© Alexander Raths – Fotolia.com STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN Praxis wird an diesen Hochschulen GROSS geschrieben Fachhochschulen bieten im Vergleich zu den Universitäten eine anwendungsnahe Vertiefung bereits im Studium an. Wenn Sie an einer FH studieren, werden Sie gezielt mit Fragen der Praxis in der Industrie und in Forschungseinrichtungen vertraut gemacht. Ihre Hochschullehrer haben einschlägige Berufspraxis und geben ihre Erfahrungen an die Studierenden weiter. Lehrbeauftragte aus der Industrie ergänzen das Lehrangebot mit ihrem Spezialwissen. Häufig ist ein volles berufspraktisches Semester oder eine Praxisphase in das Studium einbezogen. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, darunter insbesondere Projekte an der Hochschule, im Praxissemester oder der Praxisphase, und Abschlussarbeiten haben hauptsächlich die Lösung konkreter Probleme aus Unternehmen zum Ziel. Diesem Studiengangsprofil entsprechend befähigt der erste Abschluss (Bachelor) einer FH zum Einstieg in den Beruf. Wer sich weiterqualifizieren möchte, kann einen „Master“ und eine Promotion in Kooperation mit einer Universität anschließen. FACHHOCHSCHULE – EIN HOCHSCHULPROFIL MIT GESCHICHTE UND ZUKUNFT Anwendungsbezogene Ausbildung hat in Deutschland eine lange Tradition. In der „Ahnenreihe“ der heutigen Fachhochschulen (FH) finden wir Ingenieurschulen, Akademien und Höhere Fachschulen, die ihrerseits aus teilweise schon im 19. Jahrhundert gegründeten Technikerschulen entstanden sind. Etwa ein Drittel der heutigen FH geht auf die genannten Vorgänger-Institutionen zurück. Mit dem Hochschulrahmengesetz von 1976 wurden Fachhochschulen den übrigen Hochschulen (z.B. Universitäten, Kunsthochschulen) rechtlich gleichgestellt. einer Fachhochschule beziehen sich daher meist auf ausgewählte, praxisorientierte Fragestellungen. Weil Sie von Dozenten mit einschlägiger beruflicher Erfahrung unterrichtet und angeleitet werden, erfahren Sie von Anfang an bei allen erlernten Themen und vielen zu lösenden Aufgaben, wo das Gelernte seinen „Sitz im Berufsleben“ hat. Folgerichtig ist die englische Übersetzung des Begriffs Fachhochschule laut Kultusministerkonferenz „University of Applied Sciences“. ZULASSUNGSVORAUSSETZUNGEN, STUDIENDAUER UND -ABSCHLÜSSE IM ÜBERBLICK Zulassungsvoraussetzung Die Aufgaben einer FH sind Lehre und Forschung auf wissenschaftlicher Grundlage mit einem besonderen Anwendungsbezug. Die Forschungs- und Vertiefungsangebote 22 Zulassungsvoraussetzung für ein Fachhochschulstudium ist das Abitur oder die Fachhochschulreife. Bewerber mit Fachhochschulreife haben häufig bereits eine chemische STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN Berufsausbildung abgeschlossen, z. B. als Chemielaborant. Unter bestimmten Voraussetzungen wird ihnen an Fachhochschulen ihre berufliche Praxis anstelle eines Praxissemesters anerkannt. Zusätzlich bieten einige FH Berufserfahrenen bei entsprechenden Vorkenntnissen den Einstieg in ein höheres Semester an. hat. Auch der Abschluss des früher an Fachhochschulen angebotenen Diplomstudienganges gilt als Zulassungsvoraussetzung zum Masterstudium. Der Zugang zum Masterstudium ist aber auch noch möglich, wenn man schon einige Zeit als Bachelor oder Diplomingenieur (FH) im Beruf tätig war und sich weiter qualifizieren möchte. Der Umfang des Masterstudiums liegt bei 60 – 120 Kreditpunkten und dauert in der Regel 2 – 4 Semester. Die Landesgesetzgebungen der Bundesländer regeln den Hochschulzugang für Bewerber ohne Hochschulreife (besonders befähigte Berufstätige, Meister, Techniker). Einzelheiten dazu finden Sie auf den Internetseiten der Hochschulen bzw. der Landesministerien, welche für die Hochschulen zuständig sind. Einen Überblick über Bachelor- und Master-Studiengänge an