Anlässlich der MV 2015 trug der Jugendoffizier Köln: Kapitänleutnant Moritz Brake zum nachfolgenden Thema vor Sicherheitspolitisch desinteressiert? Das Verhältnis unserer Gesellschaft zur Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr aus dem Blickwinkel eines Jugendoffiziers Immer wieder werden Stimmen laut, wonach sich einzelne Bundeswehrsoldaten von unserer Gesellschaft unverstanden und möglicherweise sogar ausgegrenzt fühlen. Wenn diese Sicht stimmen würde, wäre dem „Staatsbürger in Uniform“ einseitig die Integration in die Gesellschaft aufgekündigt worden. Diese Stimmen, die man vor allem auch bei jüngeren Soldaten während der Auslandseinsätze hört, gründen sich allerdings auf eine einseitige Wahrnehmung bestimmter Einzelpositionen in den Medien und im Internet. Sieht man sich hingegen mit breiterem Blickwinkel die Berichterstattung an, vor allem die in Umfragen immer wieder erhobenen Meinungsbilder in der Bundesrepublik, lässt sich dieses Bild des „verkannten, ausgegrenzten Soldaten“ nicht aufrechterhalten. Darüber hinaus ist eine intensive persönliche Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit eine unübertroffen wertvolle Erfahrung für jeden Soldaten. Jugendoffiziere haben deshalb einen besonderen Vorteil gegenüber ihren Kameraden in anderen Aufgabengebieten: Im täglichen Kontakt mit Bürgern, vom Teenager bis zum Rentner, quer durch alle Gesellschaftsschichten, wird die in abstrakten Umfragewerten verkündete gesellschaftliche Akzeptanz der Bundeswehr in Deutschland zur täglichen persönlichen Erfahrung. Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, dass nicht oft sehr skeptisch und kritisch über Auslandseinsätze, Rüstungsvorhaben und den grundsätzlichen Sinn von Streitkräften diskutiert wird. Im Gegenteil, die tatsächlich immer wieder sehr intensive kontroverse Debatte über die zugrundeliegenden politischen und philosophischen Fragen zeigt, dass die Bürger der Bundesrepublik sehr an sicherheitspolitischen Themen interessiert sind. In der persönlichen Erfahrung von Jugendoffizieren lässt sich immer wieder feststellen, wie sehr sicherheitspolitische Fragen die Menschen bewegen. Nur in den allerseltensten Fällen trifft man auf Bürger, die sich keine Meinung dazu bilden, ob es beispielsweise sinnvoll oder moralisch haltbar ist, in humanitären Krisen, bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen – sogar Völkermord – tatenlos zuzusehen. Dass sich dabei keine Mehrheit dafür finden ließe, die Probleme der Welt mit militärischer Gewalt lösen zu wollen, ist nicht verwunderlich, sondern selbstverständlich und deckt sich außerdem mit dem aufgeklärten Selbstbild der Soldaten der Bundeswehr. Im Rahmen Vernetzter Sicherheit liefern Streitkräfte lediglich einen Teilbeitrag zur Gesamtaufgabe. Der Einsatz von militärischer Gewalt kann immer nur ultima ratio sein, wenn es darum geht, in bewaffneten Konflikten kurzfristig das Gewaltmonopol herzustellen und aufrechtzuerhalten. Die Schaffung einer gerechten Friedensordnung ist in allererster Linie eine politische, diplomatische, gesellschaftliche Bildungs- und Entwicklungsaufgabe. Dafür können Streitkräfte in Ausnahmefällen die Grundlage schaffen, in dem sie – notfalls mit Gewalt – die Bedingungen herstellen, in denen nicht einzelne mit Waffengewalt ihren subjektiven Vorteil ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit durchsetzen können. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr „Der Mensch soll in jedem Moment seines Denkens und Handelns von der Überzeugung sich tragen lassen, dass er eine Mission auf Erden zu erfüllen hat, dass ihm Kraft gegeben ist, zur Veredelung des Menschheitsbaues beizutragen.