1 Pilotprojekt: Psychosoziale Prozessbegleitung (PPB) Landgerichtsbezirke: Stuttgart – Karlsruhe – Ellwangen Zielsetzung: erwartbare Zahlen erheben Erfahrungen für Abwicklung in der Praxis sammeln gefördert durch: für 2015 und 2016 2 Zielgruppe 1: Kinder, Jugendliche, ihre Bezugspersonen mit besonderer Schutzbedürftigkeit, nach schweren Gewalt-/Sexualtaten Zielgruppe 2: Erwachsene Zeugen mit -besonderer Schutzbedürftigkeit, -nach schweren Gewalt-/Sexualtaten -schweren Tatfolgen -Behinderung, psych. Beeinträchtigung -Migrationshintergrund je nach Kapazität 3 Fallerfahrungen mit PPB Öffentlichkeitsarbeit Faltblatt Zeugen, Fachleute Infomails, Verschickung, Projektpräsentationen, (Presse)Artikel über PPB Ellwangen und KA: zuerst Projektvorstellungen: LGs, AGs, StAs, Kripo, viel Öffentlichkeitsarbeit - seit November: erste Fälle JA, Beratungsstellen Se Ge Runde Tische (Se Ge, HG), Info-Stände, Vorträge Statistik, Dokumentation, Supervision, koll. Beratung, (Adressdateien erstellen) Stgt.: fließender Übergang ZB: sehr von Vorteil ca. 50 Fälle gesamt 4 Schnittstelle Polizei/ Justiz Pädagogik 5 1. Fallkonstellationen in der PPB: Junge Frauen vor der Anzeige von Sexualdelikten - Infos zu Abläufen, Legalitätsprinzip - Schutzmaßnahmen mögliche Belastungen - Vermittlung an Anwalt, Beratungsstelle/Therapie - Angebot mit PPB begleiten - KEINE BERATUNG PRO – CONTRA ANZEIGE! inhaltliche Neutralität, * Anzeige => Kontrolle aus der Hand geben * mit erfahrener Anwältin => Einflussmöglichkeiten im Verfahren nutzen können Folgende Begleitung bei Bedarf, erste Erfahrungen 6 7 Exemplarisch: Vermittlung über Therapeutin, Heranwachsende Zeugin, Se Mi in Kindheit, vor Grundschulzeit, Telefonat Therapeutin ca. 45 min: Infos zur Zeugenaussage als Therapeutin, wer soll Vertrauensperson sein Vorgespräch mit Therapeutin, Zeugin, ihrer Mutter: was bedeutet eine Anzeige, was kommt auf sie zu, welche Schutzmaßnahmen gibt es, 2,5 h mit Vor-/Nachbereitung Vermittlung Anwältin, Fragen an Anwältin sammeln, z. B. Erwartungen an Anzeige thematisiert, Presseberichterstattung, Einstellungsmöglichkeit, mit Anwältin besprechen, wer Kontakt zu weiteren Zeugen aufnehmen sollte (nicht selbst „ermitteln“)… 8 2. Fallkonstellationen in der PPB: Se Ge, Menschenhandel, Vermittlung von Polizei nach der Anzeige, vor Anklage - erste Fallerfahrungen beginnen kurzfristige PPB-Terminvergabe Informationen zu Abläufen, Anwalt? Zusamenarbeit Beratungsstelle/Therapie? Zusammenarbeit Zusammenarbeit Polizei Unsicherheit, Wartezeit begleiten Welche Hilfe ist kurzfristig wie sinnvoll? (nicht zu viele neue Personen gleichzeitig) 9 Prozessvorbereitung … 10 Fallkonstellation: Behinderung und se Ge Se Nöt., behinderte erw. Zeugin, durch Behinderten der Einrichtung ca. 2 h Infogespräch im Team der Einrichtung, Strafverfahren, Opferschutz, Verfahrensgrundsätze, …, Tel, mails (30 min?) Fahrtzeit: 2x ca. 1 h Vermittlung an zwei Anwälte für Opfer und Täter nach Anklage, PV mit Zeugin und Betreuerin (Saalbesichtigung, Abläufe, was mitnehmen zur Vernehmung?) Absprache Anwältin, Telefonat Gericht Begleitung zur Vernehmung, Begegnung Angeklagten vermeiden, Wartezeit überbrücken, Nachbesprechung, Info