Fütterung zur Schadensabwehr

Prof. A. Moser: Verbiss und Rehwild-Fütterung, Vortrag BJV Jahreshauptversammlung Aiterhofen 2015
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Liebe Jägerinnen und Jäger,
Es geht um die Verhinderung von Verbiss und in diesem Zusammenhang um die Fütterung der Rehe im Winter
Woher kommt der Verbiss?
Aus Verbissgutachten kann abgeleitet werden:
⇒ Verbiss wird grundsätzlich von der Wilddichte beeinflusst.
⇒ Der Verbiss an der Waldverjüngung ist umso höher, je länger und härter der Winter ist.
⇒ Der Verbiss an einer Forstpflanze ist prozentual umso höher, je seltener eine Pflanze und
deren Pflanzendichte im Revier sind.
⇒ Der verbiss an Pflanzen mit nährstoffreichen Knospen, wie z.B. der Tanne ist höher als
der anderen Pflanzen
⇒ Der Verbiss an frisch gepflanzten Forstpflanzen ist wegen deren besseren Nährstoffausstattung deutlich höher, als der Verbiss an Naturverjüngungspflanzen.
⇒ Und der Verbiss ist davon abhängig, ob nicht, falsch oder richtig gefüttert wird
Welche Mittel und Maßnahmen stehen dem Jäger zur Erfüllung des Hegeauftrages und
damit zur Eingrenzung des Wildverbisses zur Verfügung?
1. Abschuss
2. Einzelschutzmaßnahmen
3. Fütterung
Wir hören immer wieder – auch aus dem BJV – dass man Rehe nur in der Notzeit füttern
darf.
Das ist falsch!
Wer die Rehwildfütterung auf die Notzeit beschränken will, müsste eigentlich wissen,
was dann passiert.
Notzeit herrscht nämlich dann, wenn natürliche Äsung nicht zugänglich ist. D.h. solange
sich das Wild im Wald von der Waldverjüngung ernähren kann, ist keine Notzeit!
D.h. die Jagdfeinde und Jagdfreunde, die Fütterung außerhalb der Notzeit ablehnen, nehmen Verbissschäden in Kauf. Die Folge ist die Forderung nach weiterer Dezimierung der
Rehe.
Wie ist die Sach- und Rechtslage?
Weil in unserer Agrarindustrielandschaft und in unseren naturfernen Wäldern das Wild im
Winter nicht mehr genügend Nahrung findet, sollen nach dem BayJG durch Äsungsverbesserung die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das Wild auch in der vegetationsarmen Zeit natürliche Äsung findet.
Wenn die vom Gesetz geforderten Äsungsflächen aber nicht möglich sind, ist logischerweise das Defizit durch Fütterung auszugleichen
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Das BayJG schränkt die Fütterung des Wildes nur dahingehend ein, dass dadurch das Hegeziel nicht gefährdet wird.
D.h. dass ein grundsätzlich an die landschaftlichen Verhältnisse angepasster Wildbestand
gehalten bzw. hergestellt wird und Schäden an der Landeskultur vermieden werden.
In der Notzeit wird der Revierinhaber verpflichtet, für angemessene Wildfütterung zu sorgen und die dazu erforderlichen Fütterungsanlagen zu unterhalten.
D.h. man kann unter Wahrung des Hegezieles füttern, man muss in der Notzeit füttern.
Noch deutlicher steht das in den bayerischen Hegerichtlinien
Dort steht: „Bei ungünstigen Äsungsverhältnissen im Herbst soll die Fütterung auch die
Bildung von Feistreserven des Wildes für die Notzeit im Hochwinter zum Ziele haben.
In den meisten unserer landwirtschaftlich geprägten Reviere mit Ernteschock, Deckungsund Nahrungsarmut in der Feldflur kommt es deshalb auf den Notzeitbegriff überhaupt
nicht an.
Die durchschnittlichen bayerischen Jagdreviere sind zu mehr als 2/3 von intensiver
Landwirtschaft geprägt.
