Neue Sorten aus der Sauerkirschzüchtung - JKI

Sorten und Züchtung
Neue Sorten aus der Sauerkirschzüchtung
Der Bedarf an gesundem Obst ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Leider hat die Sauerkirsche immer noch nicht die Bedeutung im Obstbau, welche sie infolge ihrer sehr guten Eigenschaften erzielen sollte. Gehört sie doch zusammen mit der Süßkirsche, dem Apfel, der Birne und den
Zwetschge zu den traditionellen heimischen Obstarten. Neben strukturellen Problemen spielen
hierbei auch der immer noch vorherrschende Anbau der Sorte ‚Schattenmorelle‘ und die fast ausschließliche Nutzung als Verarbeitungsfrucht eine Rolle. Warum ist das so?
B
ereits mit dem Beginn der gezielten staatlichen Züchtung bei
Obst im Kaiser-Wilhelm-Institut
in Müncheberg ab dem Jahre 1928 wurde
die Sauerkirsche züchterisch mit bearbeitet. Durch die Folgen des 2. Weltkrieges wurden diese Arbeiten durch M.
Zwintzscher in Westdeutschland fortgesetzt. Zwintzscher konzentrierte sich bei
seinen züchterischen Arbeiten besonders
auf die Selektion von neuen Sorten aus
Selbstungsnachkommen der Sorte ‚Schattenmorelle‘.
Im Ergebnis konnten die Sorten
‚Mailot‘, ‚Cerella‘, ‚Nabella‘ und ‚Successa‘ selektiert werden. Leider erfuhren
diese Sorten keine große Verbreitung.
Waren es doch auch wieder „nur“ abgewandelte ‚Schattenmorellen‘. Parallel
zu diesen Arbeiten wurde eine Vielzahl
Sauerkirschsorten durch Klonauslesen
der Sorte ‚Schattenmorelle‘, wie u.a. die
‚Beutelspacher Rexelle‘, ‚Haackes Dunkelsaftige‘, ‚Schamo‘, ‚Scharö‘, ‚Vowi‘,
durch andere Bearbeiter dem Obstbau zur
Verfügung gestellt. Diese Sorten konnten aber die dominierende Stellung der
‚Schattenmorelle‘ im Anbau nicht verändern. Zeigen diese Sorten doch auch, wie
ihre Ursprungssorte ‚Schattenmorelle‘,
noch Defizite bei der Fruchtqualität, der
Toleranz gegenüber Krankheiten und den
Eigenschaften für die mechanische Ernte.
Einen neuen Weg in der Züchtung
von Sauerkirschen beschritt B. Wolfram
ab dem Jahre 1965 in Müncheberg. In
ihren Kreuzungsansätzen kombinierte sie
unter anderen die positiven Eigenschaften
der ‚Schattenmorelle‘ mit der sehr guten
Fruchtqualität und Toleranz gegenüber
Krankheiten der ungarischen Landsorte
‚Köröser‘. Diese Arbeiten wurden durch
die erfolgreiche Selektion der ersten fünf
Sorten ‚Korund‘, ‚Karneol‘, ‚Morina‘,
‚Safir‘ und ‚Topas‘ belegt. Die Sorten
setzten neue Maßstäbe bei der Fruchtqualität und Toleranz gegenüber Krankheiten.
Natürlich haben auch sie, wie jede Sorte,
ihre Defizite. Ein Problem besteht zum
Beispiel in der partiellen Fertilität bei
‚Morina‘ und ‚Karneol‘. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass man durch
die Nutzung von schwachwuchsinduzierenden Unterlagen einen sehr guten
Fruchtbehang auch mit diesen Sorten
erzielen kann.
Ab dem Jahr 2004 wurde das Sauerkirschsortiment durch die Sorten ‚Achat‘,
‚Jade‘ und ‚Rubellit‘ erweitert. Auch diese Sorten gehen auf Kreuzungen mit der
Sorte ‚Köröser‘ zurück. Im Besonderen
ist hier die Sorte ‚Achat‘ zu erwähnen.
