Das neue Buch von Sahra Wagenknecht: „Reichtum ohne Gier

Dortmund – 13.04.2016
Das neue Buch von Sahra Wagenknecht: „Reichtum ohne
Gier - Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten“
–
eine Rezension von Carsten Klink, Mitglied im Rat der Stadt Dortmund
und Finanzkaufmann –
Das neue Buch von Dr. Sarah Wagenknecht ist ein Genuss. Nicht nur für die politischen
Anhänger der linken Politikerin. Mit ihrem dritten Wirtschaftsbuch „Reichtum ohne Gier - Wie
wir uns vor dem Kapitalismus retten" legt die streitbare Fraktionsvorsitzende im Bundestag
nicht weniger als den „Entwurf einer neuen Wirtschaftsordnung" vor.
Durch ihre Kapitalismus-Kritik wird man mit Hilfe einer recht lesefreundlichen Gliederung
geführt, die an eine Aneinanderreihung von interessanten Zeitungsartikeln erinnert. Fast jeder
davon schildert einen Skandal. Etwa, dass im iPhone nicht eine einzige Technologie steckt,
die nicht staatlich finanziert wurde. „Privates Wagniskapital steigt in der Regel erst ein, wenn
der Börsengang oder Weiterverkauf des Unternehmens (...) realistisch erscheint.“ Sehr
detailliert, aber nie pedantisch, sind auch die Darstellungen der historischen
Zusammenhänge.
Die Sozialistin demonstriert in ihrem neuen Buch einmal mehr, dass sie in Wirtschafts- und
Finanzfragen nicht nur satisfaktionsfähig ist, sondern auch so manchem MöchtegernWirtschaftsexperten, der die alte Leier von der angeblich so freien Marktwirtschaft und den
Segnungen der Deregulierung unreflektiert herunter betet, auch und insbesondere im
historischen Kontext intellektuell und argumentativ überlegen ist.
Die promovierte Volkswirtin Wagenknecht schlägt diese Apologeten des
Wirtschaftsfeudalismus, in dem wir gemäß Wagenknecht leben „und der mit freier oder
sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun hat und letztlich das leistungslose Einkommen einer
sehr kleinen Schicht von extremst Reichen garantiert“, mit ihren eigenen Waffen. Angesichts
der Kapitalismus-Kritik, die ja inzwischen bis weit ins bürgerliche Lager reicht, dort aber meist
in der Analyse steckenbleibt, ist es sicherlich nicht nur für Linke ein Vergnügen,
diskussionswürdige Alternativen zu lesen.
Diese Alternativen befassen sich mit einer andere Verfassung des Wirtschaftseigentums, der
Demokratisierung des Zugangs zum Kapital und die Entflechtung riesiger Konzerne, deren
Macht einen fairen Wettbewerb sowie echte Innovationen verhindert und die Demokratie
zerstört. Die Förderung von Talent und die Belohnung echter Leistung und Gründer mit guten
Ideen ungeachtet ihrer Herkunft wird von Wagenknecht eingefordert. Sie entlarvt damit die
zentralen Lebenslügen unseres heutigen Wirtschaftssystems. Diese derzeitige Marktmacht,
die sich selbst genügt, da ausreichend Gewinne abgeschöpft werden, die aber nicht wieder in
die Wirtschaft, sondern lediglich in die Finanzspekulation investiert werden, soll zerstört
werden.
Des Weiteren schildert Sahra Wagenknecht den schleichenden Abstieg der Mittelschicht.