Es herrschen winterliche Deckungslosigkeit, Nahrungsarmut und Vertreibungsdruck in
der Feldflur, abrasierte und mit Gülle zugeschissene Wiesen im Spätherbst und Frühjahr.
Bei diesen ungünstigen Äsungsverhältnissen soll laut Hegerichtlinien die Fütterung des
Wildes mit nährstoffreichem Futter bereits im Herbst einsetzen.
Im auslaufenden Winter soll, soweit eine Fütterung im Hinblick auf die Witterungs- oder
Vegetationsverhältnisse noch erforderlich ist, wie im Herbst gefüttert werden.“
In österreichischen Versuchsgattern wurde übrigens die höchste Futteraufnahme der Rehe
Ende März gemessen.
Wer bei den inzwischen häufigeren langen und zum Ende verschärften Wintern zu früh
mit der Fütterung aufhört, falsch oder überhaupt nicht füttert, provoziert Wildverbiss!
Denn Fütterung mit nährstoffreichem Futter ist in erster Linie eine Schadensabwehrmaßnahme.
Bei uns verhungert kein Reh. Und bevor es verhungern würde, hat es die letzte erreichbare
Fichte gefressen.
Ohne Fütterung stirbt die Artenvielfalt zuerst! Es sei denn, man erschießt das letzte Reh.
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Die Klage über zunehmende Äsungsarmut in Wald und Feld und die Forderung nach spezieller Äsungsverbesserung auch zur Wildschadensverhütung findet sich schon im Handbuch „Das Deutsche Waidwerk“ von Raesfeld-Frevert (1913 und 1957).
Der Zusammenhang zwischen verfügbarer Äsung und Verbiss, zieht sich wie ein roter Faden durch die Fachliteratur von Hubert WEINZIERL`s „Reviergestaltung“ aus den 60er
Jahren bis zum gleichnamigen Werk von HESPELER aus den 90er Jahren und den diesbezüglichen Stellungnahmen und Aktivitäten des Bayer. Landwirtschaftsministeriums seit
den 80er Jahren.
Überall dort, wo ein Wildackerprogramm in der Feldflur waldarmer Bereiche mit herkömmlichen Wildackergemengen durchgeführt wurde, war eine Verbissminderung im
Wald das Ergebnis.
Logischerweise hat auch ersatzweise wildgerechte Fütterung den gleichen Effekt.
Und wenn der Jagdpächter zur Schadensabwendung das Wild durch Fütterung von
Grundstücken bzw. vom Pflanzenverbiss abhält, ist das chemischen oder mechanischen
Schutzmaßnahmen gleichzustellen. Und dazu ist der Jagdpächter nach dem Jagdrecht berechtigt.
Wie und was soll man füttern?
Absolut falsch ist es, Heu zu füttern. Wer Rehe mit Heu füttert, provoziert nach österreichischen Untersuchungen eine enorme Verbisssteigerung.
Auch der für die Kirrung und z.T. auch zur Fütterung eingesetzte Apfel-Trester wirkt
Verbiss – erhöhend. Wenn schon, dann soll der Trester in Mischungen in geringen Anteilen nur beigemischt werden.
Falsch ist auch, nur eine Getreideart zu füttern, wie z.B. Mais oder Weizen oder Hafer
Es müssen Futtergemenge sein, die auch hinreichend Ballaststoffe für den Pansen enthalten.
Und es muss nährstoffreiches Futter sein.
Nährstoffreiches Futter ist eiweißreiches Futter!
Da kommen gleich Einwände, dass das verboten ist. Das ist falsch. Verboten ist das Verfüttern proteinhaltiger Erzeugnisse warmblütiger Landtiere und von Fischen sowie von Mischfuttermitteln, die diese Einzelfuttermittel enthalten.
Pflanzliches Eiweiß ist davon überhaupt nicht betroffen! Pflanzliches Eiweiß ist überall in der
Natur vorhanden und wird vom Reh geäst und verwertet:
Bohnen, Linsen, Erbsen, Gemüse, Getreide, Lupinen, auch Knospen vom Bäumen.
