OBSTBAU Neue Erkenntnisse zum Platzen von Süsskirschen Die moderne Tafelkirschenproduktion hat ein gutes Wertschöpfungspotenzial und zeichnet sich durch Rentabilität aus, verlangt aber in der Regel hohe Investitionen. Geplatzte Früchte können die interessanten Perspektiven dieser Kultur leicht zunichtemachen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass geplatzte Früchte selbst in gedeckten Anlagen ein Problem sein können. Bisherige Untersuchungen zum Platzen von Kirschen haben meist nur schlecht erklärbare Resultate ergeben. Das unzureichende Verständnis des Problems verunmöglicht seine gezielte Bekämpfung. Der vorliegende Artikel beschreibt laufende Arbeiten zum Thema. ALISTAIR GRACIE, PENNY MCMAHON UND STEPHEN WILSON, TASMANIAN INSTITUTE OF AGRICULTURAL RESEARCH, SCHOOL OF AGRICULTURAL SCIENCE, UNIVERSITY OF TASMANIA, AUSTRALIEN ÜBERSETZUNG: KATHARINA BÜRGEL UND LUKAS BERTSCHINGER, FORSCHUNGSANSTALT AGROSCOPE CHANGINS-WÄDENSWIL ACW, WÄDENSWIL [email protected] ie Süsskirschenproduktion in Australien ist ein D viel versprechender, stark wachsender Industriezweig. Trotz einer zuversichtlichen Industrieprognose geben Verluste durch Platzen der Früchte Grund zur Besorgnis. Um dieser Gefahr vorzubeugen, haben führende Produzenten Neupflanzungen in Gebieten mit geringem Sommer-Niederschlag erstellt und in manchen Fällen bei den wertvollsten Sorten zusätzlich Abdeckungen installiert. Es zeigte sich, dass zwar die Gefahr des Platzens reduziert wurde, eine absolute Kontrolle aber nur begrenzt möglich ist. Wenig erfolgreiche Bekämpfungsmassnahmen Die meisten der bisherigen Feldversuche zur Reduzierung des Platzens bei Süsskirschen haben sich auf Applikationen mit verschiedenen Spritzmitteln konzentriert (einschliesslich Mineralstoffe, hormonelle transpirationsmindernde Mittel und Netzmittel). Sie brachten nur begrenzt Erfolge. Üblicherweise sollen diese Behandlungen die Wasseraufnahme über die Fruchthaut reduzieren. Wie diese genau abläuft, wurde im letzten Jahrzehnt umfassend untersucht, da angenommen wurde, dass sie der Hauptgrund für das Aufplatzen ist. Obwohl in der Vergangenheit immer wieder erwähnt wurde, dass die Wasseraufnahme über das Wurzelsystem des Baums einen Einfluss auf das Platzen haben könnte, liegen bislang kaum fundierte Beweise dafür vor. Wissenschaftler der Universität von Tasmanien (Australien) untersuchten diese Annahme nun genauer. Die Studie basiert auf der Hypothese, dass sich der Mechanismus für das Platzen je nach Ursache stark unterscheidet. Falls dies zutrifft, könnte das eine Erklärung für die Unterschiede zwischen den veröffentlichten Resultaten sein. Das könnte helfen, Strategien gegen das Platzen für die Praxis zu entwickeln. Simulierter Regenfall und Bewässerung Die Versuche wurden in der Saison 2005/06 mit ausgewachsenen Kirschbäumen auf F12/1-Unterlagen an der Grove Research Station und in einer kommerziellen Anlage, beide in Tasmanien, durchgeführt. Um herauszufinden, wie der Wassereintritt in die Frucht abläuft, wurde mittels Sprinklern Regenfall simuliert. Die vier verschiedenen «Beregnungs-Behandlungen» sind in Tabelle 1 dargestellt. Das ausgebrachte Wasser entsprach etwa 30 mm Niederschlag. Die Anzahl Kirschen mit unterschiedlichen Arten von Rissen (Stiel, Tab. 1: Art der Behandlungen, um den Einfluss von simuliertem Regenfall und Bewässerung auf das Platzen von Kirschen festzustellen. 