bpv Braun Partners. "Stärker auswirken werden
sich die erwarteten Lohnsteigerungen um vier bis fünf Prozent im Jahr 2016 und das absehbare Ende
der Interventionspolitik der Nationalbank." Sollte sie die künstliche Schwächung der Krone wie
angekündigt ab Ende 2016 aufgeben, so dürfte das zu einer deutlichen Aufwertung der Tschechischen
Krone gegenüber dem Euro und zu höheren Löhnen führen. Das schwächt die Exporte und verbilligt
die Einfuhren.
Öffentliche Verwaltung muss Verträge ab 50.000 Kc offenlegen
Ein Grund für die aktuell starke Wirtschaftsentwicklung ist die intensivierte Abschöpfung von EUFonds. Um dabei Missbrauch zu vermeiden, setzt Tschechiens Gesetzgeber auf mehr Transparenz.
Behörden, Bezirks- und Gemeindeverwaltungen müssen ab Mitte 2016 alle Verträge mit einem Wert
von mehr als 50.000 Kc in einer Datenbank veröffentlichen. "Ab 2017 werden die Verträge erst
dadurch wirksam", erläutert Rechtsexperte Braun die neue Regelung.
Eine der spürbarsten Änderungen für die Geschäftswelt ist die Abgabe einer sogenannten
Kontrollmeldung an das Finanzamt. Dieser Pflicht unterliegen ab 1.1.16 alle Unternehmen, die im
Inland eine steuerbare Leistung ausgeführt oder erhalten haben. Sie müssen immer für einen
Kalendermonat alle standardmäßigen inländischen Transaktionen deklarieren und mit Rechnungen
belegen. Dazu gehören auch innergemeinschaftliche Warenerwerbe oder Dienstleistungen von im
Inland nicht ansässigen Personen, erklärt Lucie Vorlickova, Steuerberaterin bei Rödl & Partner
Vorlickova Tax in Prag. "Die Kontrollmeldung ist bis zum 25. des Folgemonats elektronisch bei der
Finanzverwaltung einzureichen." Bei Fristverzug drohen Geldstrafen.
Für Rechtsanwalt Arthur Braun ist die eilige Einführung dieser Mitteilungspflicht ein weiterer Beleg
für die Unvorhersehbarkeit der tschechischen Gesetzgebung, die immer wieder von ausländischen und
tschechischen Unternehmern kritisiert werde. "Die Firmen geraten wegen der steuerlichen
Änderungen unter Zugzwang, eilig ihre Buchhaltungssoftware und Abläufe zu ändern."
Mehr Verwaltungsaufwand bringt ebenso eine Novellierung des Buchführungsgesetzes. Auch kleinere
Firmen müssen seit dem 1.1.16 (mit bestimmten Ausnahmen) einen konsolidierten
Rechnungsabschluss vorlegen, wenn sie in eine Gruppe gehören, die zwei der folgenden Kriterien
erfüllt: Netto-Gesamtvermögen von 100 Mio. Kc, Umsatz 200 Mio. Kc und durchschnittlich 50
Beschäftigte. Diese Kriterien gelten neu für die Gruppe; früher waren sie für eine Firma maßgeblich.
Dafür verringern sich die Anforderungen für Kleinbetriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern, weniger als 80
Mio. Kc Jahresumsatz und Vermögen von maximal 40 Mio. Kc. Sie können einen verkürzten
Jahresabschluss zusammenstellen und müssen ihre Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr beim
Handelsregister offenlegen.
Grunderwerbsteuer zahlt künftig der Immobilienkäufer
Immobilienkäufer sind von der geplanten Novelle des Grunderwerbsteuergesetzes betroffen. Sie soll
voraussichtlich zum 1.4.16 in Kraft treten. Wie Steuerexpertin Lucie Vorlickova erklärt, wird der
Erwerber einer Immobilie künftig eindeutig als Steuerpflichtiger definiert. "Damit fällt die Wahl des
Steuerpflichtigen zwischen Übertragendem und Erwerber weg."
Neu wird außerdem sein, dass bei einer Umwandlung aller Formen von juristischen Personen keine
Grunderwerbsteuer mehr anfällt. Bisher galt die Befreiung nur für Handelskörperschaften. Dagegen
unterliegen Vermögensübertragungen an die Gesellschafter künftig dem Grundsteuererwerbgesetz.
"Die Steuerbemessungsgrundlage richtet sich dann nach dem amtlichen Gutachterwert", so Lucie
Vorlickova.
Eine weitere Neuerung betrifft Privatpersonen, die steuerfreie Einkünfte zum Beispiel durch Erbschaft,
Schenkung oder den Verkauf von Wertpapieren nach einer Haltefrist von mehr als drei Jahren
erzielen. Übersteigen diese Einnahmen den Betrag von 5 Mio. Kc, so müssen sie den Finanzbehörden
angezeigt werden. Anderenfalls können Geldbußen von bis zu 15% der nicht angezeigten Einnahme
verhängt werden.
Tschechien: Wichtige Änderungen 2016 im Überblick
Änderung
Termin
1.1.16
Mindestlohn steigt auf 9.900 Kc
1.1.16
Pflicht zur Kontrollmeldung aller steuerbaren Leistungen
1.1.16
Pflicht zur Anzeige von steuerfreien Einkommen ab 5 Mio. Kc
1.1.16
*)
Kinderfreibetrag für das zweite Kind steigt auf 17.004 Kc, für jedes weitere Kind auf 20.604 Kc
1.1.16
Verkürzter Jahresabschluss für Kleinbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern und 80 Mio. Kc
Jahresumsatz
1.1.16
Mehr Grundstücke als "Baugrundstück" definiert: bereits bei laufenden Genehmigungsverfahren oder
Bauarbeiten in der näheren Umgebung. Für die betreffenden Grundstücke entsteht
Mehrwertsteuerpflicht bei Veräußerung.
1.4.16
*)
Grunderwerbsteuer zahlt der Erwerber
Mitte
2016
Beginn der elektronischen Umsatzerfassung für Kleinbetriebe
Mitte
2016
Pflicht zur Veröffentlichung aller Verträge von Behörden, Bezirks- und Gemeindeverwaltungen ab
einem Wert von 50.000 Kc
*) derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren
Quelle: Tschechische Medien, Rödl & Partner Vorlickova Tax, bpv Braun Partners, Recherchen von
Germany Trade & Invest
(S.Z.)
Dieser Artikel ist relevant für:
Tschechische Republik Arbeitsmarkt / Löhne / Ausbildung, Geschäftspraxis allgemein