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Die Eiweißpflanze Sojabohne war in Wildackerversuchen bei Freising beim Rehwild spontan
derart begehrt, dass sie nur unter Ameisenschutzhauben hoch wachsen konnte, obwohl diese
Pflanze im weiträumigen Versuchsgebiet überhaupt nicht vorkam!
Die nächste Frage ist Saft- oder Kraftfutter?
Kraftfutter wird meist abgelehnt.
Saftfutter wird bevorzugt genannt, u.a. weil damit angeblich der tägliche Wasserbedarf der
Rehe gedeckt wird.
Hier fehlt es doch an der Logik!
Was ist, wenn man überhaupt nicht füttert? Fehlt auch dann erforderliches Wasser oder ist es
dann plötzlich wieder da?
Warum nehmen auch Vegetarier ein Getränk zum Essen?
Die Rehe stehen doch nicht wie Vieh im Stall und sind ausschließlich auf das vorgelegte Futter angewiesen, sondern haben Tag und Nacht Zeit sich ihre Äsung zusammenzusuchen.
Dem Reh stehen alle Ernährungskomponenten in der Natur zur Verfügung, egal ob man füttert oder nicht.
Überall im Wald sind die Saftkomponenten wie z.B. die nach der Rehreduktion mangels Verbiss massiv als Kulturhindernis auftretende Brombeere. Die wintergrüne Brombeere war vor
der Rehreduktion eine wichtige Winteräsung. Jetzt wird sie so gut wie nicht mehr verbissen,
aber die nährstoffreichen Knospen der Tanne und anderer Tiefwurzler.
Das notwendige Wasser erhält das Reh auch über feuchte oder nasse Gräser, bereifte oder
beschneite Pflanzen. Im Wald sind auch überall kleine Rinnsaale und Bäche, die den ganzen
Winter normalerweise nicht zufrieren und notfalls genutzt werden könnten.
Was ist überhaupt Saftfutter oder Kraftfutter?
Saftfutter sind Teile von Pflanzen bzw. Verarbeitungsprodukte mit einem TrockensubstanzGehalt unter 55 %
Kraftfutter ist energiereiches, aber rohfaserarmes Futter aus Getreide oder industriell hergestelltes Mischfutter mit einem Trockensubstanz-Gehalt größer als 55 %
Der Unterschied liegt in erster Linie im Trockensubstanzgehalt, nicht in den Inhalten!
In der Natur sucht sich das Reh, was es benötigt. Es sucht sich selektiv soweit vorhanden v.a.
nährstoffreiches Futter: In der Vegetationszeit z.B. Rotklee, Weizenkörner, Maiskörner, junge
Eschentriebe. Im Winter die nährstoffreichen Knospen von Tanne, Eiche, Linde, Kirsche,
Eicheln, Bucheckern etc.
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Empfohlene Futtermischungen
Saftfutter
Am naturnähesten ist die Fütterung mit Silagen wie z.B. dem AFS (Schäfer, Bünzwangen).
Dieses Futter kann man nur portioniert vorlegen, sonst verdirbt es!
Eine Alternative dazu hat unser 2. Vorsitzender Manfred Grassl entwickelt, der die Silos im
Wald errichtet. Nachahmer hat das m.W. aber noch kaum gefunden.
Das ASF z.B. enthält:
(Mischungsbeispiel für Rehwild aus PIRSCH Nr. 16/2004)
Komponenten
Prozentanteil
Karotten
20
Apfeltrester
15
Biertreber
10
Silomais, frisch
15
Gras, angewelkt
3
Hafer
15
Weizen
8
Gerste
7
Sojaschrot als Eiweißkomponente
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Cervimin Combi *)
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*) Cervimin Combi muss vom Spezialhandel bezogen werden. Enthält Vitamine, Mineralien
und Spurenelemente)
Trockenfutter
Anstatt AFS oder ähnlicher Mischungen kann man im Wesentlichen die gleichen Komponenten als rieselfähiges Trockenfutter zusammenstellen und in Vorratsfütterungen für 1 Woche
bis 14 Tage füllen.
