Athletik-Training Kraft im Fußball

Athletik-Training Fußball Kraft
SPORTLEREI AKADEMIE
Athletik-Training Kraft im Fußball
Lehrbrief 1 zum Studiengang Athletik-Training Fußball A-Lizenz
Autoren:
Florian Münch
Benedikt Menges
Impressum:
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Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160
81379 München
Tel: 089 / 72 630 740
Fax: 089 / 72 634 068
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Alle Rechte vorbehalten
Hinweis:
Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden
männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr
Verständnis.
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Bearbeitung des Lehrbriefes
So gehen Sie vor:

Zunächst lesen Sie bitte das gesamte Kapitel durch!

Bearbeiten Sie dann die einzelnen Abschnitte des Kapitels!

Lesen Sie sie aufmerksam durch und versuchen Sie dabei, die Sachverhalte der einzelnen
Abschnitte zu erfassen und auf bereits vorhandenes Wissen oder Erfahrungen aus der Praxis
zu beziehen (die wichtigsten Informationen werden am Ende des Kapitels
zusammengefasst)!

Nutzen Sie im Zweifel auch andere Nachschlagewerke (z.B. Bücher oder das Internet)!

Mit den Aufgaben am Ende des Kapitels können Sie überprüfen, ob Sie das Kapitel
verstanden haben und in der Lage sind, das erarbeitete Wissen wiederzugeben. Die
Lösungen finden Sie im Anhang.

Fachwörter und fremdartige Begriffe sind unterstrichen und im angehängten Glossar erklärt.

Verweise auf bereits behandelte Themen und Inhalte sind mit Q (für Querverweis
gekennzeichnet)

Zu den Übungen sind keine Lösungen angegeben, da zumeist individuelle Antworten
gefordert sind und die Übungen zur Vertiefung des Lernstoffes in den Praxisseminaren
gemeinsam bearbeitet werden.
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Lernziele dieses Lehrbriefes
Mit Durcharbeitung dieses Lehrbriefes sollen Sie…
 Den Begriff Athletik-Training und die Aufgaben des Athletiktrainers verstanden haben.
 Verstanden haben, dass der funktionsfähige Bewegungsapparat eine körperliche Voraussetzung
für ein intensives Athletiktraining darstellt.
 Die häufigsten Verletzungsbilder im Fußball kennen.
 Die Grundbewegungsmuster im Fußball kennen.
 Die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Spielerpositionen kennengelernt haben.
 Den Trainingsbegriff im speziellen und die einzelnen Belastungskomponenten im Training kennen
und verstanden haben.
 Das Superkompensationsmodell kennen und verstehen.
 Die Trainingsprinzipien als Grundlage zur Trainingsgestaltung kennengelernt und verstanden
haben sowie ihre Wechselwirkung untereinander verstehen.
 Im Rahmen der Periodisierung des Trainings die ein-gipflige
Saisontrainingsplanung vom Grundaufbau her kennengelernt haben.
und
zwei-gipflige
 Den allgemeinen Ablauf der Trainingsgestaltung, Trainingssteuerung und Trainingsdurchführung
kennen.
 Beispielhafte Verfahren zur Diagnostik kennengelernt haben.
 Beispiele verschiedener Trainingsplanungen in der Saisonvorbereitung Fußball kennengelernt
haben.
 Die Formen der Kraft und diesbezügliche Trainingsmethoden zur Ausprägung der Athletik
kennen.
 Funktionelle Übungen Kraft, Mobilität und Stabilität kennengelernt haben.
 Schnellkraftorientierte Übungen kennengelernt haben.
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Inhalt
1
Athletik im Fußball .................................................................................................................................. 7
2
Anforderungsprofil im Fußball ............................................................................................................... 11
3
2.1
Die Notwendigkeit von funktionellem Training im Fußball ................................................................. 11
2.2
Körperliche Voraussetzungen und Verletzungsprävention ................................................................. 12
2.3
Verletzungen im Fußballsport ............................................................................................................. 13
2.3.1
Muskelverletzungen ........................................................................................................................ 14
2.3.2
Knieverletzungen............................................................................................................................. 16
2.3.3
Seitenbandverletzung ..................................................................................................................... 17
2.3.4
Hinweis Oberkörper ........................................................................................................................ 18
2.4
Voraussetzungen für Höchstleistung ................................................................................................... 19
2.5
Sportartenanalyse Fußball ................................................................................................................... 20
2.6
Der Core im Fußball ............................................................................................................................. 21
2.6.1
Grundbewegungsmuster im Fußball ............................................................................................... 22
2.6.2
Strukturelle Bewegungsmuster im Fußball ..................................................................................... 23
2.7
Kraft, Stabilität und Balance im Fußball .............................................................................................. 27
2.8
Die unterschiedlichen Spielerpositionen ............................................................................................. 28
2.9
Zusammenfassung von Kapitel 2 ......................................................................................................... 33
Grundlagen der Trainingslehre .............................................................................................................. 35
3.1
Trainingsszenarien ............................................................................................................................... 35
3.2
Der Trainingsbegriff ............................................................................................................................. 37
3.3
Zielorientierung ................................................................................................................................... 37
3.4
Systematik ........................................................................................................................................... 40
3.4.1
Belastungskomponenten ................................................................................................................ 40
3.4.2
Die Trainingsprinzipien .................................................................................................................... 44
3.4.3
Die Trainingsprinzipien in der Wechselwirkung .............................................................................. 47
3.5
Planmäßigkeit ...................................................................................................................................... 48
3.5.1
Trainingssteuerung .......................................................................................................................... 49
3.5.2
Trainingsorganisation ...................................................................................................................... 50
3.6
Periodisierung ...................................................................................................................................... 53
3.6.1
Gründe für die Periodisierung ......................................................................................................... 53
3.6.2
Unterteilung .................................................................................................................................... 54
3.6.3
Jahresperiodisierung ....................................................................................................................... 55
3.6.4
Modelle der Jahresperiodisierung................................................................................................... 56
3.6.5
Die Trainingseinheit ........................................................................................................................ 62
3.6.6
Praxisaspekt zur Periodisierung ...................................................................................................... 63
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3.6.7
3.7
4
Zusammenfassung von Kapitel 3 ......................................................................................................... 66
4.1
Maximalkraft ....................................................................................................................................... 68
4.2
Schnellkraft .......................................................................................................................................... 69
4.3
