Multiresistente Gram-negative Erreger – Alte Bekannte und

Multiresistente Gram-negative Erreger –
Alte Bekannte und neue (?) Spieler
Dr. Philipp Warnke
Inst. f. Med. Mikrobiologie, Virologie & Hygiene
Universitätsmedizin Rostock
Multiresistente Erreger (MRE) –
bekommen (sporadisch) Aufmerksamkeit der Medien
MRE – ernsthafte Gründe für eine
besondere Aufmerksamkeit I
• besondere Therapieprobleme
- höhere Mortalität wg. initial inadäquater kalkulierter Therapie
- wenig Alternativen
- ggf. ernstere unerwünschte Wirkungen
Kumar et al. 2006
Crit Care Med 34: 1589-96
MRE – ernsthafte Gründe für eine
besondere Aufmerksamkeit II
• besondere ökonomische Belastungen
- teurere Therapie
- verlängerte Behandlungsdauer
- pro infiz. stationärem Pat. ca. 17.000 € Mehraufwand
• Resistenzgen-Reservoir
- Keime gefährden andere Patienten, ggf. Mitarbeiter
• aber i.d.R. keine erhöhte Virulenz !
MRGN – was ist das ?
• Gram-negative Stäbchen-Bakterien
• Resistenzen gegen mehrere Antibiotikaklassen
(typ. Breitspektrum-Penicilline; 3./4.-Generations-Cephalosporine,
→ ext. spectrum ß-Laktamasen (ESBL), ext. spectrum Cephalosporinasen;
Carbapeneme → Metallo-ß-Laktamasen, Oxa-/KPC-Carbapenemasen;
Aminoglykoside → Acetylasen, Methylasen etc.;
Chinolone → mutierte Gyrasen, Topoisomerasen)
• chromosomal- / Plasmid- kodiert
• gleichzeitige Präsenz mehrerer Resistenzmechanismen
viel komplizierter als MRSA / VRE
(ein Mechanismus / ein Phänotyp)
Aktuelle hygienische Einteilung
multiresistente Gram-negative Erreger
vereinfachtes Einteilungs-Schema (RKI-Empfehlung):
MRGN – wie häufig sind sie in HRO ?
(Patienten mit Infektionssymptomen)
*weitere Enterobakterien: Enterobacter sp., Citrobacter sp., Serratia sp., Klebsiella sp.
MRGN – Vorkommen
nach anatomischer Lokalisation
(Universitätsmedizin HRO, 2012)
MRGN Epidemiologie i.d. Bevölkerung –
grundlegende methodische Probleme
Pränanalytik
• Personen- vs. Patientenkollektiv ?
• optimales anatomisches Areal ?
• Art u. Menge d. Untersuchungsmaterials ?
• Abnahmebesteck ?
• Transportbedingungen ?
Analytik
• optimale Untersuchungsmethode ?
• Selektivmedien vs. PCR, qualitativ vs. quantitativ ?
Validiertes Verfahren ?
MRGN – Prävalenz ambulanter Bereich
•
•
•
•
kürzlich erfolgte Nomenklatur- / Fokus-Änderung (ESBL vs. MRGN),
uneinheitlich in Europa !
„ältere“ Studien ESBL-fokussiert
Probenmaterial – z.B. Urin aus Niedergelassenen Laboren
Daten aus D spärlich:
7 - 8 % d. Patienten ESBL-E.coli
(Pfeifer 2012 Bundesges.bl. 55:1405-9, van der Donk 2012 PLoS One 7:e47707)
Spanien 5 % (Vinue 2009 Clin Microbiol Infect 15:954-7)
Schweiz 5 - 6 % (Geser 2012 AAC 56:1609-12, Nüesch-Inderbinen 2013 Microb Drug Resist
Epub ahead of print, Pasricha 2013 Antimicrob Resist Infect Control 2:20)
Italien 7 % (Picozzi 2013 Urol Ann 5:25-9)
England 8 % (Wickramasinghe 2012 J Antimicrob Chemother 67:1108-13)
Halbwerts-/Median- Zeit für Trägerstatus
• Carbapenem-res. Enterobakterien ca. 1J (Zimmermann 2013 Am J Infect Control 41: 190-4)
• ESBL-Enterobakterien 7 Mon. (Birgand 2013 Am J Infect Control 41: 443-7)
ESBL-/Carbapenemase-res. Enterobakterien in 36% d. Süßwasserproben
(Zurfluh 2013 Appl Environ Microb 79: 3021-6)
D - 67%, USA - 80% d. 2009 verkauften Antibiotika
f. Viehwirtschaft
(PEG 2013; Mole 2013 Nature 499: 398-400)
Epidemiologischer Grundvorgang
Zwischenablage
(vorübergehendes
Flächendesinfektion
Existieren)
Hygiea,
indirekt
Reservoir,
HändeQuelle
epidemiolog.