“ Gustav Stresemann Dieses Stresemann-Zitat trifft in vielerlei Hinsicht hervorragend die Motivation hinter der Arbeit der Jugendoffiziere der Bundeswehr. Einerseits ist die tägliche Arbeit eines Jugendoffiziers, geprägt von großer Selbstständig- und Unabhängigkeit weit ab von üblichen militärischen Strukturen und unterstützender Infrastruktur, undenkbar ohne höchste innere Motivation: Der Überzeugung, immer wieder die Diskussion zu suchen, oft im Ein-Mann- oder Frau-Betrieb Seminare zu organisieren, immer wieder auf die Bürger zuzugehen, und sich für eine lebendige sicherheitspolitische Debatte einzusetzen. Andererseits ist das Ziel der Arbeit der Jugendoffiziere, eben jene Motivation zu aktivem, kritischem Staatsbürgertum zu fördern. Dabei liefern sie nicht nur fachkundige Beiträge zur Diskussion, sondern ermuntern zu grundsätzlichem Interesse an und Engagement für das demokratische Gemeinwesen. Da aber immer wieder – auch innerhalb der Bundeswehr – Missverständnisse hinsichtlich der Aufgabe von Jugendoffizieren bestehen, ist es an dieser Stelle sinnvoll, kurz zu umreißen, was Jugendoffiziere sind, und welche Rolle sie in Streitkräften und Gesellschaft erfüllen. Jugendoffiziere als gesellschaftlicher Beitrag der Bundeswehr zur allgemeinen politischen Bildung: • • • Politische Bildung in der Öffentlichkeit zum Thema SicherheitsVerteidigungspolitik Brückenfunktion zwischen Streitkräften und Bürgern Zeitzeugen mit Führungserfahrung, oft auch Auslandseinsatzerfahrung und …und zusätzlich als Gewinn für die Bundeswehr selbst: • • • Stete Bindung zum Bürger Kontinuierliche kritische Diskussion als Ansporn zur (institutionellen) Selbstreflektion Junge Führungskräfte entwickeln so ihr Selbst- und Berufsverständnis im steten Diskurs mit der Öffentlichkeit weiter Bereits seit 1958 sind Jugendoffiziere in Deutschland im Einsatz, um den Sinn von Streitkräften und die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen kritisch mit der Öffentlichkeit zu diskutieren. Dies wird unternommen von Offizieren, die nicht nur sicherheitspolitische und pädagogische Kompetenz nachweisen müssen, sondern auch über erste Führungs- und oft auch Auslandseinsatzerfahrung verfügen. Wichtig ist, dass sich schon in den ersten Jahren dieser Institution die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass deren öffentliche Bildungsaufgabe strikt von Nachwuchswerbung für die Bundeswehr getrennt werden muss. Denn das Interesse an grundsätzlichen Fragestellungen – und die Notwendigkeit diese stetig kontrovers zu diskutieren – umfasst alle Bürger der Bundesrepublik, nicht allein diejenigen, die für den Dienst an der Waffe in Frage kommen, oder dafür gewonnen werden sollen. Darüber hinaus würde jeder Versuch unglaubwürdig, objektiv und kritisch über Sicherheitspolitik und die Rolle der Bundeswehr zu diskutieren, wenn gleichzeitig von den Trägern dieses politischen Bildungsauftrages erwartet würde, Werbequoten zu erfüllen. Im Sinne des „Beutelsbacher Konsenses“ – den Grundlagen politischer Bildung in Deutschland – müssen Inhalte, die „in Wissenschaft und Politik kontrovers [sind], … auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“ Für die Aufgabe der Jugendoffiziere bedeutet das, dass weder eine positiv überzeichnete Selbstdarstellung der Bundeswehr, noch eine ausschließliche Konzentration auf die offizielle Position des Bundesministeriums der Verteidigung oder der Bundesregierung zulässig sind. Das schließt damit den Einsatz von Jugendoffizieren als „Werber“ oder Pressesprecher aus. Tatsächlich verbindet sich die geforderte Objektivität und kritische Grundhaltung politischer Bildungsarbeit mit dem gesetzlichen (Selbst-)Anspruch an