tickets 030 20 60 92 630

Ausgabe 4 – Spielzeit 2015/2016
STAATSBALLETT BERLIN
Intendant Nacho Duato
TA N Z N O T I Z E N
STAATSAFFÄREN
Neu im Ensemble
(v. l. n. r.): Arman,
Lucio, Dominic,
Alexander, Julia, Elvis,
Aeri (hinten), Luciana,
Aurora, Lee, Pauline
(vorn).
Willkommen:
Stars zu Gast
bei Freunden
Rückkehr
zweier Stars:
Polina Semionova
(links) und
Shoko Nakamura
(rechts).
Die neue
Mode:
T-Shirt
statt
Trikot
Polina Semionova und Shoko
Nakamura sind in Berlin wahrlich keine Unbekannten. Beide
tanzten jahrelang als Erste Solotänzerinnen beim Staatsballett
Berlin diverse Titelrollen. 2012
machte sich Polina Semionova
auf, um als Principal Dancer
beim American Ballet Theatre
zu tanzen. Shoko Nakamura
hingegen wechselte zunächst
2013 als Principal Dancer ans Ungarische Nationalballett und lebt und tanzt heute in Tokio.
Zur Spielzeit 2015/2016 kehren beide erneut
als Gäste an ihre frühere Schaffensstätte zurück.
Polina Semionova tanzt 14-mal, zum Beispiel in
„Dorn­röschen“, „Romeo und Julia“ und erstmals in
„White Darkness“. Shoko Nakamura wird im Januar
2016 in „Onegin“ und „Schwanensee“ sowie im
Mai 2016 in der Premiere von „Jewels“ tanzen.
Die Poster schmückten bereits
in der letzten Spielzeit Fassaden
und Litfasssäulen in ganz Berlin.
Jetzt hat der Slogan „Ich bin
das Staatsballett Berlin“ ein
neues Medium gefunden – mit der
ersten eigenen, kleinen Merchandise-Kollektion. Die Frauen- und Männer-T-Shirts mit
dem Schriftzug „Ich bin das Staatsballett Berlin“ sind
in vier Motiven und drei Farben von Größe S bis XXL
erhältlich und kosten 15 Euro. Gekauft werden kann
die neue Tanzmode, die auch als Streetwear schick ist,
direkt in der Staatsoper im Schiller Theater (anlässlich
der Vorstellungen) oder aber online unter
www.staatsballett-berlin.de/shop.
Vladislav Marinov in
der Nacho-Duato-Choreographie „Castrati“, die
Teil des Abends
„Duato | Kylián | Naharin“
ist (Premiere am
22. Oktober 2015).
Ob zur Trainingshose oder zum
Tutu: Die neuen
StaatsballettT-Shirts passen
zu allem (auch zu
Jeans).
Für unzählige
Märchenabende: „Der
Nussknacker“
Die schönsten Inszenierungen kann man sich immer
wieder anschauen – zum
Beispiel „Der Nussknacker“, eine der beliebtesten
Staatsballett-Produktionen
überhaupt. Und dafür muss
man in Zukunft nicht einmal mehr das Haus verlassen.
Denn die Produktion des Staatsballetts gibt es bald auch
als DVD und Blu-Ray. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für alle Tschaikowsky- und Tanzfans sowie
diejenigen, die nicht so oft in die Hauptstadt kommen.
Aber am schönsten ist es doch immer noch live: beim
Staatsballett ab dem 26. November 2015.
Zuwachs:
Neue
Gesichter
in Berlin
Das Staatsballett freut sich in
der Spielzeit 2015/2016 auf
neue großartige Tänzerinnen
und Tänzer: Arman Grigoryan
aus Armenien als Solotänzer und
der Brite Dominic Whitbrook als
Demi-Solotänzer sowie – als Mitglieder des Corps de
ballet – Aeri Kim und Seung Hyon Lee aus Südkorea,
Luciana Voltolini aus Brasilien, Alexander Akulov aus
Russland und Paul Busch aus Rumänien. Sie ergänzen
die bereits während der vergangenen Saison neu engagierten Tänzerinnen und Tänzer Elvis Abazi, Aurora
Dickie, Julia Golitsina, Lucio Vidal und Pauline Voisard
(alle Corps de ballet).