Reaktivkraft ......................................................................................................................................... 69
4.4
Kraftausdauer ...................................................................................................................................... 70
4.5
Grundlegende Trainingsrichtlinien der Kraftdimensionen .................................................................. 70
4.5.1
Sportliche Anfänger ......................................................................................................................... 71
4.5.2
Maximalkrafttraining ....................................................................................................................... 73
4.5.3
Schnellkrafttraining ......................................................................................................................... 75
4.5.4
Reaktivkrafttraining ......................................................................................................................... 76
4.5.5
Kraftausdauertraining ..................................................................................................................... 77
4.6
Anpassungszeiten an Krafttraining ...................................................................................................... 78
4.7
Methoden der Kraftmessung .............................................................................................................. 78
4.7.1
Der deduktive Ansatz ...................................................................................................................... 79
4.7.2
Der induktive Ansatz ....................................................................................................................... 81
4.7.3
Messung in der Praxis ..................................................................................................................... 82
4.7.4
Rumpfkrafttest ................................................................................................................................ 83
Zusammenfassung von Kapitel 4 ......................................................................................................... 85
Saisonale Trainingsplanung im Fußballsport .......................................................................................... 87
5.1
Saisonvorbereitung Athletiktraining Fußball ....................................................................................... 88
5.1.1
Ausdauertraining in der Saisonvorbereitung .................................................................................. 88
5.1.2
Krafttraining in der Saisonvorbereitung .......................................................................................... 89
5.2
5.2.1
6
Exklusivvorlage ................................................................................................................................ 64
Spezielle Trainingslehre im Krafttraining ............................................................................................... 68
4.8
5
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Wochentrainingsplan Athletik ............................................................................................................. 94
Trainingseinheit ............................................................................................................................... 96
5.3
Training während dem Spielbetrieb .................................................................................................... 97
5.4
Zusammenfassung von Kapitel 5 ....................................................................................................... 101
Lernkontrollfragen ............................................................................................................................... 103
6.1
Lernkontrollfragen zu Kapitel 2 ......................................................................................................... 103
6.2
Lernkontrollfragen zu Kapitel 3 ......................................................................................................... 103
6.3
Lernkontrollfragen zu Kapitel 4 ......................................................................................................... 104
6.4
Lernkontrollfragen zu Kapitel 5 ......................................................................................................... 104
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7
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Lösungen zu den Lernkontrollfragen .................................................................................................... 105
7.1
Lösungen zu Kapitel 2 ........................................................................................................................ 105
7.2
Lösungen zu Kapitel 3 ........................................................................................................................ 105
7.3
Lösungen zu Kapitel 4 ........................................................................................................................ 107
7.4
Lösungen zu Kapitel 5 ........................................................................................................................ 108
8
Glossar ................................................................................................................................................. 109
9
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................. 112
10
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................................... 112
11
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 114
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2 Anforderungsprofil im Fußball
2.1
Die Notwendigkeit von funktionellem Training im Fußball
Nachdem die Aufgaben des Athletiktrainers klar wurden stellt sich nun die Frage welche Anforderungen an den
Spieler beim Fußball gestellt werden. Dies vor allem in Hinblick auf die Athletik. Dieses Kapitel widmet sich den
Anforderungen im Fußball, um ein grundlegendes Verständnis zu schaffen.
Körperfunktionales Training versteht sich als ganzheitliches und sportartenübergreifendes Trainingskonzept,
welches sich primär durch Übungen, bei denen der Athlet zumindest mit einem Bein auf dem Boden steht
(Kniebeugen und Ausfallschritte als Basis) und somit „ground based“ ist. Die Verbindung dieser
Ausgangspositionen mit Zug- oder Stoßbewegungen im Oberkörperbereich stellt besondere Herausforderungen,
in Bezug auf Bewegungsstabilisation sowie posturale Kontrolle, dar.
Durch das Training von komplexen Bewegungen werden im Gegensatz zum isolierten Training mehrere
Muskelgruppen und Gelenke gleichzeitig beansprucht („Muskelschlingen“) und das harmonische und
zweckgerechte, funktionelle Zusammenspiel der beteiligten Muskeln und Gelenke (intermuskuläre Koordination)
gefördert. Durch dieses Üben in geschlossenen, kinematischen Ketten ist eine große Realitätsnähe und Transfer
in den Sport der erworbenen Bewegungsfähigkeiten gegeben.
Der sogenannte „Core“ hat im wahrsten Sinne eine tragende Rolle inne. Als innerer Kern wirkt die tiefe
Bauchmuskulatur als zentrale Stütze jeder Bewegung und ist somit einer der leistungslimitierenden Faktoren,
vor allem in Sportarten mit komplexen Bewegungsabläufen. Das körperfunktionale Training integriert deshalb
Übungen für die Core-Stabilität in jedes Trainingsprogramm.
Elementar für die Bewegung an sich ist eine ausreichende Mobilität. Nur so kann die aufgebrachte Kraft auch in
qualitative Bewegung übersetzt werden. Die funktionelle Beweglichkeit (Mobilität) stellt somit zusammen mit
der Körperbeherrschung (Stabilität) das Fundament der sportlichen Bewegung dar, auf dem funktionelle Kraft
und in weiterer Folge die sportartspezifisch funktionelle Leistungsfähigkeit (Bsp.: Schusstechnik eines
Fußballspielers) aufbauen. Mangelt es einem Sportler in Relation zur Kraft gesehen an Beweglichkeit, kann er
sein großes Kraftpotenzial nicht leistungsadäquat in Bewegung umsetzen. In diesem Zusammenhang spricht man
von „Overpowerment“. Umgekehrt spricht man von „Underpowerment“, wenn ein Sportler bei uneingeschränkt
ausgebildeter Beweglichkeit die Fähigkeit vermissen lässt, ausreichend Kraft zu entfalten. Das körperfunktionale
Training verfolgt in diesem Kontext somit den Aufbau bzw. Erhalt einer homogenen Bewegungspyramide.
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Abbildung 2 Bewegungspyramide (Quelle: Gray Cook)
Der Sportler ist dadurch in der Lage, das volle Spektrum an Bewegung zu nutzen, optimale Kraft zu entwickeln,
koordiniert einzusetzen und schließlich effizient in sportartspezifische Handlung umzusetzen.
Auf Basis der angesprochenen methodischen Grundlagen, besteht das Ziel des körperfunktionalen Trainings
zusammenfassend, in einem Kraftzuwachs, einem Gewinn an funktioneller Beweglichkeit, einer dadurch
gezielten Verletzungsprävention sowie einer Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit.
