Head of Research Uwe Burkert Chefvolkswirt + 49 / (0) 7 11/ 1 27–7 34 62 [email protected] Autor Im Blickpunkt. Bargeld lacht. Wie lange noch? Dr. Jens-Oliver Niklasch Senior Economist Team Economics + 49 / (0) 7 11/ 1 27–76371 [email protected] Abgeschlossen am 23.02.2016 Landesbank Baden-Württemberg Seite 1 © Landesbank Baden-Württemberg Fazit. Bargeldobergrenze, Abschaffung großer Stückelungen und Negativzinsen. Die Pläne der Bundesregierung, eine Obergrenze für Bargeldzahlungen einzuführen, stecken noch in den Anfängen. Vorbilder hierfür gibt es aber in Europa zur Genüge. Dies macht eine Obergrenze für Barzahlungen wahrscheinlich. Ein solcher Schritt würde die Überwachungsmöglichkeiten der Behörden erweitern. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen (Verbrechensbekämpfung vs. Datenschutz und individuelle Freiheit) sind mannigfaltig. Davon zu trennen sind die Bemühungen um eine Abschaffung des 500-Euro-Scheins durch die EZB. Dies könnte ein Vorbote für noch tiefere Zinsen sein (die EZB schafft sich Ellenbogenfreiheit). U.a. steigen die Aufbewahrungskosten von Bargeld, wenn die verfügbaren Stückelungen kleiner werden. Offen muss bleiben, ab welcher Zinsuntergrenze die „Flucht ins Bargeld“ beginnt. Die meisten Schätzungen liegen um -2% herum (vgl. LBBW Research „Im Blickpunkt – Untere Grenze der Nominalzinsen“, 22. März 2015). Ebenfalls muss offen bleiben, ob einer Abschaffung des 500-Euro-Scheins ganz allgemein die Abschaffung des Bargeldes folgt. Derzeit halten wir dies nicht für wahrscheinlich. Zu groß sind die Vorteile des Bargeldes (schnelle und anonyme Abwicklung von alltäglichen Zahlungsvorgängen und einfache Wertaufbewahrung). Dagegen kann vermutet werden, dass Bargeld zurückgedrängt wird, wenn ein adäquates alternatives Zahlungssystem (z.B. per Smartphone) zur Verfügung steht, welches die Vorteile von Bargeld mit jener des Girokontos verbindet. Quelle: Bundesbank, Handelsblatt, Welt, LBBW Research Seite 2 © Landesbank Baden-Württemberg Sind Barzahlungen über 5000 Euro in Deutschland bald verboten? Der Vorstoß der Bundesregierung und die Position der Bundesbank. Finanzminister Schäuble hat ein Verbot von Barzahlungen über 5000 Euro ins Gespräch gebracht. Dies soll vor allem der Bekämpfung der Schattenwirtschaft sowie des Terrorismus dienen und die Geldwäsche der organisierten Kriminalität erschweren. Einen Zeitplan für diesen Vorstoß gibt es (zumindest offiziell) nicht. Allerdings strebt das Finanzministerium zunächst eine einheitliche Regelung für die (meisten) Staaten der EU an. Ein nationaler Alleingang ist allerdings möglich. Die Bundesbank schreibt zum Thema Bargeld: „In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Euro-Münzen sind beschränkte gesetzliche Zahlungsmittel, da niemand verpflichtet ist, mehr als 50 Münzen oder Münzen im Wert von über 200 Euro anzunehmen.“ Die Position der Bundesbank ist eindeutig zugunsten des umfassenden Gebrauchs von Bargeld. Eine Einschränkung der Bargeldnutzung bezeichnete Bundesbank-Vorstand Thiele als „Verlust an persönlicher wirtschaftlicher Freiheit.“ Gemäß einer Studie der Bundesbank aus dem Jahr 2014 werden wertmäßig ungefähr die Hälfte aller Transaktionen bar erledigt. Der Rest verteilt sich ungleich auf Girokarten, Kreditkarten, Überweisungen und sonstige Zahlungsarten. Beträge über 500 Euro (die höchste von der Bundesbank erfasste Betragsklasse) wurden 2014 zu über 31,7% per Überweisung getätigt. Auf Barzahlungen entfallen hier rund ein Viertel der Zahlungen. Quelle: Bundesbank, Handelsblatt, Welt, LBBW Research Seite 3 © Landesbank Baden-Württemberg Bargeld – Nicht überall gerne gesehen. Bestehende Beschränkungen für Barzahlungen in Europa