Natural Born Killer Leicht benommen von einer heißen Dusche öffnete Falk die Badezimmertüre, feiner Dampf begleitete seine ersten Schritte in den Flur, bevor eines anbrechenden Sonntagmorgens. Das Handtuch um die Hüfte geknüpft, hüpfte Falk fröstelnd er an sich der auflöste kleinen in Küche der und Frische dem spärlich eingerichteten Wohnzimmer vorbei, am Ende des Flurs ein kurzer Blick in den Spiegel an der Garderobe: Durchtrainierter Oberkörper, feucht glänzendes braunes Haar, kantiges Gesicht mit freundlichen dunklen Augen. Mit dem Handrücken wischte er eine Perle aus geronnenem Blut vom frisch rasierten Kinn, dann stieß er die Tür zum Schlafzimmer auf. Aus einem begrüßte großen ihn weiß Nicky lackierten mit einem Bett unterhalb einladenden Lächeln: des Fensters Noch etwas verschlafen, aber bereits mit jenem herausfordernden Blick, der so verlässlich in ihren tiefbraunen Augen lag. Das Rascheln der Bettdecke füllte für einen Moment den Raum, als Falk mit sichtlichem Behagen in die Bettwärme zurück kroch und sich zu Nicky drehte. Ihr Kopf lag auf ihren verschränkten Armen, Blick zur Decke gerichtet. Ihr glattes dunkles Haar floss langwellig wie ein Pfauenrad über das Kissen und schimmerte seidig in den vereinzelten Sonnenflecken, die zwischen der Jalousie hindurch fielen. Falk schob seine Hand auf ihren nackten warmen Bauch. „Gut geschlafen?“, flüsterte er. „Ja“, sie drehte ihren Kopf leicht zu ihm, „bis zu dem Moment, wo ich fast aus dem Bett gefallen wäre.“ Falk ließ in gleichmäßiger Bewegung die Spitze seines Zeigefingers um ihren Bauchnabel kreisen. „Und die Moral von der Geschicht?“, raunte er ihr mit ironischem Unterton zu. Bewegungen im Dunkeln können gefährlich sein.“ Leseprobe „Auszeit – Der Roman“ © 2009 Sebastian Gerhard www.auszeit-roman.de 1 „Unkontrollierte Mit einem Ruck richtete sie sich auf und umklammerte mit festem Griff seine Hand auf ihrem Bauch. „Hey, Dr. Jekyll!! Dieses Bett ist der sicherste Ort auf der Welt, wenn ich alleine bin“, erklärte sie in gespielter Entrüstung. „Ich wusste nicht, dass du nachts zum Schiebebagger mutierst!“ Er schaute sie mit Unschuldsmiene an und verkündete mit erhobenem Zeigefinger. „Vielleicht habe ich mich ja nur Deine Nähe gesucht …“ „…aha!“ Sie zog die Augenbrauen nach oben. „Und was ist mit Deinem räumliche Denkvermögen, auf das Ihr Männer so stolz seid? Wusstest Du, dass mein Bett nur eins-achtzig breit ist?“ Mit weit aufgerissenen Augen blinzelte er sie an und konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. „Ich hätte dich gerettet!“ „Wenn du jemanden retten willst, geh’ zur Feuerwehr! Ich will nicht gerettet werden!“ „Du weißt gar nicht, was du verpasst“, säuselte Falk, „das ist eine Spezialität von mir…“ „… vielleicht rettest du dich ja zur Abwechslung mal selber?“ Falk spürte, wie sich das Handtuch um seine Hüfte löste. Plötzlich drang ein dumpfer Schlag aus dem Flur ins Schlafzimmer, dann ein zweiter, begleitet von lautem Splittern. Ein eisiger Schauder lief Falk über den Rücken, aber noch ehe er sich überhaupt aufgerichtet hatte, war Nicky geschmeidig wie eine Katze aus dem Bett zur Kommode geglitten und schob nun hektisch die rechte Hand in ihre Handtasche. Nur Sekundenbruchteile später blitzte der matte Stahl einer Pistole auf. Mit einem Ausdruck höchster Konzentration drehte sie sich zu Falk, presste den ausgestreckten Zeigefinger der freien Hand an die Lippen und forderte