Kein Folientitel

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Pilotprojekt: Psychosoziale Prozessbegleitung (PPB)
Landgerichtsbezirke:
Stuttgart – Karlsruhe – Ellwangen
Zielsetzung: erwartbare Zahlen erheben
Erfahrungen für Abwicklung in der Praxis sammeln
gefördert durch:
für 2015 und 2016
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Zielgruppe 1:
Kinder, Jugendliche,
ihre Bezugspersonen
mit
besonderer
Schutzbedürftigkeit,
nach schweren
Gewalt-/Sexualtaten
Zielgruppe 2:
Erwachsene Zeugen mit
-besonderer
Schutzbedürftigkeit,
-nach schweren
Gewalt-/Sexualtaten
-schweren Tatfolgen
-Behinderung, psych.
Beeinträchtigung
-Migrationshintergrund
 je nach Kapazität
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Fallerfahrungen mit PPB
Öffentlichkeitsarbeit
Faltblatt Zeugen, Fachleute
 Infomails, Verschickung,
Projektpräsentationen,
(Presse)Artikel über PPB
Ellwangen und KA: zuerst Projektvorstellungen:
LGs, AGs, StAs, Kripo,
viel Öffentlichkeitsarbeit
- seit November: erste Fälle JA, Beratungsstellen Se Ge
Runde Tische (Se Ge, HG),
Info-Stände, Vorträge
Statistik, Dokumentation,
Supervision, koll. Beratung, (Adressdateien erstellen)
Stgt.: fließender Übergang
ZB: sehr von Vorteil
ca. 50 Fälle gesamt
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Schnittstelle
Polizei/
Justiz
Pädagogik
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1. Fallkonstellationen in der PPB:
Junge Frauen vor der Anzeige von Sexualdelikten
- Infos zu Abläufen, Legalitätsprinzip
- Schutzmaßnahmen  mögliche Belastungen
- Vermittlung an Anwalt, Beratungsstelle/Therapie
- Angebot mit PPB begleiten
- KEINE BERATUNG PRO – CONTRA ANZEIGE!
inhaltliche Neutralität,
* Anzeige => Kontrolle aus der Hand geben
* mit erfahrener Anwältin => Einflussmöglichkeiten im
Verfahren nutzen können
 Folgende Begleitung bei Bedarf, erste Erfahrungen
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Exemplarisch:
 Vermittlung über Therapeutin, Heranwachsende Zeugin, Se Mi in
Kindheit, vor Grundschulzeit, Telefonat Therapeutin ca. 45 min: Infos
zur Zeugenaussage als Therapeutin, wer soll Vertrauensperson sein
 Vorgespräch mit Therapeutin, Zeugin, ihrer Mutter: was bedeutet eine
Anzeige, was kommt auf sie zu, welche Schutzmaßnahmen gibt es, 
2,5 h mit Vor-/Nachbereitung
 Vermittlung Anwältin, Fragen an Anwältin sammeln,
 z. B. Erwartungen an Anzeige thematisiert, Presseberichterstattung,
Einstellungsmöglichkeit, mit Anwältin besprechen, wer Kontakt zu
weiteren Zeugen aufnehmen sollte (nicht selbst „ermitteln“)…
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2. Fallkonstellationen in der PPB: Se Ge,
Menschenhandel, Vermittlung von Polizei nach der
Anzeige, vor Anklage
-
erste Fallerfahrungen beginnen
kurzfristige PPB-Terminvergabe
Informationen zu Abläufen,
Anwalt?  Zusamenarbeit
Beratungsstelle/Therapie?  Zusammenarbeit
Zusammenarbeit Polizei
 Unsicherheit, Wartezeit begleiten
 Welche Hilfe ist kurzfristig wie sinnvoll? (nicht zu
viele neue Personen gleichzeitig)
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Prozessvorbereitung …
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Fallkonstellation: Behinderung und se Ge
 Se Nöt., behinderte erw. Zeugin, durch Behinderten der Einrichtung
 ca. 2 h Infogespräch im Team der Einrichtung, Strafverfahren,
Opferschutz, Verfahrensgrundsätze, …, Tel, mails (30 min?) Fahrtzeit:
2x ca. 1 h
 Vermittlung an zwei Anwälte für Opfer und Täter
 nach Anklage, PV mit Zeugin und Betreuerin (Saalbesichtigung,
Abläufe, was mitnehmen zur Vernehmung?)