Fachhochschulen finden Sie im Hochschulkompass www.hochschulkompass.de. Nach dem Masterstudium kann man auch promovieren. Der Doktorgrad wird von Universitäten vergeben. Nicht immer müssen Sie dazu an eine Universität wechseln: Eine steigende Zahl von Fachhochschulen arbeitet mit Universitäten im Bereich Promotionen zusammen. Dabei können Teile der Doktorarbeit in einer Zusammenarbeit von Forschungsgruppen aus beiden Hochschularten, häufig unter Einbeziehung industriepraktischer Fragestellungen, entstehen. Studiendauer und -abschlüsse Im Rahmen der Bologna-Reform sind die FachhochschulStudiengänge auf Bachelor-Abschlüsse umgestellt (siehe Abb. unten links). Viele FH bieten auch Master-Studiengänge an. Das typische Profil eines FH-Studiums stellt sicher, dass die Berufsfähigkeit der Studierenden bereits nach dem Bachelorabschluss gewährleistet wird. BACHELOR-STUDIENGÄNGE Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Science oder Bachelor of Engineering dauern 6 oder 7, in Spezialfällen auch 8 Semester, wobei in den 6-semestrigen Studiengängen eine Praxisphase und in den 7-und 8-semestrigen Studiengängen ein Praxissemester integriert ist. Das gehört einfach dazu: Grundlagen An Fachhochschulen werden Chemie-Studiengänge mit verschiedenen Ausrichtungen angeboten. Allen ist gemeinsam, dass in den ersten Semestern der Schwerpunkt auf dem Erlernen von naturwissenschaftlichem Grundlagenwissen und praktischen Fertigkeiten liegt. Das Arbeiten im Zu dem weiterführenden Masterstudium wird nur zugelassen, wer ein Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen STUDIENANFÄNGER DER DIPLOM- UND BACHELORSTUDIENGÄNGE AN FACHHOCHSCHULEN 2000 Diplom 1600 Bachelor 1600 1400 1200 1000 800 600 400 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 0 2000 200 © GDCh 23 STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN © Merck KGaA Labor setzt theoretische Kenntnisse, vor allem aber auch experimentelles Geschick voraus. In den Laborpraktika erlernen Sie sowohl die handwerklichen Fertigkeiten der Handhabung von Apparaturen und Geräten, als auch den sicheren Umgang mit Chemikalien. In Vorlesungen, Übungen und Praktika beschäftigen Sie sich mit den Fächern Anorganische, Organische, Physikalische und Analytische Chemie, aber auch mit Mathematik und Physik. Meist gehört die Erweiterung Ihrer Englischkenntnisse zum Grundstudium. Gute Englischkenntnisse sind nicht nur für die spätere Tätigkeit in Unternehmen wichtig. In dieser Sprache sind auch die meisten Publikationen verfasst. Zum Studium gehören in der Regel auch überfachliche Schlüsselqualifikationen wie Kommunikations- und Präsentationstechniken, betriebswirtschaftliche Module und die Möglichkeit des Erlernens einer weiteren Fremdsprache. Sie haben die Wahl: Studienrichtungen und Studienschwerpunkte Im weiteren Studium liegt der Schwerpunkt auf anwendungsorientierten Fächern. Die Schwerpunktfächer und Wahlmöglichkeiten unterscheiden sich hier von Hochschule zu Hochschule stark. Dies spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Bezeichnungen der Bachelor-Studiengänge wieder, z.B. „Angewandte Chemie“, „Biologische Chemie“ oder „Pharma & Chemietechnik“. Hier einige Schwerpunkte, die an Fachhochschulen angeboten werden: Analytische Chemie, Biochemie, Materialwissenschaften, Chemie-, Verfahrens-, Lack- oder Umwelttechnik, Umwelt- und Bioanalytik, Synthese- und Polymerchemie, Textilchemie und Wirtschaftschemie. In den eher technisch ausgerichteten Studiengängen stehen vor allem Fächer wie Verfahrenstechnik, Mess- und 24 Regelungstechnik, Apparate- und Materialkunde und Strömungslehre auf dem Stundenplan. An anderen Fachhochschulen liegt der Fokus stärker auf der Analytik. In solchen Studiengängen werden vermehrt Kenntnisse im Bereich Umweltanalytik, Bioanalytik und