Missbrauch in Institutionen: Risikoanalyse und Schutzkonzepte

Missbrauch in Institutionen:
Risikoanalyse und Schutzkonzepte
Fachtag Traumapädagogik
15.9.2015
Basel, Bildungszentrum 21; Missionsstr.21
J. M. Fegert, Ulm
Offenlegung möglicher Interessenkonflikte
In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter)
– Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ,
Ländersozialministerien, Landesstiftung BaWü, Päpstliche
Universität Gregoriana, Caritas, CJD
– Reisebeihilfen,
Vortragshonorare,
Veranstaltungsund
Ausbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU,
Goethe Institut, Pro Helvetia, Shire, Fachverbände und
Universitäten sowie Ministerien
– Keine industriegesponserten
bureau“
Vortragsreihen,
„speakers
– Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Servier, BMBF,
Lundbeck
– Mindestens jährliche Erklärung zu
gegenüber
der
DGKJP
und
Komissionsmitgliedschaft
conflicts of
AACAP
interest
wegen
– Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen,
Mehrheitseigner 3Li
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Missbrauchsskandal 2010
Homepage der UBSKM
Missbrauch in Institutionen
•
Berichte von 1.138 Betroffenen
•
Durchschnittsalter: 52 Jahre
•
Altersspanne: 12 – 89 Jahre
•
58 % Männer, 42 % Frauen
•
96 % Missbrauchsfälle aus der Vergangenheit
•
91 % Fälle mit mehrfachem bis hin zu regelmäßig
wiederkehrendem Missbrauch
„Ich wurde während einer dreiwöchigen von der Kirche
organisierten Reise mehrere Nächte lang durch einen
Priester missbraucht.“
„Als ich 10 Jahre alt war, musste ich jede Woche einmal zur
Bibelstunde. Der Leiter hat mich jedes Mal missbraucht.“
Bewältigung: Hinderliche Aspekte
200
184
180
160
155
152
140
121
120
100
74
80
60
81
42
40
20
belastende
zusätzliche
Umstände
religiöse
Vorstellungen /
Vorgaben
belastende Gefühle
der Betroffenen
weiterhin Kontakt zu
Täter/in
gesellschaftlicher
Umgang mit Thema /
rechtliche
Rahmenbedingungen
negative Reaktionen
auf Hilfegesuch
keine Unterstützung
0
Mehrfachnennungen: N = 809 Nennungen von N = 534 Personen
„Als eines von uns Heimkindern versuchte, über den an ihm verübten
Missbrauch in der Einrichtung zu sprechen, bekam es Schläge und wurde
als unglaubwürdiger Lügner dargestellt von den Nonnen und den anderen
Heimerziehern. Das hat auf uns andere eine so abschreckende Wirkung
gehabt. Niemand hat sich über die Vorfälle zu sprechen getraut.“
Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in
Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten
und öffentlichen Einrichtungen und im familiären
Bereich“
Ergebnisse Auseinandersetzung mit der Problematik
„Sexueller Kindesmissbrauch“ zur Zeit des runden Tisches
Mehr-Ebenen-Strategie der Prävention
Implementierung von Mindeststandards
1. Vorlage eines verbindlichen Schutzkonzeptes
2. Durchführung einer einrichtungsinternen Analyse zu
arbeitsfeldspezifischen Gefährdungspotentialen und
Gelegenheitsstrukturen
3. Bereitstellung eines internen und externen
Beschwerdeverfahrens
4. Notfallplan für Verdachtsfälle
5. Hinzuziehung eines/einer externen Beraters/Beraterin
Verdachtsfällen (z.B. Fachkraft für Kinderschutz)
6. Entwicklung eines Dokumentationswesens für Verdachtsfälle
7. Themenspezifische Fortbildungsmaßnahmen für
MitarbeiterInnen durch externe Fachkräfte
8. Prüfung polizeilicher Führungszeugnisse
9. Aufarbeitung und konstruktive Fehlerbearbeitung
im Sinne der Prävention und Rehabilitierungsmaßnahmen
(Unterarbeitsgruppe I des Runden Tisches Kindesmissbrauch)
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Erfahrungen von Jugendlichen zu sexueller Gewalt in Einrichtungen der Jugendhilfe und Internaten
Studie: “Sprich Mit!“
Dr. Marc Allroggen
Dr. Thea Rau
Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Förderung von Forschungsvorhaben im Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten
IN KOOPERATION MIT
IN KOOPERATION
Stichprobe/Fragebogenbefragung vor Ort in den Einrichtungen (N=322)
2. Alter zum Zeitpunkt der Befragung
(in Jahren)
1. Anzahl Befragter
männlich
Jugendhilfe* 72 (22.4%)
weiblich
Summe
81 (25.2%) 153 (47.5%)
Internat*
112 (34.8%) 57 (17.7%) 169 (52.5%)
Summe
184 (57.0%) 139 (43.0%)
322
Mittelwert (MW)
16,69
Standardabweichung
1,25
Minimum
15,00
Maximum
22,00
* signifikant mehr Jungen aus Internaten und mehr Mädchen aus der Jugendhilfe
3. Wohndauer in der Einrichtung, nach Einrichtungsart
(in Jahren)
seit einem
schon immer Summe
best. Alter
Jugendhilfe
Internat
134 (99,3%)
135 (99,3%)
1 (0,7%)
1 (0,7%)
135
136
4. Alter seitdem in jetziger Einrichtung wohnend
(in Jahren)
Jugendhilfe
13,7
Internat
13,5
3,4
2,6
Minimum
2
5
Maximum
21
20
Mittelwert (MW)
Standardabweichung
IN KOOPERATION
Stichprobe/Fragebogenbefragung (N=322)
5. Aktuelle (Haupt‐)Tätigkeit
Art der Tätigkeit
Schule
Häufigkeit Prozent
243
79,9
3
1,0
Berufsausbildung
17
5,6
Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)
15
4,9
Berufsgrundbildungsjahr (BGJ)
3
1,0
(Fach-) Hochschulstudium
1
0,3
Ausbildungssuchend, arbeitssuchend/
arbeitslos
5
1,6
Schulpflichtig, aber Schulverweigerung
Berufstätig
Keine Angabe
Anderes
Gesamt
2
6
9
304
0,7
2,0
3,0
100,00
IN KOOPERATION
Fragebogen vor Ort in Anwesenheit von externen Hilfspersonen nach ausführlicher Info berbeitet
Auszug auf dem Einleitungstext für Jugendliche zur Beantwortung des Fragebogens ‐ Definition sexuelle Gewalt, die du bisher unfreiwillig erlebt hast oder
die du an/mit jemandem anderen getan hast.
