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STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist
HAPAG-LLOYD/CSAV-FUSION
DIE HERKULESAUFGABE
ERFOLGREICH BEWÄLTIGT
„Die wenigsten Rechtsabteilungen sind für die Mammutaufgaben einer solchen Transaktion personell
gerüstet“, ist Hapag-Lloyd-Chefjustiziar Thomas Mansfeld überzeugt. Mit seinem sechsköpfigen
Team hat er gerade erfolgreich die Fusion mit der chilenischen Reederei CSAV zur viertgrößten
Linien­reederei der Welt begleitet.
unternehmensjurist
A
uf dem halbhohen Sideboard im geräumigen Büro am
Hamburger Ballindamm stehen einige Tombstones,
Andenken an besondere Unternehmenstransaktionen.
In dem Büro mit Blick auf die Binnenalster arbeitet Thomas
Mansfeld, General Counsel und Chief Compliance Officer der
Hapag-Lloyd AG. Eines dieser Erinnerungsstücke sticht hervor;
auf dieses ist Mansfeld besonders stolz: ein Quader aus dunklem, fein gemasertem Holz, darauf eine silberne Platte mit der
Aufschrift „General Counsel of the Year 2015“. Anfang März hat
die Assocation of Corporate Counsel (ACC) ihn als besten Unternehmensjuristen 2015 in Europa gewählt. „Under Thomas‘
aegis, the company has mastered the financial crisis, managed
to avoid major regulatory issues, and cemented its position as
a leading operator on the worldwide stage“, verkündeten die
Laudatoren auf der Festveranstaltung in London.
Zur Festigung der Rolle als eine der weltweit führenden Reedereien hat zweifellos die Fusion mit der chilenischen Compania
Sud Americana de Vapores (CSAV) SA in Valparaíso beigetragen. Durch diesen Merger ist die deutsche Traditionsreederei
zur viertgrößten Linienreederei der Welt aufgestiegen. 2011
hatten Hapag-Lloyd und CSAV schon einmal zusammengesessen, fanden damals aber nicht zueinander. Dieses Mal sollte
die Fusion nicht scheitern; Anfang Dezember 2014 gab es
grünes Licht für den Zusammenschluss.
Die Parteien einigten sich darauf, dass CSAV ihr gesamtes
Containergeschäft, das 90 Prozent ihres Geschäfts betraf, auf
Hapag-Lloyd übertragen sollte. Im Gegenzug erhielten die
Chilenen einen Anteil von 30 Prozent an Hapag-Lloyd, den
sie über die anschließende Kapitalerhöhung auf 34 Prozent
erhöhten. Die Transaktion fand im Rahmen eines sogenannten „Carve out“ statt, bei dem alle Aktivitäten, die mit dem
Containergeschäft von CSAV zusammenhingen, zunächst
einmal identifiziert, dann herausgelöst und in eine deutsche
Holding überführt wurden. Diese Gesellschaft wurde dann in
die Hapag-Lloyd AG eingebracht. Am Namen der Gesellschaft
hat sich dadurch nichts geändert; sie firmiert nach wie vor
unter Hapag-Lloyd AG.
Die richtige Mannschaftsaufstellung
entscheidet über den Erfolg einer Transaktion
Soweit die schlichten Fakten, die Umsetzung dagegen war eine
Herkulesaufgabe. Das lag vor allem daran, dass Mansfeld und
sein Team den Fusionsprozess über weite Entfernungen und
vor allem über viele Grenzen hinweg managen mussten: CSAV
ist in 47, Hapag-Lloyd in 112 Ländern vertreten. Überall mussten lokale Anwälte vor Ort die Niederlassungen und Agenturen
auf eventuelle Unstimmigkeiten prüfen. Entsprechend komplex und umfangreich war die Due Diligence, mit der beide
Partner schon begannen, nachdem sie die Absichtserklärung
im Januar 2014 unterzeichnet hatten. „Bisweilen hatten mehr
als 1.500 Personen Zugang zum virtuellen Datenraum, den ein
Provider aus Frankfurt für uns eingerichtet hatte. Weit mehr
STRATEGIE & MANAGEMENT
CHRONOLOGIE
Dezember 2013Hapag-Lloyd und CSAV führen
Gespräche über mögliche Kombination des Geschäfts oder
Zusammenarbeit
22. Januar 2014Hapag-Lloyd und CSAV unterzeichnen Absichtserklärung;
Due Diligence wird eingeleitet
16. April 2014Hapag-Lloyd und CSAV unterzeichnen bindenden Vertrag
über die Zusammenlegung des
Containergeschäfts; Vorhaben
wird bei den verschiedenen relevanten Wettbewerbsbehörden angemeldet
2. Dezember 2014Hapag-Lloyd und CSAV voll­
ziehen den Zusammenschluss
als 10.000 Fragen und Antworten wurden ausgetauscht“,
berichtet Mansfeld. Allein der „Final Legal Due Diligence
Report“ habe mehr als 2.000 Seiten umfasst. „Wir haben ihn
alle gelesen“, sagt er.
