Andrologische Untersuchung beim Rüden

FORTPFLANZUNG
Andrologische Untersuchung beim Rüden –
gar nicht so schwer
Sandra Goericke-Pesch
In Kürze
Der Artikel fasst die Indikationen sowie die
Durchführung der andrologischen Untersuchung einschließlich anatomischer Grundlagen
zusammen und stellt die häufigsten andrologischen Erkrankungen kurz dar.
Einleitung
Eine andrologische Untersuchung einschließlich der Kontrolle der Spermaqualität eines Zuchtrüden kann von jedem
Tierarzt durchgeführt werden. Um nichts
zu vergessen, ist es zweckmäßig, sich
eine bestimmte Reihenfolge anzugewöhnen und diese einzuhalten. Nur dann ist
eine korrekte Diagnosestellung möglich.
Andrologische Untersuchung
Warum überhaupt?
Andrologische Patienten in der Praxis sind mehr als “nur” Rüden – oder
Kater –, die zur Kastration vorgestellt
werden. Es können auch Zuchtrüden zur
andrologischen Untersuchung einschließlich der Kontrolle der Spermaqualität sein,
kryptorche oder ältere Rüden mit Prostataproblemen oder Hodenveränderungen.
Prinzipiell lohnt es sich, bei jedem intakten Rüden unabhängig vom Alter, eine
kurze andrologische Kontrolle im Rahmen der Untersuchung durchzuführen, da
so auch frühzeitig Erkrankungen diagnostiziert werden können, die dem Besitzer
erst später auffallen würden (z. B. Hodentumoren, Benigne Prostatahyperplasie).
Wie?
Anamnese und Signalement
Grundlage der andrologischen Untersuchung ist ein ausführlicher Vorbericht, der sich nach dem primären
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Vorstellungsgrund richtet. So sind zunächst neben dem eigentlichen Vorstellungsgrund auch die klinischen Symptome und die Dauer der Erkrankung/
des Problems zu erfragen. In jedem Fall
sollten Harn- und Kotabsatz erfragt
werden – auch bei Rüden, die nicht
ursächlich deshalb vorgestellt werden.
Grund hierfür ist, dass vielen Hundebesitzern nicht klar ist, dass z. B. Erkrankungen der Prostata im Gegensatz zum
Menschen häufig mit Kotabsatzproblemen – und nicht Harnabsatzstörungen – assoziiert sind. Der Grund dafür
liegt darin, dass das Prostatawachstum
beim Hund in der Regel eher zentrifugal (nach außen gerichtet) als zentripetal erfolgt und es so häufiger zu einer
Kompression des über der Prostata liegenden Rektums als der in der Prostata
lokalisierten Urethra kommt. Ebenso
ist nach Blutträufeln aus dem Penis zu
fragen. Bei Zuchtrüden sind die Libido, Trächtigkeitsraten im Allgemeinen
und die aus den letzten Deckakten resultierenden Trächtigkeitsraten sowie
die entsprechenden Wurfgrößen zu dokumentieren. Voruntersuchungen – insbesondere bei Spermauntersuchungen
– und deren Befunde sind anamnestisch
zu erfassen. Auf jeden Fall zu dokumentieren ist auch eine etwaige Vorbehandlung durch Besitzer, Heilpraktiker
oder andere Tierärzte. Der Anamnese
folgt eine sorgfältige Dokumentation
des Signalements, da die eindeutige
Zuordnung der Befunde zum entsprechenden Tier gerade bei der Befundung
von Ejakulaten essentiell ist.
Allgemeine Untersuchung
Ziel der allgemeinen Untersuchung ist
es, den allgemeinen Gesundheitsstatus
des Hundes zu erfassen. Insofern unterscheidet sich diese nicht von einer allgemeinen klinischen Untersuchung, wie sie
z. B. im Rahmen einer Impfung durchgeführt wird. Neben den klassischen Vitalparametern, die erhoben werden – Puls,
Atmung und Temperatur –, sind auch
Auskultation von Herz und Lunge, die
Palpation der Lymphknoten und die Beurteilung der Schleimhäute sinnvoll. Insbesondere bei Deckrüden ist jedoch auch
die Beurteilung des Bewegungsapparates im Stand und in der Bewegung von
besonderer Bedeutung. So können sich
z. B. bei Betreten des Behandlungsraums
schon eindeutige Hinweise auf eine
Lahmheit ergeben, die eine potentielle,
vorübergehende “Deckunlust” bzw. ein
Unvermögen, den Deckakt auszuführen,
erklären können.