10 Behandlung Methode Beregnung der Blätter Verwendung von Sprinklern für die Beregnung der Baumkrone und der Früchte. Kunststoffmulch wurde um den Stamm der Bäume gelegt und das Wasser auf dessen Oberfläche abgeführt, damit keine Bewässerung im Baumwurzelbereich erfolgte. Bewässerung des Bodens Verwendung von Sprinklern für die Bewässerung des Bodens. Es wurde verhindert, dass Wasser auf Früchte und Blätter geriet. Beregnung der Blätter und Bewässerung des Bodens Verwendung von Sprinklern zur Beregnung der Baumkrone und der Früchte respektive Bewässerung des Bodens. Kontrolle Es wurde kein Wasser ausgebracht. SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/07 OBSTBAU Ursache von Rissen um Stielgrube und Fruchtspitze Der Anteil von Kirschen mit Rissen an Stiel und Spitze stieg signifikant bei Beregnung der Baumkrone, unabhängig davon, ob der Boden bewässert wurde SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/07 % geplatzte Früchte 35 30 25 20 15 10 5 0 0 2 4 6 8 10 12 Früchte pro Stammquerschnittsfläche (cm2) (Abb. 2 a und b) oder nicht. Diese Ergebnisse deuten an, dass diese Art des Platzens der Süsskirschen hauptsächlich durch Wasseraufnahme der Früchte über die Fruchthaut hervorgerufen wird. Eine Zunahme von Früchten mit Rissen an der Seite trat hingegen nur auf, wenn der Boden bewässert wurde (Abb. 2), unabhängig davon, ob die Blätter beregnet wurden oder nicht. Somit entstehen seitliche Risse vor allem durch erhöhte Wasseraufnahme der Früchte über die Leitbündel des Baums. a 10 8 6 4 2 0 P < 0.01 B A trocken nass Baumkrone b 10 8 6 4 2 0 P < 0.05 B A trocken nass Baumkrone Abb. 1: Beziehung zwischen der Anzahl der Früchte pro Stammquerschnittsfläche und dem Anteil geplatzter Früchte. Jeder Punkt bedeutet einen Baum. 25 P < 0.001 B 20 15 A 10 5 0 trocken nass c Boden Seitenrisse (%) Der Anteil geplatzter Früchte eines Baums wies eine negative Korrelation zur Anzahl Früchte pro Stammquerschnittsfläche auf (Abb. 1). Für diesen Vergleich wurden von jeder Sorte (Lapin und Simone) Bäume aus einer Reihe ausgewählt, die sich mehr als dreissig Meter vom Rand der Anlage entfernt befanden. Die starke Streuung des Fruchtbehangs zwischen den Bäumen (von 0.2 bis 10 Früchten pro cm2) war zwar unerwartet, wurde aber bei der statistischen Auswertung in den verschiedenen Behandlungsverfahren berücksichtigt, sodass dennoch eine Aussage über die Signifikanz der Unterschiede zwischen den Beregnungs- und Bewässerungsverfahren möglich war. Der Fruchtbehang und damit auch das Platzen der Früchte kann durch viele Faktoren beeinflusst werden, die vor oder nach der Befruchtung den Fruchtansatz bestimmen, so auch durch die Produktionsweise oder die klimatischen Bedingungen. Bei Untersuchungen zum Platzen von Süsskirschen (z.B. die Anfälligkeit verschiedener Sorten) wird der Fruchtbehang von Einzelbäumen in der Regel nicht erfasst. Das alles dürfte einige bisher publizierten widersprüchliche Resultate erklären. Sie dürften eher eine Folge eines unterschiedlichen Fruchtbehangs als die Folge unterschiedlicher genetischer Eigenschaften der Sorten sein. Mit dieser Studie konnte gezeigt werden, dass es sehr wichtig ist, den Fruchtbehang zu bestimmen, wenn das Platzen von Kirschen untersucht wird. Die Auswertung der Daten für den Anteil geplatzter Früchte ergab bei Berücksichtigung des Behangs keine signifikanten Wechselwirkungen zwischen der Art der Beregnung beziehungsweise