WEGE IN DIE DIGITAL VERNETZTE DEMOKRATIE Internet und Digitalisierung verändern unser Leben und unsere Gesellschaft. Auch Politik wandelt sich in einer vernetzten Welt. Ein Grundlagenteil untersucht, welche abstrakten Möglichkeiten, Herausforderungen und Risiken der digitale Wandel für Demokratie und Staat bietet (1). Anhand der einzelnen Staatsgewalten Legislative (2), Exekutive (3) und Judikative (4) werden dann praktische Wege in die digital vernetzte Demokratie entfaltet. Digitalisierung und Vernetzung schaffen nicht nur neue Möglichkeiten politischer Partizipation und Organisation, sondern begründen auch neue öffentliche Räume. Auch der Strukturwandel der Öffentlichkeit und der Medien wirken sich auf das Wesen der Demokratie und der 'öffentlichen Sache' (res publica) Staat aus (5). 1 GRUNDLAGEN Nach einer begrifflichen und theoretischen Klärung des Objektes der Betrachtung "Demokratie und Staat" sowie der möglichen Begriffsarchitektur einer Konzeption digital vernetzter Demokratie (1.1) werden allgemein die Auswirkungen der digitalen Vernetzung auf das Verhältnis Bürger/Staat aufgezeigt (1.2). Die neuen digitalen Formen prägen dabei auch spezifische Eigenarten politischer Kommunikation und Beteiligung (1.3). Der digitale Wandel insgesamt stellt neue Voraussetzungen und Probleme für eine Demokratie (1.4). Abschließend werden die (verfassungs-)rechlichen Grundlagen einer digital vernetzten Demokratie geklärt (1.5). 1.1 Begriffsklärung "Demokratie und Staat" Als begriffliche Grundlage für die Verständigung über eine Konzeption digital vernetzter Demokratie werden zunächst die wesentlichen Begriffselemente von Demokratie als Gesellschafts- (1.1.1) und Staatsform (1.1.2) skizziert. Erst die systematische Erfassung einzelner trennscharfer Kriterien und Konzepte ermöglicht eine Analyse des Wandels und der Herausforderungen der Demokratie in einer digitalen Welt und erlaubt eine Bewertung neuer digitaler Techniken politischer Partizipation auf ihren demokratischen Gehalt. Um für den weiteren Text eindeutige Definitionen zugrundezulegen, folgt dann eine analytische Klärung der spezifisch neuen Begriffe von Demokratie und Staat, die sich im Zusammenhang mit Digitalisierung und Internet entwickelt haben (1.1.3). 1.1.1 Begriffsfeld "Demokratie" Kommentar [m1]: Vorschläge: - Einführung eines Begriffslexikons - Einleitung als Skizze eines „roten Fadens“ Was sind wesentliche Elemente des Demokratiebegriffs? °1 GLEICHE POLITISCHE FREIHEIT. Demokratie (altgriechisch 'δημοκρατία' aus 'demos', Volk und 'kratia', Herrschaft) bedeutet gleiche politische Freiheit (Platon 370 v) eines jeden Teilnehmers an der kollektiven Entscheidungs- und Meinungsfindung (Kelsen 1929). Neben politischer Freiheit steht die politische Gleichheit als Anerkennung jedes einzelnen Teilnehmers in seinen Grundrechten und politischen Rechten. Die Gewährleistung der realen Chance gleicher 1 Kommentar [m2]: . Bei 1.1.1 sollte der griechische Ursprung des Begriffs “Demokratie” erläutert werden. politischer Freiheit fordert gewisse kulturelle (Böckenförde 1991) und ökonomische (Rawls 2001) Vorbedingungen der Gesellschaft. °2 VOLKSSOUVERÄNITÄT. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20(2) GG). Mit der Herrschaft des VolkesVolkssouveränität (Rousseau 1762) ist Demokratie nicht nur irgendeine änderbare Regierungsform, sondern eine kollektive politische Lebensform. In einer demokratischen Ordnung soll sich jeder Bürger nicht nur als Adressat staatlichen Handelns, sondern auch als Autor fühlen können (Habermas 1992). Volkssouveränität fordert zwar keine Identität von Regierenden und Regierten (Schmitt 1928) mehr, dafür aber umfassende Legitimation der Staatsgewalt (Böckenförde 2004)eines jeden Trägers der Staatsgewalt durch eine Legitimationskette zurück zum Volk (BVerfGE 47, 253, 275). Diese Legitimation wird personell durch Wahlen und Ernennung, sachlich durch Kompetenz und Kontrolle garantiert (Böckenförde 2004) (BVerfGE 47, 253, 275). Volkssouveränität als Verfahren öffentlicher politischer Willensbildung (Habermas 1988) bringt zusätzliche Legitimation durch Offenlegung politischer Gründe und öffentlicher Kritik. Volkssouveränität impliziert ein allgemeines politisches Recht auf Rechtfertigung (Forst 2007). °3 REPRÄSENTATION. Demokratische Repräsentation ist durch Wahlen autorisierte Beschränkung staatlicher Herrschaftsgewalt auf eine Gruppe von Individuen (Fraenkel 1964). Während Delegation eine direkte Rückbeziehung (Responsivität) auf Wählerinteressen meint (Burke 1790), basiert parlamentarische Repräsentation (Beyme 1999) auf dem freien Mandat [Art. 38(1)2 GG]. Repräsentation ermöglicht politische Arbeitsteilung, Spezialisierung und qualifizierte Argumentation und Entscheidungen (Mill 1861). Legitimiert wird demokratische Repräsentation einerseits durch allgemeine, gleiche, freie, unmittelbare und geheime Wahlen (Art. 38(1)1 GG). Andererseits wird aus direkter Responsivität allgemeine politische Verantwortung. Diese repräsentative Verantwortung erfordert eine demokratische Praxis des offenen Gebens und Nehmens von Gründen (Möllers 2008). Jeder Repräsentant ist dabei der ganzen Bevölkerung, nicht nur bestimmten Interessengruppen gegenüber verantwortlich. °4 PARTEIEN. Politische Parteien wirken als dauerhafte Vereinigungen von Bürgern bei der politischen Willensbildung des Volkes mit (Art. 21(1) GG). Sie bündeln politische Meinungen, indem sie Interessen selektieren, integrieren, aggregieren und artikulieren. Parteien gewährleisten eine inhaltliche Responsivität und ermöglichen eine substantielle Repräsentation (Pitkin 1967) grundlegender Werte und Lebenseinstellungen. Die innerparteiliche und innerfraktionelle Willensund Meinungsbildung sowie Kontrolle stellt trotz einer differenzierteren politischen Arbeitsteilung die Zusammenhänge zwischen Politikfeldern her und leistet eine Rückbindung an grundlegende Werte. °5 MEHRHEIT. In der Demokratie nutzt die jeweilige Mehrheit die Macht der Gemeinschaft, um Gesetze zu erlassen und zu vollziehen (Locke 1689). Das Mehrheitsprinzip ist in der politischen Praxis praktikabler als etwa das Konsensprinzip. Entscheidend als Element demokratischer Legitimation ist, dass eine klare Legitimation durch ein Verfahrensprinzip (Luhmann 1983) besteht. Um die Einschränkung der gleichen politischen Freiheit zu rechtfertigen, muss das Mehrheitsprinzips um Rechte von Opposition und Minderheiten ergänzt werden (BVerfGE 70, 324, 368). 2 °6 REVERSIBILITÄT. Eine Mehrheitskultur ist nur demokratisch, wenn auch im Konflikt eine Toleranz und politische Anerkennung der Anderen besteht (Forst 2003) und demokratische Entscheidungen prinzipiell reversibel sind (BVerfGE 5, 85, 198). Das meint nicht nur eine Herrschaft der Repräsentanten auf Zeit. Demokratie muss als offene Gesellschaftsform beständig durchlässig für Kritik bleiben (Popper 1945) und immer wieder selbst die Grenzen der Mehrheit hinterfragen (Derrida 2000), um den politischen Prozess offen zu halten. °7 PARTIZIPATION. Demokratische Partizipation ist direkte Teilhabe an Entscheidungen der Staatsgewalten oder ihrem Entstehungsprozess. Bei Volksentscheiden entscheidet das Volk durch "Abstimmung" (Art. 20(2) GG) über einen Gesetzesentwurf. Während das Grundgesetz für den Bund direkte Volksabstimmungen eng begrenzt, sehen Länder mehr Möglichkeiten auch für Kommunen vor (etwa Art. 72ff Bay. LV). Kommt die Vorlage aus dem Parlament, wird der Vorgang als Referendum, eine nicht bindende Konsultation als Volksbefragung bezeichnet. Volksinitiative oder Volksbegehren verpflichten die Legislative, sich mit bestimmten Gegenständen zu befassen oder über einen konkreten Gesetzesentwurf zu beschließen. Während das Grundgesetz für den Bund direkte Volksabstimmungen eng begrenzt, sehen Länder mehr Möglichkeiten auch für Kommunen vor (etwa Art. 72ff Bay. LV). Beteiligungen am politischen