Übertragungs(dauerhaftes
desinfektion
Kontrollen,
weg
Leben)
rationaler
Mikroorganismus
direkt
Antibiotikaeinsatz
Empfänger
Impfung
Kontamination
spurenloses Entledigen (Eradikation)
± wirkungsvolles Verweilen (Kolonisation)
Schadensauslösung (Infektion)
Übertragung von MRE I
Reservoire
unterscheide asymptomat. Keimträger
vs. endogen od. exogen Infizierte
• S. aureus - Naseneingang, Tonsillen,
bei ≤ 70% d. Menschen transient / permanent vorhanden
• Enterobakterien - Darm, permanent vorhanden
• P. aeruginosa - Darm, Trinkwasser, meist vorhanden
• Acinetobacter sp. - Haut, Trinkwasser, häufig vorhanden
Übertragung von MRE II
Tenazität (Bedeutung von Zwischenablagen)
• S. aureus - hoch, überlebt Monate in trockener Umgebung
• Enterobakterien - gering (trockene Umgebung) bis hoch (Wasser)
• Pseudomonas aeruginosa - dito Enterobakterien
• Acinetobacter sp. - hoch, überlebt Monate in trockener/feuchter Umgebung
• S. aureus pot. auf allen waagrechten, griffhohen Oberflächen eines Raums
• Enterobakterien in 1 m Umkreis um Patienten
• Pseudomonas, Acinetobacter variable Situationen
• Biofilme mit allen Gattungen möglich,
der Tenazität förderlich
Umgebungsverteilung Gram-positiver vs.
Gram-negativer Bakterien
Lemmen et al. J Hosp Infect 56: 191-7 (2004)
• Umgebungsuntersuchung bei 54 Pat. mit MRSA bzw. VRE, 136 Pat. mit
Gram-neg. MRE (40 P. aeruginosa, 35 S. maltophilia, 20 E. coli, 13 Enterobacter, 12
Acinetobacter, 10 Serratia)
• Umgebungs-Positivitätsrate 25 % bei MRSA/VRE Pat. vs. 5% bei MRE Pat.
• Gram-positive Erreger am häufigsten auf Bett u. Kleidung,
Gram-neg. auf Duschkopf, Beatmungsgerät, Urinal
• kein Unterschied zwischen ITS u. Normalstation trotz unterschiedl.
Reinigungsfrequenz
• Gram-positive Erreger signifikant häufiger auf Händen d. Pat. /
Personals als Gram-negative Erreger
Übertragung von MRE III
Übertragungswege (Fokus d. Prävention)
• für alle - direkter Kontakt mit Keimträger / Infizierter Person
(u.a. Verschleppung auf einem Patienten - z.B. Anus / Harnwege - bedenken)
• für Spezies mit hoher Tenazität - auch indirekter Kontakt
(z.B. Medizinprodukte, Einrichtungsgegenstände, Utensilien f. Körperpflege)
• für Spezies mit Wasserreservoir - Kontakt mit Wasser
(z.B. Mundpflege, Absaugen, Gesichtwaschen)
• bei Infektion der Atemwege - auch Tröpfchen
Übertragungsprävention von MRGN
Reduktion der Risikoentstehung
• Klin. - mikrobiol. / infektiolog. Konsultationen / Visite
• Antibiotic Stewardship / ggf. Cycling
hilft - ggf. - gegen das selbstgemachte Risiko
?
Erkennen d. erhöhten Risikos
• Risikoanamnese (sofern spezifische Risiken für
Trägerstatus bekannt)
• Screening (sofern validierte Methoden bzgl. anatom. Ort,
Material, Verarbeitung verfügbar)
hilft gegen das von extern hineingetragene Risiko
Übertragungsprävention von MRGN
Hände sind maßgebliches
Übertragungs-Vehikel !
Vermeidung der Kontakt-Übertragung
• Standardhygienemaßnahmen !
