Geschichten über Hasen und Kaninchen

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Warum ist mein Kaninchen kein Hase?
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Viele Kaninchenhalter nennen ihre Tiere liebevoll „Hase“ oder „Hasi“. Auch Züchter verwenden
oft die Bezeichnung „Häsin“ für weibliche Kaninchen, und Stallkaninchen werden landläufig als
„Stallhasen“ bezeichnet.
In diesem Top Thema wollen wir die unterschiedliche Biologie von Hasen und Kaninchen
aufzeigen und einen weiteren Irrglauben - Kaninchen und Hasen seien Nagetiere richtigstellen.
Familie der Hasenartigen (Leporidae):
Kaninchen und Hasen gehören zur Familie der Hasenartigen (Leporidae) und nicht wie lange
Zeit angenommen zu der großen Familie der Nagetiere. Die Ähnlichkeit zwischen Hasentieren
und Nagetieren ist nur oberflächlich und auf gewisse Übereinstimmungen in der Lebensweise –
beispielsweise der Ernährung – zurückzuführen. So sind die Schneidezähne zu zeitlebens
wachsenden Nagezähnen geworden, und vor der Backenzahnreihe befindet sich eine große
Lücke. Dennoch sind die Unterschiede im Nagegebiss bedeutend: Hasenartige besitzen,
anders als Nagetiere, in jeder Oberkieferhälfte 2 (!) Schneidezähne, der Zweite steht stiftförmig
hinter dem Ersten; früher wurden sie deshalb als „Doppelzähner“ bezeichnet. Beim Kauen
bewegen sich die Kiefer in seitlicher Richtung, auch die Kaumuskulatur ist anders. Nach der
Zusammensetzung der Blutflüssigkeit stehen die Hasentiere einigen Huftieren näher als den
Nagetieren. Die Vorderfüße dienen bei den ihnen nie als Greifwerkzeuge wie bei den meisten
Nagern, werden dagegen bei Abwehr oder Angriff zum Schlagen benutzt. Im Verhalten fällt auf,
dass sich Hasen und Kaninchen wie Raubtiere strecken. Vor allem aber fehlen Bindeglieder
zwischen Hasentieren und Nagetieren in der Stammesgeschichte. Fossilfunde haben gezeigt,
dass sich Hasentiere und Nagetiere stammesgeschichtlich seit mind. 70 Millionen Jahren völlig
unabhängig voneinander entwickelt haben. Die Hasentiere sind also nur Beispiele für
gleichsinnige Anpassung (Konvergenzen), die im wesentlichen auf dem Nagegebiss beruhen.
Ein solches Nagegebiss entstand mehrfach unabhängig voneinander bei Säugetieren, so z.B.
auch bei Wombats (Beuteltier) oder beim Fingertier, einer Halbaffenart.
Typische Merkmale der Hasenartigen:
-
Kopf-Rumpf-Länge: 12-70 cm
Gewicht 100-7000 Gramm
Schwanz kurz, buschig behaart oder äußerlich nicht sichtbar
auf den Fußsohlen Haare
Nüstern von Fellfalte bedeckt, die rhythmisch zurückgezogen wird („Nasenblinzeln“)
26-28 Zähne
in jeder Oberkieferhälfte 2 Schneidezähne („Doppelzähner“)
Nagezähne allseitig mit Schmelz bedeckt
Backenzähne wurzellos mit tiefer Schmelzfalte
Gehör hoch entwickelt
Großer Blinddarm
Vorkommen überall außer der Antarktis, Madagaskar, Teilen Indonesiens und dem
südlichen Südamerika; vom Menschen auch nach Australien und Neuseeland eingeführt
Ehe wir die Gattung der Hasen und die der Kaninchen getrennt betrachten, soll noch eine
Eigenart aller Hasentiere besonders erwähnt werden. Dabei handelt es sich um die
sogenannten „Magenpillen“. Außer der normalen festen Losung erzeugen diese Tiere nämlich
eine zweite Kotform – weiche, schwach geformte Kügelchen, die sie nach Ablage sofort
aufnehmen und unzerkaut schlucken. Sie sammeln sich an einer bestimmten Stelle im
Eingangsbereich des Magens und werden nochmals verdaut. Auf solche Weise geht ein Teil
der Nahrung zweimal durch den Darm und wird dadurch besser aufgeschlossen. Diese
Doppelverdauung ähnelt in gewisser Weise dem Wiederkäuen der meisten Paarhufer. Der
weiche Kot (Caecotrophe) wird im Blinddarm (Caecum) gebildet und dort stark mit Vitamin B1
angereichert, so dass er gegenüber dem normalen Kot die vier- bis fünffache Menge an
Vitaminen enthält. Daher ist er für die Hasentiere lebenswichtig.
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Europäischer Feldhase:
-
Kopf-Rumpf-Länge 42-68 cm
Schwanzlänge 6-13 cm
Ohrlänge 8,5-13 cm
Gewicht 2,5-5,5 kg
Chromosomenpaare 24
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Unseren Europäischen Feldhasen erkennt man an seinem großen, schlanken Körperbau. Er
hat sehr lange Läufe und seine Ohren (Löffel) sind länger als der Kopf. Das Fell ist rötlich-braun
und der Bauch weiß. An den Ohren hat er an den Seiten und der Spitze schwarzes Fell.