Voller Erfolg: Die
Kleinen auf großer
Bühne, hier vor dem
Schloss Bellevue.
Volles
Programm 
zum halben
Preis
Seit der neuen Spielzeit gelten
in jedem Berliner Opernhaus endlich
die gleichen Ermäßigungsregeln für
Vorstellungen des Staatsballetts. Nach diesen erhalten
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler,
Studierende und Auszubildende unter 30 Jahren 50 %
Ermäßigung auf Aufführungen des Staatsballetts.
Ebenso gilt dies für FSJ-, BFD- und FWD-Leistende
sowie Empfänger von Arbeitslosengeld I und II.
Dafür müssen sie einfach ab vier Wochen vor der gewünschten Vorstellung beim Ticketkauf einen gültigen
Berechtigungsausweis und Personalausweis vorlegen.
Besucher unter 18 Jahren erhalten die Ermäßigung
sogar ohne zeitliche Beschränkung.
Tanznachwuchs
beim Staatsoberhaupt
Den Auftritt auf großer Bühne sind
die Kinder des Education-Programms „Tanz ist KLASSE!“ des
Staatsballetts mittlerweile gewohnt.
Vor dem wichtigsten Mann Deutschlands aufzutreten
ist hingegen ein absoluter Spezialeinsatz. Trotzdem
haben die kleinen Tanzenden diese Herausforderung
beim Sommerfest von Joachim Gauck im Garten von
Schloss Bellevue am 11. September 2015 ganz großartig gemeistert. Sie zeigten ihren „Klassiker“, Giorgio
Madias „Karneval der Tiere“, und eine neue „Dornröschen“-Choreographie von David Simic, der selbst
seit elf Jahren im Corps de ballet des Staatsballetts
tanzt. Besonders klasse: Auch die Bundes­
kanzlerin Angela Merkel schaute zu.
Fotos: Fernando Marcos (großes Bild); Gero Breloer (Bellevue); Enrico Nawrath (Nakamura und Semionova); Staatsballett Berlin (Gruppenfoto, T-Shirts)
IM GESPRÄCH
BEWEGTE MÄNNER
Spallitta: Wenn man weiß, was man
Im Stück „Castrati“
stehen nur Männer
auf der Bühne. Ein
Gespräch mit sechs
von ihnen über die
Relevanz des Werks
und Rollenklischees
im Ballett
gar nicht richtig, was Ballett ist. Die
dachten, ich mache Volkstanz.
Pouzou: Es kommt schon sehr
darauf an, woher man kommt. In
Russland ist es eine Ehre, als Mann
Ballett zu tanzen. Oder, Alexander?
Akulov: Ja, besonders als ich klein
war, habe ich das oft gehört. Dann
bin ich in die USA gezogen, und
für die Amerikaner war das Tanzen
nicht mehr als ein Hobby. Sie hatten keine Ahnung, wie viel Arbeit
dahintersteckt, wie viele Opfer man
bringen muss als professioneller
Balletttänzer. Aber es stimmt schon:
Denkt man ans Ballett, denkt man
erst mal an die Ballerina. Die Männer waren lange die Schatten im
Hintergrund. Und wer will schon
ein Schatten sein? Deshalb ist das
Stück „Castrati“ für uns so wichtig,
weil wir als Tänzer endlich mal vorn
stehen – ohne Ballerina.
Pouzou: Es geht nur um uns.
Pouzou: Ja, vor allem seit dem Kinofilm „Billy Elliot“.
Spallitta: Und seit „Black Swan“. Bei
Ballett denkt man heutzutage nicht
mehr nur an Tutus und Ballerinas.
Akulov: Ich beobachte das Gegenteil.
