Einführung in die zivilrechtliche Methode der Fallbearbeitung

Prof. Dr. C. W. Hergenröder
WS 2015/16
Einführung in die zivilrechtliche Methode der Fallbearbeitung
Hausarbeit gem. § 5 Abs. 1 S. 1 ZwPO
Mytilene (M) betreibt in einem abgelegenen Gebirgstal eine Abfüllanlage für aus einer
dortigen Quelle sprudelndes Mineralwasser. Den einzigen Zugang in das Tal bildet eine
schmale Gemeindestraße. Das abgefüllte Wasser wird auf Lastkraftwagen des Spediteurs
Sylvester (S) verladen und mit diesen aus dem Tal zu verschiedenen Getränkegroßhändlern
gebracht. Einer der Lastwagenfahrer ist Fynnjard (F).
Da das Geschäft floriert, hat Bauunternehmerin Uyen (U) den Auftrag erhalten, den
Taleingang zu verbreitern, damit die bisher einspurig verlaufende Straße später zweispurig
ausgebaut werden kann. Die Arbeiten schreiten zügig voran.
In den Mittagsstunden kommt täglich Bäcker Byron (B) mit seinem Lieferwagen in das Tal.
Er verkauft der Belegschaft der M allerlei Backwaren und Snacks. Dieser Halt ist der erste auf
der Tour des B, die ihn durch verschiedene Ortschaften in der Nähe führt, in denen er
ebenfalls Waren aus seinem fahrenden Ladengeschäft verkauft.
In einer dieser Ortschaften macht der vierzehnjährige Troy (T) mit seinen Eltern Urlaub. Nach
einem Streit mit den Eltern, in dessen Verlauf er auf sein Hotelzimmer verwiesen wurde,
beschließt T, eine längere Wanderung im Gebirge zu unternehmen. Er stiehlt sich ohne das
Wissen seiner Eltern aus der Unterkunft. Zur Mittagszeit stößt er auf den Taleingang und
erblickt die Baustelle. Niemand ist anwesend, die Arbeiter machen Mittagspause. T sieht, dass
ein
schwerer
Bagger
unverschlossen und
fahrbereit
weiterer
Verwendung harrt.
Schnellentschlossen nutzt er die Gelegenheit, startet den Motor und beginnt eine Spritzfahrt.
Nachdem T freilich keinerlei Kenntnisse darin hat, wie ein solches Fahrzeug zu handhaben
ist, kommt es, wie es kommen muss: T löst mit dem Bagger eine Gerölllawine aus. Er kann
sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor der Bagger durch Felsbrocken völlig zerstört
wird. Darüber hinaus wird der Taleingang dabei vollständig verschüttet.
I
Im Tal bleiben mehrere Arbeiter der M, B mit seinem Lieferwagen sowie F mit seinem Lkw
zurück. Ein weiterer Lastwagen des S kann die Abfüllanlage nicht wie geplant anfahren und
muss unverrichteter Dinge umkehren. Wegen schlechter Witterung ist es in den folgenden
Tagen weder möglich, den verschütteten Taleingang freizulegen noch die Zurückgebliebenen
aus der Luft bzw. anderweitig zu versorgen.
B, der als einziger der Eingeschlossenen über nennenswerte Lebensmittelvorräte und
entsprechende Frischhaltemöglichkeiten verfügt, beschließt, die Situation zu nutzen, um seine
Rendite zu steigern. Ab sofort verlangt er für einen Laib Brot nicht mehr den marktüblichen
Preis in Höhe von 3 €, sondern 50 €. Die Arbeiter und F denken zunächst nicht daran, solche
Preise zu zahlen. Nach drei Tagen ist der Hunger aber so groß, dass B tatsächlich zu dem
erhofften Geschäft kommt. F gibt B einen 50 €-Schein und verzehrt das erstandene Brot.
Nach einer Wetterbesserung kann der Taleingang später freigelegt werden. Alle
Eingeschlossenen können das Tal unbeschadet Schäden verlassen.
I.
F möchte nun den 50 €-Schein, den B noch in seiner Kasse - in der sich ansonsten nur
Münzgeld befindet - verwahrt, zurückbekommen.
Hat F gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des 50 €-Scheins?
Hinweis: Auf eventuell bestehende Gegenansprüche des B ist nicht einzugehen.
II.