Urteil 11 Kennenlerngespräch mit Richter im Rahmen der Prozessvorbereitung 12 3. Fallkonstellation: nach der Anklage, Zeit bis zum Gericht - mehrere Ki, Ju, He, als Zeugen in einem Verfahren vor der Jugendschutzkammer, - se Mi durch Vater, unterschiedliche Loyalitäten in Familie - über Anwalt und Beratungsstelle vermittelt, Tel ca. 30 min., (auch Ergänzungspfleger) - PV, Saalbesichtigung mit Beratungsstelle, 2 PPB-Personen, Mann-Frau, - Aussage durch Geständnis erspart, Abladungen Weitere Abgabe an Beratungsstelle 13 4. Fallkonstellation: kurzfristige Anfrage vor der Gerichtsverhandlung - Angehörige von Tötungsdelikten: vorher schon bei Traumaambulanz, Therapeuten, Anwalt - z. T. stark verkürzte Vorbereitungszeit, reduziert auf Vernehmung selbst, Stabilisierung in Pausen - schneller, vertrauensvoller Kontaktaufbau nötig - Sexueller Missbrauch durchs Internet (Chat) Zeugen von überregional: Prozessvorbereitung telefonisch, Kooperation ZB/PPB überregional? Saalbesichtigung am Nachmittag vor Gerichtstermin, PB, telefonisch: Urteil, Nachbesprechung 14 15 5. Fallkonstellation: PPB über langen Zeitraum - bisher nur 2-3 Verfahren mit ca. 50 - 70 Std. - durch Se Mi traumatisierte Zeuginnen, - Psychiatrie erfahren, - Förderschulabschluss, wdh. juristische Formalitäten erkären, kognitives Verstehen begrenzt, Aushalten - großer Unterstützungsbedarf, kaum private Unterstützung, Familienprobleme, z. T. fremduntergebacht, - intensiver Kontakt: Beratungsstelle, Therapeutin, Anwältin - Haftentlassung des Angeklagten während Verfahren, - Klinikaufenthalt während Gerichtsverfahren, - lange Dauer (Anzeige Urteil), viele Gerichtstage, Verfahrensverschiebungen, Revision, Presseberichte,… Freispruch? – Bewährung? – Gefängnisstrafe –Revision 16 Dokumentation Geschlecht Alter Nationalität Belastung,Beeinträchtigung Bezugspersonen Delikt Verfahrensausgang Anzahl Vernehmungen LG-Bezirk Erfahren von PPB über... Vermittlung durch... Kontaktbeginn Zeitaufwand Kontakt mit Verfahrensbeteiligten/ Kooperationspartnern 17 Themen und Fragen aus Gesprächen mit Kooperationspartnern - Gericht/StA: Datenschutz? Welche Daten dürfen unter welchen Umständen an die PPB weitergegeben werden? - Gefährdet Verteilung des PPB-Flyers die Unbefangenheit des Gerichts? Besser Verteilung durch StA - Dürfen bisherige Zeugen- und Prozessbegleiter weiter begleiten (auch ohne Weiterbildung)? Ja, aber nicht als PPB - Polizei: Muss eine Vernehmung aufgeschoben werden, bis eine PPB hinzugezogen wurde? Nein, aber Info über PPB-Angebot, Flyer - PPB: Kann ein Gericht zur PPB „verpflichten“? - Wie wird eine Vertretung umgesetzt nach Beiordnung durchs Gericht? - Wann kann/soll ein Fall an KollegInnen abgegeben werden? - PPB-Trägervereine: Wie erfolgt die Abrechnung konkret? Kann es auch in Baden-Württemberg eine Kombi von Pauschalfinanzierung und Stellenfinanzierung geben? 