VON G R A F F E N R I E D PRIVATBANK FINANZMÄRKTE IM FOKUS E R S T E S Q U A R TA L 2 0 1 6 Mieser Jahresauftakt Obwohl die meisten Auguren in ihren Jahresprognosen von einem freundlichen Umfeld für Aktien ausgingen, ist der Start ins 2016 gründlich missraten. Ein Cocktail aus Wachstumssorgen in China, US-Rezessionsängsten bei eben erst Mitte Dezember erhöhten Leitzinsen und weiter nachlassenden Erdölpreisen, verstimmte die zur Übertreibung neigenden Anleger und führte zu Abgaben auf breiter Front. So büsste der Weltaktienindex bis zu seinem Tiefpunkt am 11. Februar 11,5 % ein, erholte sich allerdings bis Ende März wieder praktisch vollständig von diesem Rückschlag. Auch wenn sich das Wachstum im Reich der Mitte langsam abschwächt und angesichts seiner Grösse – in China leben gut 1,3 Milliarden Menschen – immer wieder Zweifel bezüglich Datenqualität aufkommen, dürfte die Wirtschaft weiterhin mit gut 6 % wachsen. Dabei nimmt der Dienstleistungssektor einen immer wichtigeren Stellenwert ein und trägt mittlerweile mehr als die Hälfte zur Wirtschaftsleistung bei. Derweil sank der Anteil des Industriesektors auf rund 40 %. Die Unsicherheit, ob diese Transformation gelingt, dürfte an den Finanzmärkten immer wieder zu Nervosität führen. Indes verleihen die hohen Devisenreserven der People’s Bank of China (PBoC) weiterhin Spielraum, um mittels Interventionen die Entwicklungen in die gewünschten Bahnen zu lenken. Mit prognostizierten Raten von etwas über 2 % wächst auch die US-amerikanische Konjunktur nach wie vor ordentlich und ist somit noch um einiges von einer Rezession entfernt. Ebenfalls anhaltend positiv entwickelt sich die für den Konsum wichtige Lage am Arbeitsmarkt. Trotzdem gab die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) einmal mehr dem Druck der Finanzmärkte nach und buchstabierte bezüglich der für dieses Jahr zu erwartenden Zinsschritte von vier auf deren zwei zurück. Die Fed-Vorsitzende Janet Yellen zeichnete trotz der positiven Konjunkturentwicklung ein vorsichtiges Bild und erwähnte einmal mehr explizit die Risiken an den Finanzmärkten. Dem in nichts nach und stets noch eine Schippe drauflegend steht der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi: Wie bereits im Februar angekündigt und zur allgemeinen Beruhigung an den Finanzmärkten beitragend, erhöhte er am 10. März abermals die Dosis der geldpolitischen Medizin. Dies im Bewusstsein, dass der Nutzen für die Realwirtschaft nur beschränkt ist und zudem laufend abnimmt. Das Stimulierungspaket beinhaltet im Wesentlichen die Reduktion des Einlagesatzes von -0,3 % auf -0,4 % und die Erhöhung des bereits laufenden Anleihenrückkaufprogramms um weitere 20 Milliarden auf 80 Milliarden Euro pro Monat. Dieses Programm läuft solange, bis sich mittelfristig eine Inflation von 2 % eingestellt hat, mindestens allerdings bis März 2017. Die Schwei- zerische Nationalbank (SNB) ist somit nach wie vor weit davon entfernt, eine eigenständige Geldpolitik betreiben zu können. Durch die zusätzliche Flutung des Finanzsystems mit Milliarden von Euros bleibt der Schweizer Franken einem latenten Aufwärtsdruck ausgesetzt. Um die hiesige Exportwirtschaft zu schützen, entschied sich die SNB vorderhand für das Instrument weiterer Devisenmarktinterventionen und sah vorerst davon ab, ihren Leitzins noch weiter in den negativen Bereich zu drücken. Die Notenbanken unternehmen also weiterhin alles, um die Börsen ja nicht zu erschrecken und damit eine durch sinkende Vermögenspreise ausgelöste Ansteckung der realen Wirtschaft auszulösen. Sie nehmen damit sowohl Glaubwürdigkeitseinbussen als auch höhere Teuerungsraten in Kauf. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf die Kerninflationsraten (Teuerung ohne die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise), die sich im Februar in der Eurozone auf 0,7 %, respektive in den USA bereits auf 2,3 % beliefen. Das Ziel Preisstabilität scheint also bereits recht gut erreicht zu sein und die Notenbanken riskieren mit ihrer 63, 63,(; 6KDQJKDL6WRFN([FKDQJH&RPSRVLWH,QGH[LQ86' 'H] 'H] 0U] 'H] 'H] -XQ 'H] 6HS 'H] 'H] 'H] 'H] Abb. 1: SPI und SPIEX (indexiert) 01.01.2006 – 31.03.2016 0U] 'H] -XQ 'H] 'H] 6HS 'H] Quelle: Bloomberg *5)RQGVSHU 1HWWRLQYHQWDUZHUW LQ&+) 9HUlQGHUXQJVHLW *5$NWLHQ6FKZHL]5 *5$NWLHQ6FKZHL]6PDOO0LG&DSV5 Abb. 2: 01.01.2016 – 31.03.2016 anhaltend expansiven Geldpolitik, die Inflationsrisiken zu unterschätzen, was sich dereinst in unerwünscht stark steigenden Kapitalmarktzinsen äussern könnte. Noch mehr geldpolitische Experimente Weltweit experimentieren derzeit fünf Notenbanken – darunter die SNB, die EZB und seit neustem auch die Bank of Japan (BoJ) – mit Negativzinsen. Unvermittelt, aber nicht überraschend wurden Bankaktien vom eingangs beschriebenen Börsenrückgang überdurchschnittlich stark in Mitleidenschaft gezogen. Einerseits mussten zahlreiche Institute Abschreibungen auf Kredite an Erdölfirmen verbuchen, die sich aufgrund der extrem tiefen Zinsen teilweise zu hoch verschuldeten. Andererseits wurde den Investoren bewusst, dass es im Negativzinsumfeld für Geschäftsbanken je länger je schwieriger werden dürfte, im traditionellen Kreditgeschäfte eine vernünftige Marge zu erzielen. Schliesslich drücken tendenziell noch weiter steigende regulatorische Eigenmittelanforderungen auf die Renditen. So verlor der europäische Bankenindex seit Anfang Jahr 20,4 %. Nicht verschont wurde auch die Credit Suisse, deren Aktien im glei- Quelle: Bloomberg chen Zeitabschnitt gar 37,3 % einbüssten. Bei der Schweizer Grossbank kommen zusätzlich unternehmensspezifische Probleme hinzu, die sich aufgrund des Wechsels des CEO im letzten Herbst ergeben haben. Ebenso wenig in der Gunst der Anleger standen die beiden Schweizer Pharmaaktien Novartis und Roche, die über einen Drittel des Swiss Performance Index (SPI) ausmachen. Die Angst vor sinkenden Medikamentenpreisen, die eine oder andere Enttäuschung aus der Produktepipeline sowie künftige Patentverfälle drückten hier auf die Stimmung. Insgesamt schnitt somit der SPI schlechter ab als beispielsweise amerikanische Aktien (Abb. 3). Weiterhin erfreulich entwickelten sich dagegen die an der Schweizer Börse kotierten klein- und mittelkapitalisierten Werte (Small & Mid Caps). Unternehmen wie Schindler, Partners Group, Kuehne + Nagel oder auch die weniger bekannte Interroll schaffen es, in einem anspruchsvollen Umfeld ihr Geschäftsmodell laufend zu adaptieren und so immer wieder in lukrative Marktnischen vorzustossen. Auch haben sie gelernt, mit dem seit nunmehr 40 Jahren gegenüber den wichtigsten Handelswährungen fortwährend aufwertenden Schweizer Franken umzu- .DWHJRULH $NWLHQ6FKZHL]63, $NWLHQ6FKZHL]6PDOO0LG&DSV $NWLHQ(XURSD(XUR6WR[[ $NWLHQ86$63 2EOLJDWLRQHQ6FKZHL] 2EOLJDWLRQHQ(XUR 2EOLJDWLRQHQ86$ (UG|OSUHLVSUR%DUUHO86':7, *ROGSUHLVSUR8Q]H86' 86'ROODU]XP&+) (XUR]XP&+) SHU gehen. Dadurch werden sie zu permanenter Innovation, striktem Kostenund konservativem Bilanzmanagement gezwungen, was sich langfristig positiv auf die jeweiligen Aktienkursentwicklungen niederschlägt. Aufgrund der rasanten Entwicklung der letzten Monate scheinen indes taktische Gewinnmitnahmen angezeigt (Abb. 1). Trotzdem bleiben Schweizer Small & Mid Caps innerhalb unserer Anlagestrategie übergewichtet. Ausblick Die starke Gegenbewegung an den Aktienmärkten seit Mitte Februar nutzten wir, um unsere Aktienquote von gleichgewichtet auf untergewichtet zu reduzieren. Wir gehen davon aus, dass sich im Verlauf des Jahres wieder günstigere Einstiegsgelegenheiten ergeben werden. Insbesondere die Tendenz der Notenbanken, den Finanzmärkten zu Hilfe zu eilen sobald diese zu Schwäche neigen, erachten wir als heikel. Für die Notenbanken reduziert sich der Interventionsspielraum laufend, und es dürfte immer schwieriger werden, die Erwartungen der diesbezüglich verwöhnten Anleger zu erfüllen. Zudem schwächt sich insbesondere in den USA das Gewinnwachstum ab, was die Aktienmärkte als teuer erscheinen lässt. In Europa werden die nach wie vor ungelöste Schuldenkrise sowie Diskussionen um einen möglichen Brexit immer wieder für Verunsicherung an den Märkten sorgen. 9HUlQGHUXQJ LQ/RNDOZlKUXQJ 9HUlQGHUXQJ LQ&+) 5HQGLWHMlKULJH6WDDWVDQOHLKHQ(XUR 'HXWVFKODQG Abb. 3: Wertveränderungen 01.01.2016 – 31.03.2016 KO TA K T I MN P R E S S U M & K O N TA K T Privatbank Von Graffenried AG – Ihre Berner Privatbank Marktgass-Passage 3, Postfach, 3001 Bern, Tel. +41 31 320 52 22, Fax +41 31 320 51 30 Quelle: Bloomberg
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