Gedenken an Märtyer Jan Hus - Christus

„Die Wahrheit stirbt nicht
in den Flammen!“ (Jan Hus)
Gottesdienst zum Gedenken an Jan Hus und seinen
Märtyrertod am 6. Juli 1415 mit einer Predigt über
1. Petrus 4, 12 am Sonntag, 5. Juli 2015 (600. Todestag)
Evangelische Kirche Spielberg, Pfarrer Theo Breisacher
* Begrüßung:
„Ihr Lieben, lasst euch durch die Hitze nicht
befremden, die euch widerfährt zu eurer
Versuchung, als widerführe euch etwas
Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit
Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der
Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und
Wonne haben mögt.“ Mit diesen Worten aus
dem 1. Petrusbrief möchte ich Sie alle ganz
herzlich zu unserem Gottesdienst begrüßen!
Es sind ernste Worte zu Beginn eines Gottesdienstes. Johannes Hus – oder Jan Hus, wie
er eigentlich heißt – hat das vor 600 Jahren
auf schmerzliche Weise erlebt: Am 6. Juli 2015
wurde er in Konstanz als angeblicher Ketzer
verbrannt.
Bis zuletzt wurde er von seinen Gegnern
bedrängt, doch endlich zu widerrufen und so
dem grausamen Tod zu entgehen. Doch Jan
Hus konnte und wollte nicht widerrufen: Es
wäre für ihn ein Verrat an der Wahrheit und an
seinem Lebenswerk gewesen.
Jan Hus – gemalt von Johann Agricola im Jahr
1562 – 150 Jahre nach seinem Tod
Das Wort Jesu aus Johannes 8 war ihm so
etwas wie ein Lebensmotto: „Wenn ihr
bleiben werdet an meinem Wort, seid ihr
wahrhaftig meine Jünger und werdet die
Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird
euch frei machen.“
Einer seiner besten Freunde und Mitstreiter
hat sich später von Jan Hus abgewendet, weil
er seinen Weg nicht mehr weitergehen wollte.
Über ihn schreibt Jan Hus einmal folgendes:
„Freund Paletsch, Freundin Wahrheit: Wenn
beide Freunde sind, dann ist es die heilige
Pflicht, die Wahrheit vorzuziehen“. („Damals“, 21)
Lange vor seinem Märtyrertod schrieb Jan Hus
in einem Kommentar zu diesem Bibelvers
einmal folgendes: „Darum, frommer Christ,
suche die Wahrheit, höre auf die Wahrheit,
lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit,
sprich die Wahrheit, halte die Wahrheit,
verteidige die Wahrheit bis zum Tode, denn
die Wahrheit befreit dich von der Sünde,
vom Teufel, vom Tod der Seele und
schließlich vom ewigen Tod.“ („Damals“, 23)
Von seiner Heimat Tschechien abgesehen,
blieb das Wirken von Jan Hus leider nur eine
Episode der Geschichte: Er predigte zwar 15
Jahre lang gegen die Missstände seiner Zeit.
Doch Anhänger fand er nur in seiner Heimat.
Erst 100 Jahre später – ab dem Jahr 1517 –
begann eine Reformbewegung die ganz
Europa erfasste und in deren Folge die
1
evangelische Kirche entstand. Und im Zentrum
der Kritik stand bei Martin Luther und bei Jan
Hus interessanterweise genau das gleiche
Thema: der unselige Ablasshandel mit den
Sünden der Menschen. Weshalb allerdings die
95 Thesen von Martin Luther so etwas wie
eine Lawine auslösten, die Predigten von Jan
Hus nur in seiner Heimat gehört wurden, das
weiß Gott allein. Vielleicht war die Zeit im Jahr
1415 einfach noch nicht reif genug.
fragen sollten auch Jan Hus prägen. Geboren
im Jahr 1330 – also rund 40 Jahre vor Jan Hus
– kritisierte John Wyclif die Heiligenverehrung,
die Verehrung von Reliquien und die Pflicht
zum Zölibat der Priester. Außerdem hielt John
Wyclif die Verwandlung von Brot und Wein in
den Leib und das Blut Jesu für falsch. Diese
sogenannte Transsubstantiationslehre – also
die Verwandlung der Elemente in Leib und Blut
Jesu – ist auch heute noch ein wesentlicher
Bestandteil der katholischen Abendmahlslehre.