Bewässerung und dem Ort (Sorte einbezogen). Darum konnten die Daten der zwei Versuchsorte zusammengefasst werden. y = -4.5788x + 47.387 R2 = 0.7967 40 Spitzenrisse (%) Einfluss des Fruchtbehangs 50 45 Stielrisse (%) Seite, Spitze) wurde vor und zwei bis drei Tage nach dem simulierten Regen erhoben. Die Bewässerung der Bäume erfolgte mittels Tröpfchenbewässerung. Pro Baum wurden alle Früchte gezählt und bonitiert. Durch die Messung des Stammumfangs konnte der spezifische Fruchtbehang (Anzahl der Früchte pro Stammquerschnittsfläche) ermittelt werden. In Parzellen mit Bewässerung des Bodens wurde die Bodenfeuchte durch Messungen eingestellt. Alle Früchte wurden geerntet, nach Art der Risse sortiert, gezählt, gewogen und anschliessend gefroren eingelagert, um Zuckergehalt (Brix) und osmotisches Potenzial zu einem späteren Zeitpunkt messen zu können. Für jedes Verfahren wurde auch die Anzahl unbeschädigter Kirschen erhoben und ihr Gewicht ermittelt. Richtung und Menge des Saftstroms, der nach einer Beregnung durch den Fruchtstiel floss, wurden gemessen. Ursache von Rissen in der gewölbten Fruchtoberfläche Die Aufnahme von Wasser über den Stiel wurde mittels eines Messgeräts, das den Saftstrom misst, aufgezeichnet. Es konnte festgestellt werden, dass in einem normal trockenen Tagesverlauf nachts mehr Wasser durch den Stiel in die Frucht fliesst als aus der Frucht herausfliesst, während um die Mittagszeit das Umgekehrte passiert (Abb. 3). Auffällig ist der starke Wasserstrom aus den Früchten gegen 17 Uhr. Der tägliche Verlauf des Saftstroms stimmt mit dem typischen täglichen Muster des Wasserpotenzials überein, das in den Bäumen gemessen werden kann: Wasser fliesst allgemein von Geweben mit hohem zu solchen mit niedrigem Potenzial. Bei einem Baum heisst das, dass der Wasserverlust in den Blättern (Transpiration) zur Tagesmitte zu einem Wasserdefizit im Stamm führt. Das wiederum bewirkt, dass den Früchten Wasser entzogen wird. Bei starkem Niederschlag am Nachmittag konnte gemessen werden, dass viel Wasser in die Früchte fliesst. Dieser starke Wasserstrom verursacht die Seitenrisse der Kirschen. Die Vorstellung, dass unterschiedliche Risstypen auch auf unterschiedliche Art entstehen, wird zusätzlich gestützt, wenn man das Auftreten der Risse in Abb. 2: Der Anteil an Rissen als Folge der Beregnung respektive Bewässerung (unterschiedliche Buchstaben auf den Balken bedeuten signifikante Unterschiede). 11 Tab. 2: Anteil der Früchte mit Rissen an Stiel, Spitzen oder Seiten, geerntet in derselben Anlage in den Jahren 2004/2005 und 2005/2006 (Mittelwerte der Sorten Simone, Sylvia und Lapin). Beginn des Niederschlags Art der Risse 7.3% 9.4% Spitze 3.4% 10.3% Seite 2.3% 18.1% 2004/05 20:00 Uhr 22:00 Uhr 18:00 Uhr 16:00 Uhr 14:00 Uhr 2005/06 Stiel Sonnenstunden (Std./Tag) 8:00 Uhr 10:00 Uhr 12:00 Uhr 2004/05 Klimabedingungen zwei Wochen vor der Ernte Tag ohne Niederschlag (leicht bedeckt am Vormittag) 4:00 Uhr 0.8 0.6 0.4 0.2 0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 Regentage 6:00 Uhr 0.8 0.6 0.4 0.2 0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 2:00 Uhr Saftstrom, Nettoflussrate (µl/h) Abb. 3: Beispiel einer Nettoflussrate des Saftstroms im Stiel intakter Kirschen während einer 24-Stunden-Periode. Positive Werte zeigen einen Nettofluss in die Frucht hinein (durch den Fruchtstiel). Saftstrom, Nettoflussrate (µl/h) OBSTBAU den Jahren 