instrumentelle Analytik vermittelt. An Fachhochschulen mit einer Ausrichtung auf die Lebenswissenschaften werden Fächer wie Biochemie, Pharmakologie, Toxikologie, Biotechnologie oder Mikrobiologie angeboten. Interdisziplinäre Studiengänge wie z.B. Medicinal Chemistry oder Biosciences vermitteln Kenntnisse in Chemie und einer zweiten Naturwissenschaft. Eine weitere Option ist es, neben der Chemie Grundkenntnisse in betriebswirtschaftlichen Fächern zu erwerben, was z.B. in Studiengängen wie Wirtschaftschemie oder Wirtschaftsingenieurwesen Chemietechnik möglich ist. Das Bachelorstudium wird mit einer Bachelorarbeit abgeschlossen, die üblicherweise in einem Betrieb oder einem Forschungsinstitut durchgeführt wird. Am Besten informieren Sie sich vor Studienbeginn über die Wahlmöglichkeiten und Schwerpunkte der einzelnen Fachhochschulen. Neben den Internet-Auftritten der Hochschulen bieten sich dafür Tage der offenen Tür, Beratungstermine oder „Schnuppertage“ an. So können Sie sich einen persönlichen Eindruck von der Atmosphäre und den Studienangeboten verschaffen. Je mehr der gewählte Studiengang und die gewählte Hochschule Ihren Neigungen und Begabungen entsprechen, desto wahrscheinlicher ist Ihr Studienerfolg. Ein Plus für Ihre Karriere: Praxissemester oder Praxisphasen Die Dauer der Praxiserfahrung und ihr Platz im Studiengang sind je nach Gesamtdauer des Studiums unterschiedlich. Bei 6-semestrigen Bachelor-Studiengängen umfasst die Praxiszeit einige Wochen bis viereinhalb Monate. Sie kann in ein Semester integriert sein oder in den Semesterferien liegen. Ein volles berufspraktisches Semester (kurz BPS, in der Regel 5 Monate oder 20 Wochen) gehört zu den 7- und 8-semestrigen Bachelor-Studiengängen. Diese Praxiszeiten, die Sie an manchen FH auch im Ausland verbringen können oder, im Fall international angelegter Studiengänge, verbringen müssen, sind vor allem dann für Sie wertvoll, wenn Sie direkt von der Schule in das Studium einsteigen. Wer längere Berufserfahrung nachweist, dem wird sie häufig als Praxiserfahrung statt des BPS anerkannt. Praxisphase oder BPS führen Sie in Firmen verschiedener Größe und Branchen. Sie „tauchen ein“ in den Berufsalltag Ihrer künftigen Kollegen und lernen Hierarchien und Entscheidungswege kennen. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass in Firmen, anders als im Hochschulalltag, KostenNutzen-Überlegungen, Zeit- und Projektplanung und Ter- STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN mintreue (und damit auch Termindruck) eine Rolle spielen. Sie lernen typische Fragestellungen und Aufgaben kennen, die Sie als Chemiker im Beruf bearbeiten und beteiligen sich an geeigneten Lösungen. Je nach Ihren persönlichen Interessen und dem gewählten Studienschwerpunkt können Sie aus einer Vielfalt von Fragestellungen wählen, hier sind einige Beispiele: »» Methodenentwicklung zur chemischen Analyse von Verpa»» »» ckungsfolien auf Stoffe, die in ein verpacktes Lebensmittel migrieren (übergehen) können Synthese von organischen Komplex-Molekülen für den Einsatz in biomimetischen Solarzellen Untersuchung und Bewertung des Marktpotenzials von ausgewählten Farbpigment-Dispersionen Nicht zuletzt lernen Sie in dieser Zeit sich selbst in einem für Sie meist neuen Umfeld kennen und stellen fest, was Sie besonders gut oder weniger gut und was Sie gerne oder weniger gern tun. Das ist eine wertvolle Hilfe bei der Entscheidung über Studienschwerpunkte im letzten Teil des Studiums und bei der Stellensuche. Mit Aufgaben, die Ihnen liegen und die Sie gerne tun, haben Sie den besten Erfolg. Nach Abschluss der Praxiszeit verfassen Sie einen Bericht und halten häufig einen Seminarvortrag über Ihre Arbeit. Das ist eine gute Übung, denn Präsentieren gehört wie Literaturrecherche zu den „Schlüsselqualifikationen“, die