ihn ungeduldig gestikulierend auf, unter dem Bett zu verschwinden. Leseprobe „Auszeit – Der Roman“ © 2009 Sebastian Gerhard www.auszeit-roman.de 2 Den lähmenden Schrecken überwindend signalisierte Falk mit geballter Faust stumm seine Verteidigungsbereitschaft. Aber vergebens. Mit energischer Bestimmtheit wiederholte Nicky ihre fordernde Geste. Sie verweigerte ihm unnachgiebig die Rolle des männlichen Beschützers, ihr Slip und BH wirkten mit einem Mal wie der Kampfanzug einer unbeugsamen Kriegerin. Ein Schauder lief über seinen Rücken. Der matt glänzende Hilflosigkeit Stahl der Pistole der jähen angesichts und eine uneingestandene Bedrohung bewogen ihn schließlich, ihrem Drängen zu folgen. Das Gefühl einer dumpfen Scham überwindend schob er sich vorsichtig unters Bett. Mit dem Lattenrost direkt vor Augen legte sich eine namenlose Beklemmung wie ein Mühlstein auf seine Brust. Das Atmen kostete ihn mit einem Mal so viel Mühe, als ob er dabei das Gewicht eines Kleinwagens nach oben stemmen müsste. Er schloss die Augen. Das gehetzte Pochen seines Herzens hallte dröhnend in seinen Ohren wider. Für einen Moment drang dumpf das Knattern eines vorbeifahrenden Autos von der Straße herauf, nur kurz darauf nahm wieder die bedrückende Stille den Raum ein, die nur sein angestrengtes Atmen stoßweise zu durchbrechen schien. So heftig seine Körperreaktionen in der Situation auch waren, so sehr trug die Szene für Falk Züge des Irrealen. Er fühlte sich ein wenig wie ein Zuschauer in einem fesselnden Kinofilm, dessen Wirklichkeit mit dem Abspann plötzlich ungültig werden würde - wie ein intensiver hoffnungsvolle Traum Ahnung beim eines Aufwachen. bloßen Es Spiels, blieb die das er schwache jederzeit abbrechen könnte. Denn das jähe Umschlagen der Situation war so abrupt, dass sein Wirklichkeitsgefühl abriss, und dabei erging es ihm nicht anders als dem Kinozuschauer, der mitten Vorstellung irritiert aus einer Filmwelt auftaucht, in der in der sich plötzlich allzu gewagte Entwicklungen ergeben. Zudem hatte bereits Leseprobe „Auszeit – Der Roman“ © 2009 Sebastian Gerhard www.auszeit-roman.de 3 die Beziehung mit Nicky etwas Ungefestigtes, etwas zutiefst Vages. Noch vor drei Wochen hatte er sie nicht gekannt, war ihr Gesicht ein Pixel in einer namenlosen Menschenmenge – wenn auch ein sehr schönes Pixel. Aber schon mit der ersten Begegnung setzte abrupt jene traumähnliche Phase ein, wo eine verliebte Hochstimmung Realität und Phantasie untrennbar miteinander vermischen. Es war der rauschhafte Beginn einer großen Begegnung. In der aufkeimenden Faszination für Nicky feierten seine Sinne eine Renaissance der Empfänglichkeit, gewann seine Welt an einer tief empfundenen Farbigkeit und es stellte sich jene gierige Sehnsucht ein, mit der Verliebte einander jede gemeinsame Sekunde, jedes einander zugewidmete Wort abringen. Doch dieses schillernde Bild von Nicky verzerrte sich nun jäh zu einer Grimasse befremdlicher Kaltblütigkeit, seine Sehnsucht taumelte mit einem Mal haltlos in einen dunklen Schrecken. Binnen Sekundenbruchteilen war sie zu einer Fremden geworden, und ihre Wohnung schnurrte in seiner Vorstellung zur virtuellen 3D-Realität eines Ego-Shooter-Spiels zusammen. Mit einem Unterschied: jeder Beteiligte hatte nur ein Leben. Leseprobe „Auszeit – Der Roman“ © 2009 Sebastian Gerhard www.auszeit-roman.de 4 wesentlichen
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