In diesem Befragungsteil geht es speziell um "Sexuelle Gewalt" meint ganz verschiedene Dinge. Auch solche, die man auf den ersten Blick nicht als
sexuelle Gewalt erkennt, wie gegen den Willen geküsst zu werden oder etwas Obszönes über eine
Person ohne deren Wissen zu verbreiten (z.B. im Internet). "Sexuelle Gewalt" meint aber eben auch
Dinge wie (versuchte) Vergewaltigung. Die verschiedenen Formen sexueller Gewalt kommen unter
Gleichaltrigen aber auch zwischen Menschen verschiedenen Alters vor. Geschehen kann so etwas in der
Schule, zu Hause, auf der Straße oder anderswo. [FRAGEBOGEN ‐Teil 2‐ Seite 4 v. 47]
Aufbau der Fragen zu den erlebten Situationen
‐ Jeweils identische Fragestellung: 1x für eigene Betroffenheit, 1 x für eigene Täterschaft
‐ Orientierung anhand von Farben: Bei eigener Betroffenheit (blau)/ Täterschaft (orange) ‐ Abfrage konkret beschriebener Situationen (A‐H)
IN KOOPERATION
Ergebnisse – Eigene Betroffenheit
erlebte Situationen (A‐H)
Sexuelle Belästigung
27,4
Zwang eigenes Geschlechtsteil zu entblößen, um es zu zeigen
20,4
Berührung an Brust, Po, Schenkelinnenseite, Geschlechtsteil, Kuss
43,5
Zwang zu Selbstbefriedigung vor oder an einer anderen Person
11,7
Mit Penis in Mund eindringen
13,7
Mit Penis in After/Vagina eindringen
14,4
Mit Finger, Gegenstand oder Zunge in After oder Vagina eindringen
13,0
Sonstiges
6,5
0
5
10
15
20
25
30
Häufigkeiten in Prozent
35
40
45
50
IN KOOPERATION
Ergebnisse – Eigene Betroffenheit
In Kategorien zusammengefasst
Erlebte Situationen (Drei Kategorien: A, B‐D, E‐G, irgendein Erlebnis)
Sexuelle Belästigung
n=85
27,4
Übergriffe ohne
Penetration
Leichte Übergriffe
n=158
n=158
50,3
Penetration
n=78
25,0
Irgendein Erlebnis
n=176
57,0
0
10
20
30
40
Häufigkeit in Prozent
50
60
IN KOOPERATION
Ergebnisse – Eigene Betroffenheit
Gruppenunterschiede
Gruppenunterschiede nach Einrichtungsart (Drei Kategorien: A, B‐D, E‐G, irgendein Erlebnis)
N
Situation
Jugendhilfe
Internat
Sexuelle Belästigung
310
45
31,0%
40
24,2%
Übergriffe ohne Penetration
314
81
55,5%
77
45,8%
312
55
37,9%
23
13,8%
309
89
62,2%
87
52,4%
Penetration
Irgendein Erlebnis
*** p<.001
***
IN KOOPERATION
Ergebnisse ‐ Eigene Täterschaft
Einzelne Situationen (A‐H)
Sexuelle Belästigung
11,7
Zwang eigenes Geschlechtsteil zu entblößen, um es zu zeigen
4,6
Berührung an Brust, Po, Schenkelinnenseite, Geschlechtsteil, Kuss
11,8
Zwang zu Selbstbefriedigung vor oder an einer anderen Person
3,3
Mit Penis in Mund eindringen
2,6
Mit Penis in After/Vagina eindringen
2,6
Mit Finger, Gegenstand oder Zunge in After oder Vagina… 2,9
Sonstiges
0,7
0
5
10
Häufigkeiten
in Prozent
Häufigkeit in Prozent
15
IN KOOPERATION
Ergebnisse ‐ Eigene Täterschaft
Zusammengefasste Kategorien
Situationen (Drei Kategorien: A, B‐D, E‐G, irgendein Erlebnis)
Sexuelle Belästigung
11,7
n=36
Übergriffe ohne
Leichte Übergriffe
Penetration
n=46
15,4
n=46
Penetration
4,6
n=14
Irgendein Erlebnis
23,5
n=67
0
5
10
Häufigkeit in Prozent
15
20
25
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
aus den UBSKM Gesprächen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Typisches Vorgehen von Täter/innen in Institutionen (I)
•
Ausnutzen und Arrangieren von Situationen, in denen die
Täter/innen mit einem Kind allein sind
„Ich wurde im 8. und 9. Schuljahr über zwei Jahre hinweg von
meinem Klassenlehrer missbraucht. Ich hatte schlechte Noten
und mich dadurch unter Druck gefühlt. Das hat der Lehrer
ausgenutzt. Er hat mich zum Fotokopieren mit ins Sekretariat
genommen und dort zu sexuellen Handlungen genötigt. Immer
wieder hat er mich zu sich nach Hause bestellt, um Rasen zu
mähen oder mir Nachhilfe zu geben und sich dort an mir
vergangen. Auf der Klassenfahrt wurde ich nachts aus dem Bett
geholt und mit auf sein Zimmer genommen.“
•
Kirchlicher Kontext: Situationen, in denen sich jemand
anvertraut, wie z. B. die Beichte oder andere
seelsorgerische Situationen; Religionsunterricht,
Konfirmanden- bzw. Firmunterricht
"1957 begann es, dass der Pfarrer mich, eine damals Achtjährige,
nach der Messe und der Ohren-Beichte zurückhielt, die Kirchentür
verriegelte und sich an mir verging. Die anderen Kinder warteten
draußen auf mich. Ich verstand überhaupt nicht, was passierte
und fühlte mich total im Stich gelassen. Das ging immer weiter,
ich wurde zur Beichte geschickt, wollte nicht, musste aber.“
Typisches Vorgehen von Täter/innen in Institutionen (II)
•
Häufiger Ort, den Täter/innen nutzen: Schlaf- und
Waschräume, bzw. Zelte bei Ferienfreizeiten
„Ich wurde von zwölf bis 14 sehr häufig vom Jugendkaplan
sexuell missbraucht. Ich war Messdiener und in der
katholischen Jugend. Es fing bei einem Zeltlager an, wo der
Jugendkaplan sich zu uns Jugendlichen ins Zelt legte.“
•
Strategie der Täter/innen: schleichend ein scheinbar
positives Vertrauensverhältnis („Lieblinge“) aufbauen und mit
Belohnungen, Vorteilen und Ähnlichem aufrecht erhalten
oder durch Bestrafungen und Drohungen erzwingen
„Ich wurde Zehnjähriger bei den Pfadfindern von einem
Betreuer sexuell missbraucht. Ich habe es mit Liebe
verwechselt, er brauchte mir nicht zu drohen oder so. Es ging
über viele Jahre und ich war nicht der einzige.„
"Der Mix aus Bedrohung und Abhängigkeit in den
Institutionen ist fatal."
