Tier BAUERNBLATT | 9. Januar 2016 ■ Schweine aktuell: Saugferkelmanagement für eine optimale Versorgung Biestmilch für alle im Wurf Ein neugeborenes Ferkel muss möglichst schnell genügend Kolostrum aufnehmen. Das Kolostrum beinhaltet lebenswichtige maternale Antikörper, über die das Ferkel eine passive Immunabwehr und somit Schutz vor Krankheitserregern erhält. Neben der Immunität ist es wichtig für die Versorgung mit Energie, Vitaminen, Mengen-, und Spurenelementen und Hormonen. Außerdem wirkt es leicht abführend, damit der erste Kot schnell abgesetzt wird. Die enthaltenen Antikörper gliedern sich in fünf unterschiedliche Immunglobuline. Allein das Immunglobulin G (IgG) macht zirka 80 % der gesamten Immunglobuline Eine Sau hat durchschnittlich 3,7 l Biestmilch – diese Menge steigt nicht mit Fotos (2): Dr. Onno Burfeind der Anzahl lebend geborener Ferkel. aus. Die Vitalität der Ferkel ist der erste und wichtigste Faktor, der die Kolostrumaufnahme beeinflusst. Das bedeutet, Ferkel sollten nach der Geburt schnell aktiv werden und das Gesäuge suchen. Je eher sie das Gesäuge erreichen und Kolostrum aufnehmen, desto größer sind die Chancen, die nötige Menge zu erhalten. Dadurch erhalten Sie auch die nötige Energie, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Leichte Ferkel, die nach der Geburt hinter der Sau auf den Spalten liegen bleiben, kühlen schnell aus und schaffen es schlimmstenfalls nicht mehr rechtzeitig zum Gesäuge. Schwerere Ferkel gleichen den Temperaturabfall nach der Geburt schneller aus, Sie haben ein längeres Durchhaltevermögen und haben schnell einen funktionstüchtigen Strich gefunden. Dann sorgt der Saugreflex bei vitalen Ferkeln für die nötige Kolostrumaufnahme. Zuletzt Geborene müssen mehr trinken Der IgG Gehalt der Milch nimmt nach Laktationsbeginn innerhalb weniger Stunden rapide ab. Das Kolostrum wir dann nach und nach durch weniger energiereiche Sauenmilch ersetzt. Erkennbar ist dies auch an der Farbe und Konsistenz der Milch. In gleichem Maße wird die Darmwand der Ferkel undurchlässiger. Nach rund 24 Stunden schließt sich die Darmschranke ganz und die Antikörper werden wie andere Proteine verdaut. Ferkel, die bis dahin kein Kolostrum aufgenommen haben, verenden häufiger. Je größer der Wurf, desto mehr Ferkel wollen gleichzeitig saufen und die Konkurrenz am Gesäuge nimmt zu. Somit haben es Ferkel schwerer, je später sie geboren werden. Ferkel, die früh geboren werden, haben zum Einen den Vorteil, mehr Platz am Gesäuge zu haben, außerdem ist die Milch zu Beginn der Laktation reich an Immunglobulinen. Bereits sechs Stunden später ist die IgG- Konzentration je ml Milch um die Hälfte abgesunken. Dementsprechend mehr muss ein spät geborenes Ferkel trinken, um auf die gleiche Menge IgG wie ein früh geborenes zu kommen. Erfahrungsgemäß ist der Milchfluss begünstigt, wenn die Sau nach der Geburt schnell aufsteht und säuft. Ihr Kreislauf muss ein- mal in Schwung kommen, damit sie abkoten kann und Milch gibt. Der Gehalt an IgG im Kolostrum ist abhängig von der Wurfnummer und dem Impfstatus der Sau. Der Grund dafür ist, dass ältere Sauen sich mit mehr Erregern auseinandergesetzt haben. Um auch bei den Jungsauen eine gute Kolostrum Qualität sicherzustellen, ist die Jungsaueneingliederung von Bedeutung. Wenn die Tiere geimpft werden und mit dem Keimmilieu des Betriebs konfrontiert werden, ist es wichtig, dass sie so wenig Stress wie möglich ausgesetzt sind. Viele Ferkel – größere Konkurrenz Amerikanische Studien belegen, dass ein Ferkel durchschnittlich 250 bis 300 g Kolostrum in den ersten 24 Lebensstunden aufnimmt. Die durchschnittliche Kolostrum- Abbildung 1: Kolostrum wird schrittweise ersetzt – IgG-Gehalt sinkt innerhalb von sechs Stunden um die Hälfte ab. IgG Konzentration in % 34 IgG Konzentration in % 100 80 60 40 20 0 0 6 12 18 Stunden nach dem Abferkeln 24 48 menge je Sau beträgt 3,7 kg. Diese Menge steigt nicht mit der Anzahl lebend geborener Ferkel je Wurf an. Wenn ein durchschnittliches Ferkel 250 g Kolostrum aufnimmt, müssen bei 16 lebend Geborenen mindestens 4 kg Kolostrum zur Verfügung stehen, damit der Wurf optimal versorgt werden kann. Sowohl bei großen Würfen als auch bei milchleistungsschwachen Sauen steigt das Risiko, dass Ferkel die ersten Lebenstage nicht überstehen. Untersuchungen können belegen, dass Ferkel, die nach der Geburt viel Kolostrum aufgenommen haben, höhere Absetzgewichte erreichen, da sie höhere tägliche Zunahmen aufwiesen. Kolostrumversorgung im Betrieb überprüfen Mithilfe einer Blutuntersuchung, dem sogenannten Biest-Score der Firma ForFarmers wollten wir im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein die Kolostrumversorgung von Saugferkeln überprüfen. Laut Leitfaden der Firma ForFarmers sollen aus möglichst großen Würfen Ferkel ausgewählt werden, die rund 24 Stunden alt sind. Von diesen werden 0,5 bis 1 ml Blut aus der vorderen Halsvene entnommen und gekühlt an ein Labor verschickt. Dort wird dem Blut Ammoniumsulfat zugegeben und dann zentrifugiert. Es entsteht ein Niederschlag, der mit der IgG-Menge im Blut in Zusammenhang steht. Im Rahmen einer amerikanischen Studie wurde ein Grenzwert festgelegt, der 15 mg IgG je ml Blut entspricht. Diese Menge sollte ein Ferkel mindestens aufgenommen haben. Jedes beprobte Ferkel geht in eine Datenbank ein. Aus rund 10.000 Ferkeln wird ein Mittelwert gebildet, anhand dessen man sich und seinen Betrieb vergleichen kann. Mithilfe des sogenannten Biest-Scores kann abgeleitet werden, wo der Betrieb im Vergleich zu anderen steht. Interessante Fragen sind: ●●Wie viele Ferkel liegen unter dem kritischen Wert? ●●Steigen die Werte mit der Wurfnummer? Tier 35 ■ BAUERNBLATT | 9. Januar 2016 ●●Sind die Ferkel, die am meisten Biest-Score-Ergebnisse in Futterkamp Im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp werden Geburten sehr streng überwacht. Anhand einer Zeitleiste auf der Sauenkarte wird bei jedem Kontrollgang notiert, wann wie viele Ferkel geboren worden sind. Auf diese Weise fällt schnell auf, wenn eine Geburt länger dauert und über eine halbe Stunde hinweg kein neues Ferkel geboren wurde. Außerdem werden schwache Ferkel aufgewärmt und an das Gesäuge der Sau gesetzt, damit sie schnell beginnen zu trinken. Zur Überprüfung dieses Managements wurde der Biest-Score bei 36 Ferkeln von sechs Sauen durchgeführt: Die Versorgung der Ferkel war weitestgehend gut oder im durch- Letztgeborene Ferkel müssen verhältnismäßig mehr trinken, um die gleiche Menge Antikörper aufzunehmen wie Erstgeborene. schnittlichen Bereich. Auf der Grafik sieht man nun jedes einzelne Ferkel, mit seinem Geburtsgewicht im Verhältnis zur IgG Konzentration in mg je ml Blut. Hier wird deutlich, dass auch leichtere Ferkel viel Kolostrum aufnehmen können. Jedoch finden sich vier Ferkel, die unterdurchschnittlich versorgt sind, eines von ihnen hat sehr wenig Kolostrum aufnehmen können. Diesen Ferkeln sollte ein verbessertes Kolostrummanagement zu Teil werden. Eine geeignete Maßnahme wäre hier das getrennte Säu- mg IgG pro ml Blut Abbildung 2: Auch leichte Ferkel haben viel Kolostrum aufgenommen. Vier Ferkel müssten mehr unterstützt werden. 