im Studium an konkreten, fachbezogenen Beispielen am besten vermittelt und geübt werden. Ein entscheidendes Merkmal der Praxisphasen oder – semester an Fachhochschulen ist, dass sie in der Regel in das Studium voll integriert sind. Das bietet einige Vorteile: »» In der Regel wird zwischen Ihnen, der Firma und der »» »» »» »» Hochschule eine Vereinbarung über Aufgaben, Ziele und Rahmenbedingungen getroffen. Sie werden von einer Hochschullehrerin oder einem Hochschullehrer betreut und angeleitet. Sie behalten den Studierendenstatus auch während der Praxiszeit. Sie arbeiten in der Regel an einem Projekt. Das führt meist zu greifbaren Ergebnissen. Sie werden also nicht nur mit einfachen Aufgaben und Routine betraut, sondern mit Fragestellungen, bei denen Sie das bisher Gelernte anwenden und Neues lernen können. Sie erhalten nach Erbringen aller vorgeschriebenen Leistungen Kreditpunkte – das heißt, die Praxiszeit wird auf Ihre Studienzeit angerechnet (wenn sich das Studium dadurch um ein Semester verlängert, haben Sie 30 Kreditpunkte mehr als jemand, der oder die nach dem Studium ein Praktikum macht). Fragt man Firmen, was sie von Praktika halten und was sie motiviert, Ihnen oft mit einem Praktikantengeld vergütete und meist gut betreute Praxiszeiten anzubieten, antworten sie zum Beispiel so: „Wir stellen eine deutliche Mehrheit unserer Neueinstellungen aus dem Kreis unserer Praktikanten ein. Warum? Weil diese Studierenden einen ganz anderen Einblick in die Arbeitswelt gewonnen haben und daher besser über uns informiert sind – so wie wir über sie –, daher können wir beide mit größerer Sicherheit feststellen, ob wir zueinander passen“ (so ein Forschungsund Entwicklungsleiter im Gespräch mit einem Fachhochschullehrer). Der Vorteil der Praxisfirmen ist also auch Ihr Vorteil! Ein erfolgreich abgeschlossenes Praxissemester © BASF SE 26 STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN ist ein Knoten im Netzwerk, das Sie während des Studiums knüpfen und das Ihnen bei der Stellensuche nach dem Abschluss und im Beruf nutzt. Die in der Praxiszeit gesammelten Erfahrungen sind ein Plus, das Sie von anderen Bewerbern unterscheidet. Angewandte Forschung und Entwicklung: Projekte und Abschlussarbeiten in Firmen und Forschungsinstituten Fachhochschulen arbeiten oft eng mit Firmen und Forschungsinstituten zusammen oder haben eigene „An-Institute“ für Angewandte Forschung und Entwicklung und für Technologietransfer. So begegnen Ihnen als Studierenden frühzeitig Projekte angewandter Forschung aus einer breiten Palette von Arbeitsgebieten. In manchen Hochschulen können Sie schon bald nach Studienbeginn an Projekten mitarbeiten – in der Probenvorbereitung, bei Synthesen oder bei Messungen. Bis zur Abschlussarbeit hat sich Ihre Selbständigkeit so weit entwickelt, dass Sie sich in der Regel die nötigen Detailinformationen selbst beschaffen und Ihre Arbeit in Absprache mit erfahrenen Betreuern selbst planen und durchführen können. Die wissenschaftlichen Ergebnisse fassen Sie dann in der Bachelor-Arbeit zusammen. Sie wird nach den Regeln für wissenschaftliche Publikationen erstellt und von einem Hochschullehrer betreut, korrigiert und bewertet. Dazu gehört an den meisten Hochschulen noch das AbschlussKolloquium mit einem Vortrag und anschließender fachlicher Diskussion. Welche Vielfalt an Aufgaben auf Sie wartet, wenn Sie ein Projekt oder eine Abschlussarbeit in einer Firma beginnen, zeigen beispielhaft Titel der von der Max-Buchner-Forschungsstiftung der DECHEMA ausgezeichneten Abschlussarbeiten (siehe www.dechema.de/ehrungen-path-123211. html#mbffachhs): » » » Orientierung/Verteilung von Perlglanzpigmenten in thermisch härtenden Pulverlacksystemen Entwicklung eines Nahinfrarot(NIR)-spektroskopischen Schnellmessverfahrens