 Absprache Anwältin, Telefonat Gericht
 Begleitung zur Vernehmung, Begegnung Angeklagten vermeiden,
Wartezeit überbrücken, Nachbesprechung, Info Urteil
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Kennenlerngespräch mit Richter
im Rahmen
der Prozessvorbereitung
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3. Fallkonstellation: nach der Anklage, Zeit bis zum Gericht
- mehrere Ki, Ju, He, als Zeugen in einem
Verfahren vor der Jugendschutzkammer,
- se Mi durch Vater, unterschiedliche Loyalitäten in
Familie
- über Anwalt und Beratungsstelle vermittelt, Tel
ca. 30 min., (auch Ergänzungspfleger)
- PV, Saalbesichtigung mit Beratungsstelle,
 2 PPB-Personen, Mann-Frau,
- Aussage durch Geständnis erspart, Abladungen
 Weitere Abgabe an Beratungsstelle
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4. Fallkonstellation: kurzfristige Anfrage vor der
Gerichtsverhandlung
- Angehörige von Tötungsdelikten: vorher schon
bei Traumaambulanz, Therapeuten, Anwalt
- z. T. stark verkürzte Vorbereitungszeit, reduziert
auf Vernehmung selbst, Stabilisierung in Pausen
- schneller, vertrauensvoller Kontaktaufbau nötig
- Sexueller Missbrauch durchs Internet (Chat)
 Zeugen von überregional: Prozessvorbereitung
telefonisch, Kooperation ZB/PPB überregional?
 Saalbesichtigung am Nachmittag vor
Gerichtstermin, PB, telefonisch: Urteil,
Nachbesprechung
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5. Fallkonstellation: PPB über langen Zeitraum
- bisher nur 2-3 Verfahren mit ca. 50 - 70 Std.
- durch Se Mi traumatisierte Zeuginnen,
- Psychiatrie erfahren,
- Förderschulabschluss,  wdh. juristische Formalitäten
erkären, kognitives Verstehen begrenzt,  Aushalten
- großer Unterstützungsbedarf, kaum private Unterstützung,
Familienprobleme, z. T. fremduntergebacht,
- intensiver Kontakt: Beratungsstelle, Therapeutin, Anwältin
- Haftentlassung des Angeklagten während Verfahren,
- Klinikaufenthalt während Gerichtsverfahren,
- lange Dauer (Anzeige  Urteil), viele Gerichtstage,
Verfahrensverschiebungen, Revision, Presseberichte,…
 Freispruch? – Bewährung? – Gefängnisstrafe –Revision
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Dokumentation
Geschlecht
Alter
Nationalität
Belastung,Beeinträchtigung
Bezugspersonen
Delikt
Verfahrensausgang
Anzahl Vernehmungen
LG-Bezirk
Erfahren von PPB über...
Vermittlung durch...
Kontaktbeginn
Zeitaufwand
Kontakt mit
Verfahrensbeteiligten/
Kooperationspartnern
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Themen und Fragen aus Gesprächen mit Kooperationspartnern
- Gericht/StA: Datenschutz? Welche Daten dürfen unter welchen
Umständen an die PPB weitergegeben werden?
- Gefährdet Verteilung des PPB-Flyers die Unbefangenheit des
Gerichts? Besser Verteilung durch StA
- Dürfen bisherige Zeugen- und Prozessbegleiter weiter begleiten (auch
ohne Weiterbildung)?  Ja, aber nicht als PPB
- Polizei: Muss eine Vernehmung aufgeschoben werden, bis eine PPB
hinzugezogen wurde?  Nein, aber Info über PPB-Angebot, Flyer
- PPB: Kann ein Gericht zur PPB „verpflichten“?
- Wie wird eine Vertretung umgesetzt nach Beiordnung durchs Gericht?
- Wann kann/soll ein Fall an KollegInnen abgegeben werden?
- PPB-Trägervereine: Wie erfolgt die Abrechnung konkret? Kann es
auch in Baden-Württemberg eine Kombi von Pauschalfinanzierung und
Stellenfinanzierung geben?