Typisches Vorgehen von Täter/innen in Institutionen (III)
•
Selten Einzelfälle, fast immer mehrere Kinder betroffen, teilweise
vom selben Täter, teilweise mehrere Täter. Missbrauch als
Routine. Jeder weiß es, keiner handelt.
"Im Kloster war der sexuelle Missbrauch durch den Direktor und
andere Alltag. Alle Schüler wussten es auch. Von den
Erwachsenen hätte es niemand geglaubt und niemand von uns
hat darüber gesprochen. Ich konnte mich wehren, aber viele
andere wurde vom Direktor vergewaltigt. Auch Sechsjährige!“
•
Teilweise auch Berichte von Missbrauch durch gleichaltrige oder
ältere Jugendliche
„Ich wurde im katholischen Kinderheim zwei Jahre lang von den
anderen älteren Jungs in der Gruppe vergewaltigt. Die Nonnen
waren im Nebenraum gewesen und haben nichts unternommen.
In der Beichte musste ich von den Vergewaltigungen ganz genau
erzählen, dann musste ich zur Strafe die Kirche putzen. Es hat
keine Kontakte nach außen gegeben, so dass es keine
Möglichkeit gab, jemandem was zu erzählen. Ich habe mich klein
gefühlt, und schwach und habe Angst gehabt.“
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Analyse von Gefährdungsrisiken
Zu unterscheiden sind:
–Institutionelle Gefährdungsrisiken
–Personelle Gefährdungsrisiken
Papier der UAG des Runden Tisches zu
Standards in Institutionen sieht eine
Risikoanalyse generell vor
Institutionelle Gefährdungsrisiken
– Arbeitsfelder in denen emotionale und dichte Beziehungen
zwischen Erwachsenen und Kindern bestehen wie:
- Professionelle Betreuung und Pflege
- Seelsorge
- Therapie, Krankenbehandlung, Beratung,
Begleitung
- Jugendarbeit
- Sport
– Gleichzeitig erhöhtes Risiko, dass Angehörige dieser
Berufsgruppen einem falschen Verdacht ausgesetzt werden
(Missbrauch mit dem Missbrauch), auch deshalb professionelle
Klärung von Gefährdungsrisiken und bewusste Thematisierung
unabdingbar.
– Institutionsstrukturen können Risiko erhöhen oder
vermindern, vgl. Gefahren in autoritär geführten Institutionen
oder laissez-faire geführten Institutionen (Conen 1995).
Volunteer Canada`s 10 Steps for Screening Volunteers
1. Risiko der Aufgabe bestimmen
2. Klare Aufgabenbeschreibung schreiben
3. Formales Bewerbungsverfahren etablieren
4. Bewerbungsformular benutzen
5. Persönliche Interviews/ Gespräche
6. Referenzen überprüfen
7. Registerauszug
8. Ausbildung, Training & Vermittlung von Haltung
9. Supervision und Evaluation
10. Nachbefragung von Teilnehmern
(wird z.B. auch vom Schweizer Sport systematisch
vorgenommen)
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch:
Zielgruppen
• Kinder und Jugendliche
• Erwachsene:
• Eltern und Erziehungsberechtigte
• Personen, die mit Kindern und Jugendlichen
arbeiten (z.B. Lehrer)
• Öffentlichkeit
• Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen
arbeiten im Rahmen eines Schutzkonzeptes
Präventionsarten
"Klassisches"
Präventionskonzept
nach Caplan (1964)
Täterbezogene
Prävention
Opferbezogene
Prävention
Verhaltensprävention
Primäre
Prävention
Sekundäre
Prävention
Tertiäre
Prävention
Verhältnisprävention
Präventionsprogramme für Erwachsene: Ziele
Eltern/
Erziehungsberechtigte
Personen, die mit
Kindern arbeiten,
wie sie ihre Kinder
darin schulen …
über Prävention von
1. wie sie Kinder
sexuellem
über die
Missbrauch aufklären
Prävention von
können.
sexuellem
wie sie ihre Kinder vor
Missbrauch
sexuellem
aufklären
Missbrauch schützen
können.
können.
2. wie man
wie Anzeichen eines
sexuellen
sexuellen
Missbrauch
Missbrauchs zu
erkennt und
erkennen sind und
meldet
wie sie ihn stoppen
können.
wie sie eine gesunde
Familiendynamik
stärken können.
Ziele Eltern darin schulen…
1.
2.
3.
4.
Personen die mit Breite
Kindern arbeiten Öffentlichkeit
1. Die Öffentlichkeit
über sexuellen
Missbrauch (z.B.
