PDF-Version - Helmut Hofmann GmbH

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Im Anlauf
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ernter“ verschrieenen Selbstlader zu einer Gesellschaftsjagd traute, ebneten Modelle wie die
HK SLB 2000, Merkel SR1 und Sauer S 303 hier
inzwischen den Semiautos den Weg. Sicher hat
auch das Renommee der beiden letztgenannten
Hersteller unter den Hubertusjüngern dazu beigetragen, dass die jagdlichen Selbstlader in
deutschen Revieren an Boden gewonnen haben.
Ganz anders sieht es da aber vielerorts noch mit
Gewehren auf AR-Basis aus. Hier hilft es auch
Fotos: Michael Schippers, VISIER-Archiv, Firmenfotos
on „Anlauf“ spricht der Waidmann, wenn
sich das Wild bei Drückjagden seinem
Stand nähert, wenn es also auf ihn zukommt. Seit ein paar Jahren bewegt sich aber
noch etwas ganz anderes auf den deutschen Jägersmann zu – klar, die Rede ist hier von halbautomatischen Büchsen. Diese finden insbesondere bei der oben angesprochenen Form der
Treibjagd immer mehr Liebhaber. Während sich
vor gerade mal einer Dekade noch kaum ein Jäger mit einem der als nicht waidgerechten „Voll-
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Ebenso wenig zieht das Argument der
mangelnden Waidgerechtigkeit. Befasst
man sich näher mit diesem ethisch begründeten und sich ständig weiterentwickelnden Begriff, merkt man schnell,
dass damit ein bestimmter Waffentyp
gar nicht gefasst werden kann.
Hübsch garniert mausert sich ein Black Rifle schnell zu einem attraktiven Hingucker.
Hier der „Eigenbau“ eines US-Jägers mit Teilen von Umlaut, Troy, Kings Armory, Magpul, Noveske, Rock River Arms und Daniel Defense in .50 Beowulf für wehrhaftes Wild.
nichts, wenn diese in den bei Repetierern inzwischen im Trend liegenden
jagdlichen Tarnmustern auftreten. Nach
wie vor ist es die Regel, dass derjenige,
der mit einem AR bei einer Gesellschaftsjagd auftaucht, des Feldes verwiesen wird – meist unter dem Vorwand
„Kriegswaffen haben hier nichts verloren“
oder „So was ist doch nicht waidgerecht“.
Dabei spricht das erste Argument nicht
gerade für die waffenrechtlichen Kenntnisse des Proklamierenden: Mit einer
Kriegswaffe taucht sicher keiner bei einer Jagd auf, die sind nämlich in Deutschland verboten. Dagegen bringen die
meisten der von den hier opponierenden
Traditionalisten so hochgelobten und
„bewährten“ 98er Systeme echte
Kriegserfahrung mit. Sie stammen oft
aus Waffen, die zumindest in einem der
beiden Weltkriege geführt wurden. Davon gab es freilich nach den Kriegen so
viele, dass Büchsenmacher sie als günstige Systemlieferanten für Jagdgewehre
verwerteten. Und das reichlich.
Denn bei dem gern zitierten Begriff der
Waidgerechtigkeit geht es in erster Linie darum, so zu jagen, dass dem Tier
möglichst unnötige Schmerzen erspart
werden. Und das ist sicher keine Sache
der äußeren Erscheinung, sondern der
ballistischen Eigenschaften, die eine
Waffe respektive die daraus zu verschießende Munition mitbringen. Zumal der
Gesetzgeber diese ballistischen Anforderungen an das Kaliber (je nach Wildart) eindeutig definiert hat. Demnach
bringt eine .223 Remington bei entsprechender Laufl änge sicher die für Rehwild vorgeschriebenen 1000 Joule Geschossenergie auf 100 Meter Entfernung.
Und eine .308 Winchester mit gutem
Jagdgeschoss aus einem AR-10 reicht allemal für die Jagd auf alles übrige bei
uns vorkommende Schalenwild.