18 Fragen von Beratungsstellen, psychosozialen Fachdiensten Wie viele Fälle soll ein Prozessbegleiter zeitgleich haben (dürfen?) schwer einzuschätzen, Nachfrage? Stellvertretung? Dauer eines Falls, schwierig, da kein Einfluss auf Gerichtstermine, kann stressige und entspannte Phasen geben zeitliche Kapazität für PPB, Kurzfristige Termine? Möglichkeiten der Kooperation, gemeinsam an einem Fall arbeiten? darf auch Beratungsstelle als Vertrauensperson begleiten? Absprache mit Anwalt und Klientin, Vor- und Nachteile abwägen, kollegiales Coaching möglich, wenn juristisch nichts dagegen spricht (Geständnis, keine Konfliktverteidigung) bei schwierigen Verfahren eher nicht empfehlenswert 19 Vernetzung überregional mit PPBs, Pilotprojekten, RWH, BPP, … www.zeugeninfo.de (Zentrale Tel. Nr., mail) Aufbau seit Herbst 2014, Online Jan./Feb. 2016? Weiterbildung PPB für Ba-Wü? Wie den Rechtsanspruch auf PPB in Ba- Wü flächendeckend umsetzen können? Informationsfluss, Austausch der bisherigen Zeugenbegleitungen und PPBs, Motivation zu einer PPB-WB 20 Bisherige Erfahrungen im Pilotprojekt PPB - Stundenumfang: bisher meist ca. 20 Std./Fall KlientInnen auch bei Beratungsstellen, Kontakt meist nach dem Ermittlungsverfahren Einstellungen, ersparte Aussagen (Geständnis) Fälle vor der Anzeige (laufen noch) - bei Erwachsenen: PPB bei Se Mi, Verg, Menschenhandel, Behinderung, Traumadiagnose (weniger KV, HG, Orientierung an Nebenklage) - ZB ergänzend zur PPB (mit Ehrenamt) sinnvoll - PPB regionalen Anforderungen anpassen 21 - z. T. Termindoppelungen oder - mehrere KlientInnen in einem Verfahren, mehrere PPB-Personen in Bezirk sinnvoll Stellvertretung klären müssen kaum Einfluss: Vernehmungs-/ Gerichtstermine - Wie erfolgt Zuordnung zu PPB bzw. ZB? (Delikt, Alter, Traumatisierung,…) Da kein inhaltliches Wissen, Absprache Kooperationspartner ? Begleitung zum Glaubhaftigkeitsgutachten? Erfahrungen machen 22 fachlicher Unterschied zwischen ZB und PPB: Abgrenzung zur ZB deutlich, vermehrt - Bewältigung der Situation, - Umgang mit Angst, - psychische Stabilisierung, - Umgang mit Enttäuschungen, - Umgang mit Anwalt, auch dabei sein und Informationen geben, + mehr aktive Unterstützung bei Belastungen + mehr Gespräche mit Verfahrensbeteiligten 23 Balance zwischen Zeugeninteressen und Interessen der Justiz Bildquelle: http://pixabay.com/de/waage-gerechtigkeit-gesetz-316888/ (Stand: Nov. 2014) 24 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 25 Bewährungshilfe Stuttgart e.V. PräventSozial gGmbH Tina Neubauer [email protected] Justiznahe Zeugen- und Prozessbegleitung Psychosoziale Prozessbegleitung Neckarstraße 121 70190 Stuttgart Fon +49 (0) 711 | 58533950 (Zentrale Servicenummer) Fax +49 (0) 711 | 58533952 [email protected] www.zeugeninfo.de (ab voraussichtlich 2016) www.bewaehrungshilfe-stuttgart.de www.praeventsozial.de 26 Anhang Weitere Informationen zur Vertiefung und Einordnung oder bei Nachfragen 27 Was ist psychosoziale Prozessbegleitung? - eine besonders intensive, nichtrechtliche Unterstützung - für von schweren Straftaten verletzte, - besonders belastete Zeuginnen und Zeugen in Strafverfahren. - ergänzt das Angebot einer Zeugenbegleitung - von der Anzeige bis zum rechtskräftigen Urteil - durch eine fachlich speziell qualifizierte Ansprechperson - neutrale, alters- und entwicklungsgerechte Informationen zu Gerichtsverfahren und juristischen Notwendigkeiten - kein Gespräch über den Inhalt der Aussage/Tatvorwurf 28 Psychosoziale Prozessbegleitung (nach Friesa Fastie) - Die tatsächlichen individuellen Belastungsmomente eines Zeugen erkennen und - durch eine alters- und entwicklungsangemessene - Vermittlung von Rechtskenntnissen und Bewältigungsstrategien - im Rahmen sozialpädagogischer Betreuung und - in wohlwollender Kooperation mit allen am Strafverfahren beteiligten Berufsgruppen minimieren. 