Prävalenz,
Interventionsmöglic
hkeiten, etc.)
informieren
2. Das Verhalten in
der Gesellschaft zu
verändern
Präventionsprogramme für Erwachsene:
Herausforderungen
Herausforderungen:
Konzeption
und
Implementierung von
wirksamen
Maßnahmen
Eltern/
Erziehungsberechtigte
Personen die mit
Kindern arbeiten
Wichtige Faktoren für
den Erfolg eines
Programmes sind:
• Interesse am
Thema
• Qualifikation der
durchführend
Person
• Zeitrahmen des
Programms
(Dauer von
Schulungsmaßnah
men)
• Referenzquelle
(Empfehlungen
von Ärzten oder
Lehrern
glaubhafter als
bspw. denjenigen
der Medien)
Wichtige Faktoren für •
den Erfolg eines
Programmes sind:
• Interesse am
Thema
• Qualifikation der
•
durchführenden
Person
• Zeitrahmen des
Programms
(Dauer von
Schulungsmaßnah •
men)
• Referenzquelle
(ähnlich wie bei
Eltern)
Breite Öffentlichkeit
Medien-basierte
Kampagnen sind
inhaltlich und
finanziell
aufwändig
Ihre Wirksamkeit
kann indirekt vom
Vorhandensein
von
Spendengeldern
abhängen.
Social-MarketingKampagnen
müssen auf
solider Recherche
im Blick auf die
Zielgruppe
beruhen.
Präventionsprogramme für Erwachsene: Merkmale
effektiver Programme
Eltern/
Erziehungsberechtigte
Studien
zur
Evaluieru
ng
Personen die mit
Kindern arbeiten
• Berufsgruppen
• Qualifizierte
spezifische
Trainer
• Diskussionsmög
Programme
lichkeit
• Einbezug beider
Elternteile
• „Hausbesuche“
in
risikobehafteten
Familien
Breite
Öffentlichkeit
• Wenig
Auswertungen
von öffentliche
Kampagnen
• Zielgruppenorie
ntierung und
sowie
thematische
Fokussierung
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Beschwerdefahrplan zur UN-Kinderrechtskonvention
•
8-seitiges Faltblatt, welches über die Kinderrechte der UN
informiert und dazu auffordert, Verletzungen der eigenen
Rechte zu melden
•
2006 von der National Coalition entwickelt
•
Verteilung des Flyers erfolgte über die verschiedenen
Mitglieder der National Coalition
•
Seit ca. 2 Jahren erfolgt der Vertrieb des Flyers
ausschliesslich online über die AGJ
Beschwerdefahrplan zur UN-Kinderrechtskonvention der
National Coalition - Eckdaten
Hürden und problematische Aspekte des Flyers
•
Zugang zum Flyer
•
Sprachbarriere – der Flyer ist nur in deutscher Sprache
erhältlich
Wenn der Weg über den Petitionsausschuss gewählt würde:
•
Heraussuchen und Eintragen der Adresse des
Petitionsausschusses und Frankierung der Karte
•
Die Kinder und Jugendlichen sollen ihr Problem auf einer
Postkarte schildern
Evaluation
•
Es fand keine Evaluation des Flyers statt.
•
Es wurde seinerzeit durch die National Coalition um eine
Rückmeldung der Petitionsausschüsse der Landtage der
einzelnen Bundesländer zur Nutzung des Flyers gebeten, es
kam jedoch keine Rückmeldung.
Es ist somit unklar …
•
wieviele Kinder und Jugendliche den Flyer genutzt haben,
•
welche Beschwerden eingereicht und
•
wie mit diesen umgegangen wurde.
Strategien für "Sichere Orte"
•
Partizipation und Mitbestimmung
•
Aufklärung der Kinder über ihre Rechte
•
Information der Kinder über Beschwerdewege
•
Information der Eltern über Beschwerdewege
•
Regeln mit Kindern und Jugendlichen entwickeln
•
Ansprechpartner/innen für Kinder und Jugendliche
benennen
•
Telefone für Kinder (Freischaltung zum Jugendamt und
zum Patientenfürsprecher oder andere
niederschwellige Beschwerdesysteme)
Niederschwellige Beschwerdesysteme für
Kinder
Freisprechanlage zum Patientenfürsprecher und zu den umliegenden Jugendämtern
in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Ulm
Frühe Kindheit 02/14
Anlage zum Arbeitsvertrag
„Gefahrgeneigte Tätigkeit“
Kind Jugend und Gesellschaft
Zeitschrift für Kinder- und Jugendschutz
2007
Aufklärung und Partizipation
Hat Dich jemand über Deine Rechte aufgeklärt?
N = 107
%
70
57,9
60
50
42,1
40
30
20
10
0
ja
keine Angaben = 1 weiß nicht = 3
nein
Wurdest Du informiert über die Stationsregeln?
70
%
Rostock (n = 146)
Weissenau (n = 149)
gesamt (n = 295)
60
50
40
30
20
10
0
ja sehr ausführlich eher ja ausführlich
Rostock (n = 146)
Weissenau (n = 149)
gesamt (n = 295)
Rostock:
keine Angaben = 1
Weissenau: keine Angaben = 2
66,4
47
56,6
11,6
20,1
15,9
teils teils
eher nicht
überhaupt nicht
6,8
14,1
10,5
2,7
3,4
3,1
12,3
15,4
13,9
Wurdest Du informiert über Deine Behandlung?
50
%
Rostock (n = 144)
Weissenau (n = 148)
gesamt (n = 292)
40
30
20
10
0
Rostock (n = 144)
Weissenau (n = 148)
gesamt (n = 292)
Rostock:
Weissenau:
ja sehr
7,6
25
16,4
keine Angaben = 2 weiß nicht = 1
keine Angaben = 3
eher ja
16,7
18,2
17,5
teils teils
16,7
18,2
17,5
eher nein
13,2
12,2
12,7
überhaupt nicht
45,8
26,4
36
Entsprechend der UNKinderrechtskonvention
sind die Rechte von
Mädchen und Jungen
auf institutioneller
Ebene verankert
Ohne Möglichkeit diese
einzufordern, bleiben
Regeln und Rechte
wirkungslos
Information
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Schutzkonzepte in Institutionen:
Top Down oder Bottom up oder Spezialistenaufgabe?