2.2
Körperliche Voraussetzungen und Verletzungsprävention
Wie in Kapitel 1 und 2.1 angesprochen, genügt heutzutage nicht mehr Talent oder Spielwitz um im Fußball
erfolgreich zu sein. Vielmehr ist es das Werkezeug des Spielers - der eigene Körper - der ihn, mit und ohne Ball,
zu Höchstleistungen bringt. siehe Abb. 7 Q.
Die Basis der körperlichen Leistungsfähigkeit stellt die Beweglichkeit dar, auf der eine funktionelle Kraft und in
Folge dessen Maximalkraft aufgebaut werden muss, auf der wiederum jede Schnelligkeitsfähigkeit basiert. Nur
dann schafft man die Voraussetzungen um ein intensives sportartenübergreifendes und sportartspezifisches
Athletik-Training maximal effektiv absolvieren zu können, ohne einer erhöhten Verletzungsgefahr ausgesetzt zu
sein. Das Ziel des körperfunktionalen Athletik-Trainings darf eben nicht nur eine maximale sportartspezifische
Leistungsfähigkeit (maximale Spielfähigkeit) sein, sondern auch den Spieler vor Verletzungen schützen. Nicht nur
um die Karriere nicht zu gefährden, sondern auch um im späteren Leben nicht unter funktionellen Schäden am
Bewegungsapparat zu leiden.
Beobachtet man viele ältere Spieler aus den 70er und 80er Jahren, stellt man vielleicht fest, wie eingeschränkt
diese teilweise nur noch in der Lage sind sich zu bewegen, und das in einem Alter von 50 bis 65 Jahren. Gleiches
gilt für das Amateurniveau. Hier empfiehlt es sich im eigenen Bekanntenkreis nach ehemaligen Fußballern zu
schauen, deren Bewegungen zu analysieren und nach ihren aktuellen Beschwerden zu fragen. In einer Analyse
verschiedener Studien kam Kuijt (2012) zu dem Schluss, dass ehemalige Leistungsfußballer auf höchstem Niveau
im Vergleich mit der Normalbevölkerung eine beträchtliche Anzahl an Knie- und Sprunggelenksbeschwerden,
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genauer Osteoarthrosen, aufweisen. Räty und Kollegen stellten bereits 1997 ein erhöhtes Risiko für
Knieverletzungen bei über 30 ehemaligen Profifußballern im Vergleich zu anderen Sportlern nach. In einer
französischen Studie konnte Elleuch (2008) bei einer Gruppe von 50 ehemaligen Top-Fußballern über 40 Jahre
und ohne Knieverletzungen in ihrer Karriere feststellen, dass Osteoarthrosen im Kniegelenk bei den Fußballern
zwar schwerer und häufiger waren als in der Normalbevölkerung, aber nicht so sehr schmerzhaft. Ähnliche
Ergebnisse weist Gerhardt (2012) für fast 100 aktive Fußballer/-innen in der Hüfte nach. Iosifidis (2014)
untermauert diese Ergebnisse mit vergleichbaren Daten bei 218 verschiedene ehemalige Leistungssportler
inklusive Fußballern. Mag dies auf den ersten Blick beruhigen, so stellen sich aber zwei Fragen: 1. Wie entwickeln
sich die Beschwerden/Verletzungen der ehemaligen aktiven Hochleistungssportler in der Zukunft? und 2. Wie
verhält sich die Verletzungs- und langfristige Folgenproblematik im Amateur- und/oder Hobbysport wo es keine
„rund um die Uhr“-Betreuung seitens eines sportmedizinischen Teams gibt?
Diese Fragen lassen sich nicht mit Sicherheit beantworten. Umso wichtiger ist es präventiv zu arbeiten, um die
Verletzungen gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Das gleiche gilt für die Vermeidung von Folgeverletzungen – Bsp.: Holger Badstuber (FC Bayern München) mit
zweifachen Kreuzbandriss innerhalb von zwölf Monaten.
Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Beispiele von Fußballern, die selbst nach einer komplizierten
Verletzung im höheren Spieleralter durch gutes, diszipliniertes Training noch eine lange und erfolgreiche
Karrierezeit hatten – Bsp.: Lothar Matthäus („Bundes-Lothar“) mit Achillessehnenriss und Comeback mit dem
Tor des Jahres 1992.
2.3
Verletzungen im Fußballsport
Fußball ist ein dynamischer Mannschaftssport. Aus sportmedizinischer Sicht ist die Verletzungsgefahr groß.
Verschiedene Charakteristika des Fußballsports sind hierfür verantwortlich:





Fußball ist eine Temposportart mit vielen schnellen Bewegungswechseln, kurzen Sprints etc.,
wodurch es immer wieder zu kurzfristigen Spitzenbelastungen kommt
Fußball ist eine Kontaktsportart mit Zweikämpfen, Kopfballduellen, Ecken etc. Durch übermäßige
emotionale Hingabe ist die Verletzungsgefahr groß
Fußball wird weitgehend ohne Protektoren gespielt
Fußball wird bei jeder Witterungsbedingung gespielt. Die Verletzungsgefahr ist bei extremer Kälte,
Hitze, Eis erhöht
Besonders in den unteren Fußballligen spielen die Platzverhältnisse in Bezug auf das
Verletzungsrisiko eine wichtige Rolle. Ein unebener Boden, enge Spielfeldabgrenzungen, Hartplätze
etc. erhöhen die Verletzungsgefahr
Neben den Verletzungen am Kopf (Jochbein- oder Nasenbeinbruch) und an der Schulter (Schulterluxation,
Schlüsselbeinbruch, Verletzungen an den Sehnen der Rotatorenmanschette) soll nachfolgend hauptsächlich auf
Verletzungen der unteren Extremitäten eingegangen werden. Diese treten weitaus häufiger auf und sind aus
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funktioneller Sicht interessanter, da sie zumeist ohne Fremdeinwirkung, durch Bewegungsschwächen oder
Dysfunktionen des Bewegungsapparates entstehen.
Abbildung 3 Nasenbeinbruch und Gesichts-Maske (Quelle: bild.de)
2.3.1
Muskelverletzungen
Zerrungen und Muskelfaserrisse sind die häufigsten Verletzungen im Fußball und bewirken den sofortigen
Spielabbruch. Vor allem Zerrungen treten oft auf. Laut einer großen achtjährigen Studie der UEFA mit
Beobachtung und Auswertung von 23 der besten 50 Mannschaften Europas sind sie mit 17% aller Verletzungen
am häufigsten anzutreffen (Ekstrand, 2011). Besonders verletzungsgefährdet ist eine kalte oder ermüdete, aber
auch eine wenig dehnbare Muskulatur. Demzufolge erleidet der Fußballer seine Zerrungen oder seinen
Muskelfaserriss typischerweise am Anfang des Spieles, wenn er muskulär schlecht aufgewärmt ist, oder am Ende
des Spieles, wenn die Muskulatur müde wird und die einzelnen Bewegungsabläufe weniger koordiniert ablaufen.