Andrologische Untersuchung
Bei der speziellen andrologischen Untersuchung (Tab. 1) wird jeder Abschnitt
des männlichen Geschlechtsapparates –
beginnend vom Skrotum bis zur Prostata
– zunächst adspektorisch und dann palpatorisch untersucht. Es ist zweckmäßig,
sich eine bestimmte Reihenfolge anzugewöhnen, in der der Untersuchungsgang
immer durchgeführt wird, um nichts zu
vergessen.
Am Skrotum werden Lage, Größe, Symmetrie, Verschieblichkeit und Dicke der
Hodenhüllen beurteilt. Außerdem wird
auf Verletzungen, Auflagerungen und
Kardinalsymptome einer Entzündung
geachtet. Beim Hoden und Nebenhoden werden Größe, Symmetrie, Konsistenz und eventuelle Entzündungsanzeichen kontrolliert. Das Vorhandensein
palpatorisch nachweisbarer Zubildungen wird ebenfalls berücksichtigt. Bei
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Organ
Beurteilungskriterien
Physiologische Befunde
Skrotum
Lage
Größe
Symmetrie
Verschieblichkeit
Verletzungen
Auflagerungen
Dicke der Hodenhüllen
Entzündungsanzeichen
Zwischenschenkelspalt
größenabhängig
(weitgehend) vorhanden
vorhanden
keine
keine
dünn
keine
Hoden
Größe
Konsistenz
Symmetrie
Entzündungsanzeichen
Zubildungen
größenabhängig
prall-elastisch
(weitgehend) vorhanden
keine
keine
Nebenhoden
Größe
Konsistenz
Entzündungsanzeichen
Zubildungen
größenabhängig
prall bis fest
keine
keine
Samenstrang
Größe
Konsistenz
Entzündungsanzeichen
Zubildungen
größenabhängig
weich
keine
keine
Präputium
Ausfluss
Entzündungsanzeichen
Verletzungen
Auflagerungen
Zubildungen
kein (bis mittelgradig)
keine
keine
keine
keine
Penis
Ausfluss
Entzündungsanzeichen
Verletzungen
Auflagerungen
Zubildungen
kein
keine
keine
keine
keine
Prostata
Größe
Oberflächenbeschaffenheit
Konsistenz
Schmerzhaftigkeit
größenabhängig
homogen
fest
keine
Tabelle 1: Organe des männlichen Geschlechtsapparates, die bei der andrologischen Untersuchung beurteilt werden, Beurteilungskriterien und physiologische Befunde
der Untersuchung der Samenstränge
werden weitgehend dieselben Kriterien
wie am Hoden erfasst. Präputium und
Penis werden auf Ausfluss, Entzündungsanzeichen einschließlich Rötung, Verletzungen, Auflagerungen und eventuell
vorhandene Zubildungen untersucht.
Zuletzt erfolgt die digitale Untersuchung
der Prostata. Wenngleich Besitzer,
manchem Tierarzt und einigen Hunden unangenehm, sollte auf die digitale
Befundung der Prostata in keinem Fall
verzichtet werden – oder nur, wenn eine
weiterführende sonographische Untersuchung geplant ist. An der Prostata werden
Größe, Oberflächenbeschaffenheit und
Konsistenz beurteilt. Besondere Berücksichtigung verdient eventuell vorhandene
Schmerzhaftigkeit. Die Schmerzhaftigkeit ist der einzige, aber wichtige Para-
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meter, der ausschließlich über die digitale
Palpation erhoben werden kann. Sofern
sich die Prostata aufgrund zunehmender
Größe im Alter bzw. Größe des Tieres der
digitalen rektalen Palpation entzieht, hat
es sich bewährt, sie mit der anderen Hand
durch Druck auf das kaudale Abdomen
Richtung Becken zu schieben. Alternativ
können die Vordergliedmaßen des Rüden
erhöht positioniert werden. Durch diese
Lage schieben sich im kaudalen Abdomen gelegene Organe wie die Prostata
ins Becken und werden so der Palpation
zugänglich.