Dennoch bleibt Jan Hus für alle Zeiten ein
Vorbild für uns Christen in seiner Liebe zum
Wort Gottes, in seiner Aufrichtigkeit und in
seiner Bereitschaft, der Wahrheit treu zu
bleiben bis zur letzten Konsequenz. Deshalb
dieser Gottesdienst im Gedenken an einen
bedeutenden Christen – einem „Morgenstern“
der Reformation, wie er später manchmal
bezeichnet wurde. –
Genau diese Kritikpunkte und theologischen
Fragen stießen auch bei Jan Hus auf offene
Ohren. Außerdem war es John Wyclif ein
großes Anliegen, dass die Menschen die
Botschaft der Bibel in ihrer Muttersprache
lesen und hören können. Manche kennen
vielleicht die große Bibelübersetzungsgesellschaft aus unserer Zeit, die ganz bewusst den
Namen von John Wyclif gewählt haben: die
Wyclif-Bibelübersetzer.
* Hinführung – Biografisches
Ich erzähle das an der Stelle deshalb so
ausführlich, weil bereits John Wyclif mit seinen
Predigten und Schriften in einen heftigen
Konflikt mit der damaligen katholischen Kirche
geriet. Doch hatte er starke Unterstützer –
außerdem war England weit weg von Rom.
Erst 1412 – drei Jahre vor dem Tod von Jan
Hus – wurden seine Schriften als häretisch
erklärt.
Zunächst ein paar Geschichtliche Daten zu
Jan Hus: Um das Jahr 1370 kommt Jan Hus in
Husinec in Südböhmen, dem heutigen
Tschechien, zur Welt. Heute ist es eine Stadt,
kaum größer als Spielberg. Nicht weit von
Passau entfernt. Er wird auf den Namen
Johannes getauft, von seinen Eltern aber Jan
gerufen. Seine Familie ist arm; sein Vater ist
von Beruf Fuhrmann. Sonst weiß man vom
Vater nichts. Seine Mutter war allerdings eine
fromme Frau: Schon früh hat sie ihren Sohn
Jan für die Priesterlaufbahn bestimmt. Das war
damals für arme Kinder eine der wenigen
Möglichkeiten zum wirtschaftlichen und
sozialen Aufstieg. Aus diesem Grund kam Jan
Hus schon früh in die Lateinschule. Bereits mit
17 Jahren ging er dann zum Studium der
Theologie und der Philosophie nach Prag.
Im Mai 1415 – wenige Wochen vor dem Tod
von Jan Hus – wurde auch Wyclif auf dem
Konzil von Konstanz zum Ketzer erklärt und
angeordnet, seine Gebeine 30 Jahre nach
seinem Tod auszugraben und zu verbrennen.
Da sich Jan Hus in vielem auf die Schriften
von John Wyclif berief, sah man in Konstanz
gar nicht die Notwendigkeit, sich mit den
einzelnen Schriften von Jan Hus auseinanderzusetzen: Wer Sympathien mit einem Ketzer
hegte, konnte selber nur ein Ketzer sein –
selbst wenn er nicht dessen vollständige Lehre
übernahm. –
Jan Hus war zeitlebens nicht nur ein durch und
durch aufrichtiger Mensch, sondern auch sehr
selbstkritisch. Er schreibt einmal über seine
Pläne, Priester zu werden: „Als Schüler hatte
ich vor, bald Priester zu werden, um eine
gute Wohnung und Kleidung zu haben und
von den Menschen geschätzt zu werden.
Aber dieses böse Begehren erkannte ich,
sobald ich die Schrift verstanden hatte.“
Doch blenden wir wieder zurück ins Jahr 1400:
In diesem Jahr wurde Jan Hus zum Priester
geweiht. Schon zwei Jahre später wurde er
Prediger in der Bethlehemskapelle in Prag:
einer der wichtigsten Kirchen in der Stadt. Und
genau wie John Wyclif war es ihm ein
Anliegen, dass die Menschen die Bibel in ihrer
tschechischen Muttersprache lesen und hören
können. Predigen war die große Begabung
von Jan Hus, und so kamen immer mehr
Ab dem Jahr 1398 beschäftigte er sich intensiv
mit den Schriften des Engländers John Wyclif:
Dessen Kritik an den Missständen in der
Kirche und an einzelnen theologischen Lehr-
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Menschen zu den Gottesdiensten des
beliebten Magisters. Sogar sein Erzbischof war
von Jan Hus zunächst sehr angetan: Dieser
war ein junger Aristokrat, hatte von Theologie
allerdings wenig Ahnung. So war es damals
leider üblich, dass leitende Ämter in der Kirche
keinen versierten Theologen übertragen
wurden, sondern Personen mit Einfluss und
Macht. Nicht selten flossen auch große
Summen an die Kirche, um solche Ämter
überhaupt zu erhalten. Damit war aber
zugleich vorprogrammiert, dass der Erzbischof
gar nicht in der Lage war, mit seinem aufmüpfigen Magister theologisch zu argumentieren. Der Konflikt verlagerte sich ziemlich
schnell auf die Ebene von Macht und Gewalt.