Ein weiterer Verletzungsgrund besteht in der mangelnden Flexibilität der Sehnen und Muskeln beim Fußballer,
durch eine einerseits antrainierte muskuläre Dysbalance und andererseits durch eine verkürzte Muskulatur.
Die rückseitige Oberschenkelmuskulatur (ischiocrurale Muskulatur) ist eine beim Fußballer typischerweise
verkürzte Muskelgruppe. Beim schnellen Sprint kommt es gehäuft zur Zerrung dieser Muskulatur. Der Spieler
erfährt einen plötzlichen, stechenden Schmerz im Bereich der Oberschenkelrückseite, gefolgt von einer Art
Krampfgefühl. Eine Dehnung, wie bei einem Muskelkrampf oder eine Wärmebehandlung, sollten unbedingt
unterlassen werden. Vielmehr gelten wie bei allen Muskelverletzungen die Regeln des PECH - Schema ´s bei der
Erstbehandlung (Pause/Eis/Compression/Hochlagern).
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Abbildung 4 Muskelzerrung (Quelle: Kicker.net)
Eine weitere typische Muskelverletzung ist die Adduktorenzerrung, also der Muskelgruppe, die für das
Heranführen des Beines an den Körper zuständig ist. Verletzungen dieser Art ereignen sich z.B. durch ein starkes
seitliches Abspreizen des Beines, wie beim Grätschen, oder wenn das Standbein beim Richtungswechsel plötzlich
wegrutscht. Schmerzen entstehen im Bereich des inneren Oberschenkels oder in der Leiste, wo die Adduktoren
ihren Ursprung haben.
Eine während des Ballschusses entstehende Muskelverletzung, ist die Zerrung des M. rectus femoris an der
vorderen Oberschenkelseite. Dieser bei Fußballern gut ausgebildete Muskel, wird beim Schießen plötzlich
angespannt. Bei kalter Muskulatur und weniger trainiertem oder müdem Muskel, kann dies zur Verletzung
führen. Die Schmerzlokalisation befindet sich an der Oberschenkelvorderseite.
Insgesamt betrachtet, ist eine Unterscheidung zwischen einer leichten oder schweren Muskelzerrung zu einem
Muskelfaserriss sehr schwierig. Auch bei einem Muskelfaserriss muss es nicht zwangsläufig zu einem Bluterguss
(Hämatom) in der Muskulatur kommen. Die in der Arztpraxis zur Verfügung stehenden Untersuchungsverfahren,
insbesondere der Ultraschall (Sonographie), kann aufgrund der mangelnden Bildauflösung einen Muskelfaserriss
nicht feststellen. Indiz für einen Muskelfaserriss ist eine Einblutung in die Muskelfiederungen, die bei einer
bloßen Muskelzerrung in der Regel nicht auftreten. Bei der nächstgrößeren Läsion, dem Muskelbündelriss, lässt
sich ein Bluterguss regelmäßig nachweisen. Leicht ist die Diagnose eines kompletten Muskelrisses, der schon bei
der Betrachtung und beim Tastbefund durch eine kräftige Muskellücke im Muskelverbund auffällt. Die Funktion
des betreffenden Muskels ist aufgehoben.
Je nach Schweregrad und Zeitpunkt der Erstbehandlung einer Zerrung kann bereits nach einigen Tagen wieder
mit dem Training angefangen werden. Jedoch sollte dem Körper ausreichend Zeit zum Ausheilen gegeben
werden, da die Strukturen nach einer Zerrung zunächst noch anfällig sind. Hier gilt es lieber ein paar Tage mehr
zu pausieren als zu wenig. Bei schweren Zerrungen oder gar Muskelfaserrissen kann man mit einer Ausfallzeit
von mehreren Wochen rechnen. Hier ist der individuelle Heilungsverlauf aber mit dem behandelnden Arzt
abzuklären.
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2.3.2
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Knieverletzungen
Das Knie ist das Gelenk des Fußballers, welches am häufigsten verletzt wird. Fußball ist ein sehr Knie belastender
Sport mit vielen unphysiologischen Drehbewegungen bei hoher Belastung.
Klassische Verletzungsmuster sind der Meniskusriss, Kreuzbandriss oder eine Seitenbandverletzung.
Meniskusriss
Von einem Meniskusriss (Meniskusruptur) ist meistens der Innenmeniskus betroffen. Er ist, aufgrund der im
Vergleich zum Außenmeniskus relativ rigiden (starre) Befestigung im Kniegelenk, besonders verletzungsanfällig.
Er kann damit Spitzenbelastungen weniger ausweichen. Man unterscheidet zudem degenerative Meniskusrisse,
deren Grundlage eine Vorschädigung des Meniskus ist und die ohne Unfallereignis auftreten können, und
plötzlich auftretenden Meniskusrissen bei jungen, gesunden Sportlern ohne Degenerationszeichen. Der
Unfallhergang erfolgt meistens durch eine plötzliche Außendrehbewegung des Kniegelenkes, wobei das Knie
dabei leicht gebeugt und der Unterschenkel fixiert ist. Hierbei kommt es zu einer starken Druckbelastung, bei
gleichzeitiger Scherbelastung des Innenmeniskus. Der Fußballer verspürt einen plötzlichen, stichartigen Schmerz
im Kniegelenk. Das Knie kann zum Teil stark anschwellen. Bei den meistens jungen Sportlern findet sich häufiger
eine Korbhenkelrissform des Meniskus, wodurch sich Anteile des Meniskus im Kniegelenk einklemmen können.
In diesem Fall kann das Kniegelenk nicht mehr vollständig gestreckt und gebeugt werden. Die Erstbehandlung
erfolgt nach dem PECH - Schema. In der Klinik gelingt es manchmal, durch Mobilisationstechniken des Meniskus,
diesen zu befreien und damit das stark schmerzhafte Krankheitsbild schlagartig zu lindern.
Therapeutisch kommen eine Meniskusteilentfernung oder eine Meniskusnaht in Betracht. Dies erfolgt operativ.