Die Leute akzeptieren zwar, dass
du tanzt, aber sie halten es nicht
für einen besonders „männlichen“
Job. Die meisten Menschen denken,
wir seien allesamt schwul. Auf mich
trifft das nicht zu – trotzdem liebe
ich das Ballett, das Tanzen.
Spallitta: Dabei hat die Sexualität
überhaupt nichts mit dem Tanzen zu
tun. Ich bin schwul, aber nachdem
mich meine Freunde haben tanzen
sehen, haben sie gesagt: Wow, du
sahst so hetero aus auf der Bühne!
(Alle lachen)
Busch: Männlichkeit ist so komplex.
Wieso sollte man als Mann auf seine
weichen Seiten verzichten?
Pouzou: Tänzer wie Jorge Donn oder
Choreographen wie Maurice Béjart
haben schon vor vielen Jahren bewiesen, wie männlich und kraftvoll
Ballett sein kann.
dass Männlichkeit nicht nur etwas
mit Macht oder Kraft zu tun hat,
sondern auch mit Verletzlichkeit.
Männlichkeit und Ballett – für viele im-
Macht es einen Unterschied, ob man
mit Männern oder mit Frauen tanzt?
Kastraten aus dem klassischen Ballett, aus
„La Péri“. Darin habe ich schon mal den Hüter des Harems getanzt, einen Eunuchen, der
kastriert worden war, damit er sich um die
Frauen kümmern konnte, ohne auf dumme
Gedanken zu kommen.
Federico Spallitta: Es ist ein historischer Stoff,
aber er hat viel mit der Welt zu tun, in der
wir heute leben.
Inwiefern ist das Thema heute aktuell?
Mehmet Yümak: Das Stück ist sehr dramatisch, weil die Kastraten sich weder als Männer noch als Frauen fühlen. Ihr Leid ist groß.
Ghalumyan: Und so etwas passiert jeden Tag:
Jungs, die zu Mädchen werden – das ganze Thema Transgender. Das ist doch heute
brandaktuell.
Kévin Pouzou: Außerdem konnten Kastraten
früher ihr Schicksal nicht verstecken. Ähnlich
wie heute, wo es durch die Sozialen Medien
kaum noch Privatsphäre gibt. Man ist den
anderen ausgeliefert. Und darum geht es
auch in „Castrati“: wie es sich anfühlt, die
Kontrolle über sein Leben zu verlieren.
Es gibt keine Ballerina in dem Ballett.
Ghalumyan: Es herrscht eine ganz besondere
Energie, wenn acht Männer gemeinsam auf
der Bühne stehen. „Castrati“ ist ein sehr
maskulines Stück. Es ist voller Kraft. Als
würde man einen Actionfilm schauen – man
fühlt sich danach stärker als vorher.
Pouzou: Aber es hat auch zarte Seiten.
Pouzou: Auf jeden Fall. Wenn wir
mit Frauen tanzen, ist es klar, dass
wir sie stützen. Wir halten sie, heben sie, fangen sie auf. Aber wenn
wir mit Männern tanzen, so wie in
„Castrati“, steht man einem gleich
starken Partner gegenüber.
Paul Busch: Wenn man mit Frauen
tanzt, spielt man als Mann oft die
gleiche Rolle, die des Prinzen, die
des starken Mannes. Mit Männern
auf der Bühne zu stehen zwingt
einen dazu, die eigene Männlichkeit
auf der Bühne neu zu definieren.
Spallitta: Der Unterschied liegt auch
in der Kräfteverteilung. Mit Männern
kann man als Mann viel ruppiger
umgehen als mit Frauen – und keiner nimmt es einem übel.
Pouzou: Gleichzeitig darf man auch
mal schwach sein. Was mit Frauen nie geht; sie können dich nicht
auffangen. Die anderen Männer in
„Castrati“ schon. In diesem Stück
müssen wir lernen loszulassen.
Das ist schön.