Es ist demnach vielmehr eine Frage des
für manche zu martialisch wirkenden
Aussehens der AR-Klone, die den deutschen Waidmann unter den genannten
Vorwänden Abstand von diesen Waffen
Ein AR-Look-alike wie das Remington VTR 597 provoziert bei so manchem deutschen
Jäger starke Aversionen und Zweifel an der „Waidgerechtigkeit“. Dagegen haben
Waffen in der Optik des VTR 597 Blaze Camo im selben Kaliber sich längst in diesen
Kreisen etabliert. Dabei operiert in beiden „Schonzeitbüchsen“ das gleiche System.
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nehmen lässt. Die praktischen Vorteile,
die solche Büchsen mitbringen, fallen
dabei schnell unter den Tisch: Welche
andere Waffenplattform bietet diese
Möglichkeiten der individuellen Anpassung an den Schützen? Die können sich
ansonsten nur betuchte Jäger leisten –
etwa in Form von Maßschäften. Vom
schier unüberschaubaren Angebot an
Anbauteilen wie Zweibeinen, Griffen,
Klappvisieren oder Tuningteilen fürs
System gar nicht zu sprechen.
Das alles könnte die AR-Familie im
Selbstlader-Bereich zu dem machen,
was das 98er System hierzulande noch
immer für das Jagdrepetierersegment
ist: Ein Systemlieferant, den findige und
in diesem Fall auch willige Büchsenmacher als Basis für moderne Jagdselbstlader begreifen und nutzen. Hier
sind gegebenfalls auch Pioniere gefragt, die sich – wie etwa Hauck & Weber
im Bereich der Unterhebelrepetierer –
Die neue Mossberg MMR Hunter – in .223 Remington oder .308 Winchester zu haben –
hat in den Staaten bereits das ein oder andere Jägerherz erobert. In Deutschland
wartet die Selbstladebüchse, die auch in Wald- oder Schilftarnoptik offeriert wird,
noch auf das „Go“ vom Bundeskriminalamt, sprich: den BKA-Feststellungsbescheid.
mit dem Thema einer „traditionelleren“,
auf die deutsche Jägerklientel abgestimmten Schäftung befassen. Das Interesse dafür ist bei der Kundschaft vorhanden, wie die bereits im Artikel „Alles
von hier“ (ab Seite 40) genannten Verkaufsquoten von bis zu 30 Prozent der in
Deutschland verkauften AR-Gewehre an
Jagdscheininhaber belegen. Ein Teil der
hiesigen Jägerschaft ist also bereits von
dem AR-Faible befallen. Jetzt gilt es für
die Branche, neben diesem wohl eher
technikaffinen Kundenkreis auch die
traditionelleren Waidmänner anzuspre-
Die Remington-Modelle R-15 und R-25 (o.) zählten zu den ersten, im Waldtarnmuster über den Atlantik gereisten Modellen auf
AR-Basis für den deutschen Markt. In den USA bietet der Hersteller die R-15 inzwischen in neun verschiedenen Ausführungen und
Kalibern von .223 Rem. bis .450 Bushmaster an. Das R-25 gibt´s in .243 und .308 Win., 7 mm-08 Rem, aber nur in einer Ausführung.
Thanks US-Army Special Force for cooperation!
Weinstraße 1 · D-71384 Weinstadt
E-Mail: [email protected] - www.waffenstahl.de
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Immer für einen Fuchs gut: Das DAR-15
M 5 Advanced (hier mit Aimpoint Comp
M 4S) wurde zwar für den Schießstand
konzipiert, schlägt sich aber nicht nur
wegen seines Lothar-Walther-Laufes
auch gut als Varminter im Revier.
sollte man solche Innovationen zumindest ernsthaft mit ins Kalkül ziehen.