Top Down
Symbolfunktion (keine anderen Regeln für „die da oben“,
Vorbildcharakter)
Dienstanweisungen
Budgetbewilligung (z.B. Schweizer Sport)
Spezialisten z.B. Beauftragte in größeren Einrichtungen
oder z.B. in Diözesen
Zuständigkeitsbündelung
Steigerung der Kernkompetenz
Gute Vernetzung
Risiko „Spezialaufgabe“ (geht nicht alle an)
„Entsorgung des Problems“ (damit muss ich mir die Finger nicht
mehr schmutzig machen, dafür haben wir ja …)
Bottom Up
• Wie sehen es die Gruppenerzieher?
• Was wird auf Gruppenebene gemacht?
• Wie werden sorgeberechtigte Eltern informiert?
• Was haben betreute Kinder und Jugendliche von
Schutzkonzepten verstanden?
• Waren Sie partizipativ bei der Entwicklung einbezogen?
• Wurden „von oben“ wirklich vertrauenswürdige
Beschwerdewege gewählt?
Kinder und Jugendliche nennen sehr viel häufiger Peers oder
Eltern von Peers als mögliche erste Ansprechpersonen und
nicht Ombudsleute, Vertrauenslehrer etc.
Schutzkonzepte von
Jugendlichen und
Betreuungspersonen
Projekt „Ich bin
sicher!“
Ein interdisziplinäres Verbundprojekt
der
Universität
Hildesheim
(Prof. Schröer), der Klinik für Kinderund
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums
Ulm
(Prof.
Fegert)
und
der
Hochschule Landshut (Prof. Wolff).
Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) Förderung von Forschungsvorhaben im
Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Kinder
und Jugendliche in pädagogischen Kontexten.
BMBF Verbundprojekt „Schutzkonzepte vor sexueller Gewalt in
der Heimerziehung aus Sicht von Jugendlichen und
Gruppenerzieher/-innen
Ziel:
Erfassung der Wahrnehmung von Kindern, Jugendlichen und
MitarbeiterInnen hinsichtlich sexualisierter Gewalt sowie
Schutzkonzepten in stationären Einrichtungen der
Jugendhilfe, Internaten, Kliniken und Kurkliniken.
Die meisten Konzepte sind Top Down über Leitungs- oder
Trägervorgaben entstanden. Was davon kommt in der Praxis
an?
Ansatz:
Verbindung von Adressaten- und
Organisationsforschung mit Online-Befragungen und
Gruppendiskussionen
Zielgruppe und Forschungsdesign, Stichprobe
Studienrelevante Kontexte:
Heime, Internate und Kliniken
Online-Befragung
Gruppendiskussionen
2014
2014
Jugendliche
ab 14 J.
Kinder/
Jugendliche
ab 11 J.
Betreuungspersonen
Datenerhebung abgeschlossen
•
N = 490 Betreuungspersonen
•
N = 233 Jugendliche
Projekt „Ich bin sicher!“
Betreuungspersonen
Datenerhebung abgeschlossen
•
N = 73 Betreuungspersonen
in 13 Gruppendiskussionen
•
N = 87 Kinder/Jugendliche
in 17 Gruppendiskussionen
Perspektivvergleich
Betreuungspersonen und Jugendliche
Signifikante Unterschiede zwischen den Einschätzungen von
Betreuungspersonen und Jugendlichen in den meisten
Bereichen hinsichtlich Sicherheitsgefühl, Gruppenatmosphäre,
Partizipation und Elternarbeit.
– Jugendlichen bewerten unter anderem Strukturierung und
Ordnung in der Gruppe, Beteiligung und Partizipation sowie
Kooperation mit Eltern signifikant niedriger als
Betreuungspersonen
– Jugendliche nehmen die Gruppe signifikant negativer wahr als
Betreuungspersonen
– Nichtsdestotrotz:
Jugendliche fühlen sich signifikant sicherer in ihrer Einrichtung als
Betreuungspersonen dies einschätzen
(Allroggen et al., in Vorb.)
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Beschwerdemöglichkeiten“ (quant.)
Mehrheit der Jugendlichen (67.8%) kennt externe
Beschwerdemöglichkeiten
– Von denen, die externe Beschwerdemöglichkeiten kennen
– findet eine große Mehrheit diese eher oder sehr gut
(96.8%).
– haben die Meisten (60.8%), diese noch nicht selbst aktiv
genutzt.
– wird von einer großen Gruppe (67.1%) noch mehr solcher
Angebote gewünscht.
– Von denen, die keine Beschwerdemöglichkeiten kennen
– befürwortet eine große Mehrheit (75.8%) die Frage, dass
es solche Angebote geben sollte.
– Zeigt eine große Gruppe eine deutliche Skepsis gegenüber
einer potentiellen Nutzung: 87.8% die sich eher nicht oder
nur vielleicht vorstellen könnten, diese Angebote dann
auch zu nutzen.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Beschwerdemöglichkeiten“ (quant.)
Mehrheit der Betreuungspersonen (85.7%) informiert über
externe Beschwerdemöglichkeiten
– Von denen, die über externe Beschwerdemöglichkeiten
informieren
– bewertet eine große Gruppe diese hinsichtlich ihrer
Qualität als eher oder sehr gut (80.0%).
– gibt eine Mehrheit (73.5%) an, dass diese Angebote in
ihrer Einrichtung gegenwärtig überhaupt oder eher nicht
genutzt werden.
Frage, wie externe Beschwerdemöglichkeiten gestaltet
und implementiert werden müssen, um eine (effektive)
Nutzung sicherzustellen?
Kenntnis und Information darüber reichen anscheinend
nicht aus.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Beispielsequenz aus einer Gruppendiskussion (GD) mit
Jugendlichen, hier: Heimerziehung (GD_KuJ_A9)
Y1:
Cf:
Af:
Cf:
me:
Cf:
Mh, okay. Und gibt es denn dann irgendwie so eine Person hier, wo
ihr euch dann irgendwie beschweren könnt oder auch außerhalb
von der Einrichtung, (2) wenn ihr irgendwie unzufrieden seid mit
was?
Keine Ahnung. Also └wir
└Ja, wir hatten doch mal so einen Typ, der mal
hier war und meinte da kann man sich beschweren.
Mh, macht das irgendjemand?
Mh-mh, nee.