Busch: Und herausfordernd.
Alexander Akulov: Wir müssen lernen
zu vertrauen. Das ist ungewohnt.
Wurden Sie für Ihre Ballettleidenschaft
schon mal gehänselt?
Foto: Kim Keibel
und Federico Spallitta (v. l. n. r.)
Ballett zu tanzen?
Spallitta: Darum geht es. Zu zeigen,
Männer tanzen werden?
Foto: Kim Keibel
Kévin Pouzou, Paul Busch, Alexander Akulov
Ist es heute akzeptierter, als Mann
Yümak: In der Türkei wussten viele
haben, dass Sie in einem Stück über kastrierte
Arshak Ghalumyan: Ich kenne die Figur des
Mehmet Yümak, Arshak Ghalumyan,
die Reaktionen auf Ihre Berufswahl?
Spallitta: Es ist wie in einer Beziehung. Man muss sich aufeinander
verlassen können.
Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfahren
An der Bar vom „Restaurant Deutsche Oper“:
mer noch ein Widerspruch. Wie waren
will, dann schluckt man die Hänseleien herunter. Das Ballett ist
meine Leidenschaft, ich wusste immer, dass ich Balletttänzer werden
will – und das in Italien, dem Land
des Fußballs! Und ich habe es geschafft, worauf ich sehr stolz bin.
Yümak: Na klar, in der Schule.
Pouzou: Das passiert jedem. Kinder
sind überall auf der Welt gemein.
Trotzdem bleibt das Bild vom Mann in
Strumpfhosen. Haben Sie sich darin
eigentlich jemals unwohl gefühlt?
Spallitta: Nie. Auf der Bühne ist man
ausgeliefert. Ob man eine Strumpfhose trägt oder nichts, das Publikum sieht sowieso jeden Muskel.
Akulov: Heute, nach so vielen Jahren, sind wir daran gewöhnt.
Pouzou: Na ja, man müsste mir
schon ein sehr schlüssiges Konzept
präsentieren, bevor ich völlig nackt
tanzen würde …
Busch: Stimmt, man könnte sich
sehr sehr weh tun!
(Alle lachen)
Form und Vollendung: Die Künstlerin Sabrina Jung verwandelte ein
Foto von Fernando Marcos aus der
Choreographie „Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere“ in eine
kraftvolle Tusche-Collage. Dazu hat
sie den im Sprung von Polina Semionova hochfliegenden Kostümrock
in unzähligen filigranen Verästelungen fortgeführt. So haben Sie
Ballett bestimmt noch nie gesehen.
Ein Back­stage-Moment mit Soraya
Bruno und Konstantin Lorenz vor
ihrem „Dornröschen“-Auftritt. Links:
Sarah Mestrovic und Marina Kanno
auf der Bühne des Teatro Real.
Für Tänzer und Team
bedeuten Gastauftritte
wie am ruhmreichen
Teatro Real Abwechslung –
und viele Herausforderungen
Mitte links: Nacho Duato
während der Probe mit
Arshak Ghalumyan
und unten links beim
Schlussapplaus. Unten
rechts: Abflug nach
Madrid.
Fotos (von links oben im Uhrzeigersinn): Sarah Mestrovic; Alice Williamson (Backstage); Giuliana
Bottino (im Flugzeug und Schlussapplaus); Cristina Moreno de Acevedo (Probenbild)
IN MADRID
VOR ORT
MATHIAS HOFMANN
ist als Technischer Leiter für den Transport und Aufbau
von Bühnenbild und Kostüm verantwortlich.