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Fragen von Beratungsstellen, psychosozialen Fachdiensten
 Wie viele Fälle soll ein Prozessbegleiter zeitgleich haben (dürfen?) 
schwer einzuschätzen, Nachfrage? Stellvertretung? Dauer eines Falls, schwierig, da kein
Einfluss auf Gerichtstermine, kann stressige und entspannte Phasen geben
 zeitliche Kapazität für PPB, Kurzfristige Termine?
 Möglichkeiten der Kooperation, gemeinsam an einem Fall arbeiten?
 darf auch Beratungsstelle als Vertrauensperson begleiten? 
Absprache mit Anwalt und Klientin, Vor- und Nachteile abwägen,
kollegiales Coaching möglich, wenn juristisch nichts dagegen spricht
(Geständnis, keine Konfliktverteidigung) bei schwierigen Verfahren eher nicht
empfehlenswert
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Vernetzung überregional mit PPBs, Pilotprojekten,
RWH, BPP, …
www.zeugeninfo.de (Zentrale Tel. Nr., mail)
 Aufbau seit Herbst 2014, Online Jan./Feb. 2016?
Weiterbildung PPB für Ba-Wü?
 Wie den Rechtsanspruch auf PPB in Ba- Wü
flächendeckend umsetzen können?
 Informationsfluss, Austausch der bisherigen
Zeugenbegleitungen und PPBs, Motivation zu einer
PPB-WB
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Bisherige Erfahrungen im Pilotprojekt PPB
- Stundenumfang: bisher meist ca. 20 Std./Fall
 KlientInnen auch bei Beratungsstellen,
 Kontakt meist nach dem Ermittlungsverfahren
 Einstellungen, ersparte Aussagen (Geständnis)
 Fälle vor der Anzeige (laufen noch)
- bei Erwachsenen: PPB bei Se Mi, Verg,
Menschenhandel, Behinderung, Traumadiagnose
(weniger KV, HG, Orientierung an Nebenklage)
- ZB ergänzend zur PPB (mit Ehrenamt) sinnvoll
- PPB regionalen Anforderungen anpassen
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- z. T. Termindoppelungen oder
- mehrere KlientInnen in einem Verfahren,
 mehrere PPB-Personen in Bezirk sinnvoll
 Stellvertretung klären müssen
 kaum Einfluss: Vernehmungs-/ Gerichtstermine
- Wie erfolgt Zuordnung zu PPB bzw. ZB?
(Delikt, Alter, Traumatisierung,…)  Da kein
inhaltliches Wissen, Absprache Kooperationspartner
?
Begleitung zum Glaubhaftigkeitsgutachten? 
Erfahrungen machen
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fachlicher Unterschied zwischen ZB und PPB:
 Abgrenzung zur ZB deutlich, vermehrt
- Bewältigung der Situation,
- Umgang mit Angst,
- psychische Stabilisierung,
- Umgang mit Enttäuschungen,
- Umgang mit Anwalt,
 auch dabei sein und Informationen geben,
+ mehr aktive Unterstützung bei Belastungen
+ mehr Gespräche mit Verfahrensbeteiligten
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Balance zwischen Zeugeninteressen und Interessen der Justiz
Bildquelle: http://pixabay.com/de/waage-gerechtigkeit-gesetz-316888/ (Stand: Nov. 2014)
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Vielen Dank
für Ihre
Aufmerksamkeit!
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Bewährungshilfe Stuttgart e.V.
PräventSozial gGmbH
Tina Neubauer
[email protected]
Justiznahe Zeugen- und Prozessbegleitung
Psychosoziale Prozessbegleitung
Neckarstraße 121
70190 Stuttgart
Fon +49 (0) 711 | 58533950 (Zentrale Servicenummer)
Fax +49 (0) 711 | 58533952
[email protected]
www.zeugeninfo.de (ab voraussichtlich 2016)
www.bewaehrungshilfe-stuttgart.de
www.praeventsozial.de
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Anhang
Weitere Informationen zur Vertiefung
und Einordnung
oder bei Nachfragen
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Was ist psychosoziale Prozessbegleitung?
