Leseprobe „Auszeit – Der Roman“ © 2009 Sebastian Gerhard www

Natural Born Killer
Leicht
benommen
von
einer
heißen
Dusche
öffnete
Falk
die
Badezimmertüre, feiner Dampf begleitete seine ersten Schritte in den
Flur,
bevor
eines
anbrechenden
Sonntagmorgens. Das Handtuch um die Hüfte geknüpft,
hüpfte Falk
fröstelnd
er
an
sich
der
auflöste
kleinen
in
Küche
der
und
Frische
dem
spärlich
eingerichteten
Wohnzimmer vorbei, am Ende des Flurs ein kurzer Blick in den Spiegel
an
der
Garderobe:
Durchtrainierter
Oberkörper,
feucht
glänzendes
braunes Haar, kantiges Gesicht mit freundlichen dunklen Augen. Mit
dem Handrücken wischte er eine Perle aus geronnenem Blut vom frisch
rasierten Kinn, dann stieß er die Tür zum Schlafzimmer auf.
Aus
einem
begrüßte
großen
ihn
weiß
Nicky
lackierten
mit
einem
Bett
unterhalb
einladenden
Lächeln:
des
Fensters
Noch
etwas
verschlafen, aber bereits mit jenem herausfordernden Blick, der so
verlässlich
in
ihren
tiefbraunen
Augen
lag.
Das
Rascheln
der
Bettdecke füllte für einen Moment den Raum, als Falk mit sichtlichem
Behagen in die Bettwärme zurück kroch und sich zu Nicky drehte. Ihr
Kopf lag auf ihren verschränkten Armen, Blick zur Decke gerichtet.
Ihr glattes dunkles Haar floss langwellig wie ein Pfauenrad über das
Kissen und schimmerte seidig in den vereinzelten Sonnenflecken, die
zwischen der Jalousie hindurch fielen. Falk schob seine Hand auf
ihren nackten warmen Bauch.
„Gut geschlafen?“, flüsterte er.
„Ja“, sie drehte ihren Kopf leicht zu ihm, „bis zu dem Moment, wo
ich fast aus dem Bett gefallen wäre.“
Falk ließ in gleichmäßiger Bewegung die Spitze seines Zeigefingers
um ihren Bauchnabel kreisen. „Und die Moral von der Geschicht?“,
raunte
er
ihr
mit
ironischem
Unterton
zu.
Bewegungen im Dunkeln können gefährlich sein.“
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„Unkontrollierte
Mit einem Ruck richtete sie sich auf und umklammerte mit festem
Griff seine Hand auf ihrem Bauch. „Hey, Dr. Jekyll!! Dieses Bett ist
der sicherste Ort auf der Welt, wenn ich alleine bin“, erklärte sie
in gespielter Entrüstung. „Ich wusste nicht, dass du nachts zum
Schiebebagger mutierst!“
Er schaute sie mit Unschuldsmiene an und verkündete mit erhobenem
Zeigefinger. „Vielleicht habe ich mich ja nur Deine Nähe gesucht …“
„…aha!“ Sie zog die Augenbrauen nach oben. „Und was ist mit Deinem
räumliche Denkvermögen, auf das Ihr Männer so stolz seid? Wusstest
Du, dass mein Bett nur eins-achtzig breit ist?“
Mit weit aufgerissenen Augen blinzelte er sie an und konnte sich ein
Lachen kaum verkneifen. „Ich hätte dich gerettet!“
„Wenn du jemanden retten willst, geh’ zur Feuerwehr! Ich will nicht
gerettet werden!“
„Du weißt gar nicht, was du verpasst“, säuselte Falk, „das ist eine
Spezialität von mir…“
„… vielleicht rettest du dich ja zur Abwechslung mal selber?“
Falk spürte, wie sich das Handtuch um seine Hüfte löste.
Plötzlich drang ein dumpfer Schlag aus dem Flur ins Schlafzimmer,
dann
ein
zweiter,
begleitet
von
lautem
Splittern.
Ein
eisiger
Schauder lief Falk über den Rücken, aber noch ehe er sich überhaupt
aufgerichtet hatte, war Nicky geschmeidig wie eine Katze aus dem
Bett zur Kommode geglitten und schob nun hektisch die rechte Hand in
ihre Handtasche. Nur Sekundenbruchteile später blitzte der matte
Stahl einer Pistole auf. Mit einem Ausdruck höchster Konzentration
drehte sie sich zu Falk, presste den ausgestreckten Zeigefinger der
freien Hand an die Lippen und forderte ihn ungeduldig gestikulierend
auf, unter dem Bett zu verschwinden.
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Den lähmenden Schrecken überwindend signalisierte Falk mit geballter
Faust
stumm
seine
Verteidigungsbereitschaft.
Aber
vergebens.
Mit
energischer Bestimmtheit wiederholte Nicky ihre fordernde Geste. Sie
verweigerte ihm unnachgiebig die Rolle des männlichen Beschützers,
ihr Slip und BH wirkten mit einem Mal wie der Kampfanzug einer
unbeugsamen Kriegerin. Ein Schauder lief über seinen Rücken.
Der
matt
glänzende
Hilflosigkeit
Stahl
der
Pistole
der
jähen
angesichts
und
eine
uneingestandene
Bedrohung
bewogen
ihn
schließlich, ihrem Drängen zu folgen. Das Gefühl einer dumpfen Scham
überwindend schob er sich vorsichtig unters Bett. Mit dem Lattenrost
direkt
vor
Augen
legte
sich
eine
namenlose
Beklemmung
wie
ein
Mühlstein auf seine Brust. Das Atmen kostete ihn mit einem Mal so
viel Mühe, als ob er dabei das Gewicht eines Kleinwagens nach oben
stemmen müsste. Er schloss die Augen. Das gehetzte Pochen seines
Herzens hallte dröhnend in seinen Ohren wider. Für einen Moment
drang dumpf das Knattern eines vorbeifahrenden Autos von der Straße
herauf, nur kurz darauf nahm wieder die bedrückende Stille den Raum
ein, die nur sein angestrengtes Atmen
stoßweise zu durchbrechen
schien.
So heftig seine Körperreaktionen in der Situation auch waren, so
sehr trug die Szene für Falk Züge des Irrealen. Er fühlte sich ein
wenig
wie
ein
Zuschauer
in
einem
fesselnden
Kinofilm,
dessen
Wirklichkeit mit dem Abspann plötzlich ungültig werden würde - wie
ein
intensiver
hoffnungsvolle
Traum
Ahnung
beim
eines
Aufwachen.
bloßen
Es
Spiels,
blieb
die
das
er
schwache
jederzeit
abbrechen könnte. Denn das jähe Umschlagen der Situation war so
abrupt, dass sein Wirklichkeitsgefühl abriss, und dabei erging es
ihm
nicht
anders
als
dem
Kinozuschauer,
der
mitten
Vorstellung irritiert aus einer Filmwelt auftaucht,
in
der
in der sich
plötzlich allzu gewagte Entwicklungen ergeben. Zudem hatte bereits
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die Beziehung mit Nicky etwas Ungefestigtes, etwas zutiefst Vages.
Noch vor drei Wochen hatte er sie nicht gekannt, war ihr Gesicht ein
Pixel in einer namenlosen Menschenmenge – wenn auch ein sehr schönes
Pixel.
Aber
schon
mit
der
ersten
Begegnung
setzte
abrupt
jene
traumähnliche Phase ein, wo eine verliebte Hochstimmung Realität und
Phantasie untrennbar miteinander vermischen. Es war der rauschhafte
Beginn einer großen Begegnung. In der aufkeimenden Faszination für
Nicky feierten seine Sinne eine Renaissance der Empfänglichkeit,
gewann
seine
Welt
an
einer
tief
empfundenen
Farbigkeit
und
es
stellte sich jene gierige Sehnsucht ein, mit der Verliebte einander
jede gemeinsame Sekunde, jedes einander zugewidmete Wort abringen.
Doch dieses schillernde Bild von Nicky verzerrte sich nun jäh zu
einer
Grimasse
befremdlicher
Kaltblütigkeit,
seine
Sehnsucht
taumelte mit einem Mal haltlos in einen dunklen Schrecken. Binnen
Sekundenbruchteilen war sie zu einer
Fremden geworden, und ihre
Wohnung schnurrte in seiner Vorstellung zur virtuellen 3D-Realität
eines
Ego-Shooter-Spiels
zusammen.
Mit
einem
Unterschied: jeder Beteiligte hatte nur ein Leben.
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wesentlichen