Und da konnte ein Kämpfer für das Wort nur
den Kürzeren ziehen.
Vater Unsers, des Glaubensbekenntnisses
und der zehn Gebote.
Trotz seines großen Erfolges in seiner Heimat
und einer großen Fangemeinde wurde Jan
Hus bereits im Jahr 1410 – da war er gerade
mal zehn Jahre lang Pfarrer und Priester –
exkommuniziert, also aus der Kirche ausgeschlossen. Er wird – wie später Martin Luther –
mit dem Bann belegt und musste aus Prag
fliehen. Von 1412 bis 1414 fand Jan Hus
Schutz und Zuflucht auf den Burgen von
wohlwollenden Adligen – auch das eine
Parallele zu Martin Luther später. In dieser Zeit
verfasste Jan Hus zahlreiche theologische
Schriften – unter anderem eine Auslegung des
Es gab drei große Themen: Man wollte auf
dem Konzil die Einheit der Kirche wieder
herstellen: statt drei Päpsten sollte nur einer
an der Spitze der Kirche stehen. Zweitens
wollte man sich über notwendige Reformen
Gedanken machen. Und schließlich sollten
Lehrstreitigkeiten geklärt werden: zum Beispiel
die Auseinandersetzung mit den Lehren von
Jan Hus oder John Wyclif beispielsweise über
das Abendmahl. Jan Hus war also bei weitem
nicht das Hauptthema. Schon kurz nach seiner
Ankunft wurde er unter einem Vorwand
gefangen gesetzt: Damit war sein Schicksal im
Einer Vorladung nach Rom hatte sich Jan Hus
noch widersetzt. Schließlich ließ er sich vom
deutschen König Sigismund überreden, nach
Konstanz zum Konzil zu reisen, um dort den
Vorwurf der Ketzerei zu widerlegen. Dabei
sicherte ihm König Sigismund ausdrücklich
freies Geleit zu – nach Konstanz und wieder
zurück. Jan Hus glaube an den Sieg der
Wahrheit: Deshalb reiste er in der Hoffnung
nach Konstanz, dort Gelegenheit zur
Verteidigung seiner Lehren zu bekommen.
Doch die Stimmung auf dem Konzil war eine
ganz andere: Letzten Endes hatte man keine
Lust zu einem fairen biblisch-theologischen
Streitgespräch. Man wollte Ruhe haben!
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„Ich bin gerettet – ich komme deshalb in den
Himmel, wenn weil ich so und so gelebt habe.“
Grunde schon besiegelt. Mehrmals im Frühjahr
1414 wurde Jan Hus vorgeladen – aber nicht
als freier Theologe, sondern bereits als
Gefangener und Angeklagter. Schließlich
verurteilte man ihn der Ketzerei.
In dem griechischen Wort geht es aber gar
nicht um die Rettung aus dem letzten Gericht,
sondern um ein Glücksgefühl. Die Übersetzung „Hoffnung für alle“ formuliert deshalb:
„Glücklich sind diejenigen, die barmherzig
sind“. Damit ist nicht gemeint, dass man als
Christ immer gut gelaunt und immer gut drauf
sein muss. Jesus wollte vielmehr sagen: „Es
sieht zwar oft so aus, als ob ihr als Christen
die Verlierer seid. Es sieht zwar oft so aus, als
würdet ihr den Kürzeren ziehen, wenn ihr nach
meinen Geboten lebt. Aber in Wirklichkeit habt
ihr eine Menge Grund, euch zu freuen.
Warum: Weil ihr das Richtige tut und weil ich
euch gerade auf diesem Weg segnen werde!“
Am 6. Juli 1415 wurde er im Konstanzer
Münster zunächst als Priester degradiert. Man
setzte ihm eine Schandkrone auf, die die
Aufschrift trägt: „Dieser ist ein Ketzerführer“.
Noch am selben Tag wurde er auf dem
Scheiterhaufen verbrannt. Und damit seine
Anhänger keine Reliquien von ihrem großen
Vorbild haben, die sie verehren konnten,
wurden schließlich auch noch seine Kleider
verbrannt und die Asche im Rhein versenkt,
damit möglichst nichts mehr an Jan Hus
erinnern sollte.