Wir – das sind für seinen Bereich „Recht“ gerade einmal fünf
Inhouse-Anwälte und ein Kollege, der zur Hälfte auch für
den Bereich Compliance arbeitet. Angesichts einer globalen
Fusion, bei der viele verschiedene Jurisdiktionen eine Rolle
spielten, erscheint die Personaldecke nicht gerade üppig. Wie
hat der Chefjustiziar es geschafft, den Überblick zu behalten
und welche Empfehlungen kann er aus seinen eigenen Erfahrungen weitergeben? Im Gespräch arbeitet Mansfeld vier
wesentliche Punkte heraus: Verstärkung holen, gute Teams
aufstellen, Prioritäten setzen und nicht zuletzt: die Fusion
frühzeitig anmelden.
Wie bei einem sportlichen Wettkampf komme es zunächst
auf die richtige Mannschaftsaufstellung an. „Die wenigsten
Rechtsabteilungen sind für die Mammutaufgaben einer solchen Transaktion personell gerüstet. Deshalb sollten sich Justiziare rechtzeitig über eine Verstärkung und zusätzliche Kräfte
Gedanken machen“, empfiehlt Mansfeld. Manche Großsozietäten würden einen Pool von Anwälten „zum Ausleihen“
bereit halten.
Mansfeld hat allerdings erst gegen Ende der Fusion sein Team
um zwei zusätzliche Rechtsanwälte ergänzt. Das lag vor allem
daran, dass nur seine Mitarbeiter zusammen mit den jeweiligen Fachkollegen die speziellen Verträge aus der Schifffahrt
wie Konsortial- oder Terminalverträge überprüfen konnten.
„Wir haben uns die Verträge auch im Hinblick auf die spätere
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Integration von CSAV angeschaut und uns bereits Gedanken
gemacht: Was wollen wir übernehmen, was nicht“, berichtet
er. Diese Aufgabe hätte man nicht an Personen delegieren
können, die das Geschäft und das Unternehmen noch nicht
lange kannten.
Das Steuerungsteam muss klare Vorgaben
machen und die Zügel fest in der Hand halten
Sehr wichtig ist nach seiner Ansicht auch ein Team, das sich
„um das tägliche Doing“ bei einer so komplexen Due Diligence kümmert. „Das müssen nicht zwingend Juristen sein“,
DIE UNTERNEHMEN VOR DER FUSION
Hapag-Lloyd AG, Hamburg
• Flotte: 154 moderne Containerschiffe
(einschließlich Charterschiffen)
• Kapazität: 777.469 TEU
(Twenty-Foot-Equivalent Unit)
• Verbreitung: 101 Liniendienste rund um den
Globus
• Niederlassungen: 330 in mehr als 112 Ländern
• Mitarbeiter: weltweit 6.971
• Bedeutung: sechstgrößte Linienschifffahrts­
gesellschaft der Welt
Compania Sud Americana de Vapores (CSAV),
Valparaiso
• Bedeutung: eine der ältesten und größten
­Schifffahrtsgesellschaften Lateinamerikas
• Flotte: 53 Containerschiffe
(einschließlich Charterschiffen)
• Kapazität: 265.092 TEU
• Verbreitung: 30 Verbindungen weltweit
• Mitarbeiter: 4.211 weltweit
Das fusionierte Unternehmen
• Bedeutung: viertgrößte Linienreederei der Welt
• Flotte: 200 Containerschiffe
• Kapazität: knapp eine Million TEU
• Jährlicher Transport: 7,5 Millionen TEU
• Umsatz: 9 Milliarden Euro
• Aktionäre: CSAV (34 Prozent), Beteiligungsgesellschaft der Stadt Hamburg HGV (23,2 Prozent),
Kühne Maritime (20,8 Prozent), TUI (13,9 Prozent)
sowie Signal Iduna, HSH Nordbank, MM.Warburg
und Hanse Merkur
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sagt Mansfeld. Bei Hapag-Lloyd hat das sogenannte „Projekt
Management Office“ diese Aufgabe übernommen, dem Mitarbeiter aus dem operativen Geschäft der Schifffahrt, dem
Corporate Development und auch ein jüngerer Kollege aus
der Rechtsabteilung angehörten. Sie achteten darauf, dass
die Fachabteilungen die Unterlagen an den richtigen Stellen
einordneten, leiteten Fragen und Antworten entsprechend
weiter und waren für viele praktische und technische Fragen
die erste Anlaufstelle.