Denn alles andere ist nicht waidgerecht
und schon gar nicht, wenn es dabei wohl
in erster Linie um Äußerlichkeiten geht.
chen und zu überzeugen. Denn zur Waidgerechtigkeit gehört auch, sich neuer
Techniken zu bedienen, die es erleichtern, der Verpflichtung zur Hege nachzukommen. Und zu solchen Neuerungen
gehören neben den derzeit ebenfalls
heiß diskutierten Schalldämpfern und
Nachtsichtzielgeräten nun einmal auch
neue, erschwingliche und vor allem zuverlässige Halbautomaten. Angesichts
ausufernder Schwarzwildbestände mit
Reproduktionsraten von bis zu 300 %
AR International IV
Tschechische Republik
Der Prager Ingenieur Pavel Vosatka produziert eine ganze
Reihe AR-Varianten. Dabei kombiniert er das KalaschnikowGas-System mit dem AR zum „V-AR“ (www.v-ar.cz). ProArms
CZ fertigte einige Zeit lang hochwertige ARs basierend auf
Gehäusen von Dlask, Imperial Defence oder Oberland Arms.
Seit 2013 produziert ProArms mit dem „PAR Mk3“ eine eigene Serie von Piston-ARs. Die Waffen werden in Deutschland
von Helmut Hofmann vertrieben. (www.proarms.cz / www.
helmuthofmann.de)
Türkei
Aus dem Land am Bosporus stammt eine ganze Reihe von ARs
verschiedener Hersteller. Einer davon ist Safariarms Co. Ltd.
Der Hersteller aus Istanbul fertigt vier Flinten im AR-Design
im Kaliber .410 Bore. Sie lehnen sich an das M 16 A1 (Classic und Classic-S mit Schubschaft) und das T-14 (Compact
und Compact-S) an. Die Firma bietet auch Wechsel-Upper
an (www.safariarms.com/eng.html). Weitere Schrot-ARs
werden bei der Firma Akdalarms gefertigt. Das ebenfalls in
Istanbul beheimatete Unternehmen produziert die Selbstladeflinte MKA 1919 (siehe dazu VISIER 7/2013) im Kaliber 12
(www.akdalarms.com).
Vereinigtes Königreich
Auch wenn die Briten aufgrund ihres strengen Waffengesetzes nur über einen sehr überschaubaren einheimischen
Markt verfügen, gibt es doch eine ganze Reihe von ARs made
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Wie kommentierte doch jüngst ein gestandener Waidmann mit an die 40 gelösten Jahresjagdscheinen das im vom
Verfasser vorgeführte AR-15-Derivat:
„Schön ist es nicht gerade, aber der Bock
sieht´s ja nicht – dem ist es sicher auch
AW
egal, was da auf ihn schießt.“ in the UK. Imperial Defence Services Ltd. fertigt das M 16 A3,
MG 4 A5 (M 4-Klon) und das MG 4 A6 (PDW) für Zivilanwender,
Militär und Polizeien weltweit. Daneben verkauft der Hersteller auch Receiver und andere Teile von Fremdherstellern
(www.imperialdefence.co.uk). Die „Southern Gun Company“ hat sich den britischen Gegebenheiten angepasst und
fertigt ARs für den Binnenmarkt als Gradzugrepetierer mit
Ladehebel auf der rechten Seite des Verschlussträgers. Die
Waffen sind auf den britischen Inseln sehr beliebt, mehr
als 1000 Stück verließen bereits die Werkhallen (www.sou
thern-gun.co.uk). An betuchtere Kunden richten sich die
ARs von Bradley Arms of London. Der Hersteller fertigt Waffen und Teile für den heimischen Markt (www.bradleyarms.
com). Ein weiterer Hersteller von Gradzug-ARs ist Target
Shooting Services (TSS). Im Gegensatz zu den Gewehren
der Southern Gun Company lädt man die ARs von TSS wie gewohnt über den AR-Ladegriff. TSS verkauft seine Produkte
über die britische Webseite www.ar15.co.uk.
Volksrepublik China
Norinco (China North Industries Corperation) produzierte
und exportierte viele Jahre lang Kopien des M 16 A1 unter
dem Namen CQ. Das Pekinger Unternehmen verkaufte auch
entsprechende Produktionsanlagen. Bevor die USA 1993
den Import von chinesischen Waffen untersagten, verkaufte
Norinco sein halbautomatisches Modell 311 in die Staaten.
Diese Gewehre konnten zwar nur mit einem mittelmäßigen
Finish aufwarten, galten aber als sehr zuverlässig und präzise. Heute exportiert Norinco immer noch halbautomatische
ARs nach Kanada (www.norinco.com.cn).
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