Prozess ohne Volksentscheid sind verfassungsrechtlich zulässig (Dreier 2006) und erlauben eine für die Bevölkerung offene reflexive Demokratie (Schmalz-Bruns 1995). °8 ÖFFENTLICHKEIT. Demokratie erfordert eine freie öffentliche politische Willens- und Meinungsbildung (BVerfGE 791,, 198, 208262, 267). Öffentlichkeit bedeutet Kommunikation in einer offenen Gruppe von Teilnehmern (Neidhardt 1994). Sie ist ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Meinungen (Habermas 1962). Politische Öffentlichkeit kann gesellschaftliche Probleme identifizieren, thematisieren, an Entscheidungsträger herantragen und sie kontrollieren. Voraussetzungen für eine demokratische Öffentlichkeit sind neben Kommunikationsgrundrechten (BVerfGE 7, 198, 234) öffentliche Räume, sowie eine Offenheit, Transparenz und Durchlässigkeit des politischen Systems. °9 DELIBERATION. Deliberation bezeichnet den Vorgang rationaler Abwägung und Beratung in politischen Prozessen vor, während und nach einer Entscheidung. Durch öffentlichen Vernunftgebrauch (Rawls 1993) erzeugen politische Akteure übergreifende Anerkennung ihrer Entscheidungen (Benhabib 1994). Begründung kann zusätzliche schafft Legitimation schaffen in Legislative (Gesetzesbegründungen), Exekutive (§39 VwVfG) oder Judikative (§267 StPO). Zusätzliche Legitimität entsteht, wenn Gründe nicht nur nachgereicht, sondern schon in Beratungen offen liegen. Politische Beratungen sind demokratisch, wenn sie argumentativ durch Austausch von Gründen, inklusiv und öffentlich stattfinden und frei von externen und internen Zwängen verlaufen, insbesondere die Teilnehmer die gleichen Chancen haben, gehört zu werden, Themen einzubringen, Beiträge zu leisten, Vorschläge zu machen und zu kritisieren (Habermas 1992). Demokratie wird daher auch als ist eine Herrschaft der Gründe bezeichnet. (Forst 2007). °10 VIELFALT. Ein besonderes Kennzeichen moderner Demokratien ist ihr Pluralismus (Dahl 1989). Das Gelingen von Demokratie hängt dann ganz entscheidend vom Umgang mit Differenzen ab 3 Kommentar [BK3]: Das Bundesverfassungsgericht beschreibt Demokratie im KPD-Urteil als den verfahrensrechtlich geregelten „Kampf um die politische Macht“, der um die Erringung der Mehrheit geführt wird. Es gehe dabei um den Willen der tatsächlichen Mehrheit des Volkes, der in sorgfältig geregelten Verfahren ermittelt werde und dem eine freie Diskussion vorausgehe. Dass die Mehrheit „immer wechseln kann“ wird dabei als konstitutiv für die demokratische Organisation von Staatsgewalt angesehen. Aufgenommen wird der Gedanke in der Lissabon-Entscheidung (BVerfGE 125, 267 Absatz Nr. 270). Dort geht es in der Folge genau um die entscheidende Frage, inwieweit Entscheidungen der Regierungen zu irreversiblen Änderungen der Ordnung (hier Übertragung von Staatsgewalt im Rahmen von Art. 23 GG) führen dürfen. Siehe sonst etwa auch die Kommentierungen zu Art. 20(1) GG in Dreier 2006 und v.Mangoldt/Klein 2010 (Brunkhorst 1994), insbesondere von der politischen Inklusion unterschiedlichster Lebensentwürfe (Young 2000). Eine Demokratie erfordert so ein Nur ein Mehrparteiensystem etwa genügt demokratischer Vielfalt (BVerfGE 44, 125, 145). Das Mehrparteienprinzip begünstigt damit demokratische Vielfalt. Diversität ist gerade mit Blick in die Zukunft eine Stärke der Demokratie (Rorty 1998), da sie durch Differenzen das politische System beständig zur Weiterentwicklung anregt (Luhmann 1997). Eine pluralistische Demokratie (Steffani 1980) lebt von der Vielfalt auf dem politischen Marktplatz der Ideen (Mill 1859). 1.1.2 Begriffsfeld "Staat" Was macht einen demokratischen Staatsbegriff aus? Kommentar [BK4]: Entscheidung liefert Nachweis für das "Mehrparteienprinzip" - Original-WL aus BverfGE 44, 125: "Zu den Prinzipien, die das Grundgesetz unter dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zusammenfaßt, gehören neben der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und der Verantwortlichkeit der Regierung auch das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien (vgl. BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [140])". °1 VERFASSUNG. Die klassische Staatstheorie und das Völkerrecht definieren einen Staat nach den drei Elementen Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt (Jellinek 1914). Staatsvolk sind alle Staatsangehörigen (BVerfGE 83, 37, 50). Entscheidend ist die politische Gemeinschaft (demos) und keine ethnische Abstammung (ethnos) (Lepsius 1986). Staatsgebiet ist der räumliche Geltungsbereich staatlicher Gewalt, Staatsgewalt das auf Legitimität gestützte Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen (Weber 1922). Die Bestimmung einer legitimen Staatsgewalt erfordert in einer Demokratie eine rechtliche Konstitution (Möllers 1999). Eine Verfassung konstituiert die politische Einheit der pluralen Gesellschaftsform Demokratie. In einer Demokratie ist Staat nicht von Gesellschaft zu trennen, sondern die verfasste Form der demokratischen Gesellschaft. °2 RECHTSSTAAT. Demokratie erfordert grundlegende Rechte der Teilnehmer zur Sicherung gleicher politischer Freiheit und eines geordneten Verfahrens. Nebeneinander bestehende Freiheiten brauchen Rechte (Kant 1797). Demokratie braucht darüber hinaus Prozeduren zur Deliberation und Entscheidung mit institutionalisierten Verfahrensrechten (Habermas 1992). So besteht zwischen Demokratie und Rechtsstaat eine notwendige Verknüpfung (Böckenförde 2004). Recht ist dabei das formale politische Medium, das nicht nur alle Gewalten bindet (Art. 20(3) GG), sondern sie auch verbindet (Di Fabio 2004). Daneben zeichnet den demokratischen Rechtsstaat die Garantie eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes der subjektiven Rechte der Einzelnen (Art. 19(4) GG) aus. °3 GEWALTENTEILUNG. Der demokratische Rechtsstaat unterteilt die Staatsgewalten in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (Art. 20(2) GG). Die klaren Grenzen klarer der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive, Judikative (Montesquieu 1758) werden verschwimmen im modernen Staat etwa durch supranationale Vorgaben, weites Ermessen, Beurteilungsspielräume und kooperatives Handeln der Verwaltung und zunehmendes Richterrecht in Frage gestellt. Dennoch behält eine funktionale Gewaltengliederung (Möllers 2005) Sinn durch unterschiedliche Anforderungen an die Legitimation staatlicher Handlungen (Habermas 1992). Neben der horizontalen spricht man auch von vertikaler Gewaltenteilung im föderalen, europäisch und international verflochtenen Staat (Di Fabio 2001). Anknüpfend an den symbolischen Vergleich öffentlicher Medien mit einer vierten Staatsgewalt in der Demokratie werden neuerdings nach dem Lobbyismus (Leif and Speth 2006) auch Weblogs (Seeber 2008) und soziale Medien als Teil der vierten Gewalt, wenn nicht sogar als neue "fünfte Gewalt" bezeichnet. 4 Kommentar [m5]: Weblogs und soziale Medien sind Teil der neuen demokratischen Vielfalt der Meinungsbildung im Bereich der 4. Gewalt. 1.1.3 Begriffsfeld "digital vernetzter Demokratie" Welche neuen Begriffe von Demokratie und Staat entstanden mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) von Internet und Digitalisierung? °1 E-DEMOKRATIE. Der Begriff "elektronische Demokratie" (E-Demokratie) beschreibt mögliche technische Instrumente des politischen Systems durch IKT. Elektronische Technologien werden instrumentell für die Politik eingesetzt (Browning 1996) für staatliche Serviceleistungen, gezielte Bürgerbeteiligung (Holznagel, Grünwald et al. 2001) oder als Gegenöffentlichkeit zu Massenmedien (Hagen 1997). In der deutschen Diskussion dominiert das Konzept des E-Government (Fühles-Ubach 2005). Der und der Begriff E-Demokratie wird dabei sogar oft dem unter EGovernment mitdiskutiert untergeordnet (Meier 2009), wodurch vor allem die Exekutive im Fokus der Debatte steht.. °2 DIGITALE DEMOKRATIE. Der Begriff "digitale Demokratie" umfasst nicht nur die technischen Elemente ist weiter , sondern und beschreibt allgemein den Wandel politischer Kommunikation und neue Formen politischer Interaktivität und Gemeinschaft unter dem Einfluss digitaler IKT. Das Internet wird nicht nur als Medium verstanden, sondern als sozialer, kultureller und politischer Kommunikations- und Handlungsraum (Grunwald, Banse et al. 2006). Die digitale Kommunikation zwischen RegierungStaat-Bürger, Bürger-RegierungStaat, Parlament-Bürger und Bürger-Bürger schafft neue politische Räume (Siedschlag, Rogg et al. 2002). Oft wird mit dem Begriff die demokratiestärkende Wirkung des Internets (Grossman 1995) und eine "Beteiligungsdemokratie" (Leggewie and Maar 1998) verknüpft. Der Unterbegriff "Cyberdemocracy" betont den Cyberspace als virtuellen demokratischen Marktplatz (Hughes and Hill 1998) und betont virtuelle Formen politischer Gemeinschaft (Rheingold 1993). Digitale Demokratie umfasst so digital vermittelte Politik und neue virtuelle politische Räume (Wilhelm 2000). °3 DIGITAL VERNETZTE DEMOKRATIE. Der Begriff "digital vernetzte Demokratie" beschreibt allgemein Demokratie zu einer Zeit und in einer Gesellschaft digitaler Kommunikation. Es geht nicht um den von manchen so bezeichneten „Mythos der Jahrtausendwende“ von einer ganz neuartigen digitalen Demokratie (Hindman 2008), sondern einfach um Politik in einer vernetzten Welt (Alexander and Pal 1998). Der technische Wandel hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Kommunikation, sondern bewirkt umfassende soziale, ökonomische und politische Veränderungen (Hague and Loader 1999). Eine digital vernetzte Demokratie nutzt die neuen Möglichkeiten politischer Partizipation und Responsivität, sowie neue (virtuelle) öffentliche Räume. Der Begriff "digital vernetzte Demokratie" umfasst so die Begriffe "digitale" und "elektronische" Demokratie, steht aber nicht in einem Alternativverhältnis zu ihnen. erledigt sie aber nicht. Mit "EDemokratie" lassen sich weiter sinnvoll die spezifischen Aspekte und Möglichkeiten der digitalen Kommunikationsformen bezeichnen. Demokratie bildet in einer digital vernetzten Demokratie den Grundbegriff. Unter E-Demokratie gliedert sich die mögliche Ausgestaltung anderer Staatsgewalten durch IKT als E-Government, E-Parlament und E-Justiz auf. Natürlich ist daneben der Blick auf die Gewalten auch aus der umfassenderen gesellschaftlichen Perspektive digitaler Vernetzung zu leisten. 5 Darstellung aus: http://e-demokratie.org °4 E-PARTIZIPATION. E-Partizipaton bezeichnet jede Form der Teilhabe am politischen Prozess mittels Internet. Einerseits sind Handlungen von Bürgern gemeint, die gezielt politische Sach- und Personalentscheidungen beeinflussen oder an solchen Entscheidungen mitwirken (Kamps 1999). Andererseits ist aber auch aktive Beteiligung an der politischen Deliberation im Vor- und Nachfeld eines Entscheidungsprozesses von diesem Begriff erfasst. Eine elektronische Beteiligung ist theoretisch in allen drei funktionalen Staatsgewalten, praktisch jedenfalls in Legislative und Exekutive denkbar. °5 E-GOVERNMENT. E-Government bezeichnet zunächst "elektronische Behördendienste" (EU-Kommission 2010). Durch IKT sollen Nachhaltigkeit und Bürgerfreundlichkeit gestärkt werden (Bundesregierung 2010). Diese Serviceleistungen einer "E-Administration" zielen auf effizientere Abwicklung interner wie externer administrativer Vorgänge und haben mit einer Belebung der Demokratie noch nichts direkt zu tun (Grunwald, Banse et al. 2006). Daneben werden elektronische Zusammenarbeit und Kommunikationsinfrastrukturen für Bürger, Unternehmen und Verwaltung gefördert (BMI 2010). E-Government bezweckt "innovativ, nachhaltig und intelligent handelnde Behörden" (EU-Kommission 2010), die interaktiv und partizipativ den Bürger einbeziehen (OECD 2009). E-Government wird so zu einer "direkten Regierung" (www.direct.gov.uk) und umfasst die aktive Einbindung von Bürgern und externen Sachverständigen. In der Perspektive digitaler Vernetzung bezieht E-Government noch Open Government ein. E-Government wird zu "Connected Governance", mit umfassender Informations-Infrastruktur, integrierten bürgerorientierten Dienstleistungen und Einbindung demokratischer Partizipation und Gemeinschaftsbildung über alle verschiedenen Ebenen und Bereiche der vollziehenden Gewalt hinweg (UN 2008). °6 OPEN GOVERNMENT. Unter Open Government (data.gov.uk) oder Government 2.0 (www.gov20.de) wird die Zugänglichmachung öffentlicher Informationen und Daten durch Regierung und Verwaltung verstanden. Der Grundgedanke von Open Government ist ein offenes und transparentes Regieren und folgt den Open Data Prinzipien. Die Verfügbarkeit öffentlicher Daten soll es der Bevölkerung erleichtern, die Arbeit der Regierung und ihre Politik nachzuvollziehen und sich auf der Grundlage detaillierter Informationen eine fundierte eigene politische Meinung zu bilden (data.gov.uk/about). 6 Kommentar [m6]: 1.1.3.5 Ziele / Zwecke von eGovernment sind verteilt und dazwischen kommen andere Gedanken. Das könnte man zusammenfassen. °7 OPEN DATA. Open data bezeichnet den offenen Zugang zu Daten der öffentlichen Verwaltung. Als Standard haben sich die 8 Prinzipien der Open Government Working Group (public.resource.org/open_government_meeting.html) etabliert. Daten sind danach offen, wenn sie der Öffentlichkeit (1) vollständig, (2) primär, (3) zeitnah, (4) zugänglich, (5) maschinenlesbar, (6) nicht diskriminierend, (7) nicht proprietär und (8) lizenzfrei zugänglich gemacht werden (wiki.opendata-network.org/Open_Government_Data_Principles). °8 E-PARLAMENT. E-Parlament (eParliament) bezeichnet den Gebrauch von IKT durch Organe parlamentarischer Repräsentation, ihren Mitgliedern, politischen und adminstrativen Mitarbeitern zur Ausübung ihrer Aufgaben und Einbeziehung von Bürgern (Europarat 2009). Der Begriff E-Parlament umfasst unter anderem E-Gesetzgebung, E-Petition, E-Wahlen und EKonsultationen. E-Gesetzgebung kann so als Gebrauch von IKT für Entwurf, Kommentierung, Beratungen, Ergänzungen und Abstimmungen über Gesetze verstanden werden (ibid). Unter dem Begriff offenes Parlament läßt sich der Open Data Gedanke dann auf den legislativen politischen Prozess parallel anwenden. Der Begriff E-Partizipation wird meist als Teilhabe der Bürger an legislativer Deliberation und Entscheidung verwendet. Wirklich etabliert ist bisher im Bereich der Legislative einzig der Begriff elektronische Wahlen "E-Voting" (Krimmer 2008) oder Internetwahlen "I-Voting" (Will 2002). Unter der Perspektive eines „digital vernetzten Parlaments“ können die neuen internen und externen Möglichkeiten der Information, Partizipation, offenen Deliberation und Entscheidung mit der politische Kultur der Gesellschaft verknüpft zu einer "integrativen Politik" (OECD 2009). °9 E-JUSTIZ. Der Begriff E-Justiz bezieht sich auf die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien auf sämtliche Verwaltungsverfahren des Justizsystems. E-Justiz soll die funktionale und finanzielle Effizienz des Justizsystems erhöhen, den Zugang der Bürger zum Recht erleichtern und supranational die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden verstärken (EU-Kommission 2008). E-Justiz umfasst die elektronische Kommunikation, den Datenaustausch der Justizbehörden und die Verbesserung des Zugangs zur Justiz (Europarat 2009). Im Vordergrund einer digital vernetzten und offenen Justiz stehen umfassende Information der Bürger über das Justizsystem (e-justice.europa.eu) und offener Zugang zu Gesetzen und Rechtsprechung. Bibliographie. Alexander, C. J. and L. A. Pal, Eds. (1998). Digital Democracy. Policy and Politics in the Wired World. Toronto. Benhabib, S. (1994). "Deliberative Rationality and Models of Democratic Legitimacy." Constellations 1: 26. Beyme, K. v. (1999). 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