Hasen sind Einzelgänger und kommen nur in der Paarungszeit („Rammelzeit“) zusammen. Ihr
Revier liegt in offenen Feldern und Weiden, dort benutzen sie regelmäßig die gleichen Wege,
die sie durch Verbiss kurz halten. Diese Wege bezeichnet man als „Hexenstege“. Hasen sind
vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Ihre Ruhelager beziehen Hasen oberirdisch in
flachen Erdmulden. Meistens besitzt ein Hase mehrere solcher „Sassen“. Der Fluchtabstand
des Hasen liegt bei etwa 3 Metern. Solange diese Entfernung durch den Feind nicht
unterschritten wird, „drückt“ sich der Hase, d. h. er liegt starr und bewegungslos an den Boden
gepresst. Kommt der Feind zu nahe, so sprintet der Hase mit Geschwindigkeiten von bis zu 70
km/h davon. Dabei zeigt der ausdauernde Läufer das typische „Hakenschlagen“.
Gewöhnlich bringt eine Häsin 3 - 4 mal im Jahr Junge zur Welt; beim ersten Mal 1 - 2, danach
meist 2 - 5. Die Tragezeit beträgt 42 Tage. Die Kleinen kommen behaart, sehend, mit Zähnchen
und relativ selbstständig zur Welt („Nestflüchter“). Sie werden nur 1 - 2 x täglich gesäugt.
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Die Volkstümlichkeit des Hasen zeigt sich allgegenwärtig in unserem Sprachgebrauch: „Da liegt
der Hase im Pfeffer“, „jmd. hinter die Löffel hauen“, „Angsthase“, „Hasenfuß“ usw. Zugleich war
er das Lieblingstier der germanischen Erd- und Frühlingsgöttin „Ostara“ und kommt daher nach
wie vor als Osterhase zu unseren Kindern - die Vermischung des heidnischen Frühlingsfestes
mit dem christlichen Fest hat er unbeschadet überstanden!
Übrigens: Der Feldhase ist Wildtier des Jahres 2015 in BRD. Mittlerweile steht der Feldhase auf
der Roten Liste der bedrohten Tierarten! Hasen stehen unter Artenschutz und dürfen nicht aus
der Natur entnommen oder als Haustier gehalten werden!
Das Europäische Wildkaninchen:
-
Kopf-Rumpf-Länge 35-45 cm
Schwanzlänge 6 cm
Ohrlänge 7-8 cm
Gewicht 1-2 kg
Chromosomenpaare 22
Das Wildkaninchen erkennt man an seinem rundlichen, gedrungenen Körperbau. Sie Beine und
Ohren sind wesentlich kürzer als beim Hasen. Das Fell ist graubraun, der Bauch grauweiß.
Natürlich gibt es unter den Rassekaninchen variable Größen und Farben.
Kaninchen leben gesellig (daher raten wir dringend von einer Einzeltierhaltung ab!) und
bewohnen selbstgegrabene Erdbaue. In der Dämmerung kommen sie zur Nahrungsaufnahme
heraus. In ruhiger Gangart „hoppelt“ ein Kaninchen, es ist aber ein guter Sprinter und erreicht
bis zu 38 km/h.
Ein Wildkaninchen kann im Jahr 4 - 6 mal zwischen 3- 4 Jung bekommen. Die Tragezeit beträgt
28 - 33 Tage. Die Kleinen kommen nackt, blind und taub zur Welt („Nesthocker“); sie werden 1 2 mal in der Nacht gesäugt. Einige Stunden nach der Geburt wird eine Kaninchenmutter
abermals gedeckt und ist trächtig.
Die heutige Verbreitung des Wildkaninchens auf der Erde ist sehr wesentlich durch den
Menschen beeinflusst worden. Vor der Eiszeit waren weite Teile Westeuropas vom
Wildkaninchen besiedelt, wie fossile Funde beweisen. Dennoch ist die Art dort während der
Eiszeit ausgestorben. Ihr natürliches nach-eiszeitliches Verbreitungsgebiet umfasste nur
Spanien und Nordwestafrika.
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Als die Phönizier etwa um 1100 vor Christus auf der Pyrenäenhalbinsel landeten, fanden sie
dort in großer Zahl eine Tierart, die bei flüchtiger Betrachtung an die in ihrer Heimat
vorkommenden Klippschliefer erinnerte. In Wirklichkeit handelte es sich um Kaninchen, die den
Phöniziern damals noch unbekannt waren. Da der Klippschliefer im Semitischen „Shaphan“
(„der Sichverbergende“) heißt, nannten die Phönizier das neu entdeckte Land „ishephan-im“,
daraus entstand dann der latinisierte Name „Hispania“. Eigentlich bedeutet „Spanien“ also „Insel
der Klippschliefer“, obwohl es dort nie Klippschliefer gegeben hat.