Anatomische Grundlagen
Der Hodensack des Rüden liegt im Zwischenschenkelspalt und ist insbesondere
bei kurzhaarigen Rassen gut von kaudal
sichtbar. Im Gegensatz zum Wolf ist das
Skrotum beim Hund häufig nur spärlich
behaart, die Haut ist dünn. Im Rahmen
von Entzündungen des Skrotums kommt
es häufig zu einer hochgradigen Verdickung der Haut mit allen klassischen
Entzündungsanzeichen, was sekundär
durch Belecken noch verstärkt wird.
Entsprechend langwierig kann die Heilung sein. Der Hoden ist in etwa kugelig
und vom Processus vaginalis umgeben
(Abb. 1A). Die Extremitas capitata liegt
kranioventral, während die Extremitas
caudata nach kaudodorsal gerichtet ist
(Abb. 1B). Der Hoden hat zwei essentielle Funktionen: Steroidogenese (hier
denkt man insbesondere an die Testosteronproduktion) und Spermatogenese.
Die Spermatogenese findet in den Tubuli
seminiferi contorti statt. Diese münden
in das Rete bzw. Mediastinum testis,
welches beim Hund mittig im Hodenparenchym vom kranialen zum kaudalen
Pol verläuft (Abb. 1C) und sich sonographisch im Längsschnitt als weiße Linie
(Abb. 1D), im Querschnitt als weißer
Punkt darstellt (Abb. 1E). Die Größe der
Hoden ist gewichtsabhängig (Tab. 2).
Der Nebenhoden liegt dem Hoden dorsolateral auf und besteht aus einem kranial liegenden Nebenhodenkopf und
dem kaudal liegenden, ca. erbsen- bis
kirschgroßen Nebenhodenschwanz, welcher als Spermienspeicher fungiert. Die
Verbindung zwischen Caput und Cauda epididymidis stellt der Nebenhodenkörper dar. Der Nebenhodenschwanz
ist mit dem Hoden durch das Ligamentum testis proprium und mit dem Proc.
vaginalis durch das Ligamentum caudae
epididymidis verbunden und geht in den
Ductus deferens, den Samenleiter, über.
Der Ductus deferens zieht medial vom
Nebenhodenschwanz nach kranial zum
kegelförmigen Gefäßteil des Samenstrangs (Abb. 1B). Der Ductus deferens
verläuft mit der Arteria und Vena testicularis im Samenstrang; die Vena testicularis bildet den sogenannten Plexus
pampiniformis, ein Venengeflecht.
Der Penis des Rüden liegt im Präputium
und ist vom Zwischenschenkelspalt Richtung Nabel gerichtet. Der nabelwärts auslaufende Teil des Präputiums ist allseitig
freihängend. Die Präputialöffnung ist
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Abb. 1: Anatomie von Hoden, Nebenhoden und Samenstrang.
1A: Hoden, Nebenhoden und Samenstrang im Processus vaginalis; 1B: Dieselben Strukturen nach Eröffnung und
Abpräparieren des Processus vaginalis; 1C: Hoden (makroskopisch) im Längsschnitt; Hoden (sonographisch) im
1D: Längsschnitt bzw. 1E: Querschnitt.
1: Hoden (a. Extremitas capitata, b. Extremitas caudata), 2: Nebenhodenkopf, 3: Nebenhodenschwanz,
4: Samenstrang, 5: Plexus pampiniformis, 6: Ductus deferens, 7: Ligamentum caudae epididymidis, 8: Processus
vaginalis, 9: Mediastinum/Rete testis
relativ eng. Wenn die Präputialöffnung
zu eng ist und der Rüde deshalb nicht
ausschachten kann, liegt eine Phimose vor. Ist das Vorlagern des Penis z. B.
unter sexueller Stimulation problemlos
möglich, aber der ausgeschachtete Penis
kann im Anschluss nicht ins Präputium
zurückverlagert werden, spricht man von
einer Paraphimose.