Wichtig ist, dass die Fütterungen vom Rehwild zu jeder Tageszeit auf kurzem Weg ohne Störung aufgesucht werden können und dass das Futter nie ausgeht.
In der unmittelbaren Umgebung der Fütterungen dürfen keine Forstkulturen oder Naturverjüngungen in Verbisshöhe sein. Man darf durch die Lage der Fütterung auch nicht provozieren, dass die Rehe auf dem Weg zur Fütterung lange Strecken durch schadensträchtige Flächen nehmen müssen.
Die Fütterungen dürfen keine Konzentration der Rehe bewirken. D.h. sie müssen gleichmäßig
über das Revier und die Nachbarreviere verteilt sein. Darauf hinzuwirken ist auch eine Aufgabe der Hegegemeinschaften!
In waldarmen Bereichen füttert man die Rehe zweckmäßigerweise im Feld, z.B. an Hecken
oder in großen, noch deckungsreichen Senfmulchsaaten.
Die Mischung, die ich seit Jahrzehnten empfehle, wurde auch in den mustergültig geführten
Andorferschen Revieren vom Revierbetreuer Josef Menacher, Parkstetten eingesetzt.
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Diese Mischung geht zurück auf die Rehwildfütterung im Gatter Schneeberg (s.
Vogt/Schmid: Das Rehwild, österreichischer Jagd- und Fischereiverlag, Wien, 1950). Wer die
dort erreichten Reh-Wildbretgewichte von über 30 kg Lebendgewicht zur Kenntnis nimmt,
kommt unweigerlich zum Schluss, dass eine solche „Kraftfuttermischung“ den Rehen auf
keinen Fall schadet.
Diese rieselfähige Trockenfuttermischung für Fütterungsvorratsbehälter enthält:
Komponenten
Gewichts-%
Rübenschnitzel als Ballaststoff, melassiert, lose,
50 %
auf keinen Fall pelletiert!!
Hafer, gequetscht
17 %
Gerste, geschrotet oder gequetscht
3%
Mais, geschrotet oder gequetscht
10 %
Sojaschrot (Eiweiß!!)
13 %
Weizenkleie (nicht mehr - Wasserbedarf!)
7%
100
Zuzüglich 25 kg Futterkalk (Rinderkalk) je 1500 kg Mischung.
Das „Geheimnis“ dieser Mischung ist ein Eiweiß : Stärke – Verhältnis von ca. 1 : 5.
Und das kann nur mit der Zugabe von Sojaschrot oder Sesamkuchen erreicht werden. Nur
mit erhöhtem Eiweißanteil in der Futtermischung kann man von den energiereichen
Knospen von Tanne, Eiche, Linde etc ablenken.
In dem Buch „Das Rehwild“ von Frh. Ferdinand von Raesfeld, A.H. Neuhaus, K. Schaich, 9.
Auflage wird zur Verbissschadensvermeidung eine Trockenfuttermischung mit einem Eiweiß
– Stärkeverhältnis von 1 : 4,5 bis 1 : 5 empfohlen. Eiweißträger sind Sojaschrot oder Sesamkuchen.
Im Buch „Über Rehe in einem steirischen Gebirgsrevier“, A. u. J. von Bayern, 1975 wird berichtet, dass die dortigen Erfolge beim Rehwild mit einer ebenfalls vom Gatter Schneeberg
abgeleiteten eiweißstarken (Sesam) Trockenfuttermischung (Kraftfutter) erreicht wurden.
Und Rudolf Jelinek: Hege und Bewirtschaftung des Rehwildes in der Kulturlandschaft, 1989
empfiehlt als Ergebnis seiner Betrachtungen zur Fütterung ein in Automaten angebotenes
Trockenfuttergemisch (Kraftfutter) mit einem Eiweiß : Stärke – Verhältnis von 1 : 5.
Liebe Jägerinnen und Jäger, Sie haben zwei Möglichkeiten:
Noch mehr schießen
oder
füttern.
Wählen Sie.