Arbeitslose: Tridonic verdaut, Electrolux macht

Arbeitslose: Tridonic verdaut,
Electrolux macht Bauchweh
Die Arbeitslosenquote im Kanton Glarus ist mit 2,1 Prozent ziemlich erfreulich. Trotzdem schauen die
Verantwortlichen beim Arbeitsamt und der regionalen Arbeitsvermittlung nicht unbesorgt in die nahe Zukunft.
von Brigitte Tiefenauer
T
rotz des Frankenschocks
ist die Arbeitslosenquote
in der Schweiz im Mai um
0,1 Prozent auf 3,2 Prozent
gesunken. Dafür verant­
wortlich sind laut dem Staatssekre­
tariat für Wirtschaft (Seco) positive
Saisoneffekte vor allem im Bau­ und
Gastrogewerbe. Zweites trifft auch für
den Kanton Glarus zu, wie Heinz Mar­
tinelli, Leiter Wirtschaft und Arbeit im
Kanton Glarus, bestätigt.
«Glarus ist ein
Kanton mit vielen
Zulieferbetrieben.
Diese geraten
unter Druck.»
«Wir müssen
damit rechnen,
dass ein Teil der
Vermittelten wieder
bei uns anklopft.»
Arbeitslosenquote
im Kanton ist anhaltend stabil
Heinz Martinelli
Leiter Wirtschaft und Arbeit, Glarus
Urban Leuzinger
Leiter RAV
Im Kanton ist die Arbeitslosenquote
im Mai mit 2,1 Prozent im Vergleich
zum Vormonat unverändert geblie­
ben. Damit beträgt die Zahl der regis­
trierten Arbeitslosen aktuell 472 oder
vier mehr als im April. Zur gleichen
Zeit im Vorjahr verzeichnete der Kan­
ton noch 483 Arbeitslose.
Zum Vergleich: Der Jahresdurch­
schnitt 2014 betrug 501 oder 2,3 Pro­
zent, derjenige von 2013 gar 2,5 Pro­
zent oder 550 Arbeitslose. Damit
zeichnet sich im Kanton seit dem Jah­
resbeginn ein leichter Abwärtstrend
ab von 2,3 Prozent im Januar auf heu­
te 2,1 Prozent.
«Diese reine Zahl darf aber nicht
für bare Münze genommen werden»,
warnt Martinelli. Arbeitslose gingen
oftmals dorthin, wo sie Arbeit fänden.
Es sei deshalb durchaus möglich, dass
sich hinter dem erfreulichen Trend
eine gewisse Abwanderung verstecke.
Dies obwohl das Stellenangebot im
Kanton glücklicherweise nicht allzu
schlecht sei. Auch würden konjunktu­
relle Auswirkungen den Arbeitsmarkt
erst mit einer Verzögerung von rund
einem halben Jahr erreichen, gibt er
weiter zu bedenken.
Kostenorientiert,
effizient, wettbewerbsfähig
Fakt ist laut Martinelli, dass Stellen
gesucht werden. Häufig auch von
niedrig qualifizierten Arbeitskräften,
die es auf dem Arbeitsmarkt am
schwersten hätten. Die Unternehmen
müssten sich dem Markt stellen, Kos­
ten senken, Prozesse anpassen und ef­
fizienter werden, um im Wettbewerb
mitzuhalten. Und dies treffe eben
hauptsächlich die weniger qualifizier­
ten Mitarbeiter. Der Euroschock An­
fang Jahr habe die Situation zudem
nicht vereinfacht.
«Ob sie durchhalten,
wird sich bald zeigen»
60 Langzeitarbeitslose sind per Ende
Mai beim kantonalen Arbeitsamt re­
gistriert. Schweizer und Ausländer,
Männer und Frauen, eine Mehrheit
Über­50­Jährige.
Über den Berg sind die Unterneh­
men noch nicht. «Glarus ist ein Indus­
triekanton mit vielen Zulieferbetrie­
ben. Sie sind Glieder in einer grossen
Wertschöpfungskette und geraten zu­
nehmend unter Druck», so Martinelli.