Der Penis besteht aus dem Corpus mit
eigenen Schwellkörpern, den Corpora
cavernosa, dem Corpus spongiosum und
der Glans penis. Nur die Glans penis ist
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der adspektorischen Untersuchung zugänglich. Sie besteht aus zwei Abschnitten, die dem Penisknochen aufsitzen:
die Pars longa glandis und dem Bulbus
glandis (Abb. 2). Das Corpus spongiosum glandis besteht aus einem dichten
Venengeflecht und steht mit den Harnröhrenschwellkörpern in Verbindung.
Bei einer Erektion kommt es zu einer
deutlichen Umfangszunahme des Penis,
v. a. im Bereich der Glans penis. Typisch
für den Hund ist der Penisknochen, Os
penis, im distalen Teil des Penis, wel-
cher als verknöcherter Anteil der Corpora cavernosa zu verstehen und fest mit
diesen verbunden ist. Distal im Os penis
verläuft im Sulcus urethralis die Harnröhre mit ihrem Schwellkörper. In seltenen Fällen kann es auch zu einer Fraktur
des Penisknochens kommen, z. B. wenn
die Hündin sich während des Deckakts
hinsetzt. Die klinischen Symptome sind
variabel und reichen vom klinisch unauffälligen bis zum dysurischen Patienten.
Alte ausgeheilte Frakturen können mit
dem Unvermögen zu einer vollständigen
Erektion und damit der Durchführung eines korrekten Deckaktes assoziiert sein.
Bei einer Erektion kommt es vornehmlich zu einer Versteifung weniger zu einer
Verlängerung des Penis, insbesondere im
proximalen Anteil des Corpus cavernosum. Demnach ist für das intravaginale
Einführen des Penis ein gleichzeitiges
Zurückstreifen des Präputiums essentiell.
Im Bereich des Bulbus glandis kommt es
zudem bei Erektion aufgrund der zahlreichen kavernösen Räume und der Elastizität des Bindegewebsgerüsts zu einer
deutlichen Schwellung, die während der
Kopulation das Hängen bedingt. Eine
physiologische Erektion ist von einem
Priapismus, d. h. einer primär nicht sexuell bedingten Dauererektion, abzugrenzen. Im Gegensatz zu einer Paraphimose,
bei der es bedingt durch die Erektion des
Penis und einer zu engen Präputialöffnung zu einer (weiteren) Konstriktion des
Penis kommt, ist der Priapismus ein alleiniges peniles Problem, das Präputium ist
nicht beteiligt und oft beweglich.
Die einzige makroskopisch sichtbare akzessorische Geschlechtsdrüse des Hundes ist die Prostata. Die kugelige Drüse
besteht beim Hund aus einem rechten
und linken Lappen, die die Harnröhre beidseitig umfassen. Sie ist derb und
je nach Alter und Größe des Rüden am
Beckenboden rektal digital zu palpieren.
Die Pars disseminata besteht aus vereinzelten Drüsenläppchen in der Urethrawand.
Weiterführende Diagnostik
Im Rahmen der andrologischen Untersuchung auffällige Befunde können
durch weiterführende Untersuchungen
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abgeklärt werden. Hier ist insbesondere der Ultraschall zu nennen. Er kann
z. B. bei Hodentumoren, Kryptorchismus
und auch Benigner Prostatahyperplasie
(BPH) oder Prostatazysten eine frühzeitige Diagnose ermöglichen. Röntgen
ist besonders bei der Abklärung von
Prostatakarzinomen und Suche nach
Metastasen hilfreich. Labordiagnostische
Blut- oder Harnuntersuchungen sind
geeignet, Anzeichen einer akuten, bzw.
chronischen Entzündung nachzuweisen:
Leukozytose, Leukozyten im Urin – z. B.
bei Prostatitis. Bei Erkrankungen der
Prostata stehen Biopsien, Feinnadelaspiration und/oder Aspirationszytologien
zur Differenzierung zwischen BPH, Prostatitis und Prostatakarzinom zur Verfügung. Bei Deckrüden mit Fertilitätsproblemen oder vor dem ersten Deckeinsatz
ist eine Spermauntersuchung unerlässlich.