- eine besonders intensive, nichtrechtliche Unterstützung
- für von schweren Straftaten verletzte,
- besonders belastete Zeuginnen und Zeugen
in Strafverfahren.
- ergänzt das Angebot einer Zeugenbegleitung
- von der Anzeige bis zum rechtskräftigen Urteil
- durch eine fachlich speziell qualifizierte Ansprechperson
- neutrale, alters- und entwicklungsgerechte Informationen
zu Gerichtsverfahren und juristischen Notwendigkeiten
- kein Gespräch über den Inhalt der Aussage/Tatvorwurf
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Psychosoziale Prozessbegleitung (nach Friesa Fastie)
-
Die tatsächlichen individuellen Belastungsmomente eines
Zeugen erkennen und
-
durch eine alters- und entwicklungsangemessene
-
Vermittlung von Rechtskenntnissen und
Bewältigungsstrategien
-
im Rahmen sozialpädagogischer Betreuung und
-
in wohlwollender Kooperation mit allen am Strafverfahren
beteiligten Berufsgruppen minimieren.
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Wozu psychosoziale Prozessbegleitung? Ziel
- Die individuelle Belastung von verletzten Zeuginnen und
Zeugen reduzieren
- eine Sekundärviktimisierung vermeiden
- Stabilisierung der Zeuginnen und Zeugen
- Vermittlung von Bewältigungsstrategien in Bezug aufs
Gerichtsverfahren
- Förderung der Aussagebereitschaft und nach Möglichkeit
Stärkung der Aussagefähigkeit
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Wer führt psychosoziale Prozessbegleitung durch?
Strafrechtsausschuss und Justizministerkonferenz:
Qualitätsanforderungen an sozialpädagogisch und
strafrechtlich weitergebildete Fachkräfte:
abgeschlossene interdisziplinäre Qualifizierung
(z. B. bei RWH - Recht Würde Helfen - Institut für Opferschutz im
Strafverfahren)
(vgl. Bericht des Strafrechtsausschusses 2014: „Psychosoziale Prozessbegleitung“)
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Psychosoziale Prozessbegleitpersonen (RWH), angestellt
bei PräventSozial:
Christian Veith
Claudia Robbe
Tina Neubauer (Leitung)
- jeweils ca. 50% Stellenanteil pro LG-Bezirk
- ca. 50% Stellenanteil für die Projektleitung
- justizinterne Büros
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Was bietet psychosoziale Prozessbegleitung?
-
frühzeitige, individuelle ressourcenorientierte Beratung/Begleitung
- vor, während und nach der Hauptverhandlung
- Auseinandersetzung mit individuellen Belastungsfaktoren/Ängsten
- erhöhtes Sicherheits- und Kontrollgefühl in der „fremden“ Situation
vor Gericht z.B. durch den Besuch von Gerichtssälen im Vorfeld
- Begleitung zu Vernehmungen und Überbrückung von Wartezeiten
- Begegnungen mit Angeklagten oder Presse vermeiden, Urteile
nachbesprechen
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Was bietet psychosoziale Prozessbegleitung?
- Erklärung juristischer Begriffe, Abläufe und Notwendigkeiten,
Aufgaben von Verfahrensbeteiligten, allgemeine Informationen
über Verfahrensausgänge,
- Zusammenarbeit mit Verfahrensbeteiligten (Polizei,
Staatsanwaltschaft, Anwalt, Gericht) und psychosozialen
Kooperationspartnern
- Wahrung der Rechte von Zeuginnen und Zeugen in enger
Zusammenarbeit mit der anwaltlichen Vertretung
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Verlauf
1)
Faltblatt: verteilen an Zeugen, Kooperationspartner
2)
Freiwillige Kontaktaufnahme von Zeugen oder Bezugspersonen
3)
Vermittlung an Zeugen- bzw. Prozessbegleitung
4)
Schriftliche Information ans Gericht über stattfindende Zeugen/Prozessbegleitung, Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen oder
Verhaltensweisen,
5)
Prozessvorbereitung, -begleitung, -nachbereitung
6)
kollegiale, interdisziplinäre Fallbesprechung, Supervision
7)
Dokumentation, Statistik, (Evaluation), anonymisiert
8)
Qualitätssicherung, Weiterentwicklung konzeptionell
(Geschlechtsspezifik, Wohnortsnähe, Gerichtsnähe, Zeitliche Ressource)
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Wer vermittelt eine psychosoziale Prozessbegleitung?
