März 2016: Augsburg Journal - Kulturkritik 2

Kultur Kritik
Macht der Gefühle
ENDSTATION SEHNSUCHT auf der Brechtbühne
W
as, wenn nicht die großen zu machen und weckt Mitgefühl sogar
Gefühle wie Liebe, Trauer, für Nicht-Sympathieträger. Den konWut, Angst und Verzweif- genialen Partner für ihre Ideen hat sie
lung, machen stets aufs Neue betroffen? in dem Ausstatter Wolfgang Menardi
Schmerzen, Exzesse, Verdrängung und gefunden, und die Musik der Band
die Selbsttäuschung, in Alkohol und Los Banditos mit Sängerin Lea Sophie
Sex einen Ausweg zu finden, sind so Salfeld rundet die stimmige, auf ShowEffekte verzichtende Inszezeitlos wie es Tennessee WilNOTEN
nierung ab.
liams in „Endstation Sehnsucht“
REGIE
****
Das dem Regieteam zu
analysiert hat.
BÜHNE
Augsburgs Chefdramaturgin
zollende
Lob gilt gleicherma****
Maria Viktoria Linke war bereits DARSTELLER ßen den Darstellern. Glänzte
****
in dem Ehedrama „Gift“ von Lot
1947 Marlon Brando in der
Vekemans geglückt, auf der Bühne zu Rolle des Stanley Kowalski bei der Urspiegeln, wie Menschen in Konflikten aufführung des Stückes am Broadway
Kontrollverlust erleiden oder verrückt und 1951 in der Verfilmung, so muss
werden. Nun beweist sie in der Inszenie- in Augsburg Sebastián Arranz auf
rung von „Endstation Sehnsucht“ erneut der Brechtbühne den Vergleich nicht
ihre Kunst, starke Gefühle transparent fürchten. Arranz‘ Macho-Auftritt als
Ute Fiedler als Blanche DuBois flieht
in den Alkohol. Foto: Kai Vido Meyer
„Polacken“-Prolo verfehlt die Wirkung
weder bei der ihm hörigen Stella (Jessica Higgins) noch bei deren Schwester
Blanche DuBois (Ute Fiedler), die den
Blick von ihrem verlorenen Paradies
Belle Rêve (Schöner Traum) in den
Südstaaten nicht abwenden will.
Ute Fiedler wächst in dieser, sich
selbst und andere belügenden, nach
Liebe heischenden Blanche über sich
hinaus. Und jeder, der mit ihr auf der
Verliererstraße in Richtung „Endstation Sehnsucht“ unterwegs ist, allen
voran Mitch (Ferdinand Dörfler) als
unsicheres Muttersöhnchen, offenbart
die eigenen Defizite in dem von Tennessee Williams vortrefflich erstellten
Soziogramm der Loser-Gemeinschaft
in New Orleans.
Sybille Schiller
ZUM 21. MAL
GEBURTSTAG
R
ein rechnerisch feiert die Augsburger Pianistin Gertrud Kottermaier (Foto) am 29.
Februar erst ihren 21. Geburtstag. Geboren im
Schaltjahr 1932, gibt es das Datum 29. Februar nur alle vier Jahre. Kempten war Gertrud
Kottermaiers Geburtsort, Augsburg sollte ab
ihrem 5. Lebensjahr aber Mittelpunkt und
Heimatstadt werden. Auch mit jetzt 84 Jahren
ist sie jene grande Dame geblieben, die interessiert das Kulturleben verfolgt, besonders
die Aktivitäten der deutschen Mozartstadt Augsburg. 50 Jahre war sie die alleinige
Pianistin im Mozarthaus. Gertrud Kottermaier war verheiratet mit dem Pianisten und
Professor Karl Kottermaier (1900 – 1984) und trat mit ihm zusammen auf. Auf dem
Flügel in ihrem Wohnzimmer steht das Porträt ihres Mannes, aber auch das anderer
großer Pianisten wie András Schiff (geb. 1953) und das des Jahrhundert-Pianisten
Arthur Rubinstein (1887 – 1882). Ihn hatte Gertrud Kottermaier 1970 sogar kennengelernt und blieb bis zu seinem Tod in Brief- und persönlichem Kontakt.
sysch
BEGEISTERUNG
FÜR HÉJA
K
ein Plätzchen war beim monatlichen Treff der
Freunde des Theaters zu ergattern. Kein Wunder, denn eingeladen war Generalmusikdirektor Domonkos Héja
(Foto). „Das wichtigste ist mir das
Publikum“, sagte dieser gleich zu
Beginn. Aber das war nicht alles,
denn Héja erklärte auch, dass sich
ein Opernregisseur nach der Musik
richten müsse. Und damit traf er auf die offenen
Ohren der Anwesenden, die dem derzeitigen Regietheater sehr kritisch gegenüber stehen. Ja, und
was war sonst zu erfahren? Zum Beispiel, wie viele
Instrumente der in Ungarn geborene Dirigent spielt.
Schlagzeug, Klavier, Violine, Trompete! Doch am
liebsten gibt er am Pult den Ton an.
sysch
AUGSBURG JOURNAL / März 2016
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