Bei einer Meniskusteilentfernung ist nach ca. einer Woche bereits Alltagsbelastung und nach ca. zwei Wochen
leichte Sportbelastung möglich. Langwieriger hingegen gestaltet sich die Ausfallzeit bei einer Meniskusnaht. Hier
kann erst nach vier bis sechs Wochen von Alltagstauglichkeit gesprochen und erst nach zwei bis drei Monaten
mit Sport begonnen werden. Vollständige Ausheilung besteht sogar erst nach einem halben Jahr nach OP.
Kreuzbandriss
Der Kreuzbandriss ist eine schwere Kniegelenksverletzung mit langfristigen Folgen für das Kniegelenk. Der
Verletzungshergang ähnelt dem oben beschriebenen Meniskusriss. Tatsächlich findet man häufig gleichzeitige
Verletzungen von vorderem Kreuzband und Innenmeniskus. Ist auch gleichzeitig das Innenband mit verletzt, so
wird dies als „Unhappy triad“ bezeichnet. Überwiegend reißt das vordere Kreuzband. Das Kniegelenk schwillt
fast immer stark an und ist belastungsschmerzhaft. Die Kniegelenksbeweglichkeit wird durch den Bluterguss
limitiert. Die typische vordere Knieinstabilität, kann in der frühen Verletzungsphase, aufgrund schmerzhafter
Muskelanspannung und Ergussbildung, meistens nicht festgestellt werden. Die Therapie ist operativ. Die oftmals
noch propagierte pauschale Meinung, man brauche einen vorderen Kreuzbandriss bei guter muskulärer
Stabilisierung nicht zu operieren, wird von uns und den meisten Fachleuten nicht geteilt. Es muss immer eine
individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung aller eingehenden Faktoren getroffen werden.
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Bei Kreuzbandrissen gibt es bisweilen starke individuelle Unterschiede in der Heilungszeit. Generell aber ist ein
Kreuzbandriss eine langwierige Sache. Man kann nach einer OP davon ausgehen mindestens zwei bis drei Monate
zu benötigen um eine normale Alltagstauglichkeit zu haben und moderates Aufbautraining anfangen zu können.
Für Fußball ist es aber noch zu früh. Erst nach mindestens einem halben Jahr, eher aber nach acht bis zwölf
Monaten kann mit dem normalen Sportprogramm wieder begonnen werden.
Abbildung 5 Kreuzbandriss Holger Badstuber (Quelle: bild.de)
2.3.3
Seitenbandverletzung
Seitenbandverletzungen können isoliert oder zusammen mit Kreuzband- und Meniskusverletzungen auftreten.
Häufig handelt es sich um harmlose Seitenbandzerrungen, die nach drei bis sechs Wochen ausheilen und keiner
besonderen Behandlung außer einer Sportpause bedürfen. Seitenbandverletzungen entstehen durch seitlichen
Stress auf das Kniegelenk. Bei einer Innenbandverletzung erfolgt der Stress von außen, bei einem Außenbandriss
von innen.
Ein isolierter Innenbandriss kann konservativ in einer Kniegelenksorthese mit Seitenhalt ausbehandelt werden,
bei dem seltenerem Außenbandriss wird häufiger zur Operation geraten. Man geht dabei von einer Ausfallzeit
von ca. acht bis zwölf Wochen aus.
Außenbandriss im Sprunggelenk
Ein unebener Spielfelduntergrund kann die Ursache für einen Außenbandriss (fibulare Bandruptur) des
Sprunggelenkes, durch die klassische „Umknickverletzung“ nach außen, sein. Je nach Krafteinwirkung werden
die drei Außenbänder (fibularar Bandapparat) zunächst gedehnt, später reißen sie. Am häufigsten ist das vordere
Außenband (Ligamentum fibulotalare anterius) von einem Riss betroffen. Dieses spannt sich vom Außenknöchel
(Fibula) zum vorderen Anteil des Sprungbeins (Talus). In der frühen Verletzungsphase schwillt das Sprunggelenk
stark an. Die Verletzungsschwere kann nicht sicher abgeschätzt werden. Die Erstbehandlung erfolgt wieder nach
dem PECH-Schema. Die Therapie ist meistens konservativ in einer Luftkissenschiene für ca. sechs bis acht
Wochen. Dabei wird auf Sport verzichtet und erst mit Physiotherapie begonnen.
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Abbildung 7 Leistungspyramide im Leistungssport (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)
2.5
Sportartenanalyse Fußball
Das fußballspezifische Leistungsprofil ist – wie bei Spielsportarten üblich – von einer hohen Komplexität
gekennzeichnet. Die konditionellen Faktoren stellen dabei gewissermaßen eine Basis für optimale technische
und taktische Fertigkeiten dar und entwickeln sich aufgrund äußerer organisatorischer Merkmale wie der
Spielfeldgröße, der Spieleranzahl und der Spieleinteilung. Ausdauerleistungs-, Grundschnelligkeits- und
Sprintausdauervermögen
sowie
Antrittsschnelligkeit
können
als
die
wichtigsten
konditionellen
Leistungsmerkmale im modernen Fußball identifiziert werden. In koordinativer Hinsicht sind die komplexen
Bewegungsaufgaben durch die Beachtung des Spielgeräts, der eigenen Mitspieler und der Gegenspieler
gekennzeichnet. Führt man konditionelle und koordinative Fähigkeiten zusammen, verlangen das breite
Bewegungsspektrum (Sprinten, Abbremsen, Richtungswechsel, Springen, etc.), das Bestreiten von Zweikämpfen
sowie das Ausführen typischer Techniken in wechselnden Spielsituationen dem Fußballer ein hohes Maß an
(psycho-) physischer Anpassungsfähigkeit ab.
Die Belastung des Fußballers (Anm.: Feldspieler) erfolgt intervallartig: Kurze hochintensive Spielanteile wechseln
mit Pausen unterschiedlicher Länge. Zudem ist eine Gesamtlaufstrecke von bis zu 13 km innerhalb der 90
Minuten zu erwähnen. Als bein- bzw. unterkörperlastige Sportart sind in Bezug auf die dominanten
Muskelgruppen v.a. M. quadrizeps und die ischiocrurale Muskulatur zu erwähnen. Hier sind Dysbalancen bei
Fußballern keine Seltenheit („Hamstrings“ im Vergleich zum Quadrizeps zu schwach bzw. rechts-links-Dysbalance
zwischen Schuss und Standbein). Ein potentielles Verletzungsrisiko stellt insbesondere eine mangelhafte,
exzentrische Kraftfähigkeit im Bereich der Hamstrings dar. Ebenso wichtig sind starke Kniestabilisatoren,
Hüftstabilisatoren (Stichwort: Außenrotation) und eine starke Bauchmuskulatur. Letztere, auch in Hinblick auf
den bei Fußballern oft verkürzten M. Iliopsoas (Stichwort: LWS- Problematik durch Hyperlordose). Weiterhin
sollte auf ausreichende Schulterstabilität in Hinblick auf körperbetonte Zweikämpfe und Sturzgefahr geachtet
werden.