- insbes. Händehygiene !! (Spender od. Kittelflasche, Erreichbarkeit !!)
- Griffflächendesinfektion (Patienten- u. Personal-bezogen, z.B. Schalter,
Tastaturen, Medizinprodukte)
• zusätzliche Isolierung unterstützt Aufmerksamkeit des Personals,
schützt andere Patienten bei Bad- / Toiletten-, Esstischnutzung
- cave: Isolierung ist psych. Wohlbefinden / Pat.versorgung abträglich, damit
ggf. negat. Auswirkungen auf Aufenthaltsdauer, Mortalität
Übertragungsprävention von MRGN
Hände sind maßgebliches
Übertragungs-Vehikel !
Spezifische Maßnahmen zur Übertragungsprävention
• SAA-/Basishygieneordnung geregelte Verrichtung spezifischer
Prozeduren
(z.B. Katheter-/Tubuspflege, Absaugung, Urinreservoirentleerung,
Wundverbandwechsel, Medikamentengabe)
• Wasserhygiene
(z.B. Verwendung steriles Wasser, Wasserfilter)
MRGN - Abstufung
von Präventionsmaßnahmen
Gezielte Übertragungsprävention durch intelligente Barrierepflege
• wo trägt der Patient MRGN (Atemwege vs. Harnwege / Wunde) ?
• ist der Patient mobil ?
• wie fit ist das Stationspersonal ?
• Basisanforderung - immer Händehygiene bei Verlassen des Zimmers
• Handschuhe - nur bei Kontakt mit pot. kontaminierten Flächen, Pat.kontakt
• Kittel - nur bei Patienten- / Bettkontakt
• Mund-Nasen-Schutz - nur bei Nachweis d. Erreger aus Atemwegsmaterial,
dann bei Arbeit in der Nähe der Atemwege bzw. mit entspr. Material
MRGN - spezifische
Präventionsmaßnahmen
Transport / apparative Untersuchung
• Patient - waschen, frische Kleidung, ggf. Bettzeug
• Personal - Schutzkittel, Handschuhe; kein MNS
• Liege, Griffflächen nach Transport / Untersuchung sofort desinfizieren
Information
• gesetzlich vorgeschriebene Überleitinformation !
• spezifische Merkblätter für Patienten, Angehörige, Personal
MRGN - Prävention
• Übertragungswege entspr. MRSA Prävention analog
Vollkommenheit
offensichtlich
nicht
• Prävalenz, Tenazität u./ entsteht
od. Virulenz geringer
Präventionsmaßnahmen
ggf. weniger
orthodox
dann,
wenn man nichts
mehr
hinzuzufügen hat,
•sondern
bei simultanem
Vorkommen
MRSA / MRGN
(≤ 10%
d. Pat.) führt MRSA
wenn
man nichts
mehr
wegnehmen
kann
Antoine
Saint-Exupéry,
Wind, Sand
und Sterne
insbes.de
Modifikationen
bzgl. Isolierung
möglich:
3 MRGN
aus Atemwegs
Materialien
ITS /
Risikobereiche
Normalstation
Isolierung
erforderlich
(Barrierepflege nur
in Absprache mit
der Krhs.-Hygiene)
3 MRGN
aus anderen
Materialien
Isolierung erforderlich
(Barrierepflege nur in
Absprache mit der
Krhs.-Hygiene)
exakte Beachtung der
Standardhygiene
4 MRGN
aus Atemwegs
materialien
Isolierung
erforderlich
4 MRGN
aus anderen
Materialien
Isolierung
erforderlich
(Barrierepflege
nur in
Absprache mit
der Krhs.Hygiene)
MRGN - der Teufel steckt im Detail
• keine validierten Screeningmöglichkeiten verfügbar
• alle Keimnachweise von infizierten Arealen u.
systemischen Materialien für Diagnose relevant
• keine validierten Sanierungsmöglichkeiten verfügbar
• bei Entscheidung zur Isolierung Fortführung bis Ende des Krhs.aufenthalts
• Kompromiss HRO:
3MRGN bei Patienten in Risikobereichen
drei neg. Nachweise von zuvor pos. Material
Entisolierung
MRGN –
Alte Bekannte und neue (?) Spieler
Dr. Philipp Warnke
Inst. f. Med. Mikrobiologie, Virologie & Hygiene
Universitätsmedizin Rostock