Meldungen von Glarner Firmen, die in
Schwierigkeiten seien, würden dies
bestätigen. «Ob sie durchhalten, wird
sich bald zeigen.»
Martinelli verweist aber auch auf
erfolgreiche Unternehmen wie Läde­
rach oder Kunststoff Schwanden. «Um
sich heute im Wettbewerb zu behaup­
ten, haben diese ihre Prozesse stetig
verbessert und sich den Herausforde­
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REGION
Südostschweiz | Freitag, 19. Juni 2015
rungen gestellt. Das kostet Geld, Inves­
titionen und viel Engagement.»
Kurz- und Mehrarbeit zum
gleichen Lohn im Durchschnitt
Laut Martinelli ist die Kurzarbeit im
Kanton nach wie vor ein Thema. Da­
mit hälfen sich Glarner Unternehmen
bei schlechter Auftragslage vorüberge­
hend aus der Not. Sieben Unterneh­
men mit insgesamt 85 Mitarbeitern
sind zurzeit beim Arbeitsamt gemel­
det – Branchen aller Art und jeder
Grösse. Mengenmässig sei dies Durch­
schnitt, so Martinelli. «Wir hatten
auch schon 500 betroffene Mitarbei­
ter.» Bekannt sind ihm auch Firmen,
in denen mehr gearbeitet wird – zum
selben Lohn, um den schlechten Euro­
kurs oder die verringerte Produkti­
vität wettzumachen.
Viele Stellensuchende
werden nur temporär eingestellt
Die «reine Zahl» der 2,1 Prozent
Arbeitslosen zeigt auch, dass die «ver­
schärfte Situation», die das Arbeits­
amt zum Jahresbeginn im Hinblick
auf die Schliessung der Electrolux in
Schwanden und den Stellenabbau bei
Tridonic prophezeite, zahlenmässig
noch nicht eingetreten ist. Dies ob­
wohl die Entlassenen der Tridonic
eigentlich bereits «durch» sind beim
regionalen Arbeitsvermittlungszent­
rum (RAV), wie dessen Leiter Urban
Leuzinger bestätigt.
Von den rund 80 Entlassenen hät­
ten sich 58 beim RAV gemeldet. Davon
seien bisher erfreulicherweise zwei
Drittel vermittelt, oder sie hätten sel­
ber eine Beschäftigung gefunden. Pro­
blematisch sei allerdings, dass bei der
aktuell unsicheren Wirtschaftslage
viele Stellensuchende nur temporär
eingestellt würden, so Leuzinger. «Wir
müssen damit rechnen, dass ein Teil
der Vermittelten in ein, zwei Jahren
wieder bei uns anklopft.»
Anstieg der Arbeitslosen wird in
der zweiten Jahreshälfte erwartet
Bekannt ist nun, dass Kanton und
Electrolux keinen Käufer gefunden
haben und ihre Suche nach ei­
nem neuen Besitzer eingestellt haben
(Ausgabe von gestern). Die Firma in
Schwanden schliesst Ende Jahr und
entlässt 135 Angestellte. Die meisten
bekommen demnächst ihre Kündi­
gung. 50 Mitarbeitende konnten laut
Electrolux­CEO Peter Barandun bisher
vermittelt werden. «Angestellte ohne
Nachfolgelösung werden sich in den
kommenden Monaten bei uns mel­
den, was sich in der zweiten Jahres­
hälfte auf die Arbeitslosenzahlen nie­
derschlagen dürfte», so Leuzinger.
Und die Grosswetterlage? «Kaum
vorhersehbar», sagt Leuzinger. «Das
hängt davon ab, wie lange weitere
Firmen in der Krise den ‘Schnauf’ und
den Franken haben, um sich über
Wasser zu halten.»