29 Wozu psychosoziale Prozessbegleitung? Ziel - Die individuelle Belastung von verletzten Zeuginnen und Zeugen reduzieren - eine Sekundärviktimisierung vermeiden - Stabilisierung der Zeuginnen und Zeugen - Vermittlung von Bewältigungsstrategien in Bezug aufs Gerichtsverfahren - Förderung der Aussagebereitschaft und nach Möglichkeit Stärkung der Aussagefähigkeit 30 Wer führt psychosoziale Prozessbegleitung durch? Strafrechtsausschuss und Justizministerkonferenz: Qualitätsanforderungen an sozialpädagogisch und strafrechtlich weitergebildete Fachkräfte: abgeschlossene interdisziplinäre Qualifizierung (z. B. bei RWH - Recht Würde Helfen - Institut für Opferschutz im Strafverfahren) (vgl. Bericht des Strafrechtsausschusses 2014: „Psychosoziale Prozessbegleitung“) 31 Psychosoziale Prozessbegleitpersonen (RWH), angestellt bei PräventSozial: Christian Veith Claudia Robbe Tina Neubauer (Leitung) - jeweils ca. 50% Stellenanteil pro LG-Bezirk - ca. 50% Stellenanteil für die Projektleitung - justizinterne Büros 32 Was bietet psychosoziale Prozessbegleitung? - frühzeitige, individuelle ressourcenorientierte Beratung/Begleitung - vor, während und nach der Hauptverhandlung - Auseinandersetzung mit individuellen Belastungsfaktoren/Ängsten - erhöhtes Sicherheits- und Kontrollgefühl in der „fremden“ Situation vor Gericht z.B. durch den Besuch von Gerichtssälen im Vorfeld - Begleitung zu Vernehmungen und Überbrückung von Wartezeiten - Begegnungen mit Angeklagten oder Presse vermeiden, Urteile nachbesprechen 33 Was bietet psychosoziale Prozessbegleitung? - Erklärung juristischer Begriffe, Abläufe und Notwendigkeiten, Aufgaben von Verfahrensbeteiligten, allgemeine Informationen über Verfahrensausgänge, - Zusammenarbeit mit Verfahrensbeteiligten (Polizei, Staatsanwaltschaft, Anwalt, Gericht) und psychosozialen Kooperationspartnern - Wahrung der Rechte von Zeuginnen und Zeugen in enger Zusammenarbeit mit der anwaltlichen Vertretung 34 Verlauf 1) Faltblatt: verteilen an Zeugen, Kooperationspartner 2) Freiwillige Kontaktaufnahme von Zeugen oder Bezugspersonen 3) Vermittlung an Zeugen- bzw. Prozessbegleitung 4) Schriftliche Information ans Gericht über stattfindende Zeugen/Prozessbegleitung, Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen oder Verhaltensweisen, 5) Prozessvorbereitung, -begleitung, -nachbereitung 6) kollegiale, interdisziplinäre Fallbesprechung, Supervision 7) Dokumentation, Statistik, (Evaluation), anonymisiert 8) Qualitätssicherung, Weiterentwicklung konzeptionell (Geschlechtsspezifik, Wohnortsnähe, Gerichtsnähe, Zeitliche Ressource) 35 Wer vermittelt eine psychosoziale Prozessbegleitung? - alle Berufsgruppen zu jedem Zeitpunkt im Gerichtsverfahren, z. B.: - Jugendamt, - Jugendhilfeinstitutionen, Therapeuten, - Fachberatungsstellen, Frauenhäuser, - Polizei, Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaft, Gericht, Bitte Flyer bei geeigneten Fällen weitergeben!!! 