Da muss man rausgehen, wenn man zum Beispiel jetzt
Ausgangssperre hat, da hat man natürlich ausgeschissen.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Beispielsequenz aus einer Gruppendiskussion mit Jugendlichen, hier:
Internat (GD_KuJ_B2)
Y1:
Cm:
?m:
Cm:
Y1:
?m:
Äh, genau. (1) Ich weiß jetzt hattet ihr vorhin auch erzählt, dass
ihr irgendwie so so ein Kärtchen gekriegt habt, auch mit so
Telefonnummern oder so was. Ist so was, rein theoretisch, (.)
eine Option?
Ja das wäre dann glaube ich, (1) also bei mir auf jeden Fall, so
ein äh irgendwo dazwischen aber äm (.) ich (1) würde halt auch
gerne mit jemandem sprechen, der mich kennt, den ich kenne
und der└
└Der die Situation kennt.
└der die Situation kennt und der (.) das hier kennt und der
dann auch vielleicht die betroffene Person kennt. Das:
wäre mir sehr wichtig und (1) ä:m (2) ja das ist schön,
dass wir eine Beauftragte haben und so weiter, aber für
mich persönlich wäre es so, dass ich mich (.) erst mal
nicht an diese Person wenden würde.
Mhm.
Ich glaube ich auch nicht.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Ergebnistrends aus den Gruppendiskussionen mit Kindern bzw.
Jugendlichen
 In vielen Gruppendiskussionen berichten die Kinder und
Jugendlichen davon, dass sie über die Möglichkeit, sich an eine
externe Ansprechperson wenden zu können, informiert wurden.
 Dies geschieht in der Regel über die Aushändigung von Flyern,
Telefonkärtchen oder einmalige Vorstellungsbesuche der externen
Ansprechperson in der Einrichtung.
 Dennoch geben die Kinder bzw. Jugendlichen an, dass sie das
Angebot einer externen Ansprechperson nicht nutzen (würden).
 Als Gründe hierfür nennen sie, dass ihnen diese Beschwerde- bzw.
Beratungsform zu unpersönlich ist, dass ihnen auch andere
Ansprechpersonen zur Verfügung stehen (z.B. Freunde) sowie
dass die externe Ansprechperson in der Situation u.U. nicht
unmittelbar erreichbar ist.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Beispielsequenz aus einer Gruppendiskussion (GD) mit
Betreuungspersonen, hier: Heimerziehung (GD_BP_A12)
Y1:
Af:
Bf:
me:
Af:
Em:
?f:
Em:
Df:
Af:
Em:
Mhm, gibt es auch noch so einen externen Ansprechpartner für
die Jugendlichen?
Ja, wir haben doch └äm diesen äh @(.)@ ┘
└Wie hieß denn der?┘
@(3)@
Der sich doch mal bei uns vorgestellt hat └hängt auch an der
Pinnwand┘
└Da hängt einer an der Pinnwand. (2) Wir wissen
nicht, wie er heißt┘ jetzt so spontan .
└Das wird nicht genutzt.┘
und ich glaube auch, noch nie, @dass den jemand angerufen hat ( )@.
Das passiert eigentlich eher selten.
Also, er hat sich jedenfalls mal vorgestellt und hat gesagt, also wenn es
mal ( ) gibt, kann: jeder gerne └da hin(kommen)┘
└Genau, und┘ dann hat er sich an die Pinnwand gehängt und seitdem,
seitdem @hängt er da.@
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Bespielsequenz aus einer Gruppendiskussion mit
Betreuungspersonen, hier: Heimerziehung (GD_BP_A16)
Cf:
Am:
Cf:
Bf:
(…) ich habe das Gefühl, dass die Kinder bei uns äm (2) auch wüssten äm
wenn jetzt irgendwas in der Gruppe wäre (.) oder es äh von uns aus zu
irgendwelche Übergriffe oder so kommen würde, an wen sie sich wenden (),
da haben sie jetzt solche (1) Karten bekommen, jedes Kind, äm auf (2) der
die, die Nummer von der Bereichsleitung, also vom Herrn Baum steht und
ich (1) also (.) ich habe auch das Gefühl, dass (3) also ich denke die (.)
Kinder haben äm zu Herrn Baum auch so eine Beziehung, dass sie ihm
was erzählen würden, wenn jetzt irgendwas in der Gruppe nicht in Ordnung
wäre, also (1) bei unseren Kindern. Das denke ich zumindest äm └
└Oder, oder ansonsten Hubert und Biggi, die stehen nämlich
ganz groß im Kurs auch bei den Kindern. └(
)┘
└Genau, also, ich denke, wenn irgendwas gruppenintern┘
wäre äm bei de-, ja bei (.) dem die Kinder sich nicht trauen würden oder (1)
äm einfach wir die falschen Ansprechpartner wären (1) also, denke ich,
dass sie (.) wüssten an wen sie sich wenden können, also auf d-, diesen
Kärtchen steht jetzt auch noch die Nummer von einem Sachbearbeiter vom
Jugendamt oder so, aber das denke ich jetzt eher └also (1) der┘
└Der ist zu weit weg, ne.┘
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Ergebnistrends aus den Gruppendiskussionen mit Betreuungspersonen
 Die Betreuungspersonen berichten darüber, dass sie die Kinder und
Jugendlichen über externe Ansprechpersonen informieren. Dies
geschieht über die Verteilung von Flyern, Telefonkärtchen oder z.B. über
eine Einladung der externen Ansprechpersonen in die Einrichtung.
 Bei der Implementierung dieser Schutzmaßnahme scheint es sich
großenteils um einmalig ergriffene Einzelmaßnahmen zu handeln, die
„pro forma“ ausgeführt wurden, im Einrichtungsalltag aber keine
weitere Rolle spielen.
 Ebenso wie die Kinder bzw. Jugendlichen gehen auch die
Betreuungspersonen davon aus, dass die Heranwachsenden sich nicht
an externe Ansprechpersonen wenden (würden), da keine persönliche
Beziehung zu diesen besteht.
 Sie sind der Ansicht, dass die Kinder bzw. Jugendlichen ihnen
bekannte, einrichtungsinterne Personen (Peers, BetreuerInnen,
Einrichtungs- oder Bereichsleitung) als GesprächspartnerInnen
auswählen würden.