Bedeutsame andrologische
Erkrankungen
Kryptorchismus
Unter Kryptorchismus wird der fehlende Abstieg eines oder beider Hoden
verstanden. Die Diagnose sollte frühestens im Alter von sechs Monaten gestellt
werden, da der Hodenabstieg auch verzögert erfolgen kann. Erst mit ca. sechs
Monaten verschließt bzw. verengt sich
der Inguinalspalt, was einen späteren
Abstieg unwahrscheinlich bis unmöglich
macht. Physiologischerweise erfolgt der
Hodenabstieg beim Welpen postnatal
(p. n.) und sollte mit Erreichen der Hoden
des Skrotums zwischen dem 35. – 40.
Tag (spätestens Tag 42) p. n. abgeschlossen sein. Jeder spätere Descensus testis
ist als verzögerter Hodenabstieg anzusehen. Generell ist der Descensus testis
ein multifaktorielles Geschehen, welches
von verschiedenen Hormonen, Rezeptoren und Faktoren abhängig ist. Seine Mechanismen und die beteiligten Gene sind
immer noch nicht annähernd vollständig
aufgeklärt. Von einer erblichen Komponente wird jedoch generell ausgegangen.
Je nach Rasse sind ein oder mehrere
Gene beteiligt.
Erreichen der oder die Hoden ihr Ziel im
Skrotum nicht, spricht man von Kryptor-
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≤10 kg
11 – 20 kg
21 – 40 kg
41 – 60 kg
> 60 kg
Länge
(min.)
2,5
(2,0)
3,5
(2,8)
3,8
(3,0)
4,3
(3,4)
4,5
(3,6)
Breite
(min.)
1,8
(1,4)
2,4
(1,9)
2,7
(2,2)
3,1
(2,5)
3,1
(2,5)
Tabelle 2: Richtwerte und noch tolerierbare Grenzwerte (min.) der Hodengröße (in cm) in Abhängigkeit vom
Körpergewicht des Rüden (nach Günzel-Apel et al., 1994)
chismus. Unterschieden werden ein- und
beidseitiger Kryptorchismus. Monorchidie und Anorchidie stellen zwar mögliche Differenzialdiagnosen dar, sind aber
klinisch nahezu unbedeutend. Von der
Position werden inguinale, in der Leiste
gelegene, abdominale, im Bauchraum
gelegene, und ektope Hoden (extra-abdominal, extra-skrotal, z. B. suprafaszial)
Lagen unterschieden. Unter Gleithoden
werden Hoden verstanden, die sich unter
leichtem Druck in das Skrotum verlagern
lassen, dann aber sofort wieder in den
Leistenkanal gleiten. Im Gegensatz dazu
befinden sich Pendel- oder Wanderhoden
abwechselnd in der Leiste oder im Skrotum.
Während die klassische Therapie einen
Zuchtausschluss und die (ein- oder beidseitige) Kastration darstellt, kann eine
Orchidopexie (chirurgische Fixation des/
der kryptorchen Hoden) idealerweise mit
beidseitiger Vasektomie (zur Erzielung
einer Sterilität) eine Alternative darstellen.
Abb. 2: Erigierter, aus dem Präputium vorgelagerter
Penis eines Beagle-Rüden. Sichtbar ist immer ausschließlich die Glans penis: 1: Pars longa glandis,
2: Bulbus glandis, 3: Urethramündung an der Penisspitze.