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Abbildung 8 Sportartenanalyse Fußball (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)
2.6
Der Core im Fußball
Die fundamentale Bedeutung des Core für Fußballer, beruht auf der Tatsache, dass er als „Aufhängung“ für die
Extremitäten dient. Die funktionale und situative Kontrolle jeder (fußballerischen) Bewegung -auch in Bezug auf
die Aufrechthaltung der Bewegungsqualität über 90 Minuten- basiert letztlich auf der Leistungsfähigkeit des
Core. Bei allen funktionsgerechten Wurf-, Schlag- und Schussbewegungen sind ein stabiler Rumpf, also eine
Voraktivierung der queren und tiefen Bauchmuskulatur, sowie der unteren Rückenmuskulatur Voraussetzungen.
Die Vermutung liegt nahe, dass ein starker Rumpf wichtig ist, um hohe Rotationsgeschwindigkeiten bei
multisegmentalen Bewegungen zu erbringen. Bildlich gesprochen stellt die Stabilität des Core somit die
Grundlage für die Übertragung der Motorleistung (konditionelle Fähigkeiten) auf die Straße (ergo das
Fußballfeld) dar.
Iranische Forscher um Barati (2013) konnten jüngst nachweisen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen
der Ermüdungswiderstandsfähigkeit der Rumpfmuskulatur und der statischen Balance gibt. So wurden mit 50
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Studenten Rumpfkraftmessungen und Balancetests durchgeführt. Für einen Fußballspieler kann dies bedeuten,
dass er sich präventiv durch Rumpfkrafttraining vor Verletzungen wie Umknicken bei einer einbeinigen
Ballannahme oder dem vorher beschrieben „Springen mit einem Bein voraus“ schützen kann.
Für den Fußball noch spezifischer konnten Sharrock et al. (2011) bei 35 Studenten einen Zusammenhang
zwischen der Rumpfstabilität, der 40m Sprintfähigkeit und dem T-Test nachweisen. Sie schließen daraus, dass es
einen Zusammenhang zwischen der Rumpfstabilität und Leistungsparametern gibt. Gerade der Zusammenhang
mit dem T-Test könnte einen Hinweis auf die Bedeutung der Rumpfkraft für Fußballer sein, da es hier oft zu
Richtungsänderungen kommt.
Zur Überprüfung auf einen direkten Zusammenhang zwischen Rumpfstabilität und Leistung im Fußball führten
Imai et al. (2014) eine Untersuchung mit 27 jugendlichen Fußballspielern durch. Sie wurden in zwei Gruppen
eingeteilt. Eine Gruppe absolvierte ein funktionelles Rumpfkrafttraining Übungskatalog Q, die andere Gruppe
ein herkömmliches Training (Sit ups, Back extensions) über einen Zeitraum von zwölf Wochen. Beide Gruppen
verbesserten ihre Leistungen bei den Rumpfkraftmessungen und in den Leistungstests wie zum Beispiel Sprinten
und Springen. Das funktionelle Training war dem konventionellen Training jedoch leicht überlegen.
Auch Gilchrist (2008) mit über 1.400 Fußballerinnen und Myer (2005) mit 41 Sportlern konnten eine Reduzierung
des Kreuzbandrissrisikos durch Übungsprogramme erzeugen die vor allem auf eine Rumpfkrafterhöhung und
Erhöhung der Stabilität abzielen. Die Programme dauerten dabei zwölf Monate. Bei beiden wurden
Kraftübungen, Sprungkraftübungen und Balanceübungen durchgeführt. Myer konnte durch sein athletischeres
Programm mit mehr Fokus auf Kraft und Sprungkraft sogar noch eine Leistungssteigerung im Kniebeugen und
Springen hervorbringen.
Zusammenfassend sollte bei der Ausbildung der Kraft- und Stabilisationsfähigkeiten bei Fußballern ein
besonderes Augenmerk auf sensomotorische Inputs gelegt werden. Im Bereich Schnelligkeit (bzw.
Sprintausdauer) bieten sich u.a. Agility- Formen als sportartnahe Trainingsmethode an. Durch ein durchdachtes
Training der Core-Kraft und -stabilität lässt sich also sowohl die Leistung steigern, als auch Verletzungen
vorbeugen.
2.6.1
Grundbewegungsmuster im Fußball
Wie im Alltag so kann man auch in den Spielsportarten bestimmte Grundbewegungsmuster definieren. Diese
orientieren sich immer an der Funktionsweise unseres Körpers sobald wir uns im freien Raum, die Schwerkraft
überwindend, ihr gegenhaltend oder gegen sie haltend (isometrisch) bewegen oder arbeiten. Im geordneten
funktionellen Training außerhalb des Spielbetriebs ist es relativ einfach diese Grundbewegungsmuster zu
absolvieren und zu trainieren. Im Spielbetrieb – und dies gilt für alle Spielsportarten – erfolgt jedoch eine
sequentielle, multidirektionale und multisegmentale Bewegungsbelastung, die so im Training nicht simulierbar
ist. Das muss und kann sie aber auch nicht sein.
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Abbildung 9 Gleiche Bewegungsmuster in versch. Spielsportarten (Quelle: spox.com)
Das funktionelle und athletische Training bereitet den Körper auf diese mulitsegmentale, vielfältige Belastung
„nur“ vor, mit dem Ziel im Spielbetrieb jede belastete Struktur bzw. den Körper sicher und kontrolliert sowie
maximal effektiv in Bezug auf die sportartspezifischen Anforderungen einsetzen zu können; auch umso
Verletzungen zu vermeiden.
Übung 2
Welche Bewegungsmuster erkennen Sie in der Abbildung 9?
Antwort:
2.6.2
Strukturelle Bewegungsmuster im Fußball
Der Körper „besteht“ grundlegend aus den unteren Extremitäten (Beine), der Hüfte, dem Rumpf und den oberen
Extremitäten (Schulter und Arme).
Die Beine stellen unsere Tragsäule dar und erfahren im Fußballsport sicherlich die höchsten Belastungen. Die
Hüfte wiederum stellt die Verbindung und die Kraftübertragung der Beine in den Rumpf dar und muss wiederum
den Rumpf stabilisierend (insbesondere die LWS) tragen. In der weiteren Kette bzw. Muskellinie (Muskelschlinge)
erfolgt die Kraftübertragung und intermuskuläre Koordination bis in die Schultern und Arme (siehe auch Abb. 8).
