Warum lädt Königin Elizabeth II. eine Aargauer Bauernfamilie zum Tee? Wie MANUELA und RETO MEIER im BuckinghamPalast eine Party feiern, «Her Majesty» treffen und wieso sie daheim auf dem Hof auch eine Krone haben. Vom Fricktal zur Queen 46 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE WINDIG BEI DEN WINDSORS Grosses Bild: Reto und Manuela Meier (sie hochschwanger) vor dem BuckinghamPalast in London. Kleines Bild oben: Auf ihrem Hof in Zeihen AG mit Tochter Selina, 5. Kleines Bild unten: Die persönliche Einladung der Queen zur «Garden Party». U TEXT MARCEL HUWYLER FOTOS REMO NÄGELI nd dann steht sie plötz lich vor ihnen! Die Queen, Königin Eliza beth II. von England, zwei Meter von den Mei ers entfernt. Zum Greifen nah, was na türlich keiner wagt; zum Fotografieren nah, was einer wagt – und sofort vom royalen Personal zurechtgewiesen wird. «Sie ist viel kleiner als im Fernsehen», raunt Reto Meier seiner Gattin Manuela zu; diese ist fasziniert von der Aura der Monarchin und «wie freund lich die guckt». Das Aargauer Ehepaar Meier steht im Garten des BuckinghamPalastes in London, steht vor der Queen und ist gespannt, ob «Her Majesty» sie gar anspricht. Wie man sich bei Hofe be nimmt, wissen Meiers genau – sie ha u ben ja selber einen daheim. SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 47 FISH & CHIPS IM PUB Manuela, Reto AUSDAUER 8000 Gäste dürfen zur Meier, Dominik, Beatrice Scherrer (v. l.). Scherrer trainiert die britischen Bobfahrer. Party. Im Hotel kontrolliert Manuela, ob Retos Krawattenknoten royal genug ist. Drei Wochen vorher. Der Hof heisst Eichwald und steht im Dorf Zei hen im Fricktal. Bauer Reto Meier, 40, benutzt fast täglich seine «Krone». Das Wetter ist sonnig, trocken, ideal, um mit Traktor und der Rundballenpresse Mar ke Krone auf dem Feld Heu und Stroh in riesige zylindrische Ballen zu pres sen. Gerade ist ein Brief gekommen. Aus England, von der Queen, eine Ein ladung für «Mr. Reto Meier and Mrs. Manuela Meier» zur «Garden Party at Buckingham Palace». «Was sollen wir Landeier dort», höhnt Meier, obwohl er genau weiss, warum sich die Königs familie Windsor erkenntlich zeigen will. Der Bauer hat die letzten Jahre – quasi hobbymässig – als Mechaniker für das britische Bobteam gearbeitet, das von Meiers Kollegen, dem Aargauer Do minik Scherrer, gecoacht wird. Meier schliff die Bobkufen derart genial, dass u 48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE KENNST DU DIE? An einem Souvenir- SICHERHEIT Manuela Meier wird von shop hängen die Köpfe der Royals. Familie Meier übt schon mal, wer wer ist. Britanniens Viererbob an Olympia in Sotschi 2014 den sensationellen fünften Platz erzielte. Die Sportwelt war ver blüfft, Grossbritannien stolz, die Queen «amused» – drum lädt sie den Schwei zer Söldner jetzt zur Gartenparty. Mit Ehefrau Manuela. Die 34-Jährige ist schwanger, der Bauch nicht zu überse hen, Geburtstermin ist im August. Ein Kind haben die Meiers bereits, Töchter chen Selina, 5, bleibt daheim bei Ver wandten; die Eltern haben ihr von der Königin erzählt, Fotos gezeigt. Aber das Wort «Queen» ist auch gar kompliziert. Mami und Papi reisen weit weg, erzählt das Kind