Doch so einfach ließen sich seine Anhänger
nicht zum Schweigen bringen: von 1419 bis
1439 tobten in Tschechien hefte Kriege
zwischen den Anhängern von Jan Hus und
römischen Kirche. In Tschechien wurde Jan
Hus in der Folgezeit als Nationalheld verehrt.
Sein Todestag, der 6. Juli, ist in Tschechien
auch heute noch Feiertag. –
Hören wir die Seligpreisungen aus Matthäus 5
in dieser Übersetzung. Und Sie können sich ja
einmal versuchen vorzustellen, wie ein Christ
das hört, der gerade wegen seines Glaubens
verfolgt wird:
3 Jesus sagte: Glücklich sind, die
erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn
ihnen gehört die neue Welt Gottes.
4 Glücklich sind die Trauernden, denn sie
werden Trost finden.
5 Glücklich sind die Friedfertigen, denn sie
werden die ganze Erde besitzen.
6 Glücklich sind, die nach Gerechtigkeit
hungern und dürsten, denn sie sollen satt
werden.
7 Glücklich sind die Barmherzigen, denn
sie werden Barmherzigkeit erfahren.
8 Glücklich sind, die ein reines Herz haben,
denn sie werden Gott sehen.
* Lesung am 5. Juli: Matthäus 5
9 Glücklich sind, die Frieden stiften, denn
Gott wird sie seine Kinder nennen.
Zum Thema das heutigen Gottesdienstes
hören wir die sogenannten „Seligpreisungen“
aus der Bergpredigt Jesu. Die Übersetzung
des entscheidenden griechischen Wortes an
dieser Stelle ist schwierig: Martin Luther hat
zum Beispiel übersetzt: „Selig sind die
Sanftmütigen …“. Oder: „Selig sind die
Barmherzigen …““. Und so weiter.
10 Glücklich sind, die verfolgt werden, weil
sie nach Gottes Willen leben. Denn ihnen
gehört Gottes neue Welt.
11 Glücklich könnt ihr sein, wenn ihr
verachtet, verfolgt und verleumdet werdet,
weil ihr mir nachfolgt.
12 Ja, freut euch und jubelt, denn im
Himmel werdet ihr dafür reich belohnt
werden! Genauso haben sie die Propheten
früher auch verfolgt.
Diese Übersetzung könnte allerdings in der
Weise missverstanden werden, als könnte
man sich durch einen bestimmten Lebensstil
das Heil erwerben. „Selig“ also im Sinne von:
4
Im Jahr 1413 – ein Jahr vor seinem gewaltsamen Tod – schrieb Jan Hus zu diesem
Thema einmal folgendes: „Wenn ein Gebot
vom Papst ausgeht, soll also jeder gläubige
Jünger Christ erwägen, ob es ausdrücklich
das Gebot eines Apostels oder des
Gesetzes Christi ist oder seine Grundlage
in Christi Gesetz hat; und wenn er dies
erkennt, so soll er ehrfürchtig und demütig
diesem Gebot gehorchen.
* Predigt Teil 1: Die Liebe zum
Wort Gottes
„Darum, frommer Christ, suche die Wahrheit, höre auf die Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit, sprich die Wahrheit, halte die Wahrheit, verteidige die
Wahrheit bis zum Tode …“ („Damals“, 23)
Wie die evangelischen Reformatoren 100
Jahre nach seinem Tod war Jan Hus durch
und durch ein Bibeltheologe. Deshalb war für
ihr völlig klar: Es handelt sich hier nicht um
eine abstrakte Wahrheit oder um eine
philosophische Wahrheit, die der Mensch
durch intensives Nachdenken entdecken
könnte. Nur das Wort Gottes kann für uns
Christen der Maßstab. Nur Jesus Christus
selbst kann für uns maßgeblich sein: die
Wahrheit in Person, wie es im Johannesevangelium heißt. Das haben selbst viele Verehrer
von Jan Hus später aus den Augen verloren.
Wenn er aber wirklich erkennt, dass ein
päpstliches Gebot dem Gebot oder Rat
Christi widerspricht oder der Kirche zum
Schaden gereicht, so soll er ihm kühn
entgegentreten, auf dass er nicht durch
Zustimmung Teilnehmer an einem Verbrechen wird … Daher ist deutlich, dass ich
gegen einen vom rechten Weg abweichenden Papst auflehnen, dem Herrn Christo
gehorchen heißt.“
Das könnte genauso auch ein Martin Luther
gesagt haben. Als dieser vor dem Reichstag in
Worms stand, rief er in die Menge, dass er
bereitwillig alle seine Schriften widerrufen
werde, sofern ihm jemand zeigt, dass sie nicht
auf der Grundlage der Heiligen Schrift stehen.