Hodentumoren
Hodentumoren sind beim Hund die
zweithäufigsten Tumoren und kommen
mit einer Inzidenz von ca. 4,6 % in der
Population vor. Die häufigsten Tumoren
sind Seminome, Sertolizell- (SZT) und
Leydigzelltumoren (LZT). Insbesondere Kryptorchismus prädisponiert für die
Entstehung von Hodentumoren, meist
SZT. Da Hodentumoren häufig bilateral
und bei älteren Rüden vorkommen, ist die
Therapie der Wahl die beidseitige Kastration, wenngleich das Metastasierungsrisiko nur relativ gering ist. Problematisch sind aber östrogen-produzierende
Tumoren (meist SZT, auch Seminome,
selten LZT), die zu einer Feminisierung
des Rüden führen. Infolge der Östrogenproduktion kommt es initial zu einer
Stimulation des Knochenmarks, diese resultiert aber unbehandelt später in einer
zunächst reversiblen, dann irreversiblen
Panmyelophtise (= Verarmung des Knochenmarks an allen Zellen). Sie führt im
Finalstadium auch trotz Kastration zum
Tod des Patienten. Im Fall von Östrogenintoxikation mit allen Komplikationen
(Panzytopenie) hat sich neben der Kastration und Gabe von Bluttransfusionen,
Infektionsprophylaxe etc. die Gabe von
Prednisolon (1 mg/kg) zur preisgünstigen
Stimulation des Knochenmarks bewährt.
Die Erfolge entsprechen weitgehend
denen nach Gabe von humanmedizinischem Colony-stimulating-factor (CSF).
Orchitis-Epididymitis
Orchitiden/Epididymitiden sind fibrinöspurulente, abszedierende oder nekrotisierende Entzündungen von Hoden und/
oder Nebenhoden, die oftmals mit einer
Periorchiepididymitis, d. h. mit Ausdehnung auf den Processus vaginalis verbunden sind. Am häufigsten sind junge
Hunde (im Mittel ca. zwei Jahre) betroffen, bei denen es infolge einer Infektion
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mit fakultativ pathogenen Bakterien
(E. coli, Streptokokken spp, Staphylokokken spp, Mycoplasma spp) hämatogenlymphogen oder selten aszendierend von
Prostatitis oder Zystitis zu der entsprechenden Entzündung kommt. Als beweisend, dass die nachgewiesenen Erreger
tatsächlich in kausalem Zusammenhang
mit der klinischen Symptomatik stehen,
wird i. d. R. der hochgradige Nachweis
und die Monokultur der fakultativ pathogenen Erreger angesehen, da die Erreger
bei geringgradigem Nachweis insbesondere in der Mischflora als physiologische
Kommensalen angesehen werden. Differenzialdiagnostisch sollte auch an Staupe
und Brucella canis-Infektionen (einzig
Brucella canis ist obligat pathogen) sowie an autoimmune Orchitis, z. B. nach
Zerstörung der Blut-Hoden-Schranke
infolge eines Traumas, gedacht werden.
Das klinische Bild entspricht dem bei
den zuerst genannten Ursachen. Während
bei einer akuten Orchitis/Epididymitis
alle Kardinalsymptome der Entzündung
und oft zahlreiche, kleine, intraluminale
Abszesse zu finden sind, kommt es bei
einer chronischen Entzündung zu Hodenatrophie bzw. -fibrose. Die Prognose
ist bezüglich der Funktionswiederherstellung des betroffenen Hodens generell
fraglich bis schlecht. Die Therapie ist
langwierig und beinhaltet neben lokaler
Kühlung und Sepsistherapie (bei akuter
Orchitis) mindestens vier Wochen Breitspektrumantibiotika (möglichst gemäß
Resistenztest, sonst Gyrasehemmer,
Trimethoprim-Sulfonamide) und nicht
steroidale Antiphlogistika. Dennoch ist
oft die Entfernung des/der betroffenen
Hoden erforderlich, um eine vollständige
Heilung zu erzielen.