in der Spielgruppe im Dorf, «zu diesem Grosi mit dem Hut». G-Day. Gartenparty-Tag. Donners tag, 28. Mai. Gegen 15 Uhr treffen die Schweizer Bob-Söldner Meier und Scherrer mit ihren Gattinnen vor dem Buckingham-Palast ein. Die Damen mit Kleid und Hut; Manuela hat bei Retos Tante einen Strohhut aufgestöbert, und ihr Kleid, Umstandsmode, «habe ich online bei Zalando bestellt». Die Herren tragen den Anzug der britischen Olym pia-Delegation. Man ist nicht ganz allein. Die Queen hat 8000 Untertanen, mit «besonderen gesellschaftlichen Verdiensten» eingeladen: Leute aus Kir che, Militär und Bildung sind gekom men, aber auch besonders tapfere Kran kenschwestern, Tierschützer, Feuer wehrleute und Rettungsschwimmer. Verstümmelte Kriegsveteranen in Roll stühlen palavern von vergangenen Zei ten, gewonnenen Schlachten und verlorenen Gliedmassen. 8000 Gäste – die Warteschlange ist 400 Meter lang. Einmal im Leben für einen Nachmit tag ein bisschen zum Adel gehören … Putzmunter und herausgeputzt wartet man auf Einlass, manche zeigen Stil, an einem Polizisten am Eingang zum Buckingham-Palast genau überprüft. Die Queen stand nur zwei Meter von uns entfernt RETO UND MANUELA MEIER Foto John Stillwell / AFP ENGE BINDUNG Eine Stunde vor der Party. Die Schlange der Wartenden vor dem Schloss ist bis zu 400 Meter lang. dere sind kostümiert. Die Männer tra gen Anzug, Uniform, Frack und Zylin der, die Damen Roben, Kleider und Kleidchen und Hüte natürlich. Einige Kreationen sind derart teuer, mit dem Geld hätte das Ehepaar Meier damals locker seine Hochzeitsrechnung beglei chen können. Apropos – Bob-Coach Scherrer und seine Frau Beatrice erzäh len den Meiers ihre Beziehung zum eng lischen Adel: Just in ihrer Hochzeits nacht, im August 1997 wars, starb Prin zessin Diana bei einem Autounfall. DIE QUEEN Zur Party erscheint die 89-Jährige ganz in Fuchsia gekleidet. Die Tore öffnen sich. Ohne Ein ladung, Pass und eine offizielle Rech nung (als Beweis für den Wohnsitz) ist kein Einlass, weshalb die britischen Gäste ihre Gasrechnungen vorzeigen. Und die Schweizer? Bob-Coach Scher rer darf dank der Abwasserrechnung seiner Wohngemeinde Auw AG passie ren, und die Meiers setzen mit ihrer «Jahresrechnung 2014, Kadaverbesei tigung» dem Prozedere die Krone auf. Der Garten ist riesig, 17 Hektaren gross, der Rasen «wie mit dem Nagelclip geschnitten», staunt Reto. In Zelten gibt es Erfrischungen. An diesem Nach mittag werden 27 000 Tassen Tee ausge schenkt, dazu gibts 20 000 Stück Ku chen und ebenso viele zweifingerbreite Sandwiches, belegt mit Ei, Gurke oder Schinken, der Brotrand wegmanikürt. 16 Uhr. Eine Militärkapelle intoniert «God Save the Queen» – Auftritt u SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 49 brandinghouse Unser Dorfladen Natürlich tierisch gut! IHRE UNTERTANEN Die Queen (ganz links) erscheint. Solche Gartenpartys veranstalten die Royals seit 145 Jahren. FINGERFOOD Reto hat sich einen Teller mit Sandwiches, Fruchttörtchen und einer süssen Nascherei geholt. Fasziniert von Appenzellern ist die Künstlerin Vreni Gschwend aus Rebstein (SG). Sie gestaltet sie aus Schwemmholz und Ton. LANDADEL AUS DEM AARGAU Manuela, 34, und Reto