Durch eine veränderte Baumarchitektur
fruchtet ‚Achat‘, wie die Süßkirsche, am
mehrjährigen Holz und an Kurztrieben.
Durch diese Eigenschaft ist die Neigung
zur Verkahlung sehr gering. Die beiden
anderen Sorten zeichnen sich besonders
durch ihre Fruchteigenschaften aus.
In diesem Jahr wurden drei weitere
Sauerkirschsorten durch das Julius KühnInstitut beim Bundessortenamt zur Sortenschutzprüfung angemeldet. Es handelt
sich um ‚Coralin‘, ‚Spinell‘ und ‚Jachim‘,
welche nachfolgend beschrieben werden.
‚Coralin‘ - Dunkle Weichsel
Die Sauerkirschsorte ‚Coralin‘ ist eine
ertragreiche Sorte für den Erwerbs- und
selbstversorgenden Anbau. Charakteristisch ist die sehr gute Blattgesundheit,
welche diese Sorte für den ökologischen
Obstbau empfiehlt. Die mittelgroßen
Früchte, mit einer deutlich höheren Farbintensität des Saftes im Vergleich zur
‚Schattenmorelle‘, eignen sich gut für
die Verarbeitung. Durch die aufrechte
Wuchsform und gute Ablösbarkeit der
Früchte vom Stiel lässt sie sich gut mechanisch ernten.
Tab. 1: Obstbauliche Eigenschaften der neuen Sorten im Vergleich zu den Sorten
'Schattenmorelle', 'Achat' und 'Jade'
Sorte
Schattenmorelle*
Achat*
Jade*
Coralin*
Spinell*
Jachim**
Frucht- Frucht- Fruchtbehang gewicht größe
1-9
g
mm
FarbAnthocyanApfelintensität
gehalt
säure g/l
1 : 50 verd. mg/100 g
6
5,5
21,7
15,3
17,7
0,4
114,5
6
6
6
5
6
7,2
6,6
5,3
8,7
6,0
24,1
24,0
21,6
26,3
23,0
15,7
17,0
15,6
17,6
13,7
15,4
19,5
18,1
12,5
17,8
0,4
0,5
0,6
0,7
0,7
98,0
84,5
212,9
350,8
k.W.
* Mittelwert 2001-2009; ** Mittelwert 2006-2009
16
Brix
%
Früchte der Sorte ‚Coralin‘ (Maßstab 1 cm).
‚Spinell‘ - Dunkle Weichsel
Charakteristisch für die Sorte ‚Spinell‘ sind die für eine Sauerkirsche sehr
großen dunkelroten Früchte, teilweise > 30 mm. Diese haben einen süßen
Sauerkirschgeschmack. Besonders ist
der sehr hohe Gehalt an Anthocyanen
zu bewerten. Dieser bewirkt eine starke
Farbintensität des Fruchtsaftes und deutet
Öko-Obstbau 3/2010
Sorten und Züchtung
auf einen besonders gesunden Wert der
Früchte hin (Antioxidantien). Der Ertrag
ist nicht so hoch wie bei der Vergleichssorte ‚Schattenmorelle‘. Durch sehr gute
Fruchteigenschaften bietet sich ‚Spinell‘
besonders für den Frischmarkt an.
Tab. 2: Die drei neuen Sauerkirschen-Sorten mit ihren wichtigsten Eigenschaften.
'Coralin'
Herkunft
Kelleriis 16' x ('Köröser' x
'Schattenmorelle')
Köröser' x ('Fanal' x
'Kelleriis 16')
'Köröser' x 'Safir'
aufrecht,
später mittelstark
breitwüchsig, mittelstark
aufrecht, mittelstark, kurze
Internodien, steile
Astabgangswinkel
Erziehung mit zentraler
Ansprüche an
Achse, regelmäßiger
den Baumschnitt
Auslichtungsschnitt
‚Jachim‘ -säulenförmige Weichsel
(Pillar-Typ)
Die Sauerkirschsorte ‚Jachim‘ hat eine
säulenförmige Wuchsform, Pillar-Typ.