„So ein Bühnenbild ist kein Handgepäck. Ein Gastspiel
ist deshalb auch jedes Mal mit einer Menge Logistik
verbunden: Insgesamt sieben
Transporter mit je achtzig Kubikmetern transportierten die
Bühnenbilder, alle Kostüme für
‚Dornröschen‘ sowie die drei
modernen Produktionen nach
Spanien – wobei eindeutig der
Großteil, nämlich fünf Lastwagen, auf Kosten der opulenten
Inszenierung von ‚Dornröschen‘
ging. Trotz pünktlicher Verladung und Abfahrt kam es auf
dem Weg zu ungeplanten Verzögerungen: Die ‚Dornröschen‘-Ausstattung durfte wegen
eines Sonntagfahrverbots am 30. August nicht in Ma­
drids Zentrum hinein. Bei dem modernen Dreiteiler wurde gar im Zwischenlager in Saragossa von der Spedition
ein Container vertauscht – ärgerlich! Doch dank einer
fleißigen Nachtschicht konnten wir die Zeit wieder aufholen, obwohl wir streckenweise parallel arbeiten mussten:
Denn während auf der Hauptbühne ‚Dornröschen‘ gespielt wurde, wurde auf der Unterbühne schon das zweite Bühnenbild aufgebaut. So etwas geht natürlich nur,
wenn alles reibungslos läuft. Nicht nur unser Team, auch
die Kollegen in Madrid waren extrem engagiert, auch
wenn wir uns ohne unsere Dolmetscherin alle nur halb so
gut verständigt hätten.“
VLADISLAV MARINOV
tanzt seit zwölf Spielzeiten am Staatsballett; in Madrid
als Solotänzer in „Dornröschen“ und „White Darkness“.
„Woran ich mich noch lange nach der Rückkehr aus
Madrid erinnern werde: an den langen Schlussapplaus –
für die Compagnie, aber auch für unseren Intendanten
und Choreographen Nacho Duato. Dass das Publikum
in Madrid ihn liebt, haben wir Tänzer einfach gespürt.
Daher haben auch wir abends mit einem tollen Gefühl
die Bühne verlassen. Leicht waren die 10 Tage mit Proben und Aufführungen nämlich nicht, weil wir nach einer
langen Spielzeitpause nur 15 Tage Zeit fürs Training hatten – auch um überhaupt erst mal die Muskeln wieder
an die anstrengende Arbeit zu gewöhnen. So schnell von
Erholung auf Effizienz umzuschalten fällt selbst einem
geübten Körper schwer. Trotzdem habe ich mich auf
jede Vorstellung im Teatro Real riesig gefreut. Gastspiele
sind ohnehin sehr wichtig für uns Tänzer. Schließlich will
man sich von seiner allerbesten Seite zeigen. Viel Freizeit
blieb da zwar nicht, aber an einen Abend erinnere ich
mich besonders gern: Gemeinsam mit ein paar Kollegen
habe ich mir eine kleine Show von Tablao Flamenco angeschaut. Wie diese Flamenco-Crew dabei auf einer so
kleinen Bühne Emotionen vermittelt hat, hat mich sehr
beeindruckt.“
XENIA WIEST
ist seit 2004 im Corps de ballet; in Madrid tanzte sie
einen Part in „White Darkness“.
„Weil mein Verlobter aus Madrid kommt, kenne ich die
Stadt recht gut. Trotzdem bin ich immer aufs Neue beeindruckt, wie positiv und aufgeschlossen die Menschen
sind. Madrid steckt so voller Energie und lebendiger
Kultur – das hat das ganze Ensemble angesteckt. Zu
den schönsten Momenten zählen für mich die Abende
nach jeder Vorstellung: als wir noch lange zusammengesessen und geredet haben. Bei so einer Art Klassenfahrt
lernt man sich untereinander noch viel besser kennen
als in Berlin. Auch die Abschlussparty werde ich nicht
vergessen, denn auf der habe ich viele Tänzer und Tänzerinnen der Compañia Nacional de Danza persönlich
kennengelernt. Ich hatte mir zwar früher oft Videos der
Compagnie angesehen. Aber diese Vorbilder einmal live
zu treffen war natürlich klasse. Auch ansonsten waren
alle Vorstellungen eine wahnsinnig schöne Erfahrung.