Italien: Obergrenze von 1.000 Euro. Spanien: Obergrenze 2.500 Euro zwischen Händlern und Verbrauchern. Portugal: Obergrenze von 1000 Euro zwischen Händlern und Verbrauchern. Griechenland: Obergrenze von 1.500 Händlern und Verbrauchern. Ausnahme ist der Kauf eines PKWs. Belgien: Obergrenze für die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen in Höhe von 3.000 Euro. Bargeschäfte bei Immobilien sind gänzlich untersagt. Frankreich: Keine Bargeldzahlungen von mehr als 1000 Euro für Inländer und ausländische Händler, für Privatpersonen aus dem Ausland gilt mit Rücksicht auf den Tourismus eine Obergrenze von 10.000 Euro. Keine Beschränkungen gibt es in Island, Österreich, Slowenien, Litauen, Lettland, Zypern, Luxemburg und Deutschland. In Großbritannien, den skandinavischen Ländern, Estland, Ungarn und den Niederlanden existieren Obergrenzen für bestimmte Transaktionen sowie verschiedene Bestimmungen, welche den Annahmezwang von Bargeld einschränken bzw. Meldepflichten auffälliger Zahlungen regeln. Obergrenzen gibt es ebenfalls in den Nicht-Eurostaaten Rumänien, Bulgarien, Polen und Tschechien. Außerdem gilt: Reisende innerhalb der EU müssen Bargeld über 10.000 Euro beim Zoll anmelden. Quelle: Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland (www.eu-verbraucher.de) Seite 4 © Landesbank Baden-Württemberg Künftig k(l)eine Scheine? Unabhängig von der Einschränkung von Barzahlungen steht der 500-Euro-Schein zur Disposition Quelle: Deutsche Bundesbank, LBBW Research Seite 5 © Landesbank Baden-Württemberg Egal wie der Vorstoß der Bundesregierung in Sachen Barzahlung ausgeht: Es ist nach Presseberichten wahrscheinlich, dass der 500-EuroSchein bald verschwindet. Angeblich werden große Scheine v.a. zur Geldhortung, für Transaktionen in der Schattenwirtschaft oder in der organisierten Kriminalität verwendet. Für den „Normalbürger“ hätte das kaum Auswirkungen. Wahrscheinlich haben viele EU-Bürger in ihrem Leben noch nie einen gesehen oder in Händen gehalten. Wird der 500-Euro-Schein gehen, könnte es bald auch dem 200- und dem 100Euro-Schein „an den Kragen" gehen. Bargeld im Euroraum beliebt wie eh und je. Umlaufende Banknoten in Mrd. Euro 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 02 03 EWU 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Deutschland Quelle: EZB, LBBW Research Seite 6 © Landesbank Baden-Württemberg Seit der Einführung des Bargeld-Euros 2002 ist der Wert der umlaufenden Banknoten (Münzen spielen hierfür keine große Rolle) fast kontinuierlich gestiegen. Nach Schätzungen der EZB zirkulieren etwa 20% bis 25% des wertmäßigen Bargelds außerhalb des Euroraums, vor allem in den angrenzenden Nachbarstaaten in Ost und Südost. Eine deutliche Sprungstelle gab es 2008, als viele Bürger in der Finanzkrise den Banken misstrauten. Ebenso lässt sich ein Rückgang der Bargeldmenge im Sommer 2012 erkennen, als auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise die Zukunft des Euro auf dem Spiel stand. Bedeutung von Bargeld als Transaktionsmedium nimmt ab. Umlaufgeschwindigkeit des Geldes 8 7 6 5 4 3 2 1 0 02 03 04 EWU 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Deutschland Quelle. EZB, LBBW Research Seite 7 © Landesbank Baden-Württemberg Gemessen am nominalen BIP ist die Geldmenge überproportional gestiegen. D.h. die aus der FischerGleichung (M·V = P·Y) ermittelte Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nimmt ab. Das ist ein typischer Befund und zeigt, dass die Bargeldhaltung stärker steigt als das Einkommen (Geld als Luxusgut). Dahinter stehen eher Portfolio-Überlegungen als Zahlungsgewohnheiten. Markant ist hier der Zeitpunkt der Finanzkrise, als die Bargeldhaltung deutlich zugenommen