alle Soldaten der Bundeswehr als mündige „Staatsbürger in Uniform“. Primat der Politik heißt nicht, dass politische Vorgaben kritiklos und unreflektiert hingenommen und umgesetzt werden. Die Notwendigkeit für jeden Soldaten, sich kritisch mit seiner Rolle in der Demokratie, seinem Auftrag und der aktuellen politischen Debatte auseinanderzusetzen, deckt sich mit der besonderen öffentlichen Aufgabe des Jugendoffiziers. Außerdem kommt Jugendoffizieren eine essentielle Brückenfunktion zwischen Bürgern und Streitkräften zu. Dies umso mehr, seit das vormals wichtigste Bindeglied zwischen Gesellschaft und Bundeswehr – die Wehrpflicht – keine Rolle mehr spielt. Insbesondere in dieser Aufgabe, bei der authentischen Vermittlung der Realität in den Streitkräften und Auslandseinsätzen an die Öffentlichkeit, ist es unverzichtbar, auf Soldaten in Uniform zurückzugreifen. Während Sicherheitspolitik auch von anderen Trägern politischer Bildung diskutiert wird, kann die Rolle des Bindeglieds zwischen Gesellschaft und Bundeswehr sinnvoll nur von Soldaten übernommen werden. Tatsächlich gibt es mittlerweile Regionen in Deutschland, in denen im Umkreis von 150 km keine Dienststellen der Bundeswehr mehr anzutreffen sind. Da ist oft der letzte präsente Vertreter der Streitkräfte der Jugendoffizier, dessen Bildungsauftrag lückenlos im ganzen Bundesgebiet greift. Allerdings können auch die in unterschiedlichen Betreuungsbezirken bundesweit verantwortlichen 94 Jugendoffiziere nur einen Teilbeitrag leisten (bundesweit 2014: 161.515 Vortrags- und Seminarteilnehmer). 1 So lange unsere Demokratie Streitkräfte unterhält, ist es wichtig, dass die Bürger – gleich welchen Alters, Berufs, Bildungsstands oder Wohnorts – diese Institution nicht aus dem 1 Jahresbericht der Jugendoffiziere der Bundeswehr 2014 kritischen Blick verlieren. Einerseits büßt die Qualität von Institutionen allgemein ein, wenn sie nicht auch von außen immer wieder hinterfragt werden, andererseits bedürfen Streitkräfte als organisiertes Machtmittel grundsätzlich besonderer stetiger kritischer Aufmerksamkeit. Das gilt auch für die Bundeswehr, die – fest verankert in der Gesellschaft und unserer Demokratie – die besten Streitkräfte sind, die Deutschland je hatte. Dieser Zustand ist aber nicht in alle Ewigkeit festgeschrieben, sondern bedarf kontinuierlichen Engagements, damit auch in Zukunft von deutschen Streitkräften keine Gefahr für die Demokratie ausgeht und ihr Beitrag zur Schaffung einer gerechten Friedensordnung angemessen geleistet werden kann. Sicherheitspolitisches Interesse in Deutschland Das Vorurteil, die Bürger der Bundesrepublik seien nicht an Sicherheitspolitik interessiert, lässt sich weder in praktischer Erfahrung eines beinahe täglich intensiv mit der Öffentlichkeit diskutierenden Jugendoffiziers, noch in wissenschaftlichen Umfragen aufrechterhalten. Eine im Rahmen des außenpolitischen Review-Prozesses entstandene Umfrage ergab: 2 • • • • 68% der Bürger äußern ein starkes Interesse an Außenpolitik Dabei sehen 63% „Krisen und Konflikte“ als zentrale Herausforderung von Außenpolitik Aber: Deutschland solle sich eher zurückhalten… (60%) …vor allem bei Militäreinsätzen (82%) Allerdings wird ein Einsatz von deutschen Streitkräften (und damit deren Existenzberechtigung) in folgenden Situationen mit überwältigender Mehrheit unterstützt: • • • • Bei direkten Bedrohungen von Frieden und Sicherheit in Europa (87%) Für humanitäre Zwecke, z.B. Sicherstellung von Versorgung in Krisengebieten (85%) Zur Verhinderung von Genozid (82%) Um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu unterbinden (77%) Auch wenn das Interesse je nach Alter und Bildungsgrad