Auch wenn sie anführt, dass es „die Arbeitsplätze mit gutem Einkommen, die den klassischen
Lebensstandard der Mittelschicht ermöglichen“ noch gibt, analysiert sie korrekt, dass diese
aber meist teuer erkauft seien mit extremen Leistungsdruck und ständiger Verfügbarkeit, mit
einem Leben für die Arbeit, in dem für Familie, Freunde und Freizeit kaum Platz bleibt,
auskömmliche Einkommen für Facharbeiter und Akademiker keine Selbstverständlichkeit
Fraktion DIE LINKE & PIRATEN, Friedensplatz 1, 44135 Dortmund, Tel.: (0231 ) 50-27241
-2mehr sind und ein abgeschlossenes Hochschulstudium nicht mehr vor Niedriglöhnen oder der
ständigen Lebensunsicherheit befristeter Jobs und prekärer Selbständigkeit schützt.
Wagenknechts Buch ist somit auch das Angebot an die von Abstiegsängsten geplagte
Mittelschicht, die wahren Profiteure unserer Wirtschaftsordnung zu erkennen und sich mit
diesen nicht mehr aus dem falschen Bewusstsein heraus zu identifizieren, etwas mit diesen
oberen zehn Prozent und ganz speziell mit dem obersten einen Prozent, auch nur annähernd
etwas Gemeinsames zu haben. Dazu dient sicherlich auch der Hinweis auf das zumeist
leistungslose Einkommen dieser 10 Prozent und deren Wirtschaftsaktivitäten, die dann auch
noch mit der von den Bankenrettungen ja hinlänglich bekannten begrenzten Haftung bei
Fehlern und dem unbegrenzten Anspruch auf den Gewinn verbunden sind. „Eigentum ohne
Haftung: Der Clou des Kapitalismus."
Angesichts der aktuellen Diskussion über umstrittene Freihandelsabkommen sowie die
weltweite Flüchtlingsbewegungen sind die Abschnitte des Buches, die sich mit der
historischen Entwicklung des Freihandels befassen, ebenso so interessant wie lehrreich. Ein
starker, interventionsfreudiger Staat mit hohen Steuern und Schulden setzte erst auf
Freihandel, als die eigenen Fabrikanten allen anderen überlegen waren. Sofort muss man an
die zahlreichen Staaten des Trikontes (Afrika, Asien, Südamerika) denken, denen man heute
versucht, das genaue Gegenteil aufzuzwingen und sich dann über die Flüchtlinge wundert,
die ihr Land verlassen, da dieser Kapitalismus ihre Wirtschaft ruiniert hat. Unterwerfung durch
Freihandel.
Letztlich ist das neue Buch von Sahra Wagenknecht gespickt mit interessanten neuen und
alten Ideen, die eigentlich einer eigenen Rezension würdig wären: Die Vollgeld-Theorie, die
persönliche Haftung, Eigentum nur noch durch eigene Arbeit, Gemeinwohlgesellschaft:
gemeinnützige Dienste, die Öffentliche Gesellschaft: Mitsprache der Allgemeinheit &
Mitarbeitergesellschaften mögen hier stellvertretende Schlagwörter sein, die Lust aufs Lesen
dieses sehr empfehlenswerten Buches machen sollen. Schließlich urteilte der schwarze Peter
Gauweiler (CSU) bereits in der Süddeutschen über Wagenknechts Neuerscheinung:
„Eindrucksvoll auch die furiose Abrechnung mit allen Übeln, die sich der globale
Managerkapitalismus, insbesondere die Finanzwirtschaft, geleistet hat und was er sich seit
Bill Clinton, Tony Blair und der Herrschaft der Rot-Grünen in Deutschland sogar gesetzlich
alles herausnehmen darf. Hedgefonds, Europäische Zentralbank, das EU-Gemeinschaftsgeld
und die ‚Euro-Rettung‘ inklusive. (…) Comrade Sahras Buch ist also selbst da besser, wo es
noch wirklich links ist.“
Sahra Wagenknecht:
Reichtum ohne Gier - Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten
Campus-Verlag
Frankfurt 2016,
292 Seiten, 19,95 Euro
E-Book: 16,99 Euro
Fraktion DIE LINKE & PIRATEN, Friedensplatz 1, 44135 Dortmund, Telefon 0231 / 50-27241