Hodentorsion
Bei der Hodentorsion oder konkrekter bei
der Torsion des Samenstrangs handelt es
sich i. d. R. um einen akuten Notfall, der
umgehender Behandlung bedarf. Generell
können intakte Rüden allen Alters betroffen sein, wobei in der Literatur das mittlere
Alter bei 5,9 Jahren, das mediane Alter bei
acht Jahren liegt. Generell kommt die Hodentorsion bei retiniertem (kryptorchem)
und/oder neoplastischem Hoden häufiger
vor, was die Diagnose erschwert, da die
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ansonsten charakteristische schmerzhafte
Umfangsvermehrung des Skrotums bei
Kryptorchiden fehlt. Die klinische Symptomatik beinhaltet alle Symptome des
akuten Abdomens, einschließlich Erbrechen, Lethargie, Anorexie und Fieber. In
extrem seltenen Fällen kann die Torsion
auch asymptomatisch sein. Aufgrund der
Torsion des Samenstrangs kommt es zu
einem Verschluss der Venen, Ödem, entzündlichen Veränderungen bis zur Nekrose des Hodens, eine Orchiektomie des
betroffenen Hodens ist bei diesen Veränderungen unumgänglich.
Prostataerkrankungen
Die häufigste Erkrankung der Prostata ist
die androgen-abhängige Benigne Prostatahyperplasie (BPH), die bei intakten
Rüden im Alter von sieben bis neun Jahren zu 80 – 100 % nachweisbar, allerdings
nicht in allen Fällen mit klinischer Symptomatik assoziiert ist. Klassische Symptome sind Harn- und Kotabsatzprobleme,
Blutträufeln oder reduzierte Fertilität.
Die durch die BPH bedingten intraprostatischen Zysten prädisponieren für eine
Prostatitis und Prostataabszesse. Von den
gutartigen und inflammatorischen Veränderungen der Prostata ist das seltene,
aber nicht androgenabhängige Prostatakarzinom abzugrenzen. Zur initialen
Diagnostik ist die digitale Palpation –
auch zur Kontrolle auf Schmerzhaftigkeit
– unerlässlich. Ansonsten stellt die Sonographie das Diagnostikum der Wahl dar,
die insbesondere zur Diagnostik von Prostatakarzinomen durch ultraschallgestützte
Biopsien ergänzt werden sollte. Labordiagnostische Untersuchungen (Blut, Urin)
eignen sich nur zur Diagnostik der BPH
(canine Prostata-spezifische Arginin-Esterase, CPSE); für das Karzinom gibt es
bislang keine spezifischen Marker. Klassische Therapie der BPH ist die chirurgische Kastration, reversible medikamentelle Therapieoptionen sind die Gabe von
Antiandrogenen (Osateronacetat), Gestagenen (Delmadinonacetat), slow release
GnRH-Agonist-Implantaten („Kastration
auf Probe“, Deslorelin) oder – jedoch
nicht zugelassen – 5-alpha-ReduktaseHemmern (Finasterid). Bei Prostatitis
wird zudem über mindestens vier Wochen
Antibiose nach Resistenztest verabreicht,
ergänzende chirurgische Interventionen,
wie Punktion (para-)prostatischer Zysten, Omentalisierung oder gegebenenfalls
Marsupialisation bei Prostataabszeß, sind
je nach Befund unerlässlich. Eine spezifische Therapie für das Prostatakarzinom
gibt es aufgrund der frühen und aggressiven Metastasierungstendenz mit mittleren
Überlebenszeiten von 3 – 6 (9) Monaten
(mit und ohne Therapie) nicht. Hervorzuheben ist, dass eine Kastration keine Besserung bringt und demnach nicht empfohlen wird. Generell scheinen Karzinome
der Prostata bei Kastraten häufiger als bei
intakten Tieren vorzukommen. Eine palliative Therapie mit Cyclooxygenase 2-Inhibitoren, Meloxicam oder Piroxicam,
scheint zu einer deutlichen klinischen
Verbesserung der betroffenen Hunde, allerdings ohne Beeinflussung der Überlebenszeit, zu führen.
Literatur
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Kleintierpraxis 53: 178-188.
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und künstliche Besamung beim Hund. Tierärztl
Prax 35 (K): 81-90.
Weiterführende Literatur bei der Verfasserin.
Korrespondenzadresse:
Dr. habil. Sandra Goericke-Pesch
Assoc. Prof., Dipl. ECAR
Department of Large Animal Sciences
Section Veterinary Reproduction and
Obstetrics
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