Im 19. Jahrhundert wurde Jan Hus beispielsweise zur Leitfigur der nationalen Bewegung in
Tschechien. Nach der Bibel hat dort kaum
einer gefragt. Im Ersten Weltkrieg war Hus das
Idol derer, die gegen das Deutsche Reich
kämpften. Sogar im Sozialismus galt Jan Hus
als großes Vorbild, obwohl diese mit dem
Christentum herzlich wenig am Hut hatten.
Machen wir einen Sprung in unsere Zeit: Wir
feiern heute Morgen ja Gottesdienst und hören
keinen historischen Vortrag! Wie ist es mit
unserer Liebe zum Wort Gottes bestellt? Spürt
man uns ab, dass die Bibel auch für uns das
Wertvollste ist, das wir haben? Sie wir bereit,
für die Wahrheit zu kämpfen und einzustehen,
wenn sie in Zweifel gezogen wird?
Bis heute ist der Wahlspruch des tschechischen Volkes ein Zitat von Jan Hus: „Die
Wahrheit wird siegen“. Gleichzeitig gilt
Tschechien heute als eines der unchristlichsten und am weitesten säkularisierten Länder
der Welt. 80% der tschechischen Bevölkerung
ist heute ohne Religion. Nein, das wäre sicher
nicht im Sinne von Jan Hus gewesen, einen
Wahrheitsbegriff unabhängig von der Bibel
entwickeln zu wollen.
Es sind heute natürlich ganz andere Fronten
als zur Zeit von Jan Hus vor 600 Jahren: Die
katholische Kirche von damals ist nicht mehr
die katholische Kirche von heute. Die Katholiken wissen selbst, dass die Reformatoren
den oft liederlichen Lebenswandel vieler
Priester und Bischöfe damals und manches
andere völlig zurecht kritisiert haben. Vor
vorletzte Papst hat im Jahr 1999 ausdrücklich
das Unrecht bedauert, das seine Kirche Jan
Hus damals angetan hat.
Er hat einmal gesagt: „Wir können den
Teufel nur mit den Waffen überwinden, die
auch Christus zu seinem Sieg gebrauchte,
nämlich mit der Heiligen Schrift“. („Damals“,
22)
Deshalb lag ihm so sehr am Herzen, dass die
Bibel übersetzt wird. Deshalb lag ihm so sehr
am Herzen, dass in der Muttersprache der
Menschen gepredigt wird. Deshalb war er
auch nicht ein Revoluzzer aus Prinzip: Wenn
er in seiner Kirche etwas zu kritisieren hatte,
dann war dies immer der Heiligen Schrift
entnommen.
Heute kämpfen wir als Christen an ganz
anderen Punkten: Zum Beispiel wenn in
Zweifel gezogen wird, ob Jesus wirklich der
Erlöser aller Menschen ist. Wenn behauptet
wird, Jesus sei lediglich ein großer Mensch
gewesen, den man hinterher nach seinem Tod
als Sohn Gottes bezeichnet habe.
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Da ist es unsere Pflicht und unsere Aufgabe zu
widersprechen – wobei keiner von uns um sein
Leben bangen muss, wenn er sich hier kritisch
äußert. Das war bei Jan Hus deutlich anders!
dürfen wir ihm widersprechen. Zumindest das
können wir von Jan Hus lernen!
Und wenn ein Bischof öffentlich verkündet, wir
bräuchten eine neue Sexualethik, dann
müssen wir nachfragen, was er genau damit
meint. Und wenn es nicht der biblischen Lehre
entspricht, dann haben wir das Recht, deutlich
zu widersprechen.
Ein anderer großer Streitpunkt in unserer Zeit
ist die Ethik, speziell das Zusammenleben von
Mann und Frau, das Verständnis von Ehe und
so weiter. Ich finde es erschreckend, wie
manche Christen in kürzester Zeit biblische
Werte über Bord werfen, die jahrhundertelang
selbstverständlich waren.
Die Liebe zum Wort Gottes: Darin kann uns
Jan Hus auch 600 Jahre nach seinem Tod ein
großes Vorbild sein!
Ein aktuelles Beispiel dazu: Die Synode der
Evangelischen Kirche in Westfalen hat im
vergangenen Winter beschlossen, dass homosexuelle Paare in Zukunft in einem öffentlichen
Gottesdienst gesegnet werden können. In
Baden gehört dieses schwierige Thema völlig
zurecht in den Bereich der Seelsorge.