36 Mehrwert für die Justiz - Kompetent begleitete ZeugInnen sind „gute“ ZeugInnen. ZeugInnen, die wissen, was bei ihrer Vernehmung/ im Strafverfahren auf sie zukommt, sind sicherer und stabiler. Missverständnisse können vorher in der Prozessvorbereitung beseitigt werden, - Kompetente Prozessbegleitung verhindert Stress. z. B. bei Verzögerungen oder emotionalen Ausbrüchen. - Kompetent begleitete ZeugInnen führen zu besseren Ergebnissen in Verfahren. Weniger eingeschüchterte ZeugInnen ausführliche Aussage - Hinweise auf geeignete Zeugen-/Opferschutzmöglichkeiten oder „Opferwünsche“ - Organisatorische Unterstützung Anreise, Warteraum, Eingang in Gebäude, Überbrückung von Wartezeiten - Anregungen zur Vorbereitung der Vernehmung - Betreuung aufgeregter Bezugspersonen 37 RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren: Aber was haben Sie davon... ... als Staatsanwalt oder Staatsanwältin? Ob während der Ermittlungen oder in der Hauptverhandlung: Zeugen und Zeuginnen, die wissen, was auf sie zukommt, sagen in der Regel bereitwilliger und zusammenhängender aus. Psychosoziale Prozessbegleiter_innen gehen mit zur Staatsanwaltschaft und erklären, warum dort nach der Vernehmung bei der Polizei eventuell eine weitere Aussage nötig ist. Sie nehmen aber niemals Einfluss auf die Aussage. Das ist ein zentraler Grundsatz der Psychosozialen Prozessbegleitung. 38 RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren: Aber was haben Sie davon... als Polizist oder Polizistin? Sie können sich auf die Vernehmung konzentrieren und müssen sich weniger Gedanken darüber machen, welche emotionalen Bedürfnisse die Zeugin oder der Zeuge hat. Wir wissen, dass Sie einen kompetenten und engagierten Job machen. Sie wissen, dass ein missbrauchtes Kind oder ein in der Prostitution ausgebeuteter Mensch mehr braucht als Ihre einfühlsame Vernehmungstechnik. Psychosoziale Prozessbegleiter_innen helfen, Zeug_innen die Angst vor Anzeige und Aussage bei der Polizei zu nehmen, indem sie sie stabilisieren und erklären, was auf sie zukommt. Psychosoziale Prozessbegleiter_innen sprechen mit den Verletzten nicht über den Tathergang. Sie beeinflussen weder ihre Erinnerung noch behindern sie die polizeiliche Ermittlung. Stattdessen unterstützen sie die Zeug_innen, so dass sie weniger Stress empfinden und sich einfacher und mit besseren Ergebnissen befragen lassen. 39 RECHT WÜRDE HELFEN - Institut für Opferschutz im Strafverfahren: Aber was haben Sie davon... als Jugendamt? Als MitarbeiterInnen des Jugendamtes haben Sie viele Pflichten und tragen hohe Verantwortung, wenn ein Kind misshandelt oder sexuell missbraucht worden ist. Wird in diesem Zusammenhang Strafanzeige erstattet, belastet das Ihren Schützling zusätzlich. Psychosoziale ProzessbegleiterInnen betreuen das Mädchen oder den Jungen im Strafverfahren und stellen die Kommunikation aller am Jugendschutz Beteiligten sicher. Das erleichtert die Kooperation und verhindert Missverständnisse. 40 41 Literatur zum Thema: (Kinder als) Zeugen vor Gericht •Bundesministerium der Justiz (BMJV, Hg., 2014): Opferfibel. Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren. •Bundesministerium der Justiz (BMJV, Hg., 2015): Ich habe Rechte. Ein Wegweiser durch das Strafverfahren für jugendliche Zeuginnen und Zeugen. • BMFSFJ (Hg. 2012): Mutig fragen – besonnen handeln. (Sexueller Missbrauch vor Gericht, für Eltern) •EIPPER, Sabine; HILLE, Pia; DANNENBERG, Ursula: Rasmus Rabe ermittelt: Was passiert eigentlich bei Gericht? Eine Spiel und Lernbroschüre für Kinder. Raisdorf 1996. •Fastie, Friesa (Hg.): Opferschutz im Strafverfahren. Sozialpädagogische Prozessbegleitung bei Sexualdelikten. Ein interdisziplinäres Handbuch. Opladen 2002. •HAUPT, Holger, WEBER, Ulrich: Handbuch Opferschutz und Opferhilfe für Straftatsopfer und ihre Angehörigen, Mitarbeiter von Polizei und Justiz, Angehörige der Sozialberufe und ehrenamtliche Helfer. Nomos Verlag, Baden-Baden 1999. •HILLE, Pia; EIPPER, Sabine; DANNENBERG, Ursula; CLAUSSEN, Britta: Klara und der kleine Zwerg. Ein Buch für Kinder, die Zeugen beim Gericht sind. (Bilderbuch zum Lesen und Ausmalen). Raisdorf 1996. •HARTMANN, Jutta / Arbeitskreis der Opferhilfen (Hg.): Perspektiven professioneller Opferhilfe. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Handlungsfelds. 2010. 42 Drei Stufen der Zeugenunterstützung (vgl. Abschlussbericht der 2. Zeugen- und Opferschutzkommission Baden-Württemberg) Zeugenbegleitung Psychosoziale Prozessbegleitung Zeugenservice 43 Abgrenzung Zeugenbegleitung/ Psychosoziale Prozessbegleitung Zeugenservice: Rat ---------------------Zeugenbegleitung: Rat und Tat + Begleitung zur Vernehmung -------------------------Psychosoziale Prozessbegleitung: Rat und Tat + Begleitung zu polizeil./ richterl. Vernehmungen, + Begleitung in der Hauptverhandlung, + Koordinierung mit Anwalt, Polizei, Gericht, Jugendamt… 44 Prozessvorbereitung • Info über Verfahrens- und Vernehmungsablauf • Info über Verfahrensbeteiligte • Allgemeine Info über Zeugen- und Opferschutzrechte keine Rechtsberatung Anwaltskontakt • Besichtigung des Gerichtes und des leeren Gerichtsaals • Besuch einer Verhandlung • z.T. Kennenlerngespräch mit dem Richter (v.a. bei Kindern) • Besprechung von Ängsten, Unsicherheiten 45 Prozessbegleitung • Organisation der An- und Abreise • Organisation eines Warteraum und Überbrückung der Wartezeiten, (nichtöffentliche?) Eingangstüre in Gerichtssaal • Vermeidung der Begegnung mit dem Angeklagten (Flur) • über Verzögerungen informieren lassen • Begleitung zur Aussage und Sitzplatz neben dem Zeugen • Stabilisierung in Pausen • evtl .nach Vernehmung zusammen in die Öffentlichkeit sitzen 46 Prozessnachbereitung • Nachbesprechung der Aussage und des Verlaufs • Dank und Lob für die Zeugenaussage • Erklärung des Verfahrensausgangs • Bei Bedarf Vermittlung an Fachberatungsstellen Gespräche über Inhaltliches werden, nach wie vor, vermieden; v.a. bei Verhandlungen am Amtsgericht wegen Berufungsmöglichkeit. (Sonst evtl. Personenwechsel nötig). 