hat. Dieser Befund spricht aber nicht für die These, dass Bargeld kriminellen Zwecken dient. Der 50er ist das „Arbeitspferd“, der 500er der „Store of Value“. Umlaufende Stückelungen nach Wert in Mrd. Euro Der nach Summe meistverbreitete Schein ist der 50-Euro-Schein. Scheine im Wert von 500 und 100 Euro sind zwar deutlich seltener, machen aber zusammen mit den 50er den Hauptanteil des Bargeldwertes im Euroraum aus. Der 200-Euro-Schein spielt eigentlich keine große Rolle. Interessant ist, dass die Wertsumme der umlaufenden 500er in der Finanzkrise 2008 deutlich zugenommen hat. Offenbar ist er für viele Bürger ein relevanter “Store of Value“ und weniger für Transaktionszwecke gesucht. Daher könnte insbesondere die Abschaffung der 500er ein Vorbote von noch negativeren Zinsen sein. Quelle: EZB, LBBW Research Seite 8 © Landesbank Baden-Württemberg Der tiefere Sinn? Bargeldverbot und Negativzins. Häufigkeit der Suchabfragen „Bargeldverbot“ (rote Linie) und „Negativzins“ (blaue Linie) bei Google, Die Themen „Negativzins“ und Durchschnittswerte monatlich, Jan 2016 = 100 „Bargeldverbot“ sind miteinander verknüpft. Je niedriger der Zins, desto attraktiver Bargeldhaltung. Sind die Zinsen deutlich unter Null, ist denkbar, dass private Nichtbanken vollständig auf Bargeld ausweichen. Dies ist mit Kosten für Transport und Aufbewahrung verbunden. Bargeldhaltung statt Sichteinlagen lohnt sich mithin erst unter diesem Satz. Wo der liegt, ist ungewiss. Bislang haben auch die Negativzinsen in der Schweiz (minus 0,75%) noch nicht zu einer Flucht ins Bargeld geführt. Schätzungen sehen diese Schwelle bei etwa -2% (vgl. LBBW Research „Im Blickpunkt – Untere Grenze der Quelle. Google Trends, LBBW Research Nominalzinsen“, 22. März 2015). Seite 9 © Landesbank Baden-Württemberg Das Undenkbare denken: Eine Welt ohne Bargeld. Wie sähe eine Welt ohne Bargeld aus? Alle Bezahlvorgänge würden per Überweisung, mit Karte oder mit dem Smartphone erledigt. Dadurch bleiben Transaktionen einfach, werden aber lückenlos überwachbar. In vielen Bereichen würde sich damit nichts ändern. Unternehmen und private Haushalte zahlen schon heute wertmäßig überwiegend bargeldlos. „Die Unterwelt“ dürfte sich anpassen. Vehikel könnten Bitcoins, ausländische Sorten oder Edelmetall werden, Zahlungen werden über Dritte abgewickelt. Für private Kleingeschäfte könnte sich eine (lokale) Ersatzwährung etablieren (irgendwas zwischen „AmiZigaretten“ und „Chiemgauer“). Auch elektronisch geregelte Tauschringe sind denkbar. Verbote müssten aufwendig kontrolliert werden. Will der Staat das? Was sagen die Wähler dazu? Eine Abschaffung des Bargelds dürfte mit einem Aufstieg von Bitcoins und Fintechs einhergehen, die Zahlungsdienstleistungen anbieten. Damit würden sich neue und komplexe Fragen zu Aufsicht und Regulierung stellen, zumal solche Anbieter von außerhalb des Euroraums operieren können. Die Geldpolitik würde damit sogar erschwert statt erleichtert. Aus Makrosicht und in der Theorie könnte die Notenbank die Zinsen deutlicher unter Null senken, ohne eine Flucht in Bargeld zu riskieren. Aber auch hier dürften sich alternative „Store of Values“ etablieren. Gegen Negativzinsen sprechen nicht nur praktische Gründe der Bargeldwirtschaft. Der Zins hat eine Allokationsfunktion, die durch so eine Politik ausgehebelt würde. Deflation mag nachteilig sein, aber ab einem gewissen Punkt ist die Medizin schlimmer als die Krankheit. Quelle: LBBW Research Seite 10 © Landesbank Baden-Württemberg Disclaimer. Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Postfach 1253, 53002 Bonn / Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt. 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