Darüber angeordnet war ein Kernteam aus den entscheidenden Stabsabteilungen Recht, Steuern, Finanzierung und
Rechnungswesen. Diese sechsköpfige Gruppe, das „Steuerungsteam“, hat im Wesentlichen die Fäden gezogen. In regelmäßigen Terminen oder bei ganz entscheidenden Fragen
wurde der Vorstand einbezogen. Täglich haben sich die Kollegen zusammengesetzt und sich über die Themen aus ihren
Bereichen ausgetauscht. Angesichts der umfangreichen und
komplexen Due Diligence entschied das Steuerungsteam auch
gleich zu Beginn der Datensammlung, dass selbstverständlich
nur Verträge mit einer gewissen wirtschaftlichen Mindestgröße eine Rolle spielen sollten. Außerdem legten sie zusammen
eine Indexierung fest, nach der die verschiedenen Dokumente
abgelegt werden sollten. Zudem erfolgten die Reports nach
einem bestimmten Muster, darüber hinaus warnte ein sogenannter „Alert Sticker“ am Anfang eines jeden Berichts vor
aufgedeckten Problemen.
Eine weitere wichtige Aufgabe dieser Gruppe war es ebenfalls,
die vielen externen Berater zu steuern. Es sei, so Mansfeld,
vor allem eine große Herausforderung gewesen, die lokalen
Anwälte, die vor Ort Verträge sichteten, einzubinden, zu informieren und zu lenken. Ein Berater habe zum Beispiel wissen
wollen, welche Sprachkenntnisse ein Praktikant in Schweden
vorweise konnte. „Da haben wir natürlich eingegriffen. Wir
wollten uns ja nicht in solchen Details verlieren“, erinnert
sich der Chefjurist.
Je komplexer die Transaktion, desto wichtiger
ist die permanente Kontrolle der Kosten
In einem Bieterverfahren würde er deshalb von vornherein
empfehlen, die Fragen mengenmäßig zu begrenzen. Das sei
im Fall von Hapag-Lloyd und CSAV nicht möglich gewesen. Es
sei aber gelungen, die vielen Fragen auf einem „hohen Level“
zu halten. Ein Beraterteam aus dem Hamburger Büro von
Freshfields Bruckhaus Deringer half ihnen ebenfalls dabei, die
Zügel über die große Beraterschar in den Händen zu halten.
Die internationale Großsozietät, vor allem der Hamburger
Partner Dr. Marius Berenbrok, war Mansfeld schon länger
vertraut, nicht zuletzt weil Berenbrok die Stadt Hamburg,
die mit 23,2 Prozent an Hapag-Lloyd beteiligt ist, mehrfach
in diesem Zusammenhang beraten hatte.
Dennoch hatte Mansfeld zunächst eine Shortlist mit drei
Kanzleien, die für den Merger in Frage kamen, bevor die
unternehmensjurist
endgültige Wahl auf Freshfields fiel. Auf ihr Netzwerk von
Partnerkanzleien griff er auch bei der Auswahl der lokalen
Anwälte zu, sofern Hapag-Lloyd nicht in den Ländern bereits
mit anderen zusammengearbeitet hatte. „Mit der Auswahl
der Anwälte haben wir auch bereits die Kosten verhandelt“,
berichtet Mansfeld und gesteht ein, dass dies angesichts der
komplexen Transaktion kein leichtes Unterfangen gewesen
sei. „Wir haben ständig die Kosten überwacht und uns wieder
zusammengesetzt, wenn die Summen aus den vorgegebenen
Bandbreiten liefen“, berichtet er.
Neben den Freshfields-Anwälten hatte das Steuerungsteam
auch Unternehmensberater von Roland Berger beauftragt.
„CSAV hat mehr als 4.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Berger-Experten haben unter anderem Organisations- und Vergütungsstrukturen bei CSAV untersucht“, erklärt Mansfeld.
Die Unternehmensberater prüften auch, ob die Synergien
im Wert von rund 300 Millionen US-Dollar realistisch und
ob das Austauschverhältnis von 30 Prozent der Hapag-LloydAnteile für die CSAV-Containersparte angemessen gewesen
sind. Zwei Roland-Berger-Experten gehörten ständig dem
Steuerungsteam an.
STRATEGIE & MANAGEMENT
in Valparaíso. Von dem Schema
sei man allerdings ein paar Mal
abgewichen, als viele deutsche
Berater mit von der Partie waren.
„Da haben wir uns aus Kostengründen in Paris und in Madrid
getroffen“, so Mansfeld.
Der finanzielle und zeitliche
Aufwand für diese persönlichen
Meetings mit der Gegenseite hätten sich auf jeden Fall gelohnt,
Thomas Mansfeld,
seien „ein wesentlicher Schlüssel
General Counsel und
zum Erfolg“ gewesen. „Wir sind
Chief Compliance Officer,
dann nicht eher auseinander geHapag-Lloyd AG
gangen, bis die wichtigen Punkte
abgehandelt waren. So etwas
funktioniert am Telefon nicht.“
Nach den Verhandlungen, seien
sie auch noch so hart gewesen,
seien alle zusammen essen gegangen – ganz locker, in bunter
Reihe. „Dadurch sind wir uns auch menschlich näher gekommen“, sagt Mansfeld.
Anke Stachow
Persönliche Kontakte sind durch nichts zu
ersetzen – sie bringen die größten Fortschritte
Ganz entscheidend für den recht zügigen Fusionsprozess
ist nach den Worten von Mansfeld die frühzeitige Fusionsanmeldung gewesen. „Ich kann nur jedem empfehlen, so
früh wie möglich die Länder zu identifizieren, in denen die
Wettbewerbsbehörden über den Zusammenschluss informiert
werden müssen und die Informationen für die Anmeldung
zusammenzustellen“, rät der Chefjurist. „In vielen Fällen
haben beide Fusionspartner ihre Arbeiten erledigt und warten
nur noch auf die Freigabe der Kartellbehörden, bis sie endlich
den Kaufvertrag unterzeichnen können.“ Genauso war es auch
bei Hapag-Lloyd und CSAV, obwohl die Beteiligten bereits
mit Unterzeichnung des bindenden Vertrages ihr Vorhaben
bei den relevanten Wettbewerbsbehörden angemeldet haben.
„Zum Schluss standen alle bereit, einschließlich der Notare,
und warteten nur noch darauf, dass auch die chilesischen
Wettbewerbshüter grünes Licht erteilen.“ Am 2. Dezember
2014 war das – nur ein Jahr, nachdem die beiden Parteien die
Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss wieder
aufgenommen hatten.
Dass in dieser kurzen Zeit die Fusion erfolgreich abgeschlossen werden konnte, dazu trugen auch die vielen persönlichen
Treffen bei. „Mit den Kollegen von CSAV, die dort den Fusionsprozess steuerten, haben wir wöchentlich telefoniert“,
berichtet Mansfeld. „Die größten Fortschritte in den Verhandlungen haben wir jedoch erreicht, wenn wir uns persönlich
getroffen haben.“ Obwohl beide Parteien gut 24 Flugstunden
voneinander trennen, haben sie sich fast monatlich für drei bis
fünf Tage getroffen, immer abwechselnd mal in Hamburg, mal
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