47 Zeugenbegleitung Psychosoziale Prozessbegleitung •Alle Zeugen und Opfer, evtl. konzeptionell beschränkte Zielgruppe •Pädagogische Fachkraft, ergänzt von Praktikanten oder Ehrenamtlichen •Ressourcenabhängige Betreuungszeit •Kooperation mit Auftraggeber •Auf Hauptverhandlung konzentriert •Durch Gewaltdelikt traumatisierte/-r Zeuge/-in, •v. a. Kinder und Jugendliche, aber auch Frauen •Pädagogische und strafrechtliche Qualifikation •Bedarfsgerechte, umfangreiche Betreuungszeit •Kooperation mit Verfahrensbeteiligten •Auf gesamtes Gerichtsverfahren ausgerichtet, ab Anzeige •Kein inhaltliches Gespräch mit Zeugen/-innen •Neutralität im Verfahren •Kein inhaltliches Gespräch mit Zeugen/-innen •Neutralität im Verfahren 48 Informationen vor bzw. zur Anzeige - Keine pro/contra Beratung (Aufgabe Beratungsstelle, Anwalt) - Wie läuft ein Strafverfahren ab? - Was kommt auf Zeugen eventuell zu? - Wie können Belastungen bewältigt werden? - Welche Unterstützung gibt es? - Welche Schutzmaßnahmen gibt es? - Information Legalitätsprinzip - Welche Rechte haben Zeugen/ Betroffene? - Kollegiale Beratung für psychosoziale Fachdienste 49 Unterstützung im Ermittlungsverfahren - Anwaltssuche (und Finanzierung) - Absprachen mit Anwalt über geeignete Schutzmaßnahmen - Vermittlung an psychosoziale Fachdienste - Begleitung zu Vernehmungen - Unterstützung für Bezugspersonen - Unterstützung bei Organisatorischem (z. B. Fahrkarte zum Gutachten,…) - Umgang mit Angst, Belastungen, Ressourcen? 50 Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungsverfahren - Informationen zur Anzeige (warum detaillierte Fragen, Arbeitsauftrag Polizei, Pausen, nachfragen dürfen, ….) - Wegbegleitung und Organisation (evtl. Ladungsadresse?) - Eventuell telefonisches Vorgespräch mit Polizei (mit Vorschläge Zeugenschutzmaßnahmen, Informationen) - Eventuell Anwesenheit bei Vorgespräch bei der Polizei - Anwesenheit bei der Vernehmung eher nicht (Anwalt) - Eventuell Betreuung Eltern, Angehörige - Angebot zur Nachbesprechung 51 Kein Gespräch über den Tatvorwurf oder Inhaltliches zur Aussage gelingt in Praxis gut - Ausnahme: Bedrohungen: wen darüber informieren? - Delikt, Beziehungsgrad zum Angeklagten ist bekannt. - Die Aussage soll nicht beeinflusst und die Prozessbegleitperson nicht selbst Zeuge werden. Wird Zeugen erklärt, nicht „Tabuthema“ - Bei Gesprächsbedarf: Vermittlung an Beratungsstelle - Wenn das Gespräch doch mal auf den Sachverhalt, den Tatvorwurf zu sprechen kommt, weil z. B. ein junger Zeuge eine kurze Bemerkung macht: wird nicht nachgefragt, das Thema aktiv umgelenkt. Bemerkung dokumentiert. - Erfahrung v.a. bei jungen Zeugen, bei Sexualdelikten: sind froh, nicht über den Tatvorwurf sprechen zu müssen. 52 Aussagen von Zeuginnen (nach Friesa Fastie) Anwesenheit der Mutter Anwesenheit der Eltern „ Ich hätte nichts sagen „ Mir ist das erst in der können, wenn Mama da Verhandlung wieder hinten gesessen hätte, eingefallen, was er noch denn jedes Mal, wenn ich mit mir gemacht hat. Ich etwas von dem glaube ich hätte es nicht Missbrauch erzähle, muss erzählt, wenn meine sie weinen und das will Eltern dabei gewesen ich nicht. Dann tut sie mir wären. Sie hätten so leid! Deshalb bin ich bestimmt gesagt, dass es froh, dass Sie neben mir nicht gut war, das so saßen und so ruhig lange zu verschweigen.“ waren.“ 53
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