Bezeichnend finde ich die Begründung in der
westfälischen Kirche, die dabei vor allem
genannt wurde: Erstens: „Eine vertiefte
Erkenntnis des biblischen Zeugnisses.“ Und
zweitens: „Die zunehmende gesellschaftliche
Akzeptanz homosexueller Beziehungen.“
Eine solche Begründung ist vom biblischen
Standpunkt aus betrachtet allerdings schon
hochproblematisch: Nach 2000 Jahren
Bibelauslegung entdeckt man innerhalb von 20
Jahren plötzlich völlig neue Zusammenhänge.
Das klingt schon stark danach, dass man sich
die Bibel so zurechtlegt, wie es einem gerade
ins Konzept passt.
Und mit der zweiten Begründung gibt man
unumwunden zu, dass die Bibel nur noch
einen untergeordneten Stellenwert hat: Wenn
sich die gesellschaftlichen Ansichten ändern,
müssen sich auch die Inhalte der christlichen
Lehre verändern – so die These.
Das berühmte Hus-Denkmal in Prag
* Predigt Teil 2: Die Treue zur
Wahrheit
Jan Hus hätte eine solche Behauptung die
Zornesröte ins Gesicht getrieben. Auch wenn
es heute ganz andere Themen sind als in der
damaligen Zeit, sollten wir genauso den Mut
aufbringen, zu widersprechen. Jan Hus sagte:
Wenn ein päpstliches Gebot der Heiligen
Schrift widerspricht, so soll man ihm kühn
entgegentreten.
„O ihr Bösewichter, die ihr da glaubt, man
könne mit Gott wie mit einer Schankwirtin
umgehen, bei der man auf Rechnung säuft
und die man bezahlt, um aufs neue zu
saufen“: Einer der zentralen Kritikpunkt von
Jan Hus war der Ablasshandel: Die Gnade
Gottes darf nicht käuflich sein. Genauso
kritisierte er, dass hohe kirchliche Ämter nicht
nach geistlichen Qualitäten der Bewerber
vergeben wurden, sondern nach machtpolitischen Gesichtspunkten. Die Ursache all
Wenn also wie vor kurzem der höchste
Repräsentant der evangelischen Kirche in
Deutschland sagt, man könne die Homo-Ehe
der klassischen Ehe völlig gleichstellen, dann
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dieser Übel sah Jan Hus im großen Reichtum
der damaligen Kirche: Wenn man sich auf den
einfachen Lebensstil Jesu besinnen würde,
müsste die Kirche nicht mit allen Mitteln um
ihren Reichtum kämpfen.
Heiligen durch viele Martern ins
Himmelreich eingegangen sind … Wer kann
die Martern alle schildern, die die Heiligen
im Alten und Neuen Bund für die Wahrheit
Gottes erlitten haben … Das aber erfüllt
mich mit Freude, dass sie meine Bücher
doch haben lesen müssen, … Ich weiß
auch, dass sie meine Schriften fleißiger
gelesen haben als die Heilige Schrift, weil
sie in ihren Irrlehren zu finden wünschten.“
Ein berühmtes Zitat von Jan Hus lautet
folgendermaßen: „Durch den unseligen
Reichtum, in dem die Kirche schwelgt, ist
fast die ganze Christenheit vergiftet und
verdorben worden. Hunde beißen sich um
einen Knochen. Nimm ihnen den Knochen,
dann hören sie auf zu raufen.“ Auch um
drastische Vergleiche war Jan Hus nicht
verlegen. Als er dann auch noch die kirchliche
Hierarchie in Frage stellte und die Möglichkeit
in Erwägung zog, dass auch ein Papst möglicherweise gar kein rechter Christ war, da war
vorprogrammiert, dass es zum Konflikt mit der
Kirche kommen würde.