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Abbildung 10 Schussbewegung beim Freistoß (Cummins, 2012)
In Abbildung 10 ist eine typische Schussbewegung beim Fußballfreistoß zu sehen. Sie wurde in verschiedene
Teilschritte zerlegt. Aus dem fokussierten Stand (1) beugt der Schütze das Schussbein um sein Gewicht später
darauf zu verlagern – eine einseitige Hüftflexion findet also statt (2). Außerdem schwingt er mit dem
kontralateralen Arm nach oben und beugt den Oberkörper etwas nach vorne. Weiter verlagert er dann sein
Gewicht immer mehr auf das rechte Bein (3), schwingt den linken Arm weiter nach oben und holt nun mit dem
rechten Arm Schwung. Diesen nutzt er dann (4), um durch die aufgebaute Spannung den Oberkörper leicht nach
links zu rotieren (gut am Brustkörper zu sehen). Dafür adduziert er den rechten Arm. Der linke Arm ist nun schon
fast über Kopfhöhe abduziert. Außerdem ist zu erkennen, dass sich der Spieler kraftvoll mit dem rechten Bein
abstößt indem im Kniegelenk und Hüftgelenk streckt. Die Schwungphase ist nun fast beendet (5). Der Spieler
stabilisiert sich nun komplett auf dem linken Bein und ist in einer leichten „Kurvenhaltung“. Der rechte Fuß
schwingt nach vorne und trifft den Ball. In Schritt 6 schwingt das Bein nun weiter nach und es kommt zu einer
starken Hüftflexion und Oberkörperrotation. Über den Umkehrpunkt der Schwungbewegung (7) kommt der
Spieler nun in eine neutrale Haltung zurück (8). Deutlich zu sehen ist im Bewegungsablauf eine starke Aktivität
in der Transversalebene mit Rotation um die Longitudinalachse. Außerdem wird beim Schuss und dem
Schwingen um die Horizontalachse rotiert (im Hüftgelenk).
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Übung 3
Analysieren sie folgende Schussbewegung wie im Beispiel weiter oben.
Nennen sie die Analyse
„Bewegungsanalyse“.
Abbildung 11 Bewegungsanalyse (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)
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Antwort:
Daraus leiten sich nun folgende Grundbewegungsmuster in allen sequentiellen Spielsportarten UND auch im
Alltag ab:
1.
Kniebeugen
2.
Ausfallschritte
3.
Hüftstabilität und -mobilität
4.
Rumpfstabilisierung
5.
Zug- und Druckbewegungen in den oberen Extremitäten
Übung 4
Betrachten Sie diese beiden Abbildungen und nennen Sie mind. drei „gleiche“ sichtbare Bewegungsmuster!
Abbildung 12 Sportler in Aktion (Quelle: welt.de/tutorialbasket.blogspot.com)
Antwort:
1.
2.
3.
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4 Spezielle Trainingslehre im Krafttraining
Nachdem das Athletiktraining allgemein (Kapitel 1 und 2 Q), die biologischen Grundlagen der Kraft (Kapitel 3 Q),
sowie die Grundlagen der Trainingslehre und der Trainingsplanung (Kapitel 4 Q) erläutert wurden, folgt nun die
spezielle Krafttrainingslehre.
4.1
Maximalkraft
„Die Maximalkraft ist die höchstmögliche Kraft, die das Nerv-Muskel-System bei maximaler
willkürlicher Kontraktion auszuüben vermag.“ (Mühlfriedel, 1994)
Die Maximalkraft ist das wichtigste Maß im Krafttraining. Wichtig ist es zu wissen, dass man die absolute
Maximalkraft willentlich nicht erreichen kann. Der Körper hat autonom geschützte Reserven, die er nur in
Notsituationen freigibt. Diese Form wird als Absolutkraft bezeichnet.
Von der Maximalkraft leiten sich alle anderen Kraftformen ab.
Maximalkraft
Schnellkraft
isometrisch,
konzentrisch
Kraftausdauer
exzentrisch,
konzentrisch (DVS)
isometrisch,
konzentrisch
exzentrisch,
konzentrisch (DVS)
Explosivkraft
Reaktivkraft
Impulsgröße
Impulsgröße
Dyn. Real.
Explosivkraft
Ermüdungswid
Ermüdungswid
Kraftmaximum
erstand
erstand
Dyn. Real.
Kraftmaximum
Abbildung 32 Kraftdimensionen (Turbanski, 2015)
Dies bedeutet, dass durch eine Steigerung der Maximalkraft auch positive Effekte auf die untergeordneten
Kraftfähigkeiten genommen werden können. Eine weitere Unterteilung der Maximalkraft erfolgt anhand der
Muskelarbeitsweisen. Bei Bewegungen gibt es sowohl eine konzentrische Maximalkraft, bei der sich Ursprung
und Ansatz der arbeitenden Muskulatur annähern, als auch eine exzentrische Maximalkraft, bei der sich
Ursprung und Ansatz entfernen. Außerdem gibt es eine isometrische Maximalkraft bei statischen Bewegungen.
Die höchste Maximalkraft wird bei exzentrischen Bewegungen erzielt. Sie liegt circa. 30 bis 40% höher als die
isometrische (zweithöchste Kraftform) und konzentrische. Diese Differenz wird als Kraftdefizit bezeichnet. Bei
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gut trainierten kann diese Differenz deutlich geringer werden und wird so auch als Maß für die willentlich zur
Verfügung stehende Kraft verwendet.
Die relative Kraft gibt das Verhältnis zwischen Kraft und Körpergewicht wider. Ist sie höher, kann relativ zum
Körpergewicht mehr Kraft aufgebracht werden (nach Grosser, 2008).
Die Maximalkraft beeinflusst stark die Sprint- und Sprungleistung. Sowohl Hoff & Helgerud (2004), als auch
Wisloff (2004) kommen zu diesem Schluss. Wisloff untersuchte den Zusammenhang zwischen der maximalen
Kniebeugeleistung, der Sprintleistung und der Sprunghöhe. Ähnliche Effekte zeigte auch Manolopoulos (2013).
4.2
Schnellkraft
Definition
„Die Schnellkraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, Widerstände mit einer hohen
Kontraktionsgeschwindigkeit zu überwinden.“ (Mühlfriedel, 1994)
In Abhängigkeit von der Sportart kommt es zu einer unterschiedlichen Gewichtung der Einflussfaktoren auf die
Schnellkraft. Hat ein Sportler nur wenig Zeit (weniger als 250 ms), um einen Impuls zu erzeugen, dann sind die
Höhe der Startkraft und die Größe des Kraftanstieges (Explosivkraft s. u.) von Bedeutung.