Konkrete Sorgen bereitet Leuzinger
indes seine Klientel beim RAV. Unter
den niedrig qualifizierten und ver­
mehrt auch weniger vielseitigen Stel­
lensuchenden stellt er eine wachsen­
de Zahl sogenannt mehrfach proble­
matischer Fälle fest – gesundheitlich
eingeschränkte Menschen, für die zu­
sätzliche Abklärungen mit der IV und
dem Sozialamt nötig seien. Sie wür­
den oft sehr lange im Suchprozess
bleiben und die Zahl der Langzeit­
arbeitslosen in die Höhe treiben.
Mysteriöses
Flugblatt
Zwei Tage vor der
Gemeindeversammlung
Glarus Nord ist ein
Flugblatt mit einem
missverständlichen
Absender aufgetaucht.
von Daniel Fischli
Das «Fachmarktcenter Näfels» macht
mobil gegen die Überbauung «Feld» in
Näfels. Zwei Tage vor der Gemeinde­
versammlung von heute Abend ist ein
Flugblatt mit diesem Absender verteilt
worden, in welchem in einer polemi­
schen Art und Weise gegen die Über­
bauung Stimmung gemacht wird.
Wie schon in der ersten Runde vor
einem Jahr ist vom «Monster von Nä­
fels» die Rede. Die Bauherren wollten
«auf Kosten des Volkes» ihren Profit
maximieren. Schützenhilfe erhielten
sie von «selbst ernannten, meist orts­
fremden Fachexperten».
Absender ist falsch bezeichnet
Der Vorwurf, ortsfremd zu sein, fällt
allerdings auf den Absender zurück.
Denn beim «Fachmarktcenter Näfels»
handelt es sich nicht etwa um die Mie­
ter des Fachmarktes Krumm, wie etwa
die einheimische Bäckerei Gabriel.
Die Suche nach dem Absender führt
zuerst einmal nirgendwo hin. Ein
«Fachmarktcenter Näfels» gibt es we­
der im Telefonbuch noch im Handels­
register. Erst das Grundbuch führt wei­
ter: Eigentümerin des Krumm ist eine
Glarner Liegenschaften AG. Laut Han­
delsregister ist sie in Glarus bei einem
Rechtsanwalt domiziliert. Einziger Ver­
waltungsrat ist ein Marco Minuz aus
Altendorf (SZ).
Geschäfte wissen von nichts
Minuz bestätigt, Urheber des Flug­
blattes zu sein. Keine Auskunft gibt er
auf die Frage, ob die Mieter des Fach­
marktes, die ja allenfalls von zusätz­
lichen Kunden aus der Überbauung
profitieren könnten, über das Flugblatt
informiert seien und dessen Haltung
teilten. Minuz erklärt sein Engagement
mit seiner Verbundenheit mit Näfels.
Die Umgebung des Fachmarkts solle
sich «harmonisch entwickeln», wie
Minuz erklärt.
Die Mieter des Fachmarktes hatten
keine Kenntnis vom Flugblatt. So heisst
es etwa von Aldi Suisse: «Wir haben
von dieser Aktion weder Kenntnis,
noch unterstützen wir jegliche politi­
schen oder polemischen Vorstösse. Wir
sind weder Unterstützer noch Gegner
dieses Bauvorhabens.»
2011 Besitzer aus Kasachstan
Im Jahr 2011 hatte ein Daniyar
Nyssanbayev aus dem kasachischen
Almaty das Näfelser Einkaufscenter
gekauft. Im Handelsregister ist er ab
dem 13.April 2011 als Präsident der
Aktiengesellschaft eingetragen.
Schon am 21.September des selben
Jahres wird der Eintrag allerdings
gelöscht und Marco Minuz einziges
Mitglied des Verwaltungsrates. Zu
diesem Wechsel gibt Minuz keine
Auskunft. Minuz ist ausser bei der
Glarner Liegenschaften AG noch bei
einem Beratungs­ und bei einem
Immobilien­Unternehmen in Wollerau
(SZ) einziger Verwaltungsrat.
INS ERAT
Claro Weltladen
Düstere Aussichten: Wenn in Glarner Firmen an der Effizienz geschraubt wird, trifft es die Mitarbeiter.
Bild Sasi Subramaniam
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