Vertiefung im Internationalen Privatrecht Internationales Familienrecht § 3 – Ehewirkung Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Vorlesungsüberblick 1. Wiederholung Grundlagen des IPR 2. Eheschließung 3. Allgemeine Ehewirkung 4. Namensrecht 5. Ehescheidung 6. Eingetragene Lebenspartnerschaft 7. Faktische Lebensgemeinschaft 8. Kindschaft 9. Intersexualität 10.Unterhalt 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 2 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Organisatorisches Fragen von Ihnen? • „Werden wir die Regelungen ausländischen Rechts kennen lernen?“ 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 3 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Fall: Die Deutsche D und der Belgier B sind verheiratet. D arbeitet und lebt in den Niederlanden, B arbeitet und lebt in Luxemburg. Das Wochenende verbringen sie im gemeinsamen Haus in Aachen (Deutschland). Bei einem Ausflug nach Belgien schüttet B der D leicht fahrlässig eine Tasse kochenden Teewassers über den Arm, weswegen sie Verbrennungen mittelschweren Grades davonträgt. Kann D von B Schadensersatz verlangen? 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 4 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Vorüberlegungen 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 5 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung 1. Vorrangiges EU-Recht + Qualifikation 2. Anwendbarkeit der und Anknüpfung gem. Rom II-VO 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 6 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Gerhard Kegel 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 7 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Art. 14 Allgemeine Ehewirkungen (1) Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen 1. dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, sonst 2. dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hilfsweise 3. dem Recht des Staates, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind. [...] „Kegelsche Leiter“ 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 8 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Zusammenfassung : I. Anwendbarkeit der Rom II-VO (vgl. Art. 3 Nr. 1 EGBGB) 1. Außervertragliches Schuldverhältnis i.S.d.VO 2. Kein Ausschlussgrund Art. 1 Abs. 2 lit. a) [„Familienverhältnis“] II. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO: Ort der Schädigung (Belgien) III. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO (-) IV. Art. 4 Abs. 3 S. 1 iVm S. 2 1. Rechtsverhältnis Ehe 2. Anknüpfung Art. 14 I Nr. 3 (D) 3. Art. 4 Abs. 1 S. 1 a.E. EGBGB § 823 I i.V.m. §§ 1359, 277 BGB kein Anspruch 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 9 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Folgefrage: Ändert sich die Rechtslage, wenn D und B vor Gericht erklären, dass sie bei der Eheschließung in Deutschland abgesprochen hätten, alle Folgefragen der Eheschließung sollten belgischem Recht unterliegen? 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 10 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Artikel 14 EGBGB Allgemeine Ehewirkungen (1) Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen 1.dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, sonst [...]. (3) 1Ehegatten können das Recht des Staates wählen, dem ein Ehegatte angehört, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 nicht vorliegen und 1.[...] oder 2.die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat haben. 2[...]. (4) 1Die Rechtswahl muss notariell beurkundet werden. 2Wird sie nicht im Inland vorgenommen, so genügt es, wenn sie den Formerfordernissen für einen Ehevertrag nach dem gewählten Recht oder am Ort der Rechtswahl entspricht. 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 11 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Formvorschriften nicht eingehalten 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 12 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Artikel 14 Rom II Freie Rechtswahl (1) Die Parteien können das Recht wählen, dem das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegen soll: a) durch eine Vereinbarung nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses; oder b) wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, auch durch eine vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses frei ausgehandelte Vereinbarung. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben und lässt Rechte Dritter unberührt. (2) ... 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 13 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Vereinbarung nicht nach schadensbegründendem Ereignis (aber weiterhin Möglichkeit der Rechtswahl) 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 14 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Zusatzfrage: Wo könnte D den B verklagen? • Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO (EuGVVO 1215/2012): Allgemeiner Gerichtsstand Wohnsitz des Beklagten (Art. 62 Brüssel Ia) • Besonderer Gerichtsstand des Delikts: Art. 7 Abs. 2 schädigendes Ereignis Belgien 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 15 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Fragen? 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 16 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Fall 2: Die US-Amerikanerin F und der US-Amerikaner M (beide aus Kansas) sind verheiratet. Sie ziehen für Ms einjährigen Studienaufenthalt nach Deutschland, wo F Arbeit findet. Eines Tages erhält M Besuch von dem in Marokko ansässigen Händler H, der ihm die Vorzüge eines neuen Sofas mit Schlaffunktion anpreist. Schließlich einigen die beiden sich über den Erwerb eines solchen. Eine Woche später ruft H bei den Eheleuten an und fordert F auf, die vereinbarte Vorkasse zu zahlen. M ist vermögenslos. F erklärt, sie habe kein Interesse an dem Sofa, würde deswegen nicht zahlen und verlange auch keine Lieferung. Wie ist die Rechtslage? Anmerkung: Weder die Rechtsordnung von Marokko noch die von Kansas kennen eine mit § 1357 BGB vergleichbare Regelung. 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 17 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Vorüberlegung 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 18 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Zusammenfassung I. Anspruch H gegen M: Anspruch aus Vertrag Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO marokkanisches Recht, vertraglicher Anspruch (+) aber: Art. 6 Abs. 1 lit. a Verbrauchervertrag (+) gewöhnlicher Aufenthalt Kansas oder Deutschland (beides vertretbar) II. Anspruch H gegen F: Anspruch aus Vertrag Rom I-VO 1. Anwendungsbereich „vertragliche Verpflichtung“ + Schlüsselgewalt 2. Ausschlüsse Art. 1 Abs. 2 lit. b) und g) III. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Kansas Art. 4 I 1 domicile bleibt Kansas IV. Art. 16 Abs. 2 EGBGB Problem: „Rosinentheorie“ nur § 1357 ohne § 355 BGB? 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 19 Vertiefung IPR - § 3 – Ehewirkung Literatur zu Art. 14 EGBGB: • Kegel/Schurig, § 20 V, S. 831 ff. • Rauscher, § 8 II (Rn. 735 ff.) zur Auslegung der Rom-Verordnungen: • Lüttringhaus, Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht, RabelsZ 77 (2013), 31-68 27. April 2015 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 20
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