Pflanze ■ BAUERNBLATT l 13. Juni 2015 Getreideproduktion im Westen Australiens Wo zwei Tonnen Hochertrag sind Warten auf den „break of season“: Die Bestellung beginnt, sobald genügend Niederschlag gefallen ist. Kaum zu glauben, sähe man es nichtmiteigenenAugen:ZweiTonnen Weizen pro Hektar sind im Westen Australiens ein voller Erfolg! Und das in einem Gebiet, das sich Weizengürtel Australiens nennt. Prof. Uwe Latacz-Lohmann von der Universität Kiel und sein australischer Kollege Prof. Steven Schilizzi von der University of Western Australia haben den Weizengürtel bereist und diesen Bericht mitgebracht. Der Weizengürtel erstreckt sich von der Küste Südwestaustraliens zirka 500 km ins Landesinnere. Die Region ist geprägt durch das, was in Europa als Mittelmeerklima gilt – mit Winterniederschlägen und Sommertrockenheit. Die Böden sind auch nicht das, was sich der Ackerbauer wünscht: überwiegend sandig, unfruchtbar, erosionsanfällig, zur Versalzung neigend und sehr uneinheitlich. Wassermangel begrenzt das Pflanzenwachstum Mit jeden 100 nach Osten gefahrenen Kilometern von der Hauptstadt Perth aus nimmt die jährliche Niederschlagsmenge um zirka 100 mm ab. Nach gut 500 km steht man mit beiden Beinen in der Wüste. Je weiter man sich von der Küste entfernt, desto schwieriger gestaltet sich die ackerbauliche Nutzung der Flächen. Aber selbst in Küstennähe ist der Weizenanbau kein Zuckerschlecken, denn die Niederschläge sind ungünstig verteilt. Regen fällt überwiegend im Winter der Südhalbkugel, also in den Monaten April bis September. Die Sommer sind unbarmherzig trocken und heiß, die Sonne lässt Wachstum landwirtschaftlicher Nutzpflanzen nicht zu. Daraus ergibt sich ein Hauptunterschied zum Ackerbau in unseren Breitengraden: Die Vegetationsperiode sind die Wintermonate. Gesät wird üblicherweise ab Mitte/Ende April, dem ersten Herbstmonat auf der Südhalbkugel, geerntet wird im November, also mitten im Frühling. Danach setzt die große Trockenheit ein. Über den Sommer liegen die Flächen brach und glimmen in der Hitze. sät, kann das Pech haben, dass nach ein paar guten Regentagen im April mehrere Wochen lang Trockenheit herrscht. Die Farmer nennen das „false break of season“: Petrus hat den Wetterwechsel nur angetäuscht – und alle, die zu früh gesät haben, an der Nase herumgeführt. Konsequenz: Totalverlust und Neuaussaat. Das ist nicht ganz billig, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Betriebsgröße im westaustralischen Weizengürtel zwischen 2.000 ha (in den feuchteren Regionen) und 6.000 ha (im trockenen östlichen Teil) liegt. Wenn dagegen zu spät gesät wird, sagen wir Mitte Juni, um dem Risiko einer Trockenperiode aus dem Weg zu gehen, verlieren die Pflanzen wichtige Wachstumszeit – mit der Folge von Notreife und heftigen Ertragseinbußen. In solchen Fällen wird oft deutlich weniger als eine Tonne Weizen je Hektar geerntet. Ein weiteres Ertragsrisiko ergibt sich aus den nicht selten auftretenden Winterfrösten (vor allem im Landesinneren), die die Bestände zur Hauptwachstumszeit treffen. Pflicht für jeden Farmer – Wetterrisiken managen Risikomanagement ist also das A und O für die westaustralischen Weizenfarmer. Versicherungen gegen Er- Wenn Petrus die Regenzeit nur antäuscht Die Wahl des richtigen Saatzeitpunkts ist für die Betriebsleiter die wichtigste Managemententscheidung – mit potenziell weitreichenden Folgen. Nach dem heißen Sommer warten die Farmer auf den Jahreszeitenwechsel, „the break of season“, wie die Farmer sagen, also den Beginn der Regenperiode. Wer zu früh Von Schafen nachgeweidete Getreidefläche in der trockenen Sommerhitze. 35 36 Pflanze BAUERNBLATT l 13. Juni 2015 ■ Weidefläche für die Schafe kann leicht in Weizenfläche umgewidmet werden, wenn die Weizenpreise steigen. tragsausfälle gibt es nicht. Das wäre für die Versicherungen wegen der Unberechenbarkeit des Wetters viel zu riskant. Hier sind die Farmer ganz auf sich selbst gestellt. Risikomanagement bedeutet aber nicht nur die Wahl des richtigen Saatzeitpunktes, sondern auch die Wahl der richtigen Früchte. Die typische Farm hat eine Fruchtfolge mit 50 % Weizen, 20 % Ackergras-Leguminosen-Mischung, 15 % Gerste. Der Rest verteilt sich auf Raps und Körnerleguminosen. Monoweizenanbau kommt wegen der damit verbundenen Verbreitung von Ungräsern und des Auftretens von Fußkrankheiten nicht infrage. Eine mehrjährige Ackergras-Leguminosen-Mischung gilt als die beste Vorfrucht für Weizen. Sie reduziert das Risiko von Fußkrankheiten und steigert die Trockenheitsresistenz der Pflanzen – mit der Folge eines geringeren Ertrags- oder Ausfallrisikos. Kein Ackerbau geht ohne gleichzeitige Tierhaltung Die Betriebe im westaustralischen Weizengürtel sind fast ausnahmslos reine Familienbetriebe. Oft bewirtschaften Vater und Sohn oder Tochter die mehrere Tausend Hektar Ackerland. Selbst die größten Betriebe mit über 10.000 ha werden in der Regel mit höchsten drei Arbeitskräften bewirtschaftet. Zu den Arbeitsspitzen helfen nicht selten Mitglieder des weiteren Familienkreises (wie Onkel, Nichten, Neffen ...) aus. Reine Ackerbaubetriebe lassen sich im westaustralischen Weizengürtel selten finden. Fast alle Betriebe halten Schafe, im Durchschnitt um die 4.000 Tiere je Farm. Das hat sowohl etwas mit Risikomanagement zu tun (Wenn der Weizen schlecht läuft, bleiben wenigstens die Erlöse aus der Schafhaltung!) als auch mit der Verwertung von Ernteresten: Nach der Ernte im November weiden die Scha- fe die Flächen nach, während der Wachstumszeit der Früchte grasen sie auf der Ackerweide. Und wenn auf den Weizenflächen nur so wenig Ertrag steht, dass es sich nicht lohnt, den Mähdrescher anzuschmeißen, gibt es für die Schafe ein Festmahl. Aber die Schafe sind nicht nur Restenutzer. Vielmehr schauen die Farmer auf die erwarteten Preise für Weizen und Schaffleisch oder Wolle und entscheiden dann zu Saisonbeginn, wie sie ihre Fruchtfolge gestalten: Wenn die erwarteten Weizenpreise hoch sind, wird viel Weizen angebaut. Bei hohen erwarteten Fleisch- oder Wollpreisen wird ein größerer Anteil der Fläche als Ackerweide angelegt und die Schafhaltung aufgestockt. Auf diese Weise reagieren die Farmer sehr flexibel auf sich ändernde Preisverhältnisse. In Sachen Flexibilität haben sie nämlich einen großen Vorteil gegenüber deutschen Landwirten: Sie brauchen keine Schafställe und können daher diesen Betriebszweig flexibel ausdehnen. kommen. Dennoch spritzen die meisten Farmer ihre Bestände mit Spezialherbiziden. Daraus ergibt sich die zweite Überfahrt. Wenn die erledigt ist, heißt es Daumen drücken, dass der Bestand gut durch die Wachstumsperiode kommt und nicht durch Trockenheit in der Ertragsanlage leidet oder von Ungräsern überwuchert wird. Was sich einem darbietet, ist nicht mit den einheitlich grünen, nahezu unkrautfreien Weizenbeständen zu vergleichen, wie sie in Deutschland das Auge verwöhnen. Aufgrund der Witterungsextreme und der uneinheitlichen Bodenqualität präsentieren sich die Bestände oft recht uneinheitlich. Aber das macht nichts, denn Weizenanbau ist Big Business und kein Schönheitswettbewerb. Die dritte und letzte Überfahrt ist dann die Ernte. Die Mähdrescher haben riesige Schnittbreiten und fahren schnell, denn auf den Feldern steht ja nur etwa ein Fünftel des Ertrags, den wir in Deutschland gewohnt sind. Schnelligkeit ist Trumpf, um die große Fläche termingerecht abzuernten. Keine Nitratbelastung – keine Umweltprobleme? Jahren begann, wurde die ursprüngliche Vegetation – bestehend aus tief wurzelnden Bäumen und Büschen – gerodet. Diese Art der Vegetation hatte den Grundwasserspiegel zuvor stets niedrig gehalten. Mit der Kultivierung der Flächen stieg dieser an, mit der Folge, dass salzhaltiges Grundwasser oberflächlich verdunstet. Wegen der hohen Temperaturen verdunstet sehr viel, und dementsprechend schnell schreitet die Versalzung landwirtschaftlicher Flächen voran. Aktuell sind etwa 10 % der Fläche des westaustralischen Weizengürtels von Versalzung betroffen. Die wirkungsvollste Gegenmaßnahme wäre, die Flächen erneut mit Reihen tief wurzelnder Baumarten zu bepflanzen. Doch das ist teuer und daher bei den Farmern unbeliebt. Wenn die Versalzung fortschreitet, leidet zunächst der Ertrag, bis schließlich eine ackerbauliche Nutzung der Flächen unmöglich wird. Damit einher gehen weitere Umweltprobleme wie Bodenversauerung und Winderosion. Das Aufkalken der Flächen ist für die Landwirte eine teure Investition, die sich nur auf besseren Böden lohnt. Die nicht so guten Schläge werden bewusst der langsam fortschreitenden Versauerung überlassen, bis sie nicht mehr nutzbar sind. Gedüngt wird wenig: 40 kg Stickstoff in Form von Harnstoff sind in Profitabel produzieren den trockenen Gebieten im östlichen unter Extrembedingungen? Teil des Weizengürtels schon viel. In den küstennahen Gebieten mit höTrotz widriger Wetter- und Boheren Niederschlagssummen (bis zu denverhältnisse ist die Weizenpro500 mm) werden auch mal 60 kg duktion in Westaustralien eine ErN/ha gedüngt. Wer meint, dass es folgsgeschichte. Die Farmer haben darum keine nennenswerten Um- es gelernt, mit den Wetterquerelen weltprobleme gibt, der täuscht sich. umzugehen. Durch gutes RisikomaZwar ist Nitratbelastung kein Thema nagement und frühzeitige Übernahin Australien, aber die dortigen Land- me technologischer Innovationen ist wirte haben ein großes, in einigen es ihnen gelungen, die Erträge konMaximal drei Überfahrten, Fällen existenzbedrohendes Prob- tinuierlich zu steigern. Wesentliche Maßnahmen, die zu mehr rechnen sich nicht! lem: die Bodenversalzung. Mit der Urbarmachung des Landes durch eu- dieser Erfolgsgeschichte beigetraSo lautet die Devise für die meis- ropäische Siedler, die vor knapp 200 gen haben, sind: ten Farmer. Die erste Überfahrt besteht aus einer Kombination aus Grubber, Walzenegge, Sämaschine und Düngerstreuer. Ja, diese Arbeitsgänge werden in einer Überfahrt erledigt. Entsprechend bombastisch sind die Maschinen. 90 % der Farmer arbeiten mit Lenksystemen. Sie fahren schnell, denn schließlich ist eine große Fläche zu beackern. Wenn die Saat im Boden ist, beginnen die schlaflosen Nächte: Wird es regnen, oder ist man Petrus’ Täuschungsversuch aufgesessen? Ist das Korn aufgelaufen, beginnt das nächste Problem: herbizidresistente Ackerungräser. Hier unterscheiden sich deutsche und australische Ungräser nicht: Ih- Weizenproduktion ist Big Business – in jeder Hinsicht! nen ist mit Herbiziden kaum beizuFotos: Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann Pflanze ■ BAUERNBLATT l 13. Juni 2015 ● Direktsaatverfahren, wie sie heute von 95 % der Farmer praktiziert werden ● eine erhöhte Wasserhaltekapazität der Böden, weil Erntereste auf den Flächen verbleiben ● eine vermehrte Stickstoffdüngung in den vergangenen 25 Jahren sowie ● die mit Leguminosen aufgelockerten Fruchtfolgen Variable Produktionskosten ungefähr gleich hoch Eine Gegenüberstellung der Deckungsbeiträge (siehe Tabelle) zeigt die Hauptunterschiede zum Weizenanbau in Deutschland. Pro Hektar wird in Westaustralien etwa nur ein Fünftel des Deckungsbeitrags in Deutschland erzielt. Wen wundert’s bei den niedrigen Erträgen? Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit kommt es jedoch weniger auf die Höhe der Deckungsbeiträge pro Hektar an, sondern auf die Höhe der Stückkosten: Wer die Tonne Weizen zu möglichst niedrigen Kosten erzeugen kann, hat im Wettbewerb die Nase vorn. Die letzte Tabellenzeile zeigt die variablen Stückkosten (also variable Kosten je Hektar geteilt FAZIT Tabelle: Deckungsbeiträge und Stückkosten im Weizenanbau in Westaustralien und Deutschland Winterweizen Ertrag Preis Marktleistung Saat- und Pflanzgut Düngemittel Herbizide Fungizide Insektizide Wachstumsregler Molluskizide Summe Pflanzenschutz var. Masch.-Kosten Anbau, Ernte var, Masch.-Kosten Ernte, Abfuhr Lohnunternehmer (Dünger, PS) Fracht (zum nächsten Hafen) Summe variable Maschinenkosten Sonstiges Lohntrocknung (60%) dt/ha €/dt €/ha Summe variable Kosten Deckungsbeitrag variable Stückkosten €/ha €/ha €/ha Australien Deutschland 20 18 360 17 43 43 4 95 18,00 1.710 85 295 45 85 10 30 5 175 124 46 48 22 9 29 durch Ertrag je Hektar) für die beiden Länder. Das erstaunliche Ergebnis: Deutsche und australische Landwirte unterscheiden sich so gut wie gar nicht. Die variablen Stückkosten liegen bei rund 8,50 €/dt. Unterschiede 60 3 170 10 68 170 190 8,50 803 907 8,46 ergeben sich aber vermutlich bei den in der Deckungsbeitragsrechnung nicht berücksichtigten Kosten, wie fixen Maschinenkosten, Gemeinkosten, Entlohnungsansätzen für die betriebseigenen Produktionsfaktoren. Die Weizenproduktion in Westaustralien läuft ganz anders als in Deutschland. Australische Weizenfarmer sind Meister im Umgang mit Wetterrisiken. Der Staat hält sich aus der Weizenproduktion komplett heraus. Beihilfen gibt es nicht, die Landwirte sind auf sich selbst gestellt. Dennoch (oder gerade deshalb) ist Weizenproduktion in Westaustralien Big Business: ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im dünn besiedelten ländlichen Raum, wettbewerbsstark und exportorientiert. Man ist stolz, Weizenfarmer zu sein, auch wenn witterungsbedingte Rückschläge die Freude am Beruf in machen Jahren eintrüben. Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann Institut für Agrarökonomie der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der CAU Kiel, Tel.: 04 31-880-44 00 [email protected] Prof. Dr. Steven Schilizzi University of Western Australia Deutsches Maiskomitee tagte in Osnabrück, Teil 2 Wie gehen andere Bundesländer mit Nährstoffüberschüssen um? auch die Aussagekraft des Nmin-Gehaltes im Boden für die Düngebedarfsermittlung, wenn er wie üblich im März bestimmt werde. Im April/Mai fielen viele Niederschläge, sodass ein Teil des Bodenstickstoffs ausgewaschen werde und dem Mais nicht mehr zur Verfügung stünde, so der Berater. Auf ihrer diesjährigen Vortragsveranstaltung zum Thema „Nährstoffeffizienz im System Boden-Pflanze-Tier“ hat das Deutsche Maiskomitee(DMK) breit diskutiert, welchen Einfluss die Neuerungen der Düngemittelverordnung (DÜVO) auf die landwirtschaftliche Praxis ausübten. In diesem Beitrag steht im Vordergrund, welche Erfahrungen Berater der Landwirtschaftskammern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemacht haben und welche Empfehlungen sie daraus ableiten. Praxisnahe Wege, die Effizienz bei der Gülledüngung zu steigern, zeigte Dr. Ludger Laurenz von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Beim Mais sei die Spannbreite der optimalen N-Düngergabe doppelt so hoch wie bei Raps und Getreide, da Mais den NBodenvorrat wesentlich besser ausnutze. Aber unter Mais fänden auch deutlich höhere N-Verluste durch Auswaschung oder Denitrifi- Unterstützung verhaltener Stickstoffdüngung Der Einfluss der Neuerungen der Düngemittelverordnung war zentrales Thema der Tagung. Foto: Landwirtschaftskammer entstünden kation statt. Laurenz kritisierte das Ammoniakverluste Vier-Stunden-Einarbeitungsgebot schon in der ersten Stunde nach für Gülle in der DÜVO, denn die der Ausbringung. Fragwürdig sei Es sei problematisch, dass die NDüngeberatung auf dem N-Sollwertprinzip basiere, welches NVerluste nach der Düngung nicht berücksichtige. Landwirte geben dann bei der N-Mineraldüngung Zuschläge, da sie den knappen NDüngeempfehlungen der Offizialberatung nicht trauen. Laurenz’ Gegenstrategie: In regenreichen Frühjahren Verluste hinnehmen und durch eine Spätdüngung ausgleichen. Oder diese N-Verluste vermeiden durch ein verhaltenes Andüngen im Frühjahr nach 37
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