2004/2005 und 2005/2006 an identischen Bäumen der gleichen Anlage vergleicht. In der Saison 2004/2005 wurden vermehrt Risse um den Stiel und an der Spitze gemessen, als das Wetter um den Erntetermin (an dem die Kirschen jeweils am anfälligsten für das Platzen sind) bewölkt und regnerisch war (Tab. 2). Im Gegensatz dazu genügte in der gleichen Entwicklungsphase im Jahr 2005/2006 ein einziger starker Regentag (16 mm), um den Boden so zu benetzen, dass relativ viele Risse an den Seiten entstanden (Tab. 2). Schlussfolgerungen Diese Studie hat gezeigt, dass es verschiedene Entstehungsmechanismen für unterschiedliche Arten des Platzens von Kirschen nach Regenfällen gibt. Grosse, tiefe Risse in den Fruchtseiten entstehen durch viel verfügbares Wasser in der Wurzelzone, während Risse um die Fruchtspitze und den Stiel durch Wasseraufnahme über die Fruchthaut entstehen. Daher sollten praktische Massnahmen, die das Platzen von Süsskirschen eindämmen sollen, die Wasserverhältnisse sowohl im Baumkronen- wie auch im Wurzelbereich berücksichtigen. Regen (mm) Regentage (> 1 mm) 2005/06 5.5 7.6 21.6 16.2 5.0 1.0 Quelle Klimadaten: Büro für Meteorologie für Grove, Tasmanien. Ein hoher Fruchtbehang führt zwar zu kleinen Früchten, was heutzutage nicht generell erwünscht ist. Dennoch könnten in Regionen mit viel Sommerniederschlag Anbaumethoden, die einen hohen Fruchtbehang zulassen, helfen, Verluste durch geplatzte Früchte zu vermindern. In Anbetracht seines indirekten Einflusses auf das Platzen der Kirschen muss der Fruchtbehang unbedingt in Untersuchungen zu dieser Problematik einbezogen werden. In bisherigen Publikationen zu diesem Thema wurde der Fruchtbehang kaum berücksichtigt, was einige widersprüchliche Resultate der bisher publizierten Studien erklären dürfte. Dank Wir bedanken uns für die finanzielle Unterstützung des Australischen Regierungsdepartments für Landwirtschaft, dem Fischerei- und Forst-Büro Ländlicher Raum und für die Pflege der Kirschbäume auf dem DPIW Grove Forschungsinstitut sowie in der HansenObstanlage. RÉSUMÉ Nouveaux enseignements concernant l’éclatement des cerises de table L’éclatement des fruits est un sujet de préoccupation constante dans la production de cerises de table, car il peut générer des pertes économiques importantes. La cause du problème est connue: il est dû à l’absorption excessive d’eau par le fruit. Mais jusqu’à présent, on ne savait pas exactement de quelle manière l’eau parvient dans le fruit. Le projet a donc voulu étudier si le mode de pénétration de l’eau dans le fruit pouvait avoir une influence sur l’apparition de fissures dans la peau du fruit. A cet effet, de l’eau a été giclée avec un sprinkler sur les fruits mûrs prêts à être récoltés soit en aspergeant la couronne de l’arbre, soit en mouillant directement le sol. Il s’est avéré que lors de l’arrosage en pluie de la couronne de l’arbre, il se formait des fissures concentriques autour du creux de la tige et que la pointe du fruit était parcourue d’un fin réseau de craquelures. Il en ressort que de telles déchirures apparaissent lors de l’absorption d’eau à travers la peau du fruit, tandis que les parties latérales des fruits étaient profondément lézardées lorsque l’eau était absorbée à travers le système radiculaire et les vaisseaux conducteurs. 12 SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 9/07
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