Immer wieder kamen Zuschauer auf uns zu und haben
uns gelobt. Ich bin wirklich stolz, ein Teil dieses Gastspiels in Madrid gewesen zu sein!“
NACHO DUATO
kehrte als Intendant des Staatsballetts Berlin mit diesem Gastspiel in seine Heimat zurück.
„Ich bin einen Tag später zurückgereist als die restlichen
122 Tänzer und Mitarbeiter. Nicht nur weil ich endlich
wieder in der Stadt war, wo ich bis vor fünf Jahren mit
der Compañia Nacional gearbeitet habe. Sondern auch
weil ich mein Apartment aufräumen musste: Dort hatte
die große Abschiedsparty stattgefunden! Insgesamt 150
Mann waren eingeladen, meine Tänzer und Mitarbeiter
aus Berlin, Kollegen aus aller Welt, ein Teil meiner ehemaligen Compagnie. Bis vier Uhr nachts ging es. Ein
schöner, entspannter Abend. Und ein verdienter! Denn
meine Berliner Tänzer haben in den Stücken, die wir gezeigt haben, alles gegeben. Ehrlich gesagt, so gut habe
ich sie noch nie gesehen! Irgendwas muss mit ihnen in
Madrid passiert sein. Vielleicht war es das großartige
Feedback, das wir bekommen haben, vielleicht auch,
weil sie mich als Mensch besser verstanden haben,
nachdem sie mein privates und ehemaliges berufliches
Umfeld kennengelernt hatten. Und wie man mich dort
wahrnimmt. Klar, die Spanier kennen und schätzen insbesondere meine modernen Choreographien wie ‚Static
Time‘ oder ‚White Darkness‘. Aber auch meine klassische Choreographie von ‚Dornröschen‘ kam dort sehr
gut an. Sie passte auch zum barocken Teatro Real mit
seiner wunderschönen Bühne. So war jede der fünf Vorstellungen komplett ausverkauft. Den langen Schlussapplaus, von dem alle sprechen, habe ich übrigens nicht
wirklich wahrgenommen: Bei so was bin ich auf eine gewisse Weise taub. Ich hoffe, dass wir einen großen Teil
der positiven Energie aus Madrid in Berlin beibehalten,
gerade nach den Streiks in der letzten Zeit. Für mich
war die Reise jedenfalls eine Rückkehr nach Hause –
nur mit einer neuen Familie.“
Alles auf Anfang.
Bei Ohad Naharin und
seinem Ballettmeister
Erez Zohar lernen die Tänzer,
ballett. Das Training sieht von außen
betrachtet einfach aus; vor allem für
Spitzentänzer, die sonst die anstrengendsten Positionen halten können.
Dahinter steckt jedoch eine Menge Arbeit!
„Gaga“ heißt die neue Trainingsmethode. Der Name
(der nichts mit dem gleichlautenden Künstlernamen der
US-Sängerin zu tun hat) steht für die ersten Babylaute,
also etwas Angeborenes, etwas Natürliches. Der israelische Choreograph Ohad Naharin hat Gaga entwickelt.
Er hat unter anderem bei Martha Graham studiert und
ist einer der wichtigsten Protagonisten des zeitgenössischen Tanzes. Seit knapp 25 Jahren leitet er die
Batsheva Dance Company in Tel Aviv, wo er selbst seine
ersten Schritte als Tänzer gemacht hat.
Gaga ist Naharins größte Errungenschaft – eine ganz
neue Bewegungssprache, deren Vokabular eben nicht
so leicht zu lernen ist. Das bestätigt auch Vladislav
sich fallen zu lassen
Anfang September, Probe im Studio 1 des Staatsballetts
Berlin. Ist das eine reine Aufwärmübung? Oder eine
äußerst abstrakte, moderne Choreographie? Die knapp
zwanzig Tänzerinnen und Tänzer tanzen schnell, intensiv,
aber kein bisschen fremdbestimmt. Vielmehr scheint
eine innere Stimme sie anzuleiten, was fast schon esoterisch wirkt. Mal streckt eine Tänzerin ihre Beine aufs
Extremste, eine Sekunde später kreuzt sie sie wie zufällig
fallende Mikadostäbe. Mal kreisen die Arme eines Tänzers hoch über der Schulter, mal bewegt er sie ruckelig
wie ein Roboter. Dennoch sind alle Bewegungen fließend.