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 0,5 den, wenn sie bereits Milch aufgenommen haben, im Ferkelnest abgetrennt. So verringert man den Konkurrenzkampf am Gesäuge und die später geborenen Ferkel können ungehindert trinken. Wichtig ist, den abgetrennten Ferkeln genügend Wärme zuzuführen. Mit einem eckigen Kasten ohne Boden können einige Ferkel zur Hälfte auf dem warmen Nest unter der Wärmelampe und zur Hälfte auf den Spalten abgetrennt Tipps zur optimalen werden. So kann Flüssigkeit ablauBiestmilchversorgung fen. Nach zwei Stunden sollten die Schnelle Geburten: Die optima- abgetrennten Ferkel gegen andere le Biestmichversorgung für alle ausgetauscht werden. Ferkel im Wurf zu gewährleisten erfordert genaues Hinsehen und gute Geburtsüberwachung. Es ist wichtig, dass frisch geborene FerJe früher Neugeborene an das kel möglichst schnell an das GeGesäuge kommen, desto mehr säuge gelangen. Es empfiehlt sich, Antikörper nehmen Sie auf. die Sau anzumelken. Zum einen Leichte sowie zuletzt geborekann das dem Ferkel helfen, weil ne Ferkel sind im Nachteil und dann sofort Milch kommt, wenn es müssen unterstütz werden. saugt. Zum anderen bewirkt es die Das eigene KolostrummaAusschüttung von Oxytocin, sodass nagement sollte kritisch hindie Kontraktion der Gebärmutter terfragt werden. Denn bereits angeregt wird. Das beschleunigt direkt nach der Geburt werwiederum die Geburt, sodass auch den die Weichen für gesunde die letztgeborenen Ferkel Kolosund kräftige Ferkel gestellt. trum bekommen. Zur Eigenkontrolle steht mit Extra-Betreuung: Einzelne schwadem Biest-Score eine schnelle che Ferkel finden häufig den Weg Methode zur Verfügung. an das Gesäuge nicht und müssen Die Versorgung der frisch gebesonders unterstützt werden. Dieborenen Ferkel mit Kolostrum se Ferkel sollten nach der Geburt bedeutet Immunabwehr und aufgewärmt, getrocknet und an Energie und ist somit verantdas Gesäuge gesetzt werden. wortlich für die Vitalität der Getrenntes Säugen: Die späSaugferkel, denn die Überleter geborenen sowie die leichten benschancen steigen mit der Ferkel haben verhältnismäßig geaufgenommen Menge an Anringere Chancen genügend Kolotikörpern. strum aufzunehmen und müssen daher vermehrt unterstützt werden. Dies kann auch durch AbtrenCaren Ahrendt nen der Erstgeborenen erfolgen. Landwirtschaftskammer Hierzu werden die ersten Ferkel Tel.: 0 43 81-90 09-19 [email protected] markiert und nach einigen Stungen, wobei die Konkurrenz am Gesäuge verringert würde. Die Wiegedaten zeigten außerdem, dass Ferkel, die ausreichend oder viel Kolostrum aufgenommen haben, nach der vierwöchigen Säugezeit auch durchschnittliche bis gute Absetzgewichte aufwiesen. Die vier Ferkel, die wenig IgG im Blut hatten, hatten unterdurchschnittliche Absetzgewichte. Kolostrum aufgenommen haben, auch die Schwersten beim Absetzen? ●●Zu guter Letzt: Sollte man am Kolostrummanagement arbeiten? 1 Gewicht in kg 1,5 2 FAZIT Die stressfreie Jungsaueneingliederung ist wichtig für die Menge und Qua- Schwache Ferkel müssen unterstützt werden, getrenntes Säugen vermindert lität des Kolostrums. Konkurrenz am Gesäuge. Fotos (2): Caren Ahrendt
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