Da kein Mineralwasser ausgeliefert werden konnte, erleiden M und S Gewinneinbußen. U
wiederum möchte sich wegen ihres Baggers schadlos halten.
Haben M, S und U Ansprüche gegen T bzw. dessen Eltern?
Hinweis: Eventuelle Versicherungsleistungen sind außer Betracht zu lassen.
II
III.
In der Region wird die von der Journalistin Jytte (J) verfasste und herausgegebene Postille
„Berg und Tal“ viel gelesen. J wittert ihre Chance, überregional bekannt zu werden, als sie
von den Geschehnissen erfährt. Sie schreibt einen Artikel mit dem Titel „Hungertod im
Gebirge“. Bei der Schilderung des Vorfalls geht sie besonders auf die Rolle des B ein. J
schreibt unter anderem:
„Nur ein einziger der Eingeschlossenen dürfte sich über seine Situation gefreut haben. Bäcker
B, der bei Abgang der Gerölllawine gerade belegte Brötchen an die Arbeiter der
Wasserabfüllanlage verkaufte, erhöhte unter Missachtung jeglichen Anstandes den Preis für
einen Laib Brot von 3 € auf 50 €. Wer nicht reich genug war, die Gier des B zu befriedigen,
war dem Hungertod geweiht.“
B will sich das nicht gefallen lassen. Er fordert J auf, in der nächsten Ausgabe von „Berg und
Tal“ richtigzustellen, dass er niemanden zum Tode verurteilt habe, schließlich sei niemand zu
Schaden gekommen.
Hat B einen entsprechenden Anspruch gegen J? Auf presserechtliche Vorschriften ist
nicht einzugehen.
Hinweise zur Bearbeitung:
1.
In einem Gutachten sind alle aufgeworfenen Rechtsfragen – gegebenenfalls hilfsgutachtlich – zu klären.
2.
Das Gutachten (einschließlich der Fußnoten, aber ohne Deckblatt, Gliederung und
Literaturverzeichnis) darf einen Gesamtfang von 20 Seiten nicht überschreiten. Bei
Überschreitung dieser Seitenzahl ist mit Punktabzug zu rechnen.
3.
Zudem sind folgende Formatierungsvorgaben zu beachten: Schriftart Times New
Roman, Schriftgröße 12, 1,5-facher Zeilenabstand, normaler Zeichenabstand, Seitenränder: links mindestens 7 cm, rechts, oben und unten jeweils mindestens 1 cm;
III
Fußnoten:
Schriftgröße
10
bei
einfachem
Zeilenabstand
und
normalem
Zeichenabstand. Abweichungen von diesen Vorgaben führen zu Punktabzug.
4.
Dem Gutachten ist der Sachverhalt, ein Literaturverzeichnis sowie eine Gliederung
voranzustellen. Die Arbeit ist mit einem Deckblatt zu versehen, auf dem Name und
Matrikelnummer sowie Semesterzahl (bezogen auf das Wintersemester 2015/16)
anzugeben sind.
5.
Die Hausarbeit muss in Papierform spätestens am 18.04.2016 um 12:00 Uhr beim
Pedell des FB 03 eingegangen sein. Auch beim postalischen Versand ist der Zeitpunkt
des Zugangs und nicht das Datum des Poststempels maßgeblich. Verspätet eingehende
Arbeiten werden nicht bewertet.
6.
Die Hausarbeit ist zusätzlich in elektronischer Form einzureichen. Dies dient dem
elektronischen Textvergleich zur Aufdeckung von Plagiaten. Zu diesem Zweck ist
eine PDF-Datei zu erstellen, die ausschließlich das Gutachten (also ohne Deckblatt,
Sachverhalt, Literaturverzeichnis und Gliederung) enthält. Diese ist nach folgendem
Muster zu benennen: „KleineHAWS15-Nachname-Vorname-Matrikelnummer.pdf“.
Die Datei ist per E-Mail an die Adresse [email protected] zu senden. Auch die EMail muss die Frist, die unter 5. genannt wurde, wahren. Arbeiten, die nicht oder nicht
fristgerecht in elektronischer Form eingereicht werden, werden nicht korrigiert.
7.
Etwaige Rückfragen organisatorischer Art sind an [email protected] zu
richten.
Fragen, die sich auf die Lösung des Falles beziehen, werden selbstverständlich nicht
beantwortet!
Viel Erfolg!
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