BVT-Merkblatt Bestandsschutz_Stand_20150818

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BVT- Merkblatt „Kein Bestandsschutz bei Toren und Schranken - rechtliche Erläuterungen mit Beispielen“
1.
Vorbemerkung
Betreiber von älteren kraftbetätigten Toren und Schranken berufen sich oftmals auf Bestandsschutz für Bauten und Grundstücke, um Nachrüstungen an ihren Toranlagen zu
vermeiden, die – als Ergebnis einer vorausgegangenen Prüfung, Wartung oder Risikobeurteilung durch einen Sachkundigen/Sachverständigen - nach dem heutigen Stand der
Technik und wegen des Personenschutzes notwendig wären. Diese Anlagen funktionieren
meist nicht einwandfrei, und ihre Funktionen können nur mittels Reparatur und wesentlicher technischer Änderungen aufrechterhalten werden. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallversicherung vertritt die Auffassung, dass es einen Bestandsschutz für
Gebäude, Grundstücke und deren Bestandteile (z. B. Tore) unter Arbeitsschutzgesichtspunkten nicht gibt; auch höchstrichterliche Entscheidungen (z. B. BGH-Urteil v. 2.3.2010,
AZ.:VI ZR 223/09) sehen eine zeitnahe Nachrüstungspflicht vor.
2.
Rechtsvorschriften und technische Regeln für die sichere Nutzung von Toren
und Schranken in einschlägigen Anwendungsbereichen
2.1
Rechtsvorschriften/Normen, die sich an Hersteller/Inverkehrbringer wenden
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2.2.
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Tore und Schranken sind Bauprodukte, die im Sinne sicherer und gebrauchstauglicher Bauwerke bestimmten technischen Spezifikationen entsprechen müssen Art. 6 Bauproduktenverordnung (EU) Nr. 305/2011). Für Tore ist es die harmonisierte Produktnorm Tore DIN EN 13241-1, deren Einhaltung mittels Ersttypprüfung für alle Tortypen bei anerkannten Prüfstellen die Vermutungswirkung auslöst,
dass die mit dem CE-Zeichen gekennzeichneten Tore diese Richtlinie erfüllen.
Kraftbetätigte Tore sind auch Maschinen, die eine Reihe von Schutzanforderungen
nach Anhang I EG-Maschinenrichtlinie - 2006/42/EG erfüllen müssen. Sie sind so
herzustellen, dass sie ihrer Funktion gerecht werden und unter vorgesehenen Bedingungen - auch unter Berücksichtigung vorhersehbarer Fehlanwendungen - betrieben, eingerichtet und gewartet werden können, ohne dass Personen oder Sachgüter einer Gefährdung ausgesetzt sind. Da die Produktnorm Tore i.V.m. mit den
Spezialnormen DIN EN 12604 (mechanische Schutzaspekte), DIN EN 12453 (Nutzungssicherheit), DIN EN 12635 (Einbau, Betrieb und Dokumentation) sowie DIN
EN 12978 (Schutzeinrichtungen für Tore) unter der MRL gelistet ist, erfüllen Hersteller durch die Ersttypprüfung auch diese Richtlinie (Vermutungswirkung).
Die Produktnorm Tore ist Bestandteil der deutschen Bauregelliste (Teil B) und der
Technischen Baubestimmungen des DIBt und hat somit gesetzlichen Charakter.
Rechtsvorschriften und technische Regeln, die sich an Betreiber wenden
Während Hersteller/Inverkehrbringer verantwortlich sind für die Herstellung, den
Einbau und die Inbetriebnahme, tragen Betreiber von kraftbetätigten Toren die
Verantwortung für deren Betrieb einschließlich regelmäßiger Wartung, Prüfung und
Reparatur gemäß den ihnen übergebenen Betriebsanleitungen. Nicht umsonst
Bundesweite Vereinigung von Torherstellern und Zulieferern für die Torindustrie
im Fachverband Industrie verschiedener Eisen- und Stahlwaren e. V. (IVEST), Ratingen
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mahnt die MRL an, dass alle getroffenen Maßnahmen bei einer Maschine darauf
abzielen müssen, Risiken auch während ihrer Lebensdauer zu vermeiden und zu
beseitigen.
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3.
Gewerbliche oder öffentliche Torbetreiber unterliegen den Arbeitsschutz- und Betriebssicherheitsvorschriften und deren technischen Regeln (ArbSchG, ArbStättV, BetrSichV; Arbeitsstättenregeln ASR A 1.7 „Türen und Tore“ i. V. m.
Tornormen sowie ASR 2.3 „Fluchtwege - Notausgänge“). Durch regelmäßige
Prüfung (mindestens einmal jährlich) und Wartung, die durch den sachkundigen Betriebssicherheitsbeauftragten zu erfolgen haben oder bei einem Tor-Fachbetrieb in
Auftrag gegeben werden müssen, identifiziert der Torbetreiber frühzeitig etwaige
Mängel oder risikobehaftete Gefahrstellen, die er zeitnah entweder selbst behebt
oder durch den Fachbetrieb beheben lässt. Er ist nach § 3/3a ArbStätt-V verpflichtet, regelmäßig Risikobeurteilungen an kraftbetätigten Toren durchzuführen,
um zu gewährleisten, dass seine Arbeitsstätte sicher ist und im Sinne des Personenschutzes dem Stand der Technik entspricht.
Private Haus- und Garagenbesitzer unterliegen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach BGB. D. h., diese Personengruppe ist zu nahe liegenden und
von den allgemeinen Verkehrskreisen erwarteten Maßnahmen verpflichtet, die Gefahren für die Öffentlichkeit vermeiden oder minimieren helfen, welche von Grundstücken und deren Bebauung (z. B. mit Gebäuden mit kraftbetätigten Toren) ausgehen. Zu den Maßnahmen zählen Aktivitäten wie Wartung und Prüfung von Toren,
deren Instandsetzung bei Funktionsausfall und die stetige Einhaltung des Standes
der Technik durch geeignete Nachrüstung, sobald Risikopotenziale oder konkrete
Gefahren durch eine Toranlage bekannt werden.
Zu beachten sind auch die Landesbauordnungen aller Bundesländer, die im jeweiligen § 3 LBO bestimmen, dass durch den Betreiber „bauliche Anlagen … und
Einrichtungen so zu errichten, zu ändern oder instand zu halten sind, dass
die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit …
nicht gefährdet werden.“
Torspezifische Beispiele für Gefährdungssituationen, die den Bestandsschutz
aufheben
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Nachrüstung mit modernen Sicherheitsschaltleisten an Haupt- und Nebenschließkanten: Oftmals sind ältere Tore entweder gar nicht oder zumindest nicht mit
einfehlersicheren Schaltleisten ausgerüstet. Nach der Norm DIN EN 12453 i. V. m.
DIN EN 13241-1 müssen seit 06/2001 Tore, die in Selbsthaltung fahren, einfehlersicher sein - oder einen Fehler spätestens in einer der Endlagen des Torflügels
selbsttätig erkennen und eine weitere Torbewegung verhindern - (Kategorie 2 Performance Level “c“ nach EN ISO 13849-1). Ältere DW-Leisten ohne Testung sollten
stets ausgetauscht werden.
Nachrüstung mit modernen Einzugssicherungen zur Vermeidung von Quetschund Scherstellen am Sturz/Niedrigsturz von Toröffnungen, die meist von Rollgittern,
Rolltoren mit Lochblechen oder ähnlich gestalteten Toren abgeschlossen werden.
Hier sollte sich stets die Empfehlung an die Betreiber richten, bei älteren Toren die
nicht fehlersicheren (Reflektions-)Lichtschranken oder Seilzugschaltersysteme zu
ersetzen, die vor allem in den 70er, 80er und 90er Jahren als Schutzvorrichtung
eingebaut wurden. Moderne Schutzelemente sind z. B. stationäre, streuarme und
einfehlersichere Lichtschrankensysteme oder drucksensitive Schutzeinrichtungen
wie opto-elektronische Profilsysteme.
Nachrüstung privat oder gewerblich genutzter Tore mit modernen Lichtschrankensystemen: Oftmals findet man solche Tore im öffentlichen oder an der Grenze zwischen betrieblichem/öffentlichem Bereich zwar mit einer Kraftbegrenzung in Form
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4.
einer Schließkantensicherung ausgerüstet, aber ohne die in der Tornorm für Nutzungssicherheit vorgeschriebene D-Lösung (z. B. Lichtschranke). Dem Betreiber
sollte empfohlen werden, zwecks Erhöhung des Mindestschutzniveaus zumindest
eine Lichtschranke außerhalb des Torflügels installieren zu lassen. Die Lichtschranke kann, muss aber nicht einfehlersicher sein. Alternativ ist eine Nachrüstung
mit berührungslos wirkenden Schutzeinrichtungen (Lichtgitter, Laser-Scanner, Präsenzsensoren) möglich, die den Kontakt mit dem Tor vermeiden.
Nachrüstung älterer Torbehänge (z. B. von Sektionaltoren) mit einer Klemmschutzeinrichtung bis zu einer Höhe von 2,50 m, wenn dies technisch möglich
ist. Ansonsten wird der Einbau eines neuen Torbehangs empfohlen. Dieser Stand
der Technik gilt bereits seit 11/2000 (s. DIN EN 12604:2000).
Nachrüstung von älteren kraftbetätigten Roll- und Sektionaltoren mit technisch gleichen, aber modernen Antrieben, weil infolge hoher Frequenzzahlen die Getriebe
älterer Antriebe in der Regel verschlissen sind, wodurch die Bremskraft stark nachlässt und längere Nachlaufwege entstehen. Die heutige Antriebsgeneration ist
selbstlernend, erkennt die Start- und Endposition eines Tores, was wiederum verschleißmindernd wirkt, und detektiert Zusatzlasten, wodurch ein Anheben einer
Person (Kind oder Erwachsener) durch den Torflügel ausgeschlossen wird.
Nutzungsänderungen an und in Gebäuden oder Gebäudeöffnungen oder wesentliche Änderungen an einer Tor- und Schrankenanlage (z. B. Betriebsartänderung,
Verwendung von nicht baugleichen Torkomponenten wie Antriebe und Steuerungen
im Rahmen einer Modernisierungsmaßnahme oder einer Reparatur) heben den
Bestandsschutz per se auf!
Änderungen an Toranlagen (Instandsetzung)
Für die Instandsetzung von Toren sollten immer Originalbauteile des Herstellers
oder baugleiche Komponenten verwendet werden. Sind diese Bauteile nicht mehr
verfügbar, ist zu prüfen ob durch die Verwendung neuer Komponenten eine wesentliche Änderung der Anlage stattfindet. Eine notwendige Risikobeurteilung muss
klarstellen, ob sich für die Anlage durch die Veränderung neue Risiken ergeben. In
der Praxis besteht durchaus die Vermutung dass moderne Bauteile (z.B. Steuerungen, Antrieb, Sicherheitsbauteile) eine höhere Sicherheit gewährleisten. Dennoch
sollten technische Daten genau geprüft werden. Die Umrüstung sowie die Risikobeurteilung sind zu dokumentieren!
Wesentliche Änderungen an Toranlagen (Nachrüstung, Umrüstung)
Auch bei Nach- und Umrüstungen sind für Änderungen geprüfte Bauteile des Herstellers zu verwenden. Werden nicht vom Hersteller geprüfte Bauteile verwendet
und die Anlage wesentlich verändert, wird der Unternehmer zum Hersteller der
neuen Anlage. Als Hersteller im Sinne der Maschinenrichtlinie ist er verpflichtet die
gesamte Anlage einer Risikobeurteilung zu unterziehen. Auch sind weitere Aufgaben wie notwendige Prüfungen (z.B. Kraftmessung), Dokumentation und Kennzeichnung für das Inverkehrbringen der Anlage zu erbringen.
Fazit
Der Verantwortungsbereich des Herstellers/Inverkehrbringers einerseits und eines
Betreibers/Nutzers von kraft- und handbetätigten Tor- und Schrankenanlagen andererseits ist klar. Hierfür sorgt eine Reihe von Rechts- und Techniknormen und -regeln. Während des Lebenszyklus solcher Anlagen ist der Betreiber nach heutiger
liberaler Rechtslage verpflichtet, etwaige Gefährdungen regelmäßig selbst
festzustellen und zu bewerten. Danach muss er – ggf. zusammen mit dem Torhersteller oder einem anderen Fachbetrieb seiner Wahl - entscheiden, wie das festgestellte Risiko beseitigt oder zumindest minimiert werden kann. Einen Bestandsschutz von kraft- und handbetätigten Toranlagen nur auf Grund der Tatsache, dass
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zum Zeitpunkt ihrer Errichtung andere oder möglicherweise keine Rechtsvorschriften/Technikregeln galten, gibt es nicht.
Der für Tore zuständige Arbeitskreis der -Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), in dem sich Vertreter von Arbeitsschutzbehörden, Herstellern, Betreibern und Prüfstellen engagieren, spricht sich dafür aus, dass Nachrüstungen an älteren Anlagen immer dann zu fordern sind, wenn dies durch ein nicht akzeptables
Risiko ( s. obige Beispiele) gerechtfertigt ist.
(Stand: 20. August 2015)
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