(„Damals“, 28)
Wir hören dazu einen Bibelabschnitt aus dem
1. Petrusbrief, den sicher auch Jan Hus gut
gekannt hat: 12 Ihr Lieben, lasst euch durch
die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt zu eurer Versuchung, als widerführe
euch etwas Seltsames, 13 sondern freut
euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr
auch zur Zeit der Offenbarung seiner
Herrlichkeit Freude und Wonne haben
mögt. 14 Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht
werdet um des Namens Christi willen, denn
der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und
Gottes ist, ruht auf euch. 15 Niemand aber
unter euch leide als ein Mörder oder Dieb
oder Übeltäter oder als einer, der in ein
fremdes Amt greift. 16 Leidet er aber als ein
Christ, so schäme er sich nicht, sondern
ehre Gott mit diesem Namen. 19 Darum
sollen auch die, die nach Gottes Willen
leiden, ihm ihre Seelen anbefehlen als dem
treuen Schöpfer und Gutes tun. –
Ich hatte schon erwähnt, dass Jan Hus
zunächst gar nicht zum Konzil nach Konstanz
reisen wollte. Vielmehr soll ihn König Sigismund überredet haben, nach Konstanz zu
reisen, um dort ein für alle Mal den Vorwurf der
Ketzerei aus der Welt zu schaffen. Doch die
Situation in Konstanz war eine völlig andere:
Anders als später bei Martin Luther gab es
überhaupt keine Disputation – ein
Lehrgespräch über einzelne Streitpunkte. Man
wollte nicht mit ihm diskutieren: Man wollte ihn
loshaben, um sich auf die anderen Themen
konzentrieren zu können.
Liebe Gemeinde, an diesem Satz bin ich
schon oft hängengeblieben: „Lasst euch
durch die Hitze nicht befremden, als
widerführe euch etwas Seltsames“.
Offenbar ist es die Normalsituation eines
Christen, dass man mit Gegenwind und
Widerstand rechnen muss. So schreibt es
zumindest der Apostel Petrus.
Ab dem Frühjahr 1415 muss er mehrere
„Audienzen“ über sich ergehen lassen. Doch in
diesen Anhörungen wird er – gegen seine
Hoffnungen – überhaupt nicht angehört. Immer
wieder wird er niedergeschrien, berichtet der
Chronist. Und sogar ausgelacht. Und man
unterstellt ihm Aussagen, die er so überhaupt
nie gemacht hat.
Aber auch von Jesus haben wir es in der
Schriftlesung ja ähnlich gehört: Die Nachfolger
Jesu sollen sich darüber freuen, weil es eine
Ehre ist, für ihren Herrn zu leiden. Ich habe
das Gefühl, dass wir Christen heute von dieser
Bereitschaft kilometerweit entfernt sind: Wenn
es im Büro mal ein paar abfällige Bemerkungen gibt über den Glauben oder uns die
Nachbarn mit spöttischem Blick anschauen,
fühlen wir uns schon wie die großen Märtyrer.
Natürlich sollen wir uns nicht wünschen, dass
es bald richtig losgeht. Keiner verlangt von
uns, dass wir eine Lust zum Leiden haben
sollen.
Jan Hus schreibt selber über diese Zeit, er
hätte sich mehr „Würde und Anstand“ erhofft.
Bald spürt Jan Hus, wie sich die Sache
zuspitzt und er mit dem schlimmsten rechnen
muss. Doch er bleibt gefasst und sieht überhaupt keinen Anlass, sich von seinen Aussagen oder von seinen Schriften zu distanzieren. Eine Woche vor seiner Hinrichtung
schreibt Jan Hus einen letzten Brief an seine
Freunde: Er dankt seinen Freunden für ihre
Unterstützung und erinnert an das Leiden Jesu
auf dem Weg zum Kreuz. Zum Schluss
schreibt er: „Wir sollen es bedenken, wie die
7
Aber es sollte uns doch nachdenklich machen,
dass wir offenbar in einer Ausnahmesituation
leben, wenn wir ohne große Widerstände
unseren Glauben leben und bezeugen können.
Wenn keiner von uns gravierende Nachteile
befürchten muss, wenn er sich zum Glauben
und zur Kirche bekennt. Offenbar ist das die
Ausnahmesituation. Und tatsächlich erleben
Millionen von Menschen gerade in unserer Zeit
genau das Gegenteil: In der dm-Arena findet
gestern und heute ein Kongress der christlichen Organisation „Open Doors“ statt –
„offene Türen.“ Sie berichten von unzähligen
Beispielen, wie Christen unter ihren Peinigern
zu leiden haben: In Nigeria werden regelmäßig
Kirchen angezündet und Menschen entführt
und hingerichtet. Im Irak wurden Christen von
den IS-Milizen umgebracht, nur weil sie
Christen waren. In Nordkorea kann man ins
Gefängnis kommen, wenn man an einem
Bibelkreis oder an einem Gottesdienst
teilnimmt.
In den 70iger Jahren sind auch aus unserer
Gegend viele Menschen mit präparierten
Wohnwagen in den Ostblock gefahren und
hatten unter Verkleidungen und doppelten
Böden Bibeln versteckt.