unterschiedlich stark ausgeprägt ist, liegt doch keine befragte Gruppe unterhalb eines 50%-Anteils von Interessenten an Außenbzw. Sicherheitspolitik (Junge Menschen, 18-29 Jahre: 55%; Hauptschulabsolventen: 58%). Dieses Ergebnis lässt sich auch in der täglichen Arbeit eines Jugendoffiziers bestätigen. Auch wenn z.B. an unterschiedlichen Schulformen, und je nach individueller Schwerpunktsetzung der Lehrer, unterschiedliches Hintergrundwissen bei Schülern vorliegt, ist das intensive Interesse an einer Diskussion sicherheitspolitischer Fragen bei der großen Mehrheit der Menschen vorhanden. Das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft Wie das oben geschilderte Interesse im Allgemeinen an Sicherheitspolitik erwarten lässt, ist auch gegenüber der Bundeswehr im Besonderen kein Desinteresse (mehr) zu konstatieren. Einerseits wird die aktuelle sicherheitspolitische Lage, Ukrainekrise und „Islamischer Staat“, ihren Beitrag zu einem zunehmenden Interesse leisten. Andererseits werden es auch jüngere 2 „Sicht der Deutschen auf die Außenpolitik“, Körber Stiftung, 2014 prominente Bekenntnisse zu Deutschlands Verantwortung in der Welt sein, die nicht nur Sicherheitspolitik, sondern auch die Bundeswehr verstärkt in die Debatte gerückt haben. Möglicherweise war es aber auch einfach Teil der empfundenen „Friedensdividende“ der Zeit nach dem Kalten Krieg, dass diese Themen (vorübergehend) weniger stark in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. In jedem Fall bestätigen auch Umfragen zur Beliebtheit der Bundeswehr, dass sie von einer großen Mehrheit der Bürger positiv gesehen wird (77%, 2013). 3 Als Herausforderung sollten allerdings zwei weitere Ergebnisse dieser Umfragen im Auge behalten werden: • • Nur ca. 10% der Bevölkerung haben persönliche Erfahrungen mit Soldaten und der Bundeswehr (dazu zählen u.A. auch Kontakte zu Jugendoffizieren) Ca. 20% der Befragten stehen der Bundeswehr explizit ablehnend gegenüber Was diese Zahlen allerdings nicht verdeutlichen, und was letztlich die Soldaten im Auslandseinsatz intensiv beschäftigt und wahrscheinlich hauptverantwortlich für die empfundene Ausgrenzung und Ablehnung ist, sind organisierte extremistischen Aktionen und Darstellungen im Internet. Seien es regelrechte Hetzkampagnen gegen Einzelne, so wie „Wanted“-Aufrufe mit Prämien für Wohnort-Angaben zu Brigadegeneral Klein („Bombardement von Kunduz“), oder Vandalismus-Aktionen am Bundeswehr Ehrenmal in Berlin mit Schweineblut unter dem Motto „Feste feiern wie sie fallen“ – freudiges Anstoßen mit Sekt auf jeden im Auslandseinsatz gefallenen Soldaten – der DFG-VK. Auch mit Brandstiftungen an Dienst- und Privatfahrzeugen auf Kasernenparkplätzen können die Taten einzelner Extremisten bei vielen Soldaten das Gefühl der Ablehnung durch die gesamte Gesellschaft auslösen. Hier kann auch die Arbeit der Jugendoffiziere einen Beitrag leisten, um Soldaten, die nur wenig dienstlichen Kontakt mit der Öffentlichkeit haben, die überwältigend positiven Erfahrungen mit Bürgern zu vermitteln. Im Übrigen kann man nur jeden Soldaten ermutigen, nicht aufgrund extremistischer Einzeltaten seine Uniform außerhalb von Kasernen zu verstecken. Nur wenn Soldaten als solche erkennbar sind, können ihnen positive Erfahrungen in der Öffentlichkeit „im Amt“ wiederfahren. Zusätzlich leisten sie damit einen Beitrag zur Auseinandersetzung der Gesellschaft mit ihren Streitkräften: Die Bundeswehr wird als in der Gesellschaft präsent wahrgenommen. Letztendlich wäre weit mehr Schaden entstanden, als in Sachwerten zu beziffern wäre, wenn es Extremisten gelänge, „Bürgerverdrossenheit“ beim „Staatsbürger in Uniform“ zu erzeugen. Ablehnung der Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft? Die wenigen Radikalen, die auch vor Straftaten nicht zurückschrecken, sind immerhin Teil einer weit größeren gesellschaftlichen Gruppe, die der Bundeswehr ablehnend gegenübersteht. Diese ideologisch bedingte Ablehnung der Bundeswehr, vom Rande schon eher in Richtung Mitte der Gesellschaft rückend, findet sich – wie auch der langjährige GRÜNENBundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei spekulierte – möglicherweise verstärkt im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, 2013 3 intellektuellen Milieu. Ein Beispiel war unter anderem der 2013 verliehene sogenannte „Aachener Friedenspreis“ (nicht mit dem renommierten Aachener Karlspreis zu verwechseln) an „Schulen ohne Bundeswehr“. Man prämierte Schulen, die sich weigerten, Jugendoffiziere in den Unterricht einzuladen: „Um eine Welt ohne Krieg und militärische Gewalt zu erreichen, ist eine völlig andere Art des Denkens und Handelns unserer Gesellschaft nötig. Neben der Anwendung von Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung zur Beilegung gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Gemeinschaften brauchen wir vor allem eine andere, auf Friedenserziehung orientierte, Bildungspolitik und Ausbildung unserer Jugend. Diese kann von Soldatinnen und Soldaten nicht gewährleistet werden, zumal diese ihrer Arbeitgeberin, der Bundeswehr, verpflichtet und damit deutlich interessengeleitet sind.“ (aus der Begründung des „Aachener Friedenspreises“ 2013) Neben der hier zugrundeliegenden offensichtlichen Fehleinschätzung der Rolle der Bundeswehr in unserer Gesellschaft, sowie des freiwilligen Angebotscharakters des politischen Bildungsauftrages der Jugendoffiziere, steht das Ausschließen von Soldaten aus dem gesellschaftlichen Diskurs über Sicherheitspolitik im Widerspruch zur proklamierten kritischen Objektivität als Grundlage mündiger Meinungsbildung. Diese Preisverleihung wäre sogar beinahe gescheitert, weil von den einzigen drei Schulen, die offenbar bundesweit 2013 dem Kriterium gerecht wurden, eine kurz vor der Verleihung den Preis ablehnte. Weithin anerkannt für sein langjähriges friedenspolitisches Engagement, trat Winfried Nachwei in Reaktion auf diesen „Aachener Friedenspreis“ konsequent allen „Militarismus“-Vorwürfen gegen die Bundeswehr entgegen und konstatierte die „kompromisslose Werteübereinstimmung zwischen unserer Demokratie und unseren Streitkräften“. 4 Tatsächlich ist nicht nur dieser Beistand für die Bundeswehr, die Leistungen und Opfer ihrer Soldaten, eine positive Erfahrung nach dem „Aachener Friedenspreis“; auch das anschließende Medienecho stellte sich letztendlich auf die Seite der „Staatsbürger in Uniform“. Selbst wenn unhaltbare Vorwürfe und – bei manchem wohl schon liebgewonnene – ideologische Feindbilder immer wieder im Einzelfall für Bundeswehrsoldaten frustrierend sein können, dürfen diese nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anerkennung des Dienstes in den Streitkräften gesellschaftlich etabliert ist. Fazit Insbesondere nach dem Aussetzen der Wehrpflicht in Deutschland, und im Zuge einer Reduzierung der Größe der Bundeswehr, ist die Funktion der Jugendoffiziere als Brücke zwischen Bürgern und Streitkräften noch wichtiger geworden, als sie es seit jeher war. Demokratie ist darauf angewiesen, dass ihre Streitkräfte sich nicht von der Gesellschaft abkoppeln. Die Wehrpflicht war immer – mehr noch als alle Erwägungen hinsichtlich der „Wehrfähigkeit“ der Bundesrepublik – als demokratische Sicherheit gedacht. Durch die Wehrpflicht sollte die Gesellschaft kritisch aufmerksam für die Bundeswehr bleiben und gleichzeitig eine Einengung der