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Schlussfolgerungen I
Die Implementierung von Schutzkonzepten in
Organisationen wird häufig nicht als Chance
wahrgenommen, in einen dialogischen Prozess zu
Themen der Nähe und Distanz zwischen mit Kindern, Jugendlichen
und Betreuungspersonen im Sinne eines nachhaltigen
organisationalen Bildungsprozesses (vgl. Wolff 2015) einzutreten.
Die alltägliche Herstellung (doing Schutzkonzepte) eines für
alle AkteurInnen erleb- und spürbaren Schutzklimas wird
verfehlt
 Einzelne und /oder einmalige Aktionen führen lediglich zur
Anwendung vereinzelter Präventionsmaßnahmen, an deren Effekt
die Betreuenden selbst zweifeln.
 Betreuende überschätzen das Klima der Offenheit und die
Beschwerdemöglichkeiten in Institutionen
Projekt „Ich bin sicher!“
Beispiel „externe Ansprechperson“ (qual.)
Schlussfolgerungen II
 Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Möglichkeiten
und Wege zu finden, wie Kinder und Jugendlichen darin
unterstützt werden können, Vertrauensbeziehungen zu
externen Ansprechpersonen aufbauen zu können.
 Kinder und Jugendlichen brauchen externe Vertrauenspersonen,
die sie leicht und über mehrere Kommunikationswege erreichen
können. Es stellt sich die Frage, wie dies trotz der
Reglementierung von Internetzeiten und Handynutzung in den
untersuchten Settings zu realisieren ist. Vorschläge hierfür wären
u.a. Internet-Hotspots in der der Nähe von Jugendämtern und/oder
Rathäusern oder eine mobile App mit Informationen und
Unterstützungsangeboten für Handys anzubieten (vgl. Domann &
Rusack, 2015).
(zusammengestellt von: Meike Kampert, Pädagogin M.A., wiss. Mitarb. HAW Landshut)
Domann, Sophie & Rusack, Tanja (2015). Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe - die Sicht der Jugendlichen und Betreuungspersonen. KJug, 60.
Jg., Heft 3, 91 – 95.
Wolff, Mechthild (2015). Organisationsanalysen als Ausgangspunkt der Entwicklung eines besseren KlientInnenschutzes. In: Crone, Gerburg; Liebhardt,
Hubert (Hrsg.), Institutioneller Schutz vor sexuellem Missbrauch. Achtsam und verantwortlich handelt in Einrichtungen der Caritas. Beltz Juventa:
Weinheim„Ich
und Basel,
39 – 49.
Projekt
binS.sicher!“
Nach dem Schock des Missbrauchsskandals haben die
katholische Kirche und die Caritas top down zahlreiche
Massnahmen implementiert
Übersicht: Prävention in den Bistümern
Vereinbarung DBK und UBSKM
Ziele:
… einen Überblick über die in den
Diözesen, kirchlichen Institutionen
und Verbänden praktizierten
Präventions- und
Interventionskonzepte geben
… die Durchführung einer Befragung
zur Umsetzung der Leitlinien sowie
der langfristigen Aufarbeitung im
Bereich der kirchlichen
Institutionen unterstützen
81
82
Verwirrende Vielzahl von Leitlinien und Bestimmungen
Beispiel: Caritasverband Rottenburg-Stuttgart
Schriftstück
Datum
Deutsche Bischofskonferenz: Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche
27.09.2002
im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz
Diözese Rottenburg – Stuttgart: Regularien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger in
01.10.2002
der Diözese Rottenburg – Stuttgart
Kongregation für die Glaubenslehre: Veränderungen in den Normae de gravioribus delictis, die der
15.07.2010
Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind
Deutsche Bischofskonferenz: Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch
31.08.2010
Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen
Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz: Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im Bereich der
23.09.2010
Deutschen Bischofskonferenz (Rahmenordnung)
Diözese Rottenburg‐Stuttgart: Erklärung von Bischof Dr. Gebhard Fürst zur Umsetzung der „Leitlinien“
15.10.2010
der Deutschen Bischofskonferenz in der Diözese Rottenburg‐ Stuttgart
Diözese Rottenburg‐Stuttgart: Rahmenordnung zur Abstimmung der Zusammenarbeit der Kommission
04.11.2010
sexueller Missbrauch (KsM) mit Kommissionen oder Beauftragten der rechtlich selbstständigen
Einrichtungen in der Diözese Rottenburg ‐ Stuttgart
Diözese Rottenburg‐Stuttgart: Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen‐Bischöfliches
15.03.2011
Gesetz zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im
Bistum Rottenburg ‐ Stuttgart
Kongregation für die Glaubenslehre: Rundschreiben um den Bischofskonferenzen zu helfen, Leitlinien
03.05.2011
für die Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kleriker zu erstellen
Deutscher Caritasverband: Empfehlungen des Deutschen Caritasverbandes zur Prävention gegen
08.07.2011
sexuellen Missbrauch sowie zum Verhalten in Missbrauchsfällen in den Diensten und Einrichtungen der
Caritas, insbesondere in der Kinder‐, Jugend‐ und Behindertenhilfe (novellierte Fassung)
Diözese Rottenburg‐Stuttgart: Ausführungsregelung zur Anwendung des Gesetzes zur Vermeidung von
15.07.2011
Kindeswohlgefährdungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Bistum Rottenburg ‐ Stuttgart für
die MitarbeiterInnen der Diözesankurie
Caritasverband der Diözese Rottenburg‐Stuttgart: Regeln des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg
04.08.2011
– Stuttgart e.V. zur Prävention von sexuellem Missbrauch sowie zum Verhalten bei Missbrauchsfällen in
den Diensten und Einrichtungen der Caritas (Leitlinien)
83
Schutzkonzepte Projekt der Caritas
Partizipative Umsetzung bottom up
Projektübersicht
1. Projektjahr: Online-Befragung
 Durchführung einer Onlinebefragung
(14.03.2013 – 08.05.2013)
 Leitungskräfte aus Einrichtungen und Diensten des
DiCV Rottenburg-Stuttgart
 N = 214 Teilnehmende
 Ziel: Erhebung des Ist-Zustandes und Identifikation von
Ansatzpunkten für die Arbeit im zweiten Projektjahr in
Bezug auf institutionelle Maßnahmen zum Schutz vor
(sexualisierter) Gewalt
 Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse: Studientag
26.06.2013
 Anschließend Bewerbung von Einrichtungen/Diensten
als Partnereinrichtung für das 2. Projektjahr möglich
1. Projektjahr: Zentrale Ergebnisse
Als Trends erkennbar, dass …

… Inhaltsbereiche, die auf Mitarbeitende und gesetzliche Vorgaben
fokussieren, vergleichsweise gut umgesetzt sind
(bspw. u.a. Partizipation von Mitarbeitenden und Personalentwicklungsmaßnahmen wie erweiterte
Führungszeugnisse, Ansprechen des Themas bei Bewerbungs-/ Einstellungsgesprächen).