Solche Sportarten sind z. B. das Fechten, das Boxen, der Sprint und alle reaktionsabhängigen Sportarten. Hat ein
Sportler Zeit, um einen Impuls zu erzeugen, wie beim Hammer-, Diskus-, Speerwurf, beim Kugelstoßen oder auch
bei Sprüngen, die eindeutig mit langen Bodenkontaktzeiten ausgeführt werden können (z. B. Volleyball), dann
tritt die Leistungsfähigkeit der Muskulatur als bestimmende Eigenschaft für die Schnellkraft in den Vordergrund.
Beim Fußball ist die Schnellkraft auch sehr wichtig um schnelle Richtungswechsel oder Antritte ausführen zu
können.
Bei diesen Sportarten kommt es darauf an, dass die Muskulatur in konzentrischer Arbeitsweise noch große Kräfte
aufbringen kann. Nach diesen Erklärungen ist es günstig, zwei Definitionen der Schnellkraft zu unterscheiden,
eine Definition, die das Ziel ausdrückt, eine Bewegung in kurzer Zeit auszuführen, und eine Definition, die
erkennen lässt, dass man nicht zeitlimitiert einem Gegenstand eine hohe Endgeschwindigkeit erteilen muss. Die
Schnellkraft für Bewegungen unterhalb 250 ms ist hauptsächlich die Fähigkeit, möglichst große Kraftwerte
innerhalb kürzester Zeit zu erzielen; sie kann durch die Schnellkraftparameter bestimmt werden. Die Schnellkraft
für Bewegungen über 300 ms ist durch die muskuläre Leistungsfähigkeit bestimmt und kann durch sie erfasst
werden.
Die Startkraft ist der Kraftwert, der 50 ms nach Kontraktionsbeginn erreicht wird, d. h. die Fähigkeit, einen hohen
Kraftwert schon zu Beginn der Kontraktion zu erreichen.
Die Explosivkraft wird durch den maximalen Kraftanstieg innerhalb einer Kraft-Zeit-Kurve bestimmt, der bei
maximal schneller Kontraktion gegen einen statischen Widerstand erzeugt wird.
4.3
Reaktivkraft
In sog. Reaktivbewegungen, wie beispielsweise Niedersprüngen, Absprüngen mit Anlauf und schnellen
Laufschritten, tritt der sog. Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus auf.
Es kommt hierbei zunächst zu einer kurzen exzentrischen Dehnung der Muskulatur, verbunden mit einem
eigenständigen Innervations- und Elastizitätsverhalten, dann zur konzentrischen Phase, in die, die Wirkung der
Voraktivierung, die gespeicherte elastische Spannungsenergie und Reflexinnervation aus der vorhergehenden
Phase eingehen. Leistungsbestimmend sind hier neben den Faktoren Muskelfaserquerschnitt und -
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Zusammensetzung das Elastizitäts- und Innervationsverhalten von Muskeln, Sehnen und Bändern. Dieses
Elastizitäts- und Innervationsverhalten wird auch als reaktive Spannungsfähigkeit bezeichnet; sie ist die
Grundvoraussetzung der Reaktivkraft. Die Reaktivkraft selbst kann als eine Sonderform der Schnellkraft gesehen
werden. Definitorisch ist deshalb die Reaktivkraft die exzentrisch-konzentrische Schnellkraft bei kürzest
möglicher Kopplung (<200ms) beider Arbeitsphasen, also einen Dehnungs-Verkürzungszyklus. Anders
ausgedrückt: Reaktivkraft ist die Fähigkeit, einen Impuls im Dehnungs-Verkürzungszyklus zu erzeugen.
4.4
Kraftausdauer
„Kraftausdauer ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, eine möglichst große Kraftstoß- bzw.
Impulssumme in einer gegebenen Zeit gegen höhere Lasten zu produzieren.“ (Mühlfriedel, 1994)
Damit ist jedoch keine Festlegung auf Höhe und Dauer des Krafteinsatzes getroffen. Infolgedessen wird aus
trainingsmethodischen Gründen nach dem Kriterium "Größe des Krafteinsatzes" unterteilt in:
Maximalkraftausdauer (auch: hochintensive Kraftausdauer): über 75% der Maximalkraft bei statischer und
dynamischer Arbeitsweise. (Submaximale) Kraftausdauer (auch: mittelintensive Kraftausdauer): 75 – 50% der
Maximalkraft bei dynamischer Arbeit, bis 30% bei statischer Arbeit. (Aerobe) Kraftausdauer (auch:
Ausdauerkraft): 50 – 30% der Maximalkraft bei dynamischer Arbeitsweise. In dieser Gliederung (nach Kraftgröße
und Arbeitsweise) sind indirekt auch die unterschiedlichen Stoffwechselvorgänge und damit typischen
Zeitverhältnisse für Kraftausdauerleistungen berührt. Um die Kraftausdauer quantitativ zu erfassen, können die
Definitionen lauten:
„Dynamische Kraftausdauer ist die Fähigkeit, bei einer bestimmten Wiederholungszahl von Kraftstößen (=
Kraft x Zeit) innerhalb eines definierten Zeitraums, die Verringerung der Kraftstöße möglichst gering zu halten.
Statische Kraftausdauer ist die Fähigkeit der Muskulatur, einen bestimmten Kraftwert über eine definierte
Anspannungszeit möglichst ohne Spannungsverlaust zu halten." (Grosser, 2012)
Übung 12
Überlegen sie welche Kraftarten bei folgenden Sportarten dominant sind:
Fußball
Reiten
Tennis
Gewichtheben
Volleyball
Joggen
Rudern
Karate
Golf
Frisbee
4.5
Grundlegende Trainingsrichtlinien der Kraftdimensionen
Die Begriffe „Protokolle“, „Programme“ und „Trainingssysteme“ werden im weiteren Verlauf synonym
verwendet.
Im Folgenden werden methodische Richtlinien für das Training der verschiedenen Kraftdimensionen dargestellt.
Sie dienen der Vermittlung der allgemein gültigen Grundsätze der Trainingslehre. Ausgehend vom Trainingsziel
kann dann die Methode gewählt werden. Die Angaben sind speziell für die Gestaltung einer Trainingseinheit
geschrieben. Rahmentrainingsprotokolle mit Gestaltungshinweisen im Wochenverlauf folgen später im
Lehrbrief.
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