- alle Berufsgruppen zu jedem Zeitpunkt im Gerichtsverfahren,
z. B.:
- Jugendamt,
- Jugendhilfeinstitutionen, Therapeuten,
- Fachberatungsstellen, Frauenhäuser,
- Polizei, Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaft, Gericht,
 Bitte Flyer bei geeigneten Fällen weitergeben!!!
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Mehrwert für die Justiz
- Kompetent begleitete ZeugInnen sind „gute“ ZeugInnen.
ZeugInnen, die wissen, was bei ihrer Vernehmung/ im Strafverfahren auf sie zukommt, sind sicherer
und stabiler. Missverständnisse können vorher in der Prozessvorbereitung beseitigt werden,
- Kompetente Prozessbegleitung verhindert Stress.
z. B. bei Verzögerungen oder emotionalen Ausbrüchen.
-
Kompetent begleitete ZeugInnen führen zu besseren Ergebnissen in
Verfahren. Weniger eingeschüchterte ZeugInnen  ausführliche Aussage
-
Hinweise auf geeignete Zeugen-/Opferschutzmöglichkeiten oder
„Opferwünsche“
-
Organisatorische Unterstützung
Anreise, Warteraum, Eingang in Gebäude, Überbrückung von Wartezeiten
-
Anregungen zur Vorbereitung der Vernehmung
-
Betreuung aufgeregter Bezugspersonen
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RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren:
Aber was haben Sie davon... ... als Staatsanwalt oder Staatsanwältin?
Ob während der Ermittlungen oder in der Hauptverhandlung: Zeugen und
Zeuginnen, die wissen, was auf sie zukommt, sagen in der Regel bereitwilliger
und zusammenhängender aus.
Psychosoziale Prozessbegleiter_innen gehen mit zur Staatsanwaltschaft und
erklären, warum dort nach der Vernehmung bei der Polizei eventuell eine
weitere Aussage nötig ist. Sie nehmen aber niemals Einfluss auf die
Aussage. Das ist ein zentraler Grundsatz der Psychosozialen
Prozessbegleitung.
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RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren:
Aber was haben Sie davon... als Polizist oder Polizistin?
Sie können sich auf die Vernehmung konzentrieren und müssen sich
weniger Gedanken darüber machen, welche emotionalen Bedürfnisse die
Zeugin oder der Zeuge hat.
Wir wissen, dass Sie einen kompetenten und engagierten Job machen.
Sie wissen, dass ein missbrauchtes Kind oder ein in der Prostitution
ausgebeuteter Mensch mehr braucht als Ihre einfühlsame
Vernehmungstechnik. Psychosoziale Prozessbegleiter_innen helfen,
Zeug_innen die Angst vor Anzeige und Aussage bei der Polizei zu
nehmen, indem sie sie stabilisieren und erklären, was auf sie zukommt.
Psychosoziale Prozessbegleiter_innen sprechen mit den
Verletzten nicht über den Tathergang.
Sie beeinflussen weder ihre Erinnerung noch behindern sie die
polizeiliche Ermittlung. Stattdessen unterstützen sie die Zeug_innen, so
dass sie weniger Stress empfinden und sich einfacher und mit besseren
Ergebnissen befragen lassen.
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RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren:
Aber was haben Sie davon... als Jugendamt?
Als MitarbeiterInnen des Jugendamtes haben Sie viele
Pflichten und tragen hohe Verantwortung, wenn ein Kind
misshandelt oder sexuell missbraucht worden ist.
Wird in diesem Zusammenhang Strafanzeige erstattet,
belastet das Ihren Schützling zusätzlich.
Psychosoziale ProzessbegleiterInnen betreuen das Mädchen
oder den Jungen im Strafverfahren und stellen die
Kommunikation aller am Jugendschutz Beteiligten
sicher. Das erleichtert die Kooperation und verhindert
Missverständnisse.
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Literatur zum Thema: (Kinder als) Zeugen vor Gericht
•Bundesministerium der Justiz (BMJV, Hg., 2014): Opferfibel. Rechte von
Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren.