für den wirkungsbezogenen Umweltschutz anhand des Systems Ammoniak-Gräser/ Kräuter Anti-Freeze-Proteine in Meereis-Diatomeen: Ihre Diversität und Expression am Beispiel von Fragilariopsis curta Auch wenn Sie die Titel jetzt nicht alle verstehen – diese Aufzählung zeigt, wo Sie nach drei bis vier Jahren Studium angelangt sein können. Ein lohnendes Ziel!! © BASF SE Den Horizont erweitern: Studieren und Praktika im Ausland Ein besonderes Plus für ihr Studium ist es, wenn sie Auslandserfahrung gesammelt haben. Auch Firmen schätzen einen Auslandsaufenthalt während des Studiums meist sehr hoch ein. Was es ihnen bringt, mag der folgende Rückblick eines FH-Studenten zeigen: „Erst später wurde mir klar, dass das Praxissemester im Ausland den wichtigsten Teil meines Studiums darstellte und mein Leben nachhaltig verändert hat. Mit der Einstellung ‚England gehört zur EU, wie anders kann es da schon sein’ in England eingetroffen merkte ich, wie anders England ist...Die besten Zeiten meines bisherigen Lebens habe ich im Ausland verbracht. Ich kann jedem Studenten nur raten, die Studienzeit zu nutzen, um Auslandserfahrung zu sammeln. Auch wenn man feststellt, dass es „zu Hause“ doch am schönsten ist, ist das eine unbezahlbare Erfahrung.“ Stellvertretend für die Arbeitgeberseite lassen wir einen Chemiker sprechen, der in einer forschungsaktiven Firma arbeitet: „Wenn sich jemand bei uns bewirbt, fällt mir unter anderem ein Auslandssemester positiv auf: Die Kandidaten haben sich bewegt und die nicht leichte Organisation und die persönlichen Herausforderungen eines Auslandsaufenthalts bewältigt.“ Wie sich ein solcher Auslandsaufenthalt organisieren lässt, hängt vor allem vom Aufbau und der Dauer des Studien- 27 STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN gangs ab. In 6-semestrigen Bachelor-Studiengängen bleibt meist nur ein Studiensemester. Wegen der zu erbringenden Leistungen geht das in vielen Fällen nicht ohne Verlängerung der Studienzeit. Kürzere Aufenthalte in den Ferien oder in Praxisphasen sind möglich. Die Mindestdauer für eine Förderung aus EU-Programmen beträgt 3 Monate. In 7- oder 8-semestrigen Bachelor-Studiengängen ist mehr Raum für Auslandsaufenthalte. Manche Hochschulen haben in den Studiengängen sogenannte „Mobilitätsfenster“ eingeplant. Das sind Zeiten, in denen ein Aufenthalt in einer ausländischen (Partner-) Hochschule für ein Praktikum oder eine Abschlussarbeit ohne Verlängerung der Studienzeit möglich ist. Es gibt auch Studiengänge, die einen verpflichtenden Auslandsaufenthalt einschließen. eines Kollegen, der bei einem internationalen Konsumartikelhersteller arbeitet: „Wenn ich allein schon Bewerber mit Auslandserfahrung im Lebenslauf sehe, dann sagt mir das etwas über die Einstellung der Kandidaten – es ist nicht jemand, der sich für den kurzen bequemen Weg, sondern bewusst für den längeren entschieden hat.“ Wer nach dem Bachelorstudium ins Berufsleben starten möchte, der sollte bereits während dieser Zeit internationale Erfahrungen und somit einen Vorteil für seine Bewerbungen sammeln. Auslandsaufenthalte können aber auch in Master-Studiengänge integriert werden. Weiterbildende Master-Studiengänge setzen mehrere Berufsjahre nach dem ersten Hochschulabschluss voraus. Ein weiterbildender Master-Studiengang kann auch in einer Fachrichtung sinnvoll sein, die nicht dem Studienfach des Bachelor-Abschlusses entspricht. Das kann z. B. ein wirtschaftswissenschaftlicher Master nach einem natur-oder ingenieurwissenschaftlichen ersten Abschluss sein. Fragen Sie die Hochschule Ihrer Wahl, wie sie das handhabt. Unterstützt sie aktiv Auslandsphasen im Studium? Wie sind die Erfahrungen bisheriger Absolventen in dieser Sache? Auch wenn ein von Ihnen gewählter Studiengang einen Auslandsaufenthalt nicht eingeplant