Bei alldem ist die Truppe barfuß, trägt statt Trikots und
Leggings lockere Tanktops und bis zur Wade hochgekrempelte Jogginghosen – „Casual Tuesday“ am Staats-
Fotos: Yan Revazov (großes Foto); Gadi Dagon (Porträt)
IM STUDIO MIT
OHAD NAHARIN
Die Corps-de-balletTänzerin Cécile
Kaltenbach steht Kopf
für Ohad Naharin.
Marinov, der als Solotänzer viel Erfahrung mit Tanzstilen hat: „Natürlich ist das etwas anderes, wenn es
weniger um eine exakte Position geht, sondern um ein
Gefühl und darum, sich fallen zu lassen.“
Naharin kann gerade nicht in Berlin sein, darum trainiert
nun sein Ballettmeister Erez Zohar mit dem Staatsballett. Er schaut sich das Ganze von der Seite aus an,
schweigt und unterbricht kaum. Stattdessen gibt er
dem Ensemble Zeit. Denn Gaga ist weniger Technik als
Philosophie, Körperrhythmus, Freude. Zohar fordert deshalb, dass die Tänzerinnen und Tänzer an diesem Vormittag jegliche Perfektion vergessen. Er möchte, dass
sie Ausdruck, Instinkt und Sinne schulen. „Dabei ist“,
sagt Erez Zohar, „vor allem die physische Intelligenz
der ausgewählten Tänzer gefragt.“ Marinov nimmt es
locker: „Je gelöster man wird und je mehr man zulässt,
desto mehr Spaß macht es.“ Im Anschluss studieren die
Tänzer mit Zohar an diesem Tag drei Stunden lang die
Naharin-Choreographie
„Secus“ ein. Vom Typ her
sind sie alle unterschiedlich. Denn Naharin ist es
wichtig, dass seine Tänzer einen bestimmten Look verkörpern, und der muss in kein Raster passen, sondern
soll so individuell sein wie die Gaga-Bewegungen.
In wenigen Wochen ist Premiere des dreiteiligen
Ballettabends, an dem neben dem Naharin-Stück
auch die Nacho-Duato-Choreographie „Cas­trati“ sowie
„Petite mort“ von Jiří Kylián gezeigt werden. Bis dahin
wird Erez Zohar immer wieder in die Probenräume des
Staatsballetts zurückkehren, bald auch gemeinsam
mit Ohad Naharin. An diesem Dienstag ist jedoch um
14 Uhr Schluss, die Tänzer und Tänzerinnen strömen
zum Mittagessen – erschöpft, aber glücklich. Dass
Gaga, wie Zohar sagt, Körper und Geist gleichzeitig Vergnügen bereitet, scheint zu stimmen.
Der „Gaga“-Guru:
Ohad Naharin ist einer der wichtigsten
zeitgenössischen
Choreographen
der Welt und bald
mit seiner Produktion „Secus“ am
Staatsballett Berlin
zu sehen.
TANZTERMINE
Beim Staatsballett
Berlin wird Vielfalt
gelebt. So gibt es
in dieser Saison
einmal mehr tänzerische Abwechslung
IM DUNKEL DER NACHT
PREMIERE
DUATO | KYLIÁN |
NAHARIN
Angst, Verletzlichkeit, Leidenschaft prägen
diesen Ballettabend. Während „Castrati“
von Nacho Duato sich zu Vivaldi-Musik um
die Angst eines Sängers vor der Kastration
dreht, beschäftigt sich Jiří Kyliáns „Petite
mort“ zu Mozart mit den aggressiven und
verletzlichen Seiten von Sexualität. „Secus“
mit Musik u. a. von den Beach Boys ist eine
abstrakte Arbeit von Ohad Naharin.
Deutsche Oper Berlin
22 23 27 29 10 04 20 11
TICKETS
LIEBES LEID
FORM UND VOLLENDUNG
ONEGIN
VIELFÄLTIGKEIT. FORMEN
VON STILLE UND LEERE
Choreographie und Inszenierung John
Cranko | Musik Peter I. Tschaikowsky
Choreographie Nacho Duato | Musik Johann Sebastian Bach
Ein Liebesbrief von der scheuen Tatjana
an den Städter Onegin steht am Anfang.
Doch schnell trifft weibliche Empfindsamkeit auf kalte Überheblichkeit – mit
ungeahnten Folgen. John Cranko kreiert
mit einem unvergleichlichen Gefühl für
unterschwellige Befindlichkeiten ein packendes Handlungsballett.
Staatsoper im Schiller Theater
25 10 27 28 11 04 12 07 10 01
Nacho Duato hat dem Komponisten Johann Sebastian
Bach mit dieser Choreographie ein tänzerisches Denkmal
gesetzt. Mit großem Respekt übersetzt er die Kompositionen Bachs in bewegte und bewegende Bilder. In einer
unvergleichlichen Symbiose aus Tanz und Musik fließen
Formen und Emotionen ineinander.
Komische Oper Berlin 26 10 01 12 03 22 01
TSCHAIKOWSKYS ZAUBER
VOLL STARK
HÄNSEL & GRETEL
Märchenspiel von Giorgio Madia
Musik Edvard Grieg
„Niemals aufgeben!“ ist die Botschaft von
„Hänsel & Gretel“. Der Choreograph Giorgio
Madia hat das Märchen mit den Kindern von
„Tanz ist KLASSE! – Kinder tanzen“ für die
große Bühne erarbeitet. Sein Bruder Claudio
schuf dazu Spielräume und Objekte aus
Karton, die große Wirkung entfalten.
Deutsche Oper Berlin 08 10 19 12
DER NUSSKNACKER
Ballett-Feerie von Vasily Medvedev und
Yuri Burlaka | Musik Peter I. Tschaikowsky
Der magische Nussknacker entführt die kleine
Clara in eine phantastische Welt, in der sie
auf tanzende Zinnsoldaten, Bot­schafter
aus fernen Ländern und natürlich auf den
Nussknacker-Prinzen trifft. Die nostalgische Version dieses Balletts beruht
auf dem Original von 1892.
Deutsche Oper Berlin
26 29 11 15 16 25
30 12 01 01
030 20 60 92 630
[email protected]
IMPRESSUM HERAUSGEBER Staatsballett Berlin, Richard-Wagner-Straße 10, 10585 Berlin | INTENDANT Nacho Duato | ARTDIRECTION Bernardo Rivavelarde | UMSETZUNG TEMPUS CORPORATE GmbH – Ein Unternehmen des ZEIT Verlags, Askanischer
Platz 3, 10963 Berlin, [email protected], Geschäftsführung: Ulrike Teschke, Jan Hawerkamp, Projektleitung: Silke Menzel, Textchefin: Bettina Schneuer, Redaktion: Julia Stelzner, Mareike Nieberding, Lektorat: Claudia Kühne, Layout:
Jessica Sturm-Stammberger, Kai Kullen | DRUCK Axel Springer Offsetdruckerei Ahrensburg GmbH & Co. KG, Kornkamp 11, 22926 Ahrensburg | FOTOS Giuliana Bottino, Gero Breloer, Gadi Dagon, Kim Keibel, Fernando Marcos (Cover und Backcover: Ilenia
Montagnoli), Sarah Mestrovic, Cristina Moreno de Acevedo, Yan Revazov, Enrico Nawrath, Alice Williamson | REDAKTIONSSCHLUSS 01. Oktober 2015 | Änderungen und Irrtümer vorbehalten.