•Bundesministerium der Justiz (BMJV, Hg., 2015): Ich habe Rechte. Ein
Wegweiser durch das Strafverfahren für jugendliche Zeuginnen und
Zeugen.
• BMFSFJ (Hg. 2012): Mutig fragen – besonnen handeln. (Sexueller
Missbrauch vor Gericht, für Eltern)
•EIPPER, Sabine; HILLE, Pia; DANNENBERG, Ursula: Rasmus Rabe
ermittelt: Was passiert eigentlich bei Gericht? Eine Spiel und
Lernbroschüre für Kinder. Raisdorf 1996.
•Fastie, Friesa (Hg.): Opferschutz im Strafverfahren. Sozialpädagogische
Prozessbegleitung bei Sexualdelikten. Ein interdisziplinäres Handbuch.
Opladen 2002.
•HAUPT, Holger, WEBER, Ulrich: Handbuch Opferschutz und Opferhilfe für
Straftatsopfer und ihre Angehörigen, Mitarbeiter von Polizei und Justiz,
Angehörige der Sozialberufe und ehrenamtliche Helfer. Nomos Verlag,
Baden-Baden 1999.
•HILLE, Pia; EIPPER, Sabine; DANNENBERG, Ursula; CLAUSSEN, Britta:
Klara und der kleine Zwerg. Ein Buch für Kinder, die Zeugen beim Gericht
sind. (Bilderbuch zum Lesen und Ausmalen). Raisdorf 1996.
•HARTMANN, Jutta / Arbeitskreis der Opferhilfen (Hg.): Perspektiven
professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären
Handlungsfelds. 2010.
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Drei Stufen der Zeugenunterstützung
(vgl. Abschlussbericht der 2. Zeugen- und Opferschutzkommission Baden-Württemberg)
Zeugenbegleitung
Psychosoziale
Prozessbegleitung
Zeugenservice
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Abgrenzung Zeugenbegleitung/ Psychosoziale Prozessbegleitung
Zeugenservice:
Rat
---------------------Zeugenbegleitung:
Rat und Tat
+ Begleitung zur Vernehmung
-------------------------Psychosoziale Prozessbegleitung:
Rat und Tat
+ Begleitung zu polizeil./ richterl. Vernehmungen,
+ Begleitung in der Hauptverhandlung,
+ Koordinierung mit Anwalt, Polizei, Gericht,
Jugendamt…
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Prozessvorbereitung
• Info über Verfahrens- und Vernehmungsablauf
• Info über Verfahrensbeteiligte
• Allgemeine Info über Zeugen- und Opferschutzrechte
 keine Rechtsberatung  Anwaltskontakt
• Besichtigung des Gerichtes und des leeren Gerichtsaals
• Besuch einer Verhandlung
• z.T. Kennenlerngespräch mit dem Richter (v.a. bei Kindern)
• Besprechung von Ängsten, Unsicherheiten
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Prozessbegleitung
• Organisation der An- und Abreise
• Organisation eines Warteraum und Überbrückung der
Wartezeiten, (nichtöffentliche?) Eingangstüre in Gerichtssaal
• Vermeidung der Begegnung mit dem Angeklagten (Flur)
• über Verzögerungen informieren lassen
• Begleitung zur Aussage und Sitzplatz neben dem Zeugen
• Stabilisierung in Pausen
• evtl .nach Vernehmung zusammen in die Öffentlichkeit sitzen
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Prozessnachbereitung
• Nachbesprechung der Aussage und des Verlaufs
• Dank und Lob für die Zeugenaussage
• Erklärung des Verfahrensausgangs
• Bei Bedarf Vermittlung an Fachberatungsstellen
Gespräche über Inhaltliches werden, nach wie vor,
vermieden; v.a. bei Verhandlungen am Amtsgericht
wegen Berufungsmöglichkeit. (Sonst evtl.
Personenwechsel nötig).