Rekrutierung auf sich-selbst-reproduzierende militärische „Eliten“ verhindert werden. Zwar wurde der Werbeetat der Bundeswehr erhöht, das 4 Anlässlich Verleihung Ehrenmedaille des Fördervereins der Jugendoffiziere an Winfried Nachtwei, Juni 2014 Engagement für eine öffentliche kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Bürger jedoch nicht. Ohne Wehrpflicht und mit einer 185.000-Soldaten Bundeswehr, die zwangsläufig aufgrund geringerer Größe weniger öffentlich präsent ist, ist es überlegenswert, ob die bundesweit 94 Jugendoffiziere nach wie vor – in dieser Zahl seit 1990, bei einer damaligen Wehrpflichtarmee von über 400.000 Soldaten – ausreichend sind. Letztlich wäre eine logische Weiterentwicklung des Konzeptes und der Institution der Jugendoffiziere, zukünftig z.B. die direkte personelle Beteiligung der diplomatischen und entwicklungspolitischen Ressorts. So würde sich der Vernetzte Ansatz europäischer Sicherheitspolitik auch in dieser besonderen Unterstützung der öffentlichen Diskussion wiederfinden. Die ressortübergreifend geteilte Überzeugung, dass Sicherheits- und Außenpolitik mit dem Bürger diskutiert werden muss, manifestiert sich schließlich nicht zuletzt auch im Review-Prozess des Auswärtigen Amtes und in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Auch sollte das in Europa vorhandene Potential und der Bedarf für die Weiterentwicklung des Konzeptes „Jugendoffizier“ nicht unterschätzt werden. Europäische Soldaten, vor allem diejenigen die in internationalen Einsätzen – für EU, UN oder NATO – gewesen sind, aber auch Diplomaten, international erfahrene Polizisten und Vertreter der Entwicklungszusammenarbeit, bringen die unmittelbare Erfahrung mit, dass internationale Kooperation kein frommes Wunschdenken ist, sondern in der Realität funktioniert. Die persönliche Erfahrung eines gelebten Miteinanders im Sinne demokratischer Werte, mit dem Ziel einer gerechten Friedensordnung für die gesamte Menschheit, kann als Inspirationsquelle gar nicht überschätzt werden. Und dies wird umso nötiger in Zeiten, in denen scheinbar stetig wachsende Bevölkerungsgruppen in Europa den Glauben an das demokratische europäische Projekt verlieren. Aus diesem Grund würde die Institution der Jugendoffiziere ihre logische Fortsetzung heute auf gesamteuropäischer Ebene finden. Sicherheitspolitik ist ein zwangsläufig gesamteuropäisches Thema. Und Europa als Gegenentwurf zu klassischer Machtpolitik braucht nun mehr denn je den Rückhalt und das Engagement seiner Bürger. Während es leider sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern wieder stärkere nationalistische Tendenzen gibt, ist die öffentliche Meinung längst auch (wieder) Gegenstand gezielter äußerer Einflussnahme im Zuge hybrider Kriegführung. Es wäre daher an der Zeit, die notwendige sicherheitspolitische Diskussion auf europäischer Ebene intensiv auf breiter Basis mit den Bürgern zu führen. Deshalb würde, inspiriert von der Idee des „Jugendoffiziers“, der immer wieder geäußerte Wille zu europäischer militärischer Kooperation in gemeinsamen Europäischen Referenten für Sicherheitspolitik nachhaltig wertvollen Ausdruck finden. Über den Autor: Moritz Brake ist Kapitänleutnant (Crew VII/03), Jugendoffizier Köln und Vorsitzender des Fördervereins der Jugendoffiziere e.V. Er war als Blauhelmsoldat im Rahmen der UNIFIL Mission 2007, sowie für die Europäische Union in der Mission ATALANTA in den Jahren 2010 und 2011 im Auslandseinsatz. Er ist Herausgeber des Buches „Maritime Sicherheit – Moderne Piraterie: Hintergründe, Gefahren und mögliche Gegenmaßnahmen“ (Peter Lang Verlag, Frankfurt a.M., 2015)
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