… vielerorts bisher eher punktuelle Maßnahmen umgesetzt wurden,
aber ein umfassendes Konzept zum Kinderschutz (noch) fehlt.

… für konkrete Einzelmaßnahmen aus folgenden Inhaltsbereichen
der Umsetzungsstand bisher eher gering ist bei einer gleichzeitig
hohen Einschätzung zur Umsetzbarkeit:
•
Risikoanalyse,
•
Beschwerdemanagement,
•
Zielgruppenspezifisches
Informationsmaterial
(zur Haltung und zum Thema „Schutz vor sexualisierter Gewalt/
sexuellem Missbrauch/ sexueller Gewalt“).
inhaltliche
Schwerpunkte
für das 2.
Projektjahr
Projektübersicht
2. Projektjahr: Arbeit mit Partnereinrichtungen
 Workshop 01.10.2013: Wissensvermittlung zur
Durchführung einer Risikoanalyse, zu
Beschwerdeverfahren und Informationsmaterialien
 Oktober 2013 – Februar 2014: eigenständige
Bearbeitung in den Einrichtungen mit Begleitung durch
KJPP Ulm (vor-Ort-Termine in den Einrichtungen)
 Workshop 12.03.2014: Vorstellung bisheriger
Ergebnisse, professionelles und kollegiales Feedback
 Laufend:
• Weiterer kollegialer Austausch und Vorstellung in
internen Gremien
• Erstellung von Praxisberichten sowie
Fertigstellung von Materialien in den Einrichtungen
 Bestandteil der Projektpublikation i.S. von
Erfahrungsberichten/ Good-practice-Beispielen
2. Projektjahr: Veranschaulichung/ Beispiele
Auszug aus Gesamtmaterialien
Workshop 01.10.2013: Übung zur
Sensibilisierung
Partizipatives Ampelprojekt mit Jugendlichen
Auszug aus Gesamtmaterialien Workshop
01.10.2013: „Fahrplan“ Umsetzung Ampel-Modell
Zwischenergebnis des Jugendcafé Gerstetten zum
Ampel-Modell; gemeinsam erarbeitet mit Jugendlichen
Gliederung
• Einleitung: UBSKM, Runder Tisch
• Risiken:
- Kinder in institutioneller Betreuung,
eine besondere Risikogruppe
- Beschreibung typischer Risikokonstellationen
- Risikoanalyse in Institutionen
• Schutzkonzepte:
- Prävention, Fortbildung
- Beschwerdemanagement, Aufklärung
über Kinderrechte
- Was kommt bei den betreuten Kindern
und Jugendlichen und bei den
Bezugspersonen an
• Fazit
Fazit
•
Kinder- und Jugendliche in institutioneller Betreuung sind
eine Hochrisikogruppe mit Blick auf sexuelle Gewalt.
Mädchen berichten signifikant häufiger über Übergriffe als
Jungs
•
Mehr als ein Fünftel der Jugendlichen in
Institutionen (vor allem Jungen in Heimen und
Internaten) berichtet auch darüber selbst
übergriffig geworden zu sein. Dies muss bei einer
Risikoanalyse mit berücksichtigt werden.
•
Zu unterscheiden sind institutionelle Risiken und
personale Risiken.
Fazit: Schutzkonzepte müssen für die jeweilige Institution,
aufbauend auf einer spezifischen Risikoanalyse entwickelt
werden.
•
Zu einem umfassenden Konzept gehören:
- Mitarbeiterschulung
und Information
- Information der betreuten Kinder und
Jugendlichen und ihrer Eltern
- Beschwerdemanagement
- Schutzkonzepte in der Personalauswahl und
Personalführung
•
Entscheidend ist nicht was in irgendwelchen Ordnern steht oder was
an Konzepten an die Aufsichtsbehörden eingereicht wurde, sondern
entscheidend ist das was tatsächlich bei den betroffenen
Kindern und Jugendlichen und beim direkt in die Betreuung
involvierten Personal ankommt.
•
•
Schutzkonzepte müssen deshalb vor Ort bei den Adressaten
evaluiert werden.
Angaben der Einrichtungsleitung allein reichen hier nicht aus.
Veranstaltungshinweise:
•
Kamingespräch am 11.11.2015 19.30 in Ulm Villa
Eberhardt
– Institutionen als sichere Orte - Die Debatte
um Schutzkonzepte und Risikoeinschätzung
mit Pater Mertes (SJ); Dr. Bange, Prof.
Wolff; Dr. v. Bismarck, Prof Dr. Kölch
• Jahrestagung des Kompetenzzentrums
Kinderschutz in der Medizin am 12.11.2015
Siehe unter:
http://www.uniklinik-ulm.de/struktur/kliniken/kinder-undjugendpsychiatriepsychotherapie/home/aktuelles/veranstaltungen.html
XXXV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
„Dazugehören“
Bessere Teilhabe für traumatisierte und psychisch belastete Kinder
und Jugendliche
22. – 25. März 2017
Ulm
Kongresszentrum CCU und Maritim Hotel Ulm
Kongresspräsident: Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Wissenschaftlicher Kongresssekretär: PD Dr. Paul Plener
Politische und organisatorische Kongresssekretärin: Dr. Daniela Harsch
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /
Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 5
89075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert