Vom Regal in die Tüte

Z I E L G R U P P E FA M I L I E
Special
Vom
Regal in
die Tüte
Familien schätzen Anzeigenblätter,
um sich für ihre Einkaufsplanung
zu informieren. Gerade bei der
werblichen Kommunikation des
lokalen Handels spielen Zielgruppe
und Medium eine große Rolle
TEXT: D orothe e Rothfuß
Coupons, Prospekte, Anzeigen des lokalen Handels mit
Fast Moving Consumer Goods (FMCG) – Familien mögen es klassisch, wenn es um ihre Einkaufsplanung geht.
Das belegt die Studie „Lokale Welten“ des Bundesverbands
Deutscher Anzeigenblätter (BVDA): Beilagen gelten als
das bevorzugte Medium, um sich vor den wöchentlichen
Besorgungen einen Überblick über das Angebot in den
(Supermarkt-)Regalen zu verschaffen. „Anzeigenblätter
sind die wichtigste Informationsquelle über die lokale
Einkaufswelt“, betonte Renate Köcher, Geschäftsführerin
des vom BVDA beauftragten Instituts für Demoskopie
Allensbach, bei der Präsentation der Untersuchung.
„Mit den Anzeigenblättern kommen wir im lokalen
Umfeld unserer Handelskunden an alle erreichbaren Haushalte im Zielgebiet“, beschreibt
Bettina Krambo, Geschäftsführerin von Sommer
& Goßmann Media-Management, deren Stärke. „In
den vergangenen Jahren wurde es zunehmend möglich,
die Zielgebiete immer feiner zu selektieren, wodurch wir
in Verbindung mit unseren eigenen Daten die Zielgruppe
genauer aussteuern können“, ergänzt sie.
42 | W&V 24-2015 · SPECIAL ANZEIGENBLÄTTER
„Die Anzeigenblätter haben ihre Stärken,
auch bei der jungen Generation“
Axel Ahlbrecht,
Unit Director bei Crossmedia
Dabei können die Anzeigenblätter einen weiteren Vorteil
ausspielen. Zwar versuchen die Big Spender auch mit unaufgeforderten Werbesendungen in die Briefkästen und
damit direkt an die Verbraucher zu kommen: Allein Edeka steckte nach Nielsen 2014 rund 190 Millionen Euro in
dieses Instrument, Rewe 170 Millionen. Jedoch gehen
Edeka & Co zusätzlich über Anzeigenblätter, und das aus
gutem Grund: Verbraucher sehen die Gratiszeitungen
nicht primär als Werbung an, sondern als Information
über das Geschehen sozusagen unmittelbar vor der Haustür. Die Glaubwürdigkeit von Anzeigenblättern als Werbeträger speist sich also aus ihrer regionalen Bedeutung.
Davon können die Inserenten profitieren: Werbung wird
nicht als aufdringlich wahrgenommen, sondern in der
Regel ebenfalls als Information, etwa darüber, was der
Händler um die Ecke gerade im Angebot hat. Mitunter
sind Anzeigenblätter sogar ein Ersatz für die Tageszeitung,
für Menschen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – die Kaufzeitung nicht leisten wollen, aber dennoch
regional auf dem Laufenden bleiben möchten.
Markenartikler und Handel
sprechen die Kaufentscheider an
Einen weiteren Grund, weshalb Anzeigenblätter im Mediamix nach wie vor nicht fehlen dürfen, gerade wenn es
um Familien geht, benennt René Loosen, Director Client
Services bei UM-Universal McCann: „Hier liegen Umsatzpotenziale“, schon allein deshalb, weil Familien einfach
mehr einkaufen als beispielsweise Singles (siehe Interview
auf Seite 50).
„In der Regel werden bei den Werbekampagnen von
Handel und Markenartiklern eher die Eltern und Haushaltsentscheider angesprochen und nicht so sehr die Jugendlichen in den Familien“, präzisiert Krambo von Sommer & Goßmann. Das spiegelt sich in der Altersstruktur:
Der durchschnittliche Leser ist 53 Jahre alt (siehe dazu
auch Seite 40 in diesem Special zu neuen Konzepten von
Anzeigenblättern). Auch Haldun Tuncay, Geschäftsführer
der WVW/ORA-Anzeigenblätter aus der Funke-Mediengruppe, lässt keinen Zweifel an seinem Anspruch, alle in
den Haushalten anzusprechen: „Familien sind für uns
ganz klar Kernzielgruppe: Wir erreichen mit unseren An-
Bunte Blätter: Laut
AWA nutzen Familien
die Anzeigenblätter
überdurchschnittlich.
Deren Macher haben
den Anspruch,
generationenübergreifend alle HaushaltsMitglieder zu erreichen.
So werden Anzeigenblätter zu einem Mittler
zwischen Handel und
Kunden vor Ort
Foto: Kzenon - Fotolia.com
Anzeige
Wissen, wo man
gut shoppen kann!
73 % aller Personen mit großem Interesse an Einkaufstipps suchen
diese nicht bei der Wahrsagerin, sondern in ihrem Anzeigenblatt.*
Weitere Daten und Fakten zum Informations- und Konsumverhalten
der Menschen im lokalen Raum liefert die Studie „Lokale Welten“ des Instituts für Demoskopie Allensbach. Am besten jetzt gleich die Broschüre
vorbestellen unter [email protected].
*Basis: Bundesrepublik Deutschland; befragt wurden Personen, die sich zumindest selten über Einkaufstipps und Sonderangebote informieren.
René Loosen, Director Client Services bei der
Agentur UM-Universal McCann, Nürnberg, über
die Ausrichtung und künftige Bedeutung der
Handelswerbung
Herr loosen, erreichen die
anzeigenblätter mit ihrem
angebot überhaupt noch die
zielgruppe Familie?
Anzeigenblätter werden genutzt
und gelesen. Allerdings ist die
breite Durchdringung, etwa in
urbanen Regionen mit vielen
Single-Haushalten, kaum mehr
gegeben: Die Mediennutzung der
extrem breiten Zielgruppe segmentiert sich zunehmend und
wird digitaler. Auf diese Entwicklung sollten Verlage mit vernünftigen digitalen Angeboten und
Apps reagieren – und so ihre lokale Kompetenz ins Digitale verlängern. Und das am besten in
Kooperation mit mehreren Verlagen. Sonst werden sich Branchenfremde diesen Markt erschließen.
Warum ist die zielgruppe
Familie so wichtig? auch
Single-Haushalte konsumieren.
Klar, aber die Zielgruppe Familie
zu erreichen ist sinnvoller, weil
diese einfach mehr einkauft. Hier
liegen Umsatz-potenziale. Ältere
Familien-mitglieder lesen das gedruckte Anzeigenblatt und die
jüngeren lassen sich mit digitaler
Angebotswerbung erreichen, die
mittels Targeting lokal über das
PLZ-Gebiet ausgesteuert wird.
Geschickt umgesetzt ist der Mix
aus analoger und digitaler Angebotskommunikation wirtschaftlich, weil Druckkosten und Verteilung über Austräger dort entfallen, wo Streuverluste für Print
gegeben sind.
Wie schätzen Sie die künftige
bedeutung der Handels- und
Markenwerbung in anzeigenblättern ein?
Die regionale Angebotswerbung
ist eine sehr starke Säule der Handelskommunikation. Die Prospekte werden in den nächsten
Jahren wichtige Medien bleiben,
in denen Edeka, Rewe & Co ihre
klassischen Schnelldreher inserieren. Für die Werbungtreibenden bleibt das Ziel eine Angebotskommunikation: Es geht um reinen Abverkauf, also um den
Preis.
rené loosen
Der Experte
für Handel und
Geomarketing
arbeitet seit 2012
bei UM-Universal
McCann. Davor
war er Anzeigenverkaufsleiter bei
der NBRZ und bei
Aegis Media im
Bereich Planung
& strategischer
Einkauf regionaler Medien
44 | W&V 24-2015 · Special anzeigenblätter
zeigenblättern jede Woche drei Generationen, die alle ein
Interesse vereint – lokale Inhalte aus dem eigenen Lebensumfeld.“ Reichweite: über fünf Millionen Haushalte in der
Region.
Untersuchungen bestätigen dies. Laut AWA 2014
nutzen Familien die Blätter überdurchschnittlich für die
Einkaufsplanung – auch wenn die Lesegewohnheiten innerhalb der Familien generationenbedingt sehr unterschiedlich sind. Anzeigenblätter muss man nicht erst
mühsam im Web suchen, sondern findet sie wöchentlich
im Briefkasten. Diese Logik sei auf die beigelegten Prospekte übertragbar, die „direkt verfügbar sind“, sagt Axel
Ahlbrecht, Unit Director des Bereichs KIEZquadrat für
Regionalmarketing bei der Agentur Crossmedia. Ein „gelerntes“ Medium also und eine angestammte Plattform für
Marken. Denn Händler sind, was ihr Werbeverhalten
betrifft, eher konservativ und schätzen das Bewährte: Prospekte in Anzeigenblättern stehen bei den Marketingverantwortlichen im Handel immer noch ganz oben.
Gerade die Angebotsanzeige ist bei Werbern beliebt.
„Hier ist genug Fläche für die Warendarstellung vorhanden, hier kann der Händler sein Sortiment präsentieren“,
sagt Ahlbrecht. Beilagen und Prospekte sind eine zentrale
Säule, die zum Beispiel Möbelhäuser nutzen. Zwar verzeichneten die Anzeigenblätter 2014 bei einem NettoWerbeumsatz von 1,8 Milliarden Euro einen Rückgang
um 4,4 Prozent. „Doch das Beilagengeschäft ist mit einem
Anteil von 633,3 Millionen Euro stabil geblieben“, betont
BVDA-Geschäftsführer Jörg Eggers. Hinzu kommt: Radiospots und Out of Home können im Mediamix mit
Anzeigenblättern lokale Kommunikationsmaßnahmen
sinnvoll ergänzen.
Was den Auftritt und die äußere Anmutung angeht,
haben sich die Verlage in jüngster Vergangenheit einiges
einfallen lassen: „Die Anzeigenblätter haben in den letzten
Jahren viel getan und in die gedruckte Version investiert“,
beobachtet Nadja Vernimb, Geschäftsführerin bei JOM
Jäschke Operational Media in Hamburg. Und nicht nur
ins Gedruckte: Die Berliner Woche verfügt über 33 Lokalausgaben im Netz, die Brettener Woche aus der WMV
Werbung Marketing & Verlag lässt User die aktuelle Ausgabe online blättern und das Wochenblatt in Landshut
stellt für Apple und Android eine App mit „Nachrichten
aus Bayern und der Welt“ bereit.
Vernimbs Fazit: „Das Anzeigenblatt ist vor allem als
Angebots-Information für Preisangebote im FMCGBereich im Einsatz.“ Was eine gewisse Fluktuation unter
den Werbekunden nicht ausschließt. Vernimb: „Von Jahr
zu Jahr gibt es hier aber Ein- und Aussteiger.“ Gerade
Lebensmittel und Drogerien ziehen sich regelmäßig
zurück – und belegen dann doch wieder das vermeintlich
„alte“ Medium.
s p e c i a l s @ wu v.d e
Fotos: Unternehmen
„Unbestrittene lokale
Kompetenz“