Schon bald nach ihrer Entdeckung begann die künstliche Ausbreitung der Kaninchen durch den
Menschen. Erste Stationen waren die Mittelmeerinseln und Italien. Die Römer lernten in
Spanien das Kaninchen kennen und sein Fleisch als willkommene Bereicherung ihres
Speisezettels schätzen. Das führte dazu, dass man das Wildkaninchen auf einigen
Mittelmeerinseln künstlich ansiedelte. So sollen um die Zeitwende 1 Kaninchenpaar auf den
Balearen ausgesetzt worden sein und bald eine so zahlreiche Nachkommenschaft
hervorgebracht haben, dass die Bewohner der Insel den römischen Kaiser um Hilfe gegen
diese Landplage ersuchten. Falls auch er keine Abhilfe schaffen könne, so baten die
verzweifelten Bauern, möge er seinen Untertanen ein anderes Land als Wohnstätte anweisen.
Embryonen und neugeborene Junge des Wildkaninchens galten zur Römerzeit auf den
Balearen als Leckerbissen. Man hatte dafür einen besonderen Namen: Laurices. Diese
Laurices waren noch im Mittelalter in Klöstern als Fastenspeise erlaubt und beliebt. Die Römer
hielten Kaninchen zur Fleischgewinnung und richteten für sie sogenannte Leporarien ein –
besondere Gehege.
Später führten portugiesische Entdecker auf ihren Schiffen Kaninchen mit und setzten sie
beispielsweise auf Madeira, den Azoren und den Kanarischen Inseln aus.
Nach England und Irland gelangte das Wildkaninchen im 12. Jahrhundert durch die
Normannen. An den mittelalterlichen Fürstenhöfen wurde die Hege der Kaninchen mehr um des
Jagdvergnügens willen betrieben. Als „Kaninchengärten“ dienten häufig kleine Inseln. Im
mittelalterlichen England war das Kaninchen ein beliebtes Jagdtier und eine ebenso geschätzte
wie teure Festspeise. So kostete im Jahre 1309 ein Kaninchen in Canterbury soviel wie ein
Ferkel. Nach Deutschland kam das Wildkaninchen später als das zahme Gehegekaninchen.
Die ersten Wildtiere stammten vermutlich aus England und wurden im 13. Jahrhundert in
bewährter Weise auf der Nordseeinsel Amrum ausgesetzt. Zahme Kaninchen wurden bereits
1149 aus Frankreich in deutsche Klöster verbracht.
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787 und 1791 wurden die ersten Ansiedlungsversuche in Australien unternommen; aber die
spätere stürmische Ausbreitung im fünften Kontinent ging von 24 Tieren aus, die ein Mann
namens Autin 1859 aus Großbritannien in den Barwonpark (Staat Victoria) übersiedelte. Die
schon 1838 in Neusüdwales vorgenommen erste Aussetzung von Kaninchen auf Neuseeland
blieb zunächst erfolglos; ab 1864 kam es aber auch hier zu einer schnellen Vermehrung und
Ausbreitung.
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Zu Jagdzwecken führte man trotz schlechten Erfahrungen in Australien und Neuseeland das
Wildkaninchen gegen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach Chile ein; auch dort ist es
inzwischen zur Plage geworden.
Unsere heutigen Hauskaninchen - vom kleinen „Hermelinkaninchen“ bis zum „Deutschen
Riesen“ - stammen alle nicht vom Hasen, sondern vom Wildkaninchen ab; auch wenn der
„Deutsche Riese“ in seinem Körperbau dem Hasen sehr ähnlich ist. Eine Verpaarung von
Hasen und Kaninchen ist zudem nicht möglich!
Wir hoffen, Ihnen eine unterhaltsame Info zum Thema „Langohren“ gegeben zu haben.
Vielleicht können Sie bei zukünftigen Freundestreffen diese Infos zum Besten geben - übrigens
auch bei Walt Disneys „Bambi“ handelt es sich vom Aussehen her bei Freund Klopfer um ein
Kaninchen und keinesfalls um einen Hasen - aber dort ist ja auch der Papa ein Hirsch und die
Mama ein Reh ☺ - aber das wäre Stoff für ein neues Top-Thema ☺...
- und falls Sie Ihren Liebling weiterhin „Hasi“ nennen möchten: Nur zu! ☺ Wir haben nichts
dagegen - solange Sie wissen, dass es sich um ein Kaninchen handelt und mit Artgenossen
zusammen gehalten werden muss!
Das Team der Tierarztpraxis Huppert
Dieses Top-Thema schrieb für Sie unsere zukünftige Auszubildende Vanessa Mertens und Frau Dr. Kristin Huppert
Quelle:
Dr. Dr. H. C. Bernhard Grzimek, © Copyright 1972 by Kindler Verlag AG, Zürich
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64916532 - Europäischer Feldhase, Brown hare, Lepus capensis© Wolfgang Kruck-Fotolia.com
64917002 - Europäischer Feldhase, Brown hare, Lepus capensis© Wolfgang Kruck-Fotolia.com
41597801 - Europäisches Wildkaninchen, Rabbit, Oryctolagus cuniculus© Wolfgang Kruck-Fotolia.com