Er möchte lieber lernen, statt zu kämpfen

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VAIHINGER KREISZEITUNG
Samstag, 26. September 2015
Die lokalen Seiten
VKZ-Umfrage
Was tun mit 32
Millionen Euro?
Am vergangenen Mittwoch lagen im Lotto-Gewinntopf 32 Millionen Euro. Da
in den zwölf Ziehungen davor der Jackpot nicht geknackt wurde, stand
schon vorher fest, dass der Gewinntopf
geleert werden würde. Die VKZ fragte
deshalb in dieser Woche, was sie mit 32
Millionen Euro machen würden.
Bert Schubert, Vaihingen:
Ich würde mir erstmal ein kleines Häuschen kaufen und das restliche Geld investieren, zum Beispiel in Immobilien
oder Gold. Das Geld würde ich dann
für meine Enkel anlegen. Einer Institution würde ich auch noch etwas spenden. Auf jeden Fall würde ich das ganze
Geld nicht gleich verprassen.
Jagar Saifo (rechts) hat beim Arbeitskreis Asyl Unterstützung gefunden – und mit seinem Paten Malte Glück auch einen guten Freund.
Katharina Miljevic, Vaihingen:
Ich habe vier Kinder, acht Enkel und
fünf Urenkel. Unter ihnen würde ich
das Geld aufteilen. Vielleicht würde ich
mir selbst auch noch ein kleines Häuschen kaufen, den Hauptteil würde ich
aber meiner Familie schenken.
Nikola Lozanoski, Vaihingen:
Ich würde verreisen, egal wohin. Vielleicht nach Neuseeland oder Australien. Außerdem würde ich am Vaihinger
Marktplatz und in jedem Stadtzentrum schöne Toiletten bauen. Damit die
Menschen, wenn sie in Vaihingen sind
und auf die Toilette müssen, nicht extra
heimfahren oder in Wirtschaften erst
etwas trinken müssen.
Bouhafes Benali, Kleinglattbach:
Ich würde das gesamte Geld weitergeben, verschenken an Menschen, die es
wirklich brauchen. Mir selbst würde ich
nichts davon kaufen, ich habe ja schon
alles, was ich brauche.
Ramazan Sözen, Enzweihingen:
Ich würde wieder zurück in mein Dorf in
der Türkei auswandern und dort eine
große Ranch betreiben und viele Arbeitsplätze schaffen. Dann würde ich mir
ein schönes Häuschen kaufen, in dem ich
wohnen kann. Sonst brauche ich
nichts, den Rest würde ich mit Menschen
teilen, die es dringend brauchen.
Viktoria Ridlinger, Sersheim:
Ich würde mir ein schönes Haus kaufen,
es soll aber keine Villa sein. Es muss
nur einen Garten haben und jedes meiner
drei Kinder braucht ein eigenes schönes Zimmer. Dann würde ich mir noch
ein kleines Ferienhaus in Kroatien
kaufen und einen Teil meinen Eltern und
meiner Schwester schenken. Den Rest
würde ich spenden und ich wäre der
glücklichste Mensch auf dieser Welt.
Interviews von Fanny Burkhardt
Foto: Banholzer
Er möchte lieber lernen, statt zu kämpfen
Der 22-jährige Jagar Saifo ist allein vor dem Krieg in Syrien geflohen – In Deutschland sieht er eine echte Zukunft für sich
Sechs Monate dauerte die Flucht von Jagar Saifo. Von Damaskus hat sich der
junge Kurde allein bis Deutschland
durchgeschlagen. Hier möchte er ein
neues Leben beginnen, sein Jurastudium beenden – und später vielleicht
einmal für eine internationale Hilfsorganisation arbeiten.
verdächtigt und verprügelt zu werden. Mit
nichts weiter als den Kleidungsstücken, die
er am Leibe trug, sowie seinem Ausweis
verließ er schließlich Damaskus und schlug
sich in die von den Kurden beherrschten
Gebiete im Nordirak und der Türkei durch,
wo er einige Zeit als Dolmetscher für Hilfsorganisationen arbeitete.
von Michael Banholzer
Sein Ziel war jedoch Deutschland, wo bereits zwei seiner Schwestern wohnten. Zusammen mit 17 weiteren Flüchtlingen ließ
er sich in einem geschlossenen Lastwagen
versteckt durch halb Europa schmuggeln.
Mehrere Tage dauerte die Irrfahrt im Februar 2014. Zu essen oder zu trinken hatten
die Menschen in dieser Zeit nur das, was sie
selbst mitgenommen hatten. An einer Tankstelle, zwei Fahrtstunden von Stuttgart entfernt, luden die Schlepper ihre menschliche
Fracht schließlich ab und überließen sie ihrem Schicksal. Jagar gelang es glücklicherweise, seine im Landkreis Ludwigsburg lebende Schwester zu benachrichtigen. Zunächst lebte er gemeinsam mit ihrer Familie
auf engstem Raum. Später musste er jedoch
für einige Monate in die Baracken am Vaihinger Steinhaldenweg umziehen.
Glücklich machte ihn dies nicht. Vielmehr war Jagar von Anfang an sehr motiviert, sich einzubringen. „Ich bin ein junger
Mann. Ich kann vieles machen.“ Nur herumzusitzen und abzuwarten sei nichts für
ihn. Jagar suchte den Kontakt zu den Menschen, belegte Sprachkurse, erlernte in kurzer Zeit beeindruckend gut die deutsche
VAIHINGEN. Kann man seine Familie, sein
Heim, seine Karriere, einfach sein ganzes
Leben von jetzt auf gleich zurücklassen und
in ein fremdes Land auswandern? Für viele
von uns ist das völlig unvorstellbar. Jagar
Saifo hat es jedoch getan. Er verließ seine
Eltern, seine Geschwister und brach sein
Jurastudium in Damaskus ab. „Ich wollte
nicht flüchten, aber ich musste“, sagt der
22-Jährige. Als ihn das Assad-Regime zum
Dienst an der Waffe zwingen wollte, habe er
keine andere Wahl mehr gehabt.
Zu kämpfen – oder gar zu töten – kann
sich Jagar nicht vorstellen. „Ich kann etwas
besser machen für mein Land, wenn ich studiere – nicht, wenn ich kämpfe“, ist seine
feste Überzeugung. Als der Bürgerkrieg
2011 ausbrach, habe es in der Hauptstadt
zunächst eine Zunahme der Straßenkontrollen gegeben. Auch an der Universität
machten sich die Sicherheitskräfte breit –
aber bestimmt nicht, um für Sicherheit zu
sorgen, sagt Jagar. Vielmehr genügte es bereits, wenn eine kleine Gruppe von Studenten beisammen stand, um als Aufrührer
Mehrtägige Irrfahrt auf der
Ladefläche eines Lastwagens
Zwei Brüder machen
Einbrecher dingfest
Sprache. Er wolle unbedingt sein Jurastudium fortsetzen und sich auch von Sprachbarrieren nicht abhalten lassen. Denn er hat
große Ziele. Gerne würde er eines Tages für
eine internationale Organisation arbeiten,
um Menschen in Not helfen zu können. Und
die gebe es ja beileibe nicht nur in Syrien.
„Man muss richtig lernen, dann schafft man
das“, sagt er selbstbewusst.
Ein Leben in Syrien kann sich Jagar nicht
mehr vorstellen. Deutschland biete viel
mehr Möglichkeiten. Auch seien die meisten Menschen hier sehr offen und freundlich. Der Vaihinger Arbeitskreis Asyl habe
ihm bei vielem sehr geholfen. Sein Pate und
Freund Malte Glück vom AK unterstützte
ihn beispielsweise bei der Suche nach einer
eigenen Wohnung in Stuttgart. Und seine
Nachbarin, eine ältere Dame, machte ihn
auch schon mit Besonderheiten wie der
schwäbischen Kehrwoche vertraut. Nur
selten habe er als Ausländer Ablehnung erfahren. Arbeit hat er inzwischen auch: als
Aushilfskraft in einem Restaurant.
Seine Familie hat Jagar nach gut drei
Jahren endlich wiedergesehen. Vater, Mutter und vier Geschwister mussten Damaskus inzwischen ebenfalls verlassen. Das
Haus der Familie liegt in Trümmern. Jetzt
leben sie in einer Unterkunft in Bruchsal –
zu weit entfernt, um sich regelmäßig sehen
zu können. Dabei könnte Jagar seiner Familie mit seinen Deutschkenntnissen eine
große Hilfe sein. Auch in Syrien hat er noch
viele Verwandte. „Es geht ihnen nicht gut“,
erzählt er. Doch sie hätten einfach nicht die
Möglichkeit, das Land zu verlassen.
Kuriosum am Rande: Als Jagars Eltern
erfuhren, dass er eine eigene Wohnung hat,
bestanden sie darauf, dass er jetzt auch bald
heirate. Doch dafür hat der 22-Jährige noch
keine Zeit. Es gebe momentan einfach
Wichtigeres in seinem Leben. Erst wolle er
seine Ausbildung fortsetzen. Jagar hofft,
hier bleiben zu können und vielleicht einen
Studienplatz in Heidelberg, Freiburg oder
Tübingen zu bekommen. „Ich habe viel
Schlechtes erlebt, aber hier bin ich jetzt
glücklich.“
Info
Arbeitskreis Asyl sucht Helfer
Helfende Hände sind beim Arbeitskreis Asyl immer gern gesehen. Derzeit suche man nach Personen, die bereit sind, beispielsweise beim Sortieren der zahlreichen Sachspenden oder bei
Umzügen zu helfen, so die Vorsitzende Renate
von Rotenhan. Auch bei den Sprachkursen, die
der AK Asyl in den Räumen der Vaihinger Realschule anbietet, werden die Freiwilligen eingesetzt. Zeitgleich mit den Kursen betreuen in den
Räumen des AK Vaihinger Bürger die Flüchtlingskinder. Renate von Rotenhan wünscht sich
zudem noch mehr Patenschaften für einzelne
Flüchtlinge oder Familien. Die Paten – oder Patenfamilien – sollen den Asylsuchenden Orientierung im Alltag vermitteln, sie wenn nötig bei
Behördengängen begleiten oder sie einfach an
Freizeitaktivitäten teilhaben lassen, um ihnen
die Eingewöhnung zu erleichtern. Wer sich einbringen möchte, kann sich bei Renate von Rotenhan unter 01 76 /42 57 31 72 melden. (mib)
Im Kasten
22- und 23-Jähriger bekommen Flüchtenden zu fassen
REMSECK (p). Ein 35-Jähriger sitzt nach einem Einbruch in Remseck am Neckar in
Haft. Zu verdanken ist das zwei aufmerksamen, 22 und 23 Jahre alten Brüdern, die am
frühen Donnerstagmorgen Zeugen eines
Einbruchs in eine Spielhalle in der Remstalstraße wurden. Die jungen Männer handelten augenblicklich.
Gegen 4.45 Uhr brachen vermutlich insgesamt drei Täter in das Casino ein, das im
Untergeschoss eines Gebäudes liegt. Sie hebelten mehrere Geldspielautomaten auf
und stahlen das enthaltene Bargeld in noch
unbekannter Höhe.
Da sie hierbei einen Einbruchsalarm auslösten, riefen sie die beiden Brüder, die sich
im Erdgeschoss beziehungsweise im ersten
Obergeschoss des betreffenden Gebäudes
aufhielten, auf den Plan. Diese eilten sofort
vor das Haus, wo ihnen die drei Männer begegneten, die aus Richtung der Spielhalle
kamen und versuchten zu Fuß zu flüchten,
berichtet das Polizeipräsidium Ludwigsburg. Während die Brüder einen 35-jährigen Tatverdächtigen zu fassen bekamen,
konnten sich die beiden anderen, bislang
unbekannten Täter aus dem Staub machen.
Der 35-Jährige wehrte sich so heftig gegen
die Festnahme durch die jungen Männer,
dass es zu einem Gerangel kam, bei dem er
am Kopf und der 23 Jahre alte Zeuge an der
Hand verletzt wurden.
Dennoch gelang es den Brüdern, den
Mann festzuhalten, die Polizei zu alarmieren und den Tatverdächtigen dann den Beamten zu übergeben. Sogleich durchgeführte Fahndungsmaßnahmen nach den beiden
vermeintlichen Komplizen, die mitsamt
dem Diebesgut flüchten konnten, blieben
erfolglos.
Die beiden Verletzten wurden zur Behandlung in Krankenhäuser eingeliefert.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurde der 35-Jährige, der keinen festen Wohnsitz hat, am Freitag dem zuständigen Haftrichter beim Amtsgericht Ludwigsburg vorgeführt. Dieser erließ einen
Haftbefehl wegen besonders schweren
Diebstahls gegen den Tatverdächtigen und
wies ihn in eine Justizvollzugsanstalt ein.
Ausritt im Herbst mit Begleitung in den Feldern von Enzweihingen.
Foto: Arning