hat und Sie Ihr Studium um ein Semester verlängern müssen, gilt das Wort MASTERSTUDIENGÄNGE In einem Master-Studiengang erweitern und vertiefen Sie das erworbene Wissen. Konsekutive Master-Studiengänge an Fachhochschulen und Universitäten schließen direkt an einen ersten Hochschulabschluss, normalerweise einen Bachelor of Science, inhaltlich an. Ein Master-Studiengang dauert zwischen 2-4 Semestern (je nachdem ob er auf einen 6-, 7- oder 8-semestrigen BachelorStudiengang aufbaut). Insgesamt müssen für einen Masterabschluss Studienleistungen von insgesamt 300 ECTS-Punkten erbracht werden. Brückenkurse zum Erwerb fehlender Punkte oder Kenntnisse aus dem Bachelor-Studiengang werden angeboten. Im Master-Studium vertiefen Sie Kenntnisse und Kompetenzen in einem Teilgebiet der Chemie oder einem anderen Fachgebiet und ermöglichen so selbständiges wissenschaftliches Arbeiten. An Fachhochschulen werden Masterstudiengänge mit verschieden Ausrichtungen angeboten, wie z.B. im Bereich Polymer- oder Materialwissenschaften, Umweltschutz, Analytik, technischer Chemie oder branchenspezifischen Wirtschaftskenntnissen. Der Praxisbezug wird durch Projektpraktika, die auch im Ausland absolviert werden können, und die abschließende bis zu sechsmonatige Masterarbeit erreicht. Die Masterarbeit ist meist eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit, die an der Hochschule oder in einem Unternehmen durchgeführt wird. Damit werden Sie darauf vorbereitet, eine Aufgabenstellung in einer vorgegebenen Frist nach wissenschaftlichen Methoden selbständig zu bearbeiten. © TUB – Ulrich Dahl 30 Mit dem Masterabschluss haben Sie die Möglichkeit, eine verantwortungsvolle Aufgabe wie die eines Laborleiters zu übernehmen oder ein Promotionsstudium im In- und Ausland aufzunehmen. STUDIUM CHEMIE AN FACHHOCHSCHULEN BERUFLICHE PERSPEKTIVEN: CHEMIKERINNEN UND CHEMIKERN STEHEN VIELE TÜREN OFFEN © KaYann – Fotolia.com Einige Master-Studiengänge werden teilweise oder ganz in englischer Sprache angeboten. Diese Studiengänge werden auch von internationalen Studierenden belegt und ermöglichen so einen interkulturellen Austausch und eine Verbesserung der Englischkenntnisse. Außerdem bieten einige Hochschulen die Möglichkeit, ein Masterstudium berufsbegleitend zu absolvieren. Dieses Studium dauert entsprechend länger, gibt aber die Möglichkeit, den Arbeitsplatz (eventuell mit verminderter Arbeitszeit pro Woche) zu behalten und damit das Studium zu finanzieren. Den Absolventen von Fachhochschul-Studiengängen bietet sich ein breites Einsatzgebiet in Bereichen, in denen chemisches Grundlagenwissen und fachpraktische Fertigkeiten gefordert sind. Je nach Interesse und Ausrichtung des Studiums reicht das Spektrum der Arbeitsfelder von der Biochemie, Biotechnologie und Pharmazie über den Umweltschutz, Lebensmitteltechnologie, entwicklungsbegleitende Produktanalytik und laufende Qualitätskontrolle bis hin zu Oberflächentechnik, Polymerwissenschaften, Lacktechnik, Marketing, Vertrieb, Projektmanagement, Ausbildung und Lehre. Bei der Stellensuche ist die enge Verzahnung von Fachhochschule und Industrie, z.B. durch Honorardozenten, von Vorteil. Da die Absolventen durch berufspraktische Semester und Abschlussarbeiten meist gute Kontakte zu Betrieben geknüpft haben, haben viele von ihnen schon vor Abschluss des Studiums einen Arbeitsvertrag in der Tasche. Laut GDCh-Statistik finden etwa 65 % der Absolventen ihre erste Anstellung in der chemischen Industrie. Die Aufgaben hier sind vielfältig. Eine Übersicht dazu finden Sie im Kapitel „Das Berufsbild des Chemikers“. VERBLEIB DER BACHELOR-ABSOLVENTEN AN FACHHOCHSCHULEN Eintritt in das Berufsleben 40 % Datenbasis: 283 Personen ohne Anstellung 8% Master Studium 52 % © GDCh 31
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