Meier, 40, spazieren durch den Buckingham-Garten. Auf der Seealp mit dem Seealpsee im Alpstein übersommern Alfred Breitenmosers Kühe, welche der Mieter hier auch besuchen darf. «Kühe pflegen das Landschaftsbild. Volg pflegt den Dorfladen-Charakter.» Albert Breitenmoser, Kunde im Volg Steinegg (AI) Wer schon immer einmal eine eigene Kuh wollte, ist bei Albert Breitenmoser genau richtig. Meisli mit der modernen Figur, die dynamische Carmen oder die gefrässige Paula sind 3 von 18 Kühen, die man bei ihm mieten kann. Auf die Idee kam der innovative Landwirt aus Appenzell-Eggerstanden vor acht Jahren, als der Milchpreis erneut gesenkt wurde. Seither vermietet er seine Kühe – für eine Alpsaison von Juni bis Ende August oder monatsweise. Der Mieter darf seine Kuh besuchen, sie selbst melken, in der Alphütte übernachten, erhält einen Laib Käse und ein Erinnerungsfoto. Die Milch seiner Kühe liefert Albert Breitenmoser unter anderem in die Bergkäserei Gais, wo «Typisch Schweiz – Typisch Volg»-Spezialitäten wie der Säntis-Bergkäse und der Volg-Dorfchäs herkommen. Volg. Im Dorf daheim. In Steinegg zuhause. Fotos Alastair Grant / AFP Photo, HO (2) In jedem Volg sind andere «Feins vom Dorf»-Spezialitäten erhältlich. Im Volg Steinegg z.B. diverse Appenzeller Spezialitäten wie süsse «Landsgmendschrempfli». Queen. Mit Ehemann Prinz Philip, Tochter Prinzessin Anne und Enkelin Prinzessin Beatrice schreitet sie dahin, nickt, lächelt, zelebriert da und dort Small Talk. Die Monarchin trägt heute leuch tendes Fuchsia, «Säulipink», wie Bauer Reto (er hat daheim 520 Mast schweine) mit Kennerblick konstatiert. Plötzlich schreitet die Queen in Richtung Familie Meier, «die Ausstrahlung dieser Frau hat mich überwältigt», wird Reto u AUCH MEIERS HABEN EINE Manuela und Reto, daheim auf dem Bauernhof in Zeihen AG mit Traktor und der Rundballenpresse der Marke Krone. später, um Mitternacht, beim einem Bier («um den Teegeschmack loszuwerden») zugeben, und Manuela sagt, ihr Mann sei ja sonst ein Sprücheklopfer, «doch heute hat er drei Stunden nur gestaunt». Immer näher kommt die Queen, Reto hat sich im Hotelzimmer extra noch die Hände eingecremt, falls es zum Handshake kommt, noch drei Me ter, zwei, jetzt steht sie vor den Meiers – und wandelt weiter. Immerhin, Prinzes sin Anne entdeckt auf Retos Sakko die Olympia-Aufschrift «Team GB, Sochi 2014» und nickt ihm zu. Ein royaler Augenblick, nur für ihn. Immerhin. 18 Uhr. Ende der Party. Nochmals posaunts «God Save the Queen», diese lächelt ein letztes Mal und zieht sich dann zurück. Scherrers und Meiers sind erschlagen und verzückt ob all der Ein drücke. Die Frauen werden daheim im Damenturnverein viel zu erzählen wis sen, und selbst die vorher spöttelnden Männer tragen nun verklärte Gesichter. Morgen geht es zurück in die Schweiz. Schon bald findet ja das nächs te Grossereignis satt: Im August erwar ten die Meiers ihr zweites Kind. Derzeit suchen sie Vornamen, für Buben haben sie ein paar passende gefunden, bei Mädchennamen sei es schwieriger. Eigentlich ist Elizabeth ein sehr schöner Name. SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 51
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