Heute sind viele Menschen, die damals hinter
dem eisernen Vorhang gelebt haben, mitten
unter uns. Sollten wir nicht noch viel mehr als
bisher überlegen, wie wir sie in Berührung
bringen könnten mit dem Wort Gottes?
3) Eine dritte Konsequenz: Im Gedenken an
Jan Hus wollen wir die Menschen nicht
vergessen, die gerade jetzt in ähnlichen
Situationen ausharren müssen.
Wir sollen uns informieren über ihr Schicksal
und für sie beten. Manchmal helfen auch
Briefe an die Regierungen der betroffenen
Länder.
4) Und schließlich: Ohne den Teufel an die
Wand zu malen, müssen wir uns darauf
einstellen, dass eines Tages auch in
unserem Land der Wind rauer wird.
Natürlich gibt es auch unglaubliche Erfahrungen, wie Gott Menschen aus ausweglosen
Situationen aus der Hand der Peiniger befreit
hat. Es gibt aber auch unzählige Beispiele,
dass Christen ihre Treue zum Glauben und zu
Christus mit dem Leben bezahlen mussten. Ich
bin sicher, dass für all diese Menschen der
Märtyrertod von Jan Hus in diesen Tagen noch
einmal eine ganz andere Bedeutung hat als für
uns Christen in Deutschland: „Lasst euch
durch die Hitze nicht befremden, als
widerführe euch etwas Seltsames“.
Nicht dass man um sein Leben fürchten
müsste, aber dass man mit heftigem
Widerstand rechnen muss, wenn man
bestimmte Positionen öffentlich vertritt. Gebe
Gott, dass wir dann auch den Mut aufbringen,
unserer Überzeugung treu bleiben. –
Lassen Sie mich schließen mit Worten von Jan
Hus kurz vor seiner Hinrichtung, die noch
einmal seine Haltung deutlich machen: „Herr
Jesus Christus! Diesen entsetzlichen,
schändlichen und grausamen Tod will ich
um deines Evangeliums und um der Predigt
deines Wortes willen auf das geduldigste
und demütig ertragen.“
Was bedeutet die Erinnerung an Jan Hus in
diesem Zusammenhang ganz konkret? Mir
sind vier Punkte wichtig:
1) Wir dürfen dankbar sein für die Freiheit
in unserem Land: für die Möglichkeit,
unseren Glauben so ungestört zu leben.
Und als man ihn mit einer Kette am Pfahl
festband, sagte er: „Der Herr Jesus Christus,
mein Erlöser und Heiland, ist mit einer
härteren und schwereren Kette gefesselt
worden, und ich Armer scheue mich nicht,
um seines Namens willen gefesselt, diese
Kette zu tragen.“ Als der Holzstoß unter ihm
angezündet wurde, betete er: „Christ, Sohn
des lebendigen Gottes, erbarme dich
meiner.“
Dass es Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit gibt. Dass man sich frei versammeln
kann, wo man will. Wenn man auf andere
Länder dieser Welt blickt, ist das überhaupt
nicht selbstverständlich. Um so mehr dürfen
wir das schätzen und dankbar dafür sein.
2) Gerade weil wir so viele Freiheiten
haben, sollten wir die Möglichkeiten auch
nutzen, unseren Glauben weiterzugeben,
wo es nur geht.
Das waren seine letzten Worte. Ob allerdings
das berühmte Zitat mit der Gans von ihm
stammt, ist unsicher. Er soll gesagt haben:
8
„Jetzt bratet ihr eine Gans, aber aus der
Asche wird ein Schwan entstehen“. Später
hat man den Schwan mit Martin Luther in
Verbindung gebracht.
Doch eines ist gewiss: Gottes Sache kann
nicht untergehen! „Die Wahrheit stirbt nicht in
den Flammen!“ (Jan Hus)
Amen.
Wie gesagt: Ob dieser Satz wirklich von Jan
Hus stammt („Hus“ heißt auf tschechisch
übrigens „Gans“), ist nicht sicher.
Am 1. Juli 2015 zeigte „Arte“ einen zweiteiligen Film über Jan Hus (tschechische Produktion). In
der Mediathek von Arte kann er auch nachträglich heruntergeladen werden. Bei Interesse kann
ich auch einen Mitschnitt auf privater Basis ausleihen
Literaturnachweis:
„Damals“ – Das Magazin für Geschichte und Kultur, März 2006.
Interessant auch die Homepage des Konstanzer Konzils: www.konstanzer-konzil.de – mit vielen
Hintergrundinformationen.
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