Der Islam und die Sexualität | Frankfurter Neue Presse

Religion und Gewalt: Der Islam und die Sexualität | Frankfurter Neue Presse
23.01.16, 18:12
Der Islam und die Sexualität
von Christian Scheh
Podiumsdiskussion in der Universität thematisiert den Zusammenhang zwischen der Religion und den
Übergriffen
Die sexuellen Übergriffe von Männergruppen auf Frauen in Köln und anderen Städten haben eine
emotionale Debatte über die Integrations- und Flüchtlingspolitik entfacht. Die Konsequenzen aus den
Vorfällen an Silvester standen jetzt im Zentrum einer Podiumsdiskussion in Frankfurt.
Frankfurt. Dass Männergruppen auf einem öffentlichen Platz Frauen umringen und sexuell belästigen,
haben Vertreter aus der Politik und den Sicherheitsbehörden nach den massenhaften Übergriffen in der
Silvesternacht als „bundesweit neues Phänomen“ bezeichnet. Die Frage, ob dieses Phänomen mit dem
Flüchtlingsstrom aus Afrika und der arabischen Welt nach Deutschland importiert wurde, war nur eine,
um die sich am Dienstagabend eine Podiumsdiskussion an der Frankfurter Universität drehte.
Sonia Zayed, die an der Hochschule als Ethnologin tunesischer
Abstammung promoviert, beantwortete die Frage mit Ja. Das Phänomen
existiere nicht nur in Afrika und der arabischen Welt, sondern auch in
Indien. In vielen islamisch geprägten Ländern, darunter auch Tunesien,
könne man sich als Frau nicht frei bewegen, ohne sexuell belästigt zu
werden. „Es gibt leider Männer, die das hierher bringen“, sagte Zayed, die
als Muslimin ein Kopftuch trägt, und betonte: „Dagegen müssen wir uns
wehren.“
Großes Interesse
Das Interesse an der Podiumsdiskussion war riesig, die Stühle im Casino der Uni waren schnell besetzt.
Viele der Zuhörer – es dürften zwischen 200 und 300 gewesen sein – mussten stehen oder auf dem
Fußboden sitzen. Dabei hatten Professor Susanne Schröter und ihre Kollegen vom Frankfurter
Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) die Veranstaltung nach eigenen Angaben erst vor einer
Woche geplant. Die Leitfrage auf den Plakaten lautete: „Wende in der Integrations- und
Flüchtlingspolitik?“
Stärker, als um politische Umschwünge, ging es in der Diskussion aber um die Frage, ob die Ereignisse
auf der Kölner Domplatte mit dem Verweis auf die Herkunftsländer der Straftäter und die dort
vorherrschende, patriarchalische Kultur hinreichend erklärt sind. Khola Maryam Hübsch von der
islamischen Reformgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat zeigte sich überzeugt, dass die Herkunft
der jungen Migranten bei den Ereignissen in Köln „nur eine untergeordnete Rolle“ spielte. Der
Perspektivlosigkeit derer, die straffällig wurden, misst Hübsch größere Bedeutung bei, denn sexuelle
Gewalt habe viel mit dem Wunsch nach Macht und Bestätigung zu tun.
Sozialarbeiter Wolfgang Malik, der sich unter anderem als Präsident des Boxclubs Nordend-Offenbach
um die Integration junger Einwanderer bemüht, glaubt zumindest nicht, dass die sexuellen Übergriffe
etwas mit Religion zu tun hatten: „Wenn ich weiß, dass die Täter in Köln völlig besoffen und verstrahlt
waren, dann weiß ich auch, dass die nicht islamisch leben.“ Viele Jungen im Boxclub stellten sich nach
den Vorfällen die Frage, ob sie nun unter Generalverdacht gestellt würden. Dass sie wegen fehlender
Bildung wohl nie dem Vorbild ihrer Väter und Großväter folgen und mit eigener Arbeit eine Familie
ernähren können, sei ein Problem. „Man muss über das Thema Jugendarbeit noch mal stärker
diskutieren“, betonte Malik.
Islam in der Kritik
Sonia Zayed wollte sich der Auffassung, dass der Islam mit den Vorfällen nichts zu tun hatte, nicht
anschließen: Der Islam begünstige Vorfälle wie in Köln, weil er die Vorstellung einer „Hierarchie der
Geschlechter“ beinhalte. In islamisch geprägten Gesellschaften herrsche ein „Jungfrauenwahn“ vor.
Männer bedienten sich vor der Ehe an Frauen, dürften dann aber nur eine Jungfrau heiraten. Khola
Maryam Hübsch betonte, dass der Islam eigentlich zum „Kampf gegen das Ego, gegen Leidenschaften
und Triebe“ verpflichte. „Aber wenn das innerislamisch nicht diskutiert wird, haben wir ein Problem.“
Einig waren sich die Diskutanten, dass eine Verschärfung des Sexualstrafrechts kommen muss. Hübsch
verwies darauf, dass das Problem des Sexismus in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden sei. Im
Hinblick auf junge Migranten warb sie dafür, Perspektiven zu schaffen. „Wir können uns nicht der Illusion
hingeben, dass so etwas nicht wieder passiert“, betonte sie. Diesem Plädoyer schloss sich
Sozialarbeiter Malik an: „Es ist ein Fehler zu sagen, ich gehe jetzt nicht mehr weg – damit gibt man
denen die Macht, die sie haben wollen.“
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Artikel vom 21.01.2016, 03:30 Uhr (letzte Änderung 21.01.2016, 03:33 Uhr)
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