Der Baumaufbau wird durch steile Astabgangswinkel, kurze Internodien sowie
einen Fruchtansatz an Kurztrieben am
mehrjährigen Holz charakterisiert. Diese
Sorte zeigt einen guten Behang mit dunkelroten Früchten, welche Ende Juli, kurz
vor der Sorte ‚Schattenmorelle‘, reifen.
Mehrjährige Untersuchungen bestätigen
auch bei ‚Jachim‘ eine sehr gute Toleranz
gegenüber pilzlichen Blattkrankheiten.
Sie eignet sich besonders für die Nutzung
in kleinen Gärten und als Kübelpflanze.
Für die Vermehrung der Sorte wird die
In-vitro-Kultur empfohlen.
Sorte ‚Jachim‘. (Fotos: Schuster)
Öko-Obstbau 3/2010
'Jachim'
Der Baum
Wuchs des
Baumes
Früchte der Sorte ‚Spinell‘ (Maßstab 1 cm).
'Spinell'
Erziehung mit zentraler
Erziehung mit zentraler
Achse, regelmäßiger
Achse, geringe
Auslichtungsschnitt, Triebe
Schnittkorrektur
verkahlen ohne Schnitt
Krankheitsresistenz
sehr gute Toleranz
gegenüber pilzlichen
Blattkrankheiten
(Sprühflecken- und
Schrotschusskrankheit);
mittlere Anfälligkeit
gegenüber MoniliaSpitzendürre
nicht bekannt, anfällig
gegenüber dem
Sprühfleckenpilz
sehr gute Toleranz
gegenüber pilzlichen
Blattkrankheiten
(Sprühflecken- und
Schrotschusskrankheit);
mittlere Anfälligkeit
gegenüber MoniliaSpitzendürre
Blütezeit
mittel
mittel
mittel
Fertilität
selbstfertil (17 %)
selbstfertil (23 %)
selbstfertil (23 %)
Reifezeit
mittel, ca. eine Woche vor mittel, ca. zwei Wochen
'Schattenmorelle'
vor 'Schattenmorelle'
spät, kurz vor
'Schattenmorelle'
Fruchtbehang
ähnlich 'Schattenmorelle', mittel, geringer als
'Schattenmorelle', am
am einjährigen Holz und
einjährigen Holz
an Kurztrieben
mittel, geringer als
'Schattenmorelle',
hauptsächlich am
mehrjährigen Holz und
Kurztrieben
Stielablösbarkeit
sehr gut, leicht
von Frucht
mittel bis schwer
mittel
Größe / Gewicht 21,6 mm / 5,3 g
26,3 mm / 8,7 g
23,1 mm / 6 g
Form
flach-rund
flach-rund
flach-rund
Farbe
dunkelrot
dunkelrot
dunkelrot
Fruchtfleisch
dunkelrot, mittelfest
dunkelrot, mittelfest
dunkelrot, mittelfest
Geschmack
gut
sehr gut, süß-sauer
gut
Zucker
15,6 Brix (%)
17,6 Brix (%)
13,7 Brix (%)
Säure
18,1 g/l Apfelsäure
12,1 g/l Apfelsäure
17,8 g/l Apfelsäure
Stein
rund, mittelgroß, sehr gute rund, mittelgroß, gute
Lösbarkeit vom
Lösbarkeit vom
Fruchtfleisch
Fruchtfleisch
breit elliptisch, mittelgroß
Stiel
mittel (30 – 40 mm)
mittel bis kurz
(25 – 35 mm)
Die Frucht
mittel (30 – 40 mm)
In Tabelle 1 sind wichtige obstbauliche
Eigenschaften der neuen Sorten im Vergleich zu den Sorten ‚Schattenmorelle‘,
‚Achat‘ und ‚Jade‘ zusammengefasst.
Quellenhinweis: aus Ausgabe 6/2010
Deutsche Baumschule
Die vorgestellten neuen Sauerkirschsorten werden gegenwärtig in
mehreren Landesversuchsanstalten und
privaten Obstbaubetrieben unter den
regionalen Bedingungen obstbaulich
geprüft.
Dr. Mirko Schuster
Julius Kühn-Institut
Pillnitzer Platz 3a
01326 Dresden
[email protected]
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