Immobilien in der Erbmasse – jetzt oder doch erst später übertragen

Immobilien in der Erbmasse – jetzt oder doch erst später übertragen?
Von allen Seiten hört man es: “Immobilien sollten so schnell wie möglich auf die nachfolgende
Generation übertragen werden!“
Grund für diesen Rat ist die Tatsache, dass das oberste deutsche Steuergericht die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes einholt (Az: II R 61/99), um zu klären ob das Erbschaftsteuerbzw. Schenkungssteuergesetz verfassungswidrig ist.
Der Bundesfinanzhof sieht den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, weil bestimmte
Vermögensarten nicht mit ihren Verkehrswerten der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer
unterliegen.
Neben einer günstigeren Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie
Betriebsvermögen, werden insbesondere Immobilien nach dem sogenannten Ertragswertverfahren
bewertet. Dieses führt in der Regel zu deutlich niedrigeren Werten als den Verkehrswerten.
Einfach gesagt: Wenn eine Million Bargeld vererbt oder verschenkt werden, muss der
Erbe/Beschenkte, vorbehaltlich Freibeträge, auch eine Million der Erbschaft- bzw.
Schenkungsteuer unterwerfen.
Ist jedoch eine Immobilie im Verkehrswert von einer Million Euro vorhanden, so führt das
Ertragswertverfahren des Bewertungsgesetzes meist zu einem Ansatz von deutlich weniger als
eine Million, beispielsweise könnten es nur € 700.000,00 sein. Der Vorteil liegt also auf der Hand,
oder besser gesagt im Haus.
Eines ist klar, weniger wird in der Zukunft nicht zu versteuern sein, also was ist zu tun? Wie kann
noch von der günstigeren Bewertung profitiert werden?
Seit 2001 erlassen die Finanzbehörden bereits Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide nur
noch
vorläufig
und
begründen
dies
mit
dem
vorliegenden
Verfahren
beim
Bundesverfassungsgericht. (Teilweise wird hier sogar die Meinung vertreten, dass schon der
Vorläufigkeitsvermerk unzulässig ist und deshalb schon rein formal eine spätere Verschlechterung
für den Betroffenen ausscheidet.)
Aber auch durch eine (gültige) Vorläufigkeit ist eine Änderung, von bereits vorhandenen
Erbschafts- oder Schenkungssteuerbescheiden, zum Nachteil des Einzelnen nicht möglich.
Dem steht der sogenannte Vertrauensschutz entgegen. Der Bürger darf (noch) an geltendes
Steuerrecht glauben, weshalb eine später erklärte Verfassungswidrigkeit bestimmter Regelungen
nicht zum Nachteil der Betroffenen führen darf.
Betrachtet man nun die Aussage der Karlsruher Richter, das nicht vor Mitte 2005 im vorliegenden
Verfahren entschieden wird und glaubt man den Stimmen von Seiten des
Bundesfinanzministeriums, dass eine Gesetzesänderung erst nach der Karlsruher-Entscheidung
erfolgen soll, sollte eine Immobilienübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auch
noch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den erheblich günstigeren
Ertragswerten möglich sein.
Überstürzte Eile muss also nicht gegeben sein, auch wenn m.E. eine frühere Übertragung sinnvoll
ist, wenn im Familienkreis Einigkeit herrscht.
Aber dennoch kann es Fälle geben in denen unbedingt die sofortige Übertragung angestrebt sein
sollte. Gemeint sind alle Fälle der sogenannten Kettenschenkung. Eine Kettenschenkung liegt vor
wenn der Schenker einen Gegenstand über die Zwischenstation des Erstbeschenkten einem
Endbeschenkten zukommen lässt.
Beispiel: Der Vater besitzt eine unbelastete Immobilie im Steuerwert von € 400.000,00
(Verkehrswert 700.000,00). Die Mutter hat kein eigenes Vermögen. Die Immobilie soll im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge auf das einzige Kind übergehen.
Würde der Vater die Immobilie direkt an das Kind schenken, ergebe sich folgendes Bild:
Steuerwert der Immobilie:
€ 400.000,00
abzüglich Freibetrag
€ 205.000,00
steuerpflichtiger Erwerb
€ 195.000,00
Darauf fallen in dieser Konstellation derzeit 11% = € 21.450,00 Schenkungssteuer an.
Gestaltungsvorschlag:
Der Vater schenkt 50% der Immobilie seinem Kind und 50% seiner Ehefrau. In einem
darauffolgenden Schritt schenkt die Mutter dem Kind ihren 50%igen Anteil an der Immobilie.
Folge: Der Freibetrag für Schenkungen zwischen Ehegatten beträgt € 307.000,00. Der Freibetrag
zwischen Eltern und Kind beträgt je € 205.000,00 (s.o.). Eine Schenkungssteuer entsteht also
aufgrund einer optimalen Ausnutzung der Freibeträge nicht. Dies ist ein Steuervorteil von €
21.450,00!
Aber Vorsicht! Die Kettenschenkung ist nicht risikolos. Insbesondere müssen bestimmte
Spielregeln beachtet werden.
Der Zwischenbeschenkte (in unserem Fall die Mutter) darf nicht verpflichtet sein, den Gegenstand
weiterzuschenken! Wäre dem so, würde das Finanzamt die Mutter als Zwischenstation ausblenden
und eine komplette Schenkung des Vaters an das Kind annehmen. Selbstredend würde das
Finanzamt dann auch besagte € 21.450,00 abkassieren.
Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass die Mutter als Zwischenstation weder eine
rechtliche noch eine tatsächliche Verpflichtung zur Weiterschenkung hat. Sie muss vollkommen
frei über den Gegenstand verfügen können und jede Entscheidung aus freiem Willem machen. Da
dies schwer zu belegen sein wird, kommt es auf die Indizien im Fall an.
Insbesondere folgende Faktoren werden besonders gewürdigt:
1. Es darf keine rechtliche Verpflichtung zur Weiterschenkung bestehen.
2. Zwischen der Schenkung an (in unserem Fall) die Mutter und die Schenkung an das Kind,
sollte eine Schamfrist von mindestens sechs (besser zwölf) Monaten liegen.
3. Um zu dokumentieren, dass die Mutter aus freiem Willen handelt, macht es Sinn die Werte
der einzelnen Schenkung unterschiedlich zu gestalten. (Beispiel: Neben der 50%igen
Immobilie schenkt der Vater noch einen Geldbetrag der nicht an das Kind weitergeschenkt
wird.)
Wenn nun eine hochwertige oder gar mehrere Immobilien vorhanden sind, sollte die Möglichkeiten
der vorweggenommenen Erbfolge mit dem Fachmann besprochen werden. Stellt sich hierbei –
vielleicht auch in Kombination mit einem Nießbrauch- ein Steuerspareffekt heraus, kann jetzt die
erste Schenkung und schließlich mit gehörigem Abstand die Zweite Ende des Jahres erfolgen.
Auf die Beratung sollte jedoch keinesfalls verzichtet werden, da bereits kleine Details das Ergebnis
erheblich beeinflussen können.
Christoph Iser
Steuerberater