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Zeugenbegleitung
Psychosoziale Prozessbegleitung
•Alle Zeugen und Opfer, evtl.
konzeptionell beschränkte Zielgruppe
•Pädagogische Fachkraft, ergänzt von
Praktikanten oder Ehrenamtlichen
•Ressourcenabhängige
Betreuungszeit
•Kooperation mit Auftraggeber
•Auf Hauptverhandlung konzentriert
•Durch Gewaltdelikt traumatisierte/-r
Zeuge/-in,
•v. a. Kinder und Jugendliche, aber
auch Frauen
•Pädagogische und strafrechtliche
Qualifikation
•Bedarfsgerechte, umfangreiche
Betreuungszeit
•Kooperation mit
Verfahrensbeteiligten
•Auf gesamtes Gerichtsverfahren
ausgerichtet, ab Anzeige
•Kein inhaltliches Gespräch mit
Zeugen/-innen
•Neutralität im Verfahren
•Kein inhaltliches Gespräch mit
Zeugen/-innen
•Neutralität im Verfahren
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Informationen vor bzw. zur Anzeige
-
Keine pro/contra Beratung (Aufgabe Beratungsstelle, Anwalt)
-
Wie läuft ein Strafverfahren ab?
-
Was kommt auf Zeugen eventuell zu?
-
Wie können Belastungen bewältigt werden?
-
Welche Unterstützung gibt es?
-
Welche Schutzmaßnahmen gibt es?
-
Information Legalitätsprinzip
-
Welche Rechte haben Zeugen/ Betroffene?
-
Kollegiale Beratung für psychosoziale Fachdienste
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Unterstützung im Ermittlungsverfahren
- Anwaltssuche (und Finanzierung)
- Absprachen mit Anwalt über geeignete
Schutzmaßnahmen
- Vermittlung an psychosoziale Fachdienste
- Begleitung zu Vernehmungen
- Unterstützung für Bezugspersonen
- Unterstützung bei Organisatorischem (z. B.
Fahrkarte zum Gutachten,…)
- Umgang mit Angst, Belastungen, Ressourcen?
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Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungsverfahren
-
Informationen zur Anzeige (warum detaillierte Fragen,
Arbeitsauftrag Polizei, Pausen, nachfragen dürfen, ….)
-
Wegbegleitung und Organisation (evtl. Ladungsadresse?)
-
Eventuell telefonisches Vorgespräch mit Polizei (mit
Vorschläge Zeugenschutzmaßnahmen, Informationen)
-
Eventuell Anwesenheit bei Vorgespräch bei der Polizei
-
Anwesenheit bei der Vernehmung eher nicht (Anwalt)
-
Eventuell Betreuung Eltern, Angehörige
-
Angebot zur Nachbesprechung
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Kein Gespräch über den Tatvorwurf oder Inhaltliches zur
Aussage  gelingt in Praxis gut
- Ausnahme: Bedrohungen:  wen darüber informieren?
- Delikt, Beziehungsgrad zum Angeklagten ist bekannt.
- Die Aussage soll nicht beeinflusst und die
Prozessbegleitperson nicht selbst Zeuge werden. Wird Zeugen
erklärt, nicht „Tabuthema“
- Bei Gesprächsbedarf: Vermittlung an Beratungsstelle
- Wenn das Gespräch doch mal auf den Sachverhalt, den
Tatvorwurf zu sprechen kommt, weil z. B. ein junger Zeuge eine
kurze Bemerkung macht: wird nicht nachgefragt, das Thema
aktiv umgelenkt. Bemerkung dokumentiert.
- Erfahrung v.a. bei jungen Zeugen, bei Sexualdelikten: sind froh,
nicht über den Tatvorwurf sprechen zu müssen.
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Aussagen von Zeuginnen
(nach Friesa Fastie)
Anwesenheit der Mutter
Anwesenheit der Eltern
„ Ich hätte nichts sagen
„ Mir ist das erst in der
können, wenn Mama da
Verhandlung wieder
hinten gesessen hätte,
eingefallen, was er noch
denn jedes Mal, wenn ich
mit mir gemacht hat. Ich
etwas von dem
glaube ich hätte es nicht
Missbrauch erzähle, muss erzählt, wenn meine
sie weinen und das will
Eltern dabei gewesen
ich nicht. Dann tut sie mir wären. Sie hätten
so leid! Deshalb bin ich
bestimmt gesagt, dass es
froh, dass Sie neben mir